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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.01.2024, RV/5100691/2022

Erhöhte Familienbeihilfe - Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 05.2018-01.2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** (Ordnungsbegriff: ***OB***) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) ***Bf1*** beantragte die erhöhte Familienbeihilfe wegen Behinderung für ihr Kind ***X*** (geb.: ***X1***) am - rückwirkend ab 05/2018 - mittels Formular Beih3.

Dieser Antrag wurde, unter Hinweis auf einen erforderlichen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 Prozent, für den Zeitraum Mai 2018 bis Jänner 2022 mit Bescheid vom abgewiesen.

In der dagegen fristgerecht erhobenen - als Einspruch bezeichneten - Beschwerde vom wurde insb. darauf hingewiesen, dass bei der Untersuchung im Sozialministeriumservice (Sachverständige: ***A1***) der Befund von ***A2*** vorgelegt wurde, woraus ersichtlich ist, dass die chefärztlich bewilligte Logopädie seit Mai 2018 durchgeführt wurde.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom heißt es in der Begründung, dass in der im Beschwerdeverfahren erstellten Bescheinigung vom beim Kind ab ein Behinderungsgrad von 50% diagnostiziert wurde. Ab diesem Zeitpunkt wird die erhöhte Familienbeihilfe für das Kind gewährt.

Der Grad der Behinderung ist durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (SMS) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens festzustellen. Die beiden vom SMS am (mit Untersuchung) sowie am (aufgrund der Aktenlage) erstellten Gutachten bescheinigen eine Behinderung im Ausmaß von 50% erst ab Februar 2022.

1. SMS-Gutachten vom lautet:

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Vorgelegt im Rahmen der Untersuchung:

03/22 ***A3***.: Autismusspektrumstörung mittelgradiger bis starker Ausprägung; nicht organische Enkopresis; intellektuelle Fähigkeiten über dem Durchschnittsbereich der Altersnorm (IQ 118).

02/22 ***A4***, Kinder-FA: V.a. Autismusspektrumstörung - Asperger Sy mit überdurchschnittl. IQ; Körperwahrnehmungs- und Reizverarbeitungsstörung; NM- Allergien; prim. Enuresis noct.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut.

Ernährungszustand: gut.

Größe: 133,00 cm Gewicht: 28,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus: internistisch unauff. Bewegungsapparat unauff., frei.

Gesamtmobilität-Gangbild: frei, harmonisches Bewegungsmuster.

Psycho(patho)logischer Status: keine kognitiven Auffälligkeiten, guter Blickkontakt, motorisch leichte Unruhe.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Rahmensätze:

Pos.1 Autismus-Spektrum-Störung. Einnässen tags und nachts, fallweise auch Einkoten. Anamnestisch laufende Therapien. Medikation mit Minirin. Intellektuelle Fähigkeiten über dem Durchschnittsbereich. Pos.Nr.: Grad der Behinderung (GdB): 50 %

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: laut Pos 1.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine.

Stellungnahme zu Vorgutachten: Erstgutachten. Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 02/2022

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: laut Befund ***A4*** 02/22 mit Verdachtsdiagnose, diese psychol. dann 03/22 bestätigt.

Nachuntersuchung: in 5 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Verlaufskontrolle, Besserung durch Nachreifung möglich

2. SMS-Gutachten vom lautet:

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Alle elektron. vorliegenden Befunde/Nachweise inkl. allfällig vorhandener Vorgutachten wurden eingesehen und berücksichtigt - maßgebliche Auszüge daraus werden nachstehend aufgelistet:

04/22 Vorgutachten ***A1*** mit 50% wegen Autismus-Spektrum-Störung. - Einnässen tags und nachts, fallweise auch Einkoten. Anamnestisch laufende Therapien. Medikation mit Minirin. Intellektuelle Fähigkeiten über dem Durchschnittsbereich. - GdB liegt vor seit: 02/2022.

