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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.01.2024, RV/6100267/2021

§11 BAO, Haftungsbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Z. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftungsbescheid / Sonstige 2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom Datum, Zahl für schuldig erkannt, nach § 33 Abs 1 FinStrG und nach § 38 Abs 1 FinStrG als Geschäftsführer GmbH unter anderem die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 (€ 92.513,23) sowie die Umsatzsteuer für das Jahr 2001 (€ 1.404,45), somit in Höhe von gesamt € 93.917,68, hinterzogen bzw. verkürzt zu haben. Dieses Urteil wurde vom bestätigt und wurde damit rechtskräftig.

Die GmbH wurde wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

In weiterer Folge wurde der Bf mit beschwerdegegenständlichem Haftungsbescheid vom als rechtskräftig verurteilter Täter hinsichtlich der im Spruch des Urteils des Landesgerichts angeführten hinterzogenen Abgaben in Höhe von € 93.917,68 in Anspruch genommen und gem. § 11 BAO zur Haftung herangezogen.

Gegen den Haftungsbescheid wurde am Beschwerde erhoben und unter anderem ausgeführt, dass es zwar de jure ein Urteil gäbe, de facto aber keine Abgabenschuld, jedenfalls keine, welche im Sinne des § 11 BAO wirksam wäre. Die grob geschätzten Umsätze wären nicht erzielt und auch die vorsteuerberechtigten Ausgaben mit 14,2% und 12,2% der Umsätze nicht entsprechend den tatsächlichen Aufwänden angesetzt worden. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat gestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bf stellte am den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag). Mit den Schriftsätzen vom und zog der Bf die Anträge auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat zurück.
Im Schriftsatz vom stellte der Bf den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter zum Zwecke der Ladung und Einvernahme des Richters des Landesgerichtes Mag. R., jenes Richters, der den Vorsitz im Strafverfahren zu Zahl geführt hätte, zum Beweis dafür, dass "die gegenständlichen Haftsummen nicht Gegenstand des Fehlurteiles Zahl gewesen wären".

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. des Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

III. Rechtsausführungen

Gemäß § 11 Bundesabgabenordnung (BAO) haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Gemäß § 274 Abs 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden,

wenn es beantragt wird

a) in der Beschwerde,

b) im Vorlageantrag (§ 264),

c) in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) oder

d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe (§ 97) des späteren Bescheides, oder

2. Wenn es der Einzelrichter bzw. der Berichterstatter für erforderlich hält.

IV. Erwägungen

Die Haftung gemäß § 11 BAO setzt eine rechtskräftige Verurteilung im finanzbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (siehe dazu ). Der Haftungstatbestand ist durch jede Art der Beteiligung erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist. Die rechtskräftige Verurteilung ist damit Tatbestandsmerkmal, der Haftungspflichtige selbst muss wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilt worden sein:

Unbestritten ist, dass der Bf mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom Datum, Zahl unter anderem für schuldig erkannt wurde, als Geschäftsführer bzw. faktisch wahrnehmender Machthaber der GmbH € 92.513,23 an Umsatzsteuer für das Jahr 2000 sowie € 1.404,45 an Umsatzsteuer für das Jahr 2001, somit in Höhe von gesamt
€ 93.917,68, hinterzogen zu haben. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt weiters voraus, dass die Inanspruchnahme keinen höheren Verkürzungsbeitrag umfassen darf, als der im Spruch des Strafurteiles festgestellte (). Die Abgabenbehörden sind an den im Spruch des den Haftungspflichtigen verurteilenden Strafurteiles genannten Abgabenbetrag gebunden.

Die im Spruch des beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheides angeführten Abgabenbeträge in Höhe von gesamt € 93.917,68 sind ident mit den im Spruch des Landesgerichtes Salzburg angeführten Hinterziehungsbeiträgen. Nach ständiger Judikatur des VwGH entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmal zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zulasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (vgl. u.a.). Dem Urteil des Landesgerichtes kommt somit Bindungswirkung in Bezug auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (, ) und damit auf das Vorliegen einer Hinterziehung, die Höhe des hinterzogenen Betrages, die hinterzogene Abgabenart und die von der Hinterziehung betroffenen Jahre zu (siehe dazu auch Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I, § 11 BAO Rz 7).

