Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2024, RV/7200061/2023

Abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht und Auskunftsverweigerung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7200061/2023-RS1
Dem Steuergeheimnis gem. § 48a BAO kommt im Hinblick auf die umfassende Offenlegungspflicht der Abgabepflichtigen eine überragende Bedeutung zu. Das Zollamt ist daher verpflichtet, den (allenfalls sogar unredlich agierenden) Abgabepflichtigen davor zu schützen, dass die zur Kenntnis der Behörde gelangten Verhältnisse und Umstände von anderen verwertet werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R***, die Richterin ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. ***1***, betreffend Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***2*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom richtete die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.), die ***Bf.*** an das Zollamt Österreich ein Auskunftsbegehren.

Dieses Ersuchen bezieht sich im Kern auf konkrete Fragen betreffend die näheren Umstände rund um den Einsatz des ***Beförderungsmittels1*** "***NN***" als ***Gasöltank*** in Österreich, wobei für die Bf. vor allem die Klärung verbrauchsteuerrechtlicher und gewerberechtlicher Fragen von Interesse ist.

Das Zollamt Österreich verweigerte die Erteilung der erbetenen Auskünfte und erließ darüber einen Bescheid gem. § 4 Auskunftspflichtgesetz.

Gegen diesen Bescheid vom , Zl. ***1***, richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Das Zollamt Österreich wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***3***, als unbegründet ab.

Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.

Am fand in Wien die von der Bf. begehrte Verhandlung statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. bietet ***Dienstleistungen*** auf der ***Wasserstraße*** zwischen ***4*** und ***5*** an und verfügt über eine entsprechende schifffahrtsrechtliche Konzession und eine Bewilligung zur Führung eines Mineralöllagers.

Nach den Angaben der Bf. wird das o.a. **Beförderungsmittel1** "***NN***" seit Jahren in Österreich im Bereich ***6***-***4*** als ***Gasöltank*** betrieben. Die Bf. vermutet, dass die Betreiberin dieses ***Beförderungsmittels1*** gegen gewerberechtliche und verbrauchsteuerrechtliche Bestimmungen verstößt. Sie möchte u.a. Auskunft darüber erhalten, ob dieses Schiff einem nach §§ 27 oder 29 MinStG bewilligten Mineralöllager bzw. Steuerlager zugeordnet bzw. zugehörig ist oder als Teil eines Mineralöllagers bzw. Steuerlagers iSd § 25 Abs. 2 MinStG nach den Bestimmungen eines anderen Mitgliedstaates zugelassen ist.

Sie argumentiert, dass dieser Frage und den damit in Zusammenhang stehenden weiteren Fragen ihres Auskunftsbegehrens u.a. ihr berechtigtes Interesse daran zugrunde liegt, sich gegen einen unter Umständen rechtswidrig agierenden Konkurrenten zur Wehr zu setzen.

Sie behauptet, ihrem Interesse stünden keine überwiegenden Interessen der Betreibergesellschaft des Schiffes an der Geheimhaltung der begehrten Informationen entgegen.

Das Zollamt argumentiert, dass die erbetenen Auskünfte auf Grund des in § 48a BAO normierten Steuergeheimnisses nicht erteilt werden dürfen.

Die Bf. tritt dieser Ansicht entschieden entgegen und bemängelt u.a., dass das Zollamt auf den von ihr vorgetragenen Umstand nicht eingehe, wonach § 48a BAO als einfachgesetzliche Regelung in Umsetzung des Gesetzesvorbehaltes in Art. 20 Abs. 3 B-VG für die Normadressaten des darin normierten Amtsgeheimnisses nicht zu einer Erweiterung der darin umschriebenen Verschwiegenheitspflicht führen könne.

Die von ihr begehrten Auskünfte unterliegen nach dem Vorbringen der Bf. nicht der Verschwiegenheitspflicht. Sie seien ihrer Ansicht nach ohne Prüfung der Ausnahmetatbestände des § 48a BAO zu erteilen.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte.

Darüber hinaus wurde auch auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen Erkenntnisse Bedacht genommen.

Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage:

Art. 20 Abs. 3 und Abs. 4 B-VG bestimmen:

(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt.

(4) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Die näheren Regelungen sind hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.

§ 48a BAO bestimmt:

(1) Im Zusammenhang mit der Durchführung von Abgabenverfahren, Monopolverfahren (§ 2 lit. b) oder Finanzstrafverfahren besteht die Verpflichtung zur abgabenrechtlichen Geheimhaltung.