Nun Einspruch gegen den Bescheid bzw den Anrechnungsbeginn.

Neu vorgelegte Befunde bzw. Berichte:

02/22 ***A5***, AM: Vd. Autismus-Spektrum Störung - Asperger Syndrom mit überdurchschnittlichem IQ (F84.5) Körperwahrnehmungs- und Reizverarbeitungsstörung (R44.8) Harn- und Stuhlinkontlnanz bei Tag und Nacht (R15, R32) Nahrungsmittelallergien

02/22 Ergotherapeutin ***A6***: ergotherapeutischer Kurzbericht bei Diagnose It. Verordnung: Vd. auf Wahrnehmungsstörung, zur Steigerung der Feinmotorik und Körperwahrnehmung.

05/18 ***A5***, AM: Überweisung ad Logo wg. expressiver Sprachstörung

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: Medikation: Minirin wegen Einnässen. Therapien: Logo. Ergo - kein Nachweis

Pos.1 Autismus-Spektrum-Störung. Einnässen tags und nachts, fallweise auch Einkoten. Anamnestisch laufende Therapien. Medikation mit Minirin. Intellektuelle Fähigkeiten über dem Durchschnittsbereich. Pos.Nr.: Grad der Behinderung (GdB): 50 %

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: laut Pos 1.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine.

Stellungnahme zu Vorgutachten: Unveränderter Gesamt-GdB.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 02/2022

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Obwohl angeborene Erkrankung, unterscheidet sich die frühkindliche Entwicklung meist nicht von anderen, sogenannten "gesunden" Kindern, und spezifische Symptome entwickeln sich erst im Laufe der Entwicklung. Auch nach Durchsicht der neu vorgelegten Befunde bzw Berichte kann daher der Anrechnungsbeginn nicht früher erfolgen, da keine früheren Facharztbefunde vorgelegt wurden.

Nachuntersuchung: in 5 Jahren Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Verlaufskontrolle, Besserung möglich

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag wurde die Anerkennung der Behinderung ab Diagnosestellung im Mai 2018 beantragt.

Mit ) wurde der - als Einspruch gegen die BVE vom titulierte - Vorlageantrag vom 10. August (eingelangt: ) von ***Y*** (Gatte der Bf) als nicht zulässig zurückgewiesen, weil er nicht Bescheidadressat und somit nicht im eigenen Namen zur Einbringung des gegenständlichen Vorlageantrages legitimiert war.

In der Folge wurden von der belangten Behörde ein Vorlageantrag sowie ein als "Ergänzung zum Vorlageantrag vom 10. August" bezeichnetes Anbringen mit dem Vorlagebericht übermittelt. Die Bf erteilte ***Y*** am eine schriftliche Vollmacht zur Einbringung des gegenständlichen Vorlageantrages. Dieser wurde daraufhin im Namen beider Eltern sowie gemeinsam unterfertigt, fristgerecht am eingebracht.

Ergänzend wird darin vorgebracht, dass auch vom Finanzministerium die Aussage des SMS, wonach rückwirkende Auszahlungen der zustehenden erhöhten Familienbeihilfe grundsätzlich abgelehnt bzw. der Antrag "ignoriert" wird, kritisiert worden sei.
Im vorliegenden Fall handle es sich lt. den Ausführungen des Allgemeinmediziners ***Y*** um ein mittlerweile 6-jähriges Kind, bei dem ab Mai 2018 laufend Entwicklungsstörungen diagnostiziert worden seien. Von Geburt an wurde eine Regulationsstörung diagnostiziert, die rückblickend auf die mittel- bis schwergradige Entwicklungsstörung zurückzuführen sei.
Die logopädischen Einheiten wurden von der OÖGKK im Mai 2018 bewilligt. Seit Juni 2018 befindet sich ***X*** In laufender logopädischer Therapie. Aufgrund der weiter auffallenden Entwicklungsstörungen in der frühkindlichen Entwicklung erhielt er ab 2020 Frühförderung vom Land OÖ durch die Diakonie ***1***.
Eine Betreuung durch die Krabbelstube/Kindergarten in ***Ort1*** Im Herbst 2018 scheiterte am Platzmangel bzw. (Sonder-)Pädagogenmangel, weshalb sein Sohn von einer Tagesmutter mit spezifischer Weiterbildung seit Jänner 2019 betreut wird.