Damit muss aber das Beschwerdevorbringen des Bf bezüglich Rechtswidrigkeit des Bescheides usw. ins Leere gehen. Die Abgabenbehörde ist an den Urteilspruch des Landesgerichtes Salzburg gebunden, sodass der Abgabenbehörde ein Abspruch über die Abgabenschuld dem Grunde und der Höhe nach verwehrt ist. Die Argumentation in der Beschwerde, es wäre de facto keine Abgabenschuld entstanden, hätte der Bf demnach im Strafverfahren führen müssen.

Die Haftung nach § 11 BAO ist keine Ausfallshaftung, sondern eine uneingeschränkte Primärhaftung.

Eine Haftungsinanspruchnahme setzt eine Geltendmachung der Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin nicht voraus (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 11, E 2c). Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin stellt keine Tatbestandsvoraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO dar. Weder die Uneinbringlichkeit noch zuvor gesetzte erfolglose Einbringungsmaßnahmen stellen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO dar.

Der Vollständigkeit halber wird dazu ausgeführt, dass die Primärschuldnerin wegen Vermögenlosigkeit gem. § 40 FBG gelöscht wurde. Daraus folgt, dass zum einen die in der Beschwerde vorgebrachten und seitens der Bf als notwendig erachteten Einbringungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin jeglicher Erfolg versagt bleiben muss sowie zum anderen die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin evident ist.

Die Haftungsinanspruchnahme stellt eine Ermessenentscheidung im Sinne des § 20 BAO dar:

Zum einen ist dabei gegenständlich maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin aufgrund der amtswegigen Löschung wegen Vermögenlosigkeit nicht möglich ist, zum anderen ist zu berücksichtigen , dass die Haftung nach § 11 BAO eine Schadenersatzhaftung () ist, und der Haftungsbestimmung der gesetzgeberische Wille zu Grunde liegt , dass derjenige, der eine widerrechtliche Handlung gesetzt hat, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen hat. Es ist daher im gegenständlichen Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) zweifelsfrei der Vorzug zu geben, gegenüber den Interessen des Bf nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden. (Billigkeitserwägung). Sofern der Bf auf seine wirtschaftliche Situation verweist, ist dem zu entgegnen, dass gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH die persönlichen Umstände (wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder eine Vermögenslosigkeit) des Haftenden für sich allein in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht.

Im Übrigen darf aufgrund der eindeutigen Rechts- und Sachlage und zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen auf die ausführliche Begründung der in der Sache ergangenen Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Salzburg Stadt vom verwiesen werden.

Die Haftungsinanspruchnahme des Bf erweist sich als rechtskonform.

Was den Antrag des Bf auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung betrifft, so ist auszuführen :
Die Beschwerde des Bf wurde im einzelrichterlichen Verfahren entschieden.
Der Bf hat - wie telefonisch angekündigt - im Schriftsatz vom den Antrag auf mündliche Verhandlung durch den gesamten Senat zurückgezogen. Hingewiesen auf die missverständliche Ausführung im Schriftsatz, bestätigt der Bf im Telefonat vom den generellen Verzicht auf die mündliche Verhandlung und die Abhaltung der Verhandlung vor dem gesamten Senat."… Alle anderen Ausführungen im Schriftsatz wären missverständlich und so nicht gemeint, er werde dies in einem weiteren Schriftsatz richtigstellen…" (siehe dazu Aktenvermerk vom ).
Im ergänzenden Schriftsatz vom stellte der Bf einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter.
Anträge, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben gestellt werden, gründen keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung () und sind als unzulässig zurückzuweisen.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die von der Bf geforderte Einvernahme des R., als Vorsitzender Richter des seinerzeitigen Strafverfahrens vor dem LG Salzburg, zum "Beweise dafür, dass die verfahrensgegenständlichen Haftsummen nicht Gegenstand des Fehlurteiles zu Datum, Zahl wären", nicht wesentlich und unzweifelhaft unerheblich wäre. Die Art des Beweismittels und der Erkenntnisstand würde eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließen, da das Urteil des LG Salzburg rechtskräftig ist.

Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hier handelt es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, da sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das Erkenntnis weicht auch nicht von der ständigen Rechtsprechung des VwGH ab. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 274 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100267.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at