(2) Ein Beamter (§ 74 Abs. 1 Z 4 Strafgesetzbuch) oder ehemaliger Beamter verletzt diese Pflicht, wenn er

a) der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen, die ihm ausschließlich kraft seines Amtes in einem Abgaben- oder Monopolverfahren oder in einem Finanzstrafverfahren anvertraut oder zugänglich geworden sind,

b) den Inhalt von Akten eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens oder

c) den Verlauf der Beratung und Abstimmung der Senate im Abgabenverfahren oder Finanzstrafverfahren

unbefugt offenbart oder verwertet.

(3) Jemand anderer als die im Abs. 2 genannten Personen verletzt die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht, wenn er der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen, die ihm ausschließlich

a) durch seine Tätigkeit als Sachverständiger oder als dessen Hilfskraft in einem Abgaben- oder Monopolverfahren oder in einem Finanzstrafverfahren,

b) aus Akten(inhalten) oder Abschriften (Ablichtungen) eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens oder

c) durch seine Mitwirkung bei der Personenstands- und Betriebsaufnahme

anvertraut oder zugänglich geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen ist befugt,

a) wenn sie der Durchführung eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens dient,

b) wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt oder wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist,

c) wenn ein schutzwürdiges Interesse offensichtlich nicht vorliegt oder ihr diejenigen zustimmen, deren Interessen an der Geheimhaltung verletzt werden könnten oder

d) soweit sie nach § 48b Abs. 2, 3 oder 4 befugt ist.

Die Bestimmungen der § 1 bis 4 des Auskunftpflichtgesetzes lauten:

§ 1

(1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

§ 2

Jedermann kann schriftlich, mündlich oder telephonisch Auskunftsbegehren anbringen. Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines mündlich oder telefonisch angebrachten Auskunftsbegehrens aufgetragen werden, wenn aus dem Begehren der Inhalt oder der Umfang der gewünschten Auskunft nicht ausreichend klar hervorgeht.

§ 3

Auskünfte sind ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen acht Wochen nach Einlangen des Auskunftsbegehrens zu erteilen. Kann aus besonderen Gründen diese Frist nicht eingehalten werden, so ist der Auskunftswerber jedenfalls zu verständigen.

§ 4

Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist.

Dazu wurde erwogen:

Strittig ist, ob der seitens der Bf. begehrten Auskunftserteilung die in den Bestimmungen des § 48a BAO normierte abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht (gemeinhin als Steuergeheimnis bezeichnet) entgegensteht.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Grund für ein solches Steuergeheimnis in der Literatur darin gesehen wird, dass der Abgabengläubiger vom Abgabepflichtigen die Mitwirkung an der Ermittlung der von ihm zu entrichtenden Abgaben verlangt und ihm die Pflicht auferlegt, durch Anzeigen, Erklärungen, kurzum durch Offenlegung und wahrheitsgemäße Darlegung seiner persönlichen, betrieblichen, geschäftlichen und sonstigen Verhältnisse an der Erreichung des Verfahrenszieles (§ 115 BAO) aktiv und initiativ mitzuwirken (Stoll, BAO-Kommentar, 519).

Beim Steuergeheimnis handelt es sich um ein qualifiziertes Amtsgeheimnis. Die Bestimmungen über diese Einrichtung sind daher vor dem Hintergrund der allgemein geltenden Vorschriften über die Geheimhaltung in der öffentlichen Verwaltung und im Zusammenhang mit diesen und den Wechselwirkungen zu sehen (Stoll, BAO-Kommentar, 521).

Auf Verfassungsebene ist im gegebenen Zusammenhang auf die Bestimmungen des Art. 20 Abs. 3 B-VG Bedacht zu nehmen.

Nach der eben zitierten Norm sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist.

Nach ständiger Rechtsprechung (siehe zB schon G 5/70, Slg 6288) steht dem einfachen Gesetzgeber lediglich die Kompetenz zu, die Verschwiegenheitspflicht des Art 20 Abs. 3 B-VG zu lockern oder sie überhaupt aufzuheben, nicht aber sie zu erweitern. Im Anwendungsbereich der Amtsverschwiegenheit seien somit einfachgesetzliche Verschwiegenheitspflichten, die den Umfang der Amtsverschwiegenheit erweitern, verfassungswidrig.

Der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation hat diese Judikatur bei einfachgesetzlichen Verschwiegenheitspflichten, soweit sie dieselben Normadressaten wie Art. 20 Abs. 3 B-VG haben, zu berücksichtigen. Daher fallen, soweit der Kreis der Normadressaten ident mit jenem des Art. 20 Abs. 3 B-VG ist, in verfassungskonformer Auslegung des § 48a BAO nicht unter die Amtsverschwiegenheit (Art 20 Abs. 3 B-VG) fallende Umstände auch nicht unter die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. § 48a, Rz. 2).