Seit 2020 stand sein Sohn auf der Warteliste für Ergotherapie, die er ab Juni 2021 laufend erhält. Im Februar 2022 konnte dann zusätzlich aufgrund des motorischen Defizite mit Physiotherapie begonnen werden.

Eine Diagnoseerstellung mittels entwicklungspsychologischem Gutachten und ADOS wurde von der S ***A2***, ***Ort2***, durchgeführt. Dieser Befund wurde beim persönlichen Begutachtungstermin vorgelegt, wo ebenfalls alle laufenden Therapien angeführt wurden sowie die Überweisung für Logopädie von 2018 mit der oben angeführten Diagnose.

Nach der Hauptdiagnoseerstellung von ***A2*** wurde um Pflegegeld angesucht und die Pflegestufe 4 zuerkannt.

Im Gutachten des SMS würden nach Auffassung von ***Y*** gravierende Differenzen im Vergleich zum Pflegegeldgutachten der PVA, dem psychologischen Befund und dem ergotherapeutischen Entwicklungsbericht bestehen. Zudem weise die begutachtende Ärztin offensichtlich eine Wissenslücke hinsichtlich Entwicklungsstörungen im Sinn einer Autismus-Spektrum-Störung auf, da sie unqualifizierte Kommentare und Einschätzungen zum Verlauf und der Entwicklung des Kindes getätigt haben soll.

In weiterer Folge wurden von ***Y*** Klarstellungen in medizinischer Hinsicht (umfassende Darstellung samt medizinischer Einschätzung der Krankheitsgeschichte) getroffen, weil seiner Meinung nach eine rückwirkende Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe zumindest ab Mai 2018 geboten gewesen wäre.

Aufgrund des beigelegten Konvoluts wurde die Würdigung und Anerkennung der medizinischen Befunde, Sachverständigengutachten, Überweisungen, Berichte, Rechnungen und Therapiebestätigungen für die Feststellung der Beeinträchtigung iHv zumindest über 50% sowie die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ab Diagnosestellung im Mai 2018 gem. § 8 Abs. 4 und § 10 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1987 beantragt.

Sollten bei der Durchsicht der Unterlagen Unklarheiten bestehen, wird eine erneute Untersuchung bei einem qualifizierten Sachverständigenarzt/-ärztin beim SMS in Anwesenheit von ***Y***, Arzt für Allgemeinmedizin, Sachverständiger für Pflegegeldbegutachtungen der PVA und die korrekte Ausstellung eines Sachverständigengutachtens gem. § 8 Abs. 6 FLAG 1967 beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) ***Bf1*** beantragte die erhöhte Familienbeihilfe wegen Behinderung für ihr Kind ***X*** (geb.: ***X1***) am - rückwirkend ab 05/2018 - mittels Formular Beih3.

Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag abgewiesen, weil der erforderliche Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent für den Beschwerdezeitraum Mai 2018 bis Jänner 2022 nicht gegeben war. Als weitere Voraussetzung war in der Begründung angeführt, dass die Behinderung nicht nur vorübergehend vorliegen darf.

In der abweisenden BVE vom wird auf das vom Sozialministeriumservice (SMS) erstellte Gutachten vom verwiesen, worin beim Kind ab ein Behinderungsgrad von 50% diagnostiziert und folglich ab diesem Zeitpunkt die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wurde.

Im rechtzeitig vom bevollmächtigten Ehegatten gemeinsam mit der Bf eingebrachten Vorlageantrag wurde neuerlich die Anerkennung der Behinderung ab Diagnosestellung im Mai 2018 beantragt.

Darin wurde das Beschwerdevorbringen von ***Y*** um Klarstellungen in medizinischer Hinsicht (umfassende Darstellung samt medizinischer Einschätzung der Krankheitsgeschichte) ergänzt, weil seiner Meinung nach beim Gutachten des SMS gravierende Differenzen im Vergleich zum Pflegegeldgutachten der PVA, dem psychologischen Befund und dem ergotherapeutischen Entwicklungsbericht bestünden und überdies die begutachtende Ärztin offensichtlich Wissenslücken im Bereich Entwicklungsstörungen im Sinn einer Autismus-Spektrum-Störung aufweise.

Er bekräftigte dabei neuerlich, dass seiner Meinung nach eine rückwirkende Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe zumindest ab Mai 2018 geboten gewesen wäre.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen sowie den von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Unterlagen, insb. aus den unter Punkt I.) angeführten ärztlichen Sachverständigengutachten vom und vom .

Das Bundesfinanzgericht sah es als erwiesen an, dass beim Kind ***X***, VNR ***SV***, für den beschwerderelevanten Zeitraum ein Behinderungsgrad von mindestens 50 % nicht gegeben war.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 8 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 93/2022 lautet:

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, (Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten) (Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten) 3. ab um 155,9 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl.Nr. 194/1961, anzuwenden.

§ 2 der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) lautet:

(1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass die belangte Behörde den Vorlageantrag sowie zusätzlich ein als "Ergänzung zum Vorlageantrag vom 10. August" bezeichnetes Anbringen mit dem Vorlagebericht übermittelte. ***Y*** wurde am von der Bf zur Einbringung des gegenständlichen Vorlageantrages ("Einspruch gegen die BVE") eine schriftliche Vollmacht erteilt. Dieser wurde daraufhin im Namen beider Eltern sowie gemeinsam unterfertigt, fristgerecht am eingebracht. Nach der Judikatur () kann die Bf als Vollmachtgeberin auch im eigenen Namen weiterhin verbindliche Erklärungen abgeben. Da aber ohnehin Einvernehmen zwischen Vollmachtgeberin und Vollmachtnehmer bestanden hat, ist von einem korrekt eingebrachten Vorlageantrag auszugehen.

Ausmaß der Behinderung

Gem. § 2 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 hat der Gesetzgeber die Feststellung des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Finanzämter als Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus resultiert de facto eine Bindung an die Feststellungen der im Wege des SMS (Sozialministeriumservice) erstellten Gutachten und darf die belangte Behörde die auf Basis des Gutachtens erstellte Bescheinigung nur insoweit überprüfen, ob diese als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen ist (z.B. mit Hinweis auf , und ; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, Rz 29 zu § 8). Das Bundesfinanzgericht (BFG) sieht bei der gegenständlichen Sach- und Beweislage keinen Grund bei den mit vollständigem Text übermittelten Sachverständigengutachten, an deren Schlüssigkeit sowie am festgestellten prozentuellen Ausmaß der Behinderung (50 %) zu zweifeln.

Anzumerken ist, dass auch von der Bf die in den genannten Gutachten enthaltenen Feststellungen sowie der daraus resultierende GdB dem Grunde nach nicht in Zweifel gezogen werden, sondern ihrer Meinung nach lediglich der Zeitpunkt der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe unzutreffend sei. Es wird von der Bf diesbezüglich eingewendet, dass die gegenständliche Beeinträchtigung nicht nur "vorübergehend" besteht und auch nicht heilbar, sondern nur therapierbar sei, weshalb möglichst früh mit einer Logopädie begonnen werden sollte.