Es ist daher auch im Streitfall in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die von der Bf. begehrten Auskünfte der verfassungsrechtlich normierten Amtsverschwiegenheit unterliegen. Denn sollte dies nicht der Fall sein, ist die Anwendung der Bestimmungen des § 48a BAO betreffend die Steuerpflicht ausgeschlossen.

Schutzobjekte nach Art. 20 Abs. 3 B-VG sind bestimmt qualifizierte "Tatsachen". Dieser grundsätzlich weit zu interpretierende Begriff umfasst auch Akten und Aktenteile, also Schriftstücke (VfGH, , B 9/74).

Sollte der Betreiberin des o.a. ***Beförderungsmittels1*** gewerberechtliche Konzessionen oder verbrauchsteuerrechtliche Bewilligungen erteilt worden und diese aktenkundig sein, sind die betreffenden Aktenteile genauso als Tatsachen iSd Art. 20 Abs. 3 B-VG zu werten wie aktenkundige Unterlagen betreffend die sonstigen Umstände auf die sich das Auskunftsbegehren der Bf. vom bezieht.

Als besondere Qualifikation müssen die eben angesprochenen Tatsachen "geheim" sein, um unter die Schutzfunktion des Art. 20 Abs. 3 B-VG zu fallen. Eine amtsbekannte Tatsache ist dann als geheim anzusehen, wenn sich ihre Kenntnis auf einen geschlossenen oder schließbaren Kreis von Personen beschränkt; dies aber auch dann, wenn diese nicht alle der Verschwiegenheitspflicht unterliegen (Unger, Der Geheimnisschutz im Abgabenverfahrensrecht, Wien 2007, 47).

Die gegebenenfalls vorhandenen eben erwähnten Aktenteile sind jedenfalls als geheim iSd Art. 20 Abs. 3 B-VG zu werten, zumal es sich dabei nicht um allgemein bekannte Tatsachen handelt. Denn derartige Umstände sind grundsätzlich nur den zuständigen Organwaltern bekannt.

Als weitere Voraussetzung der Verschwiegenheitspflicht fordert Art. 20 Abs. 3 B-VG, dass die Tatsachen dem Organwalter ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind.

Das Tatbestandsmerkmal "aus ihrer amtlichen Tätigkeit" in Art. 20 Abs. 3 B-VG ist immer dann erfüllt, wenn Tatsachen nur deshalb bekannt geworden sind, weil der Organwalter eine amtliche Tätigkeit ausübt. So unterläge z.B. eine allenfalls vom Abgabepflichtigen vorgelegte gewerberechtliche Konzession, die einem Zollorgan im Rahmen seiner Tätigkeit im Bereich des Verbrauchsteuerrechtes zur Kenntnis gebracht wird, selbst dann der Verschwiegenheitspflicht, wenn dieses Organ für derartige Bewilligungen nicht zuständig ist.

Schließlich postuliert Art. 20 Abs. 3 B-VG eine Geheimhaltungspflicht "im überwiegenden Interesse der Parteien".

Bezüglich der Amtsverschwiegenheit sind die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu berücksichtigen; der Begriff "Parteien" ist hier im weitesten Sinn zu verstehen und umfasst alle Personen, die aus irgendeinem Anlass mit der Behörde in Berührung kommen. Als "Partei" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG, auf deren Interessen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung Bedacht genommen werden muss, ist somit auch ein vom Auskunftswerber verschiedener Dritter, der vom Auskunftsverlangen betroffen ist, anzusehen. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Prüfung, ob die Amtsverschwiegenheit der Auskunftserteilung entgegensteht, ist das Interesse des Auskunftswerbers an der Erlangung der begehrten Information mit dem Geheimhaltungsinteresse der Partei abzuwägen. Stehen einander die beiden Interessenlagen gleichwertig gegenüber, so steht die Amtsverschwiegenheit einer Auskunftserteilung durch die Behörde nicht entgegen. Nur bei Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen der Partei ist der Behörde eine Auskunftserteilung mit Blick auf die Amtsverschwiegenheit verwehrt (; ).

Im vorliegenden Fall sind dabei die Interessen der Bf. (vor allem wirtschaftliche Interessen an einem fairen Wettbewerb) mit den Interessen ihrer Mitbewerberin (vor allem Interesse an der Geheimhaltung über die Inhalte eigener Abgabenakte) abzuwägen, wobei Letztere durch die Bestimmungen des Steuergeheimnisses besonders geschützt sind.

Ein überwiegendes Interesse ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn gesetzliche Verschwiegenheitspflichten bestimmte Interessen gegenüber anderen schützen (Perthold-Stoitzner, Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane, Wien 1998).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der VwGH in einer Einsicht in fremde Steuerakte eine Verletzung des Gebots der