Dieser Einwand ist nicht nachvollziehbar, da im angeführten Bescheid auf diese Anspruchsvoraussetzung hingewiesen und zudem in beiden SMS-Gutachten übereinstimmend festgehalten wird, dass der diagnostizierte Grad der Behinderung voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern wird. Strittig ist im vorliegenden Fall lediglich, ab welchem Zeitpunkt der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung (mind. 50 %) zusteht. Der Beginn wurde in den vom erkennenden Richter als schlüssig und vollständig eingestuften Gutachten jeweils mit Februar 2022 festgelegt, weshalb für die Beihilfenbehörden nach der angeführten Judikatur de facto eine Bindung an die Feststellungen der im Wege des SMS erstellten Gutachten besteht und ist demnach auch der dort genannte Zeitpunkt für die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe als verbindlich anzusehen.

Hinsichtlich der vom Ehegatten der Bf im Vorlageantrag geäußerten Kritik an der Gutachtenserstellung durch das SMS ist auf das familiäre Naheverhältnis Bedacht zu nehmen, weshalb die behaupteten Mängel in Bezug auf die medizinische Beurteilung nicht als erwiesen angenommen werden können (vgl. ), da diese einerseits nicht in einem ärztlichen Sachverständigen-Gutachten geäußert und andererseits auch nicht von einem "unbefangenen" Arzt erhoben wurden.

Rückwirkende Geltendmachung der erhöhten Familienbeihilfe

Im ersten SMS-Gutachten vom wurde im Befund nach erfolgter Untersuchung durch ***A1*** ein GdB von 50 % ab Februar 2022 festgestellt. Im zweiten SMS-Gutachten erfolgte die Berücksichtigung neuer Befunde und Berichte bei der Gutachtenserstellung.

In der BVE wurde von der belangten Behörde unter Hinweis auf § 8 FLAG 1967 wegen fehlender gesetzlicher Voraussetzungen eine rückwirkend erhöhte Familienbeihilfe ab Mai 2018 ausgeschlossen. Als Begründung erfolgte dabei ein Verweis auf den im SMS-Gutachten vom genannten Zeitpunkt (02/2022), ab dem der erforderliche GdB von 50 % gegeben war. Im angeführten Gutachten wurde dieser Zeitpunkt damit begründet, dass sich auch bei einer angeborenen Erkrankung die frühkindliche Entwicklung meist nicht von anderen, sogenannten "gesunden" Kindern unterscheidet und sich spezifische Symptome erst im Laufe der Zeit entwickeln würden. Zudem erfolgte auch keine Vorlage früherer Facharztbefunde.

Da in beiden SMS-Gutachten als maßgeblicher Zeitpunkt übereinstimmend der genannt wurde und diese sich für den erkennenden Richter in nachvollziehbarer Weise einander ergänzen, wurde vom Finanzamt zu Recht auf diese beiden Gutachten Bezug genommen.

Die von ***Y*** erhobenen Bedenken bzgl. fachlicher Defizite ("Wissenslücken") der begutachtenden Ärztin sowie die behaupteten "unqualifizierten Kommentare und Einschätzungen zum Verlauf und der Entwicklung des Kindes" können wegen einer aus dem familiären Naheverhältnis zum betroffenen Kind resultierenden "Befangenheit" nicht als erwiesen angenommen werden.

Da von der Bf bei den gegenständlichen SMS-Gutachten keine Widersprüche bzw. fehlende Schlüssigkeit aufgezeigt werden konnten, besteht nach der Judikatur () eine Bindung an die genannten Gutachten und sind diese hinsichtlich des diagnostizierten GdB sowie des maßgeblichen Zeitpunktes () somit als verbindlich anzusehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Sowohl der mit Hinweis auf , und als auch der VfGH bejahen eine Bindung an die im Wege des Sozialministeriumservice erstellten Gutachten. Die vom Bundesfinanzgericht vorgenommenen Schlüssigkeitsprüfung betraf keine Rechtsfrage. Das vorliegende Erkenntnis beruhte im Wesentlichen auf der Beweiswürdigung (Schlüssigkeitsprüfung), ob und seit wann beim Sohn der Bf eine erhebliche Behinderung im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 vorlag. Die Revision war daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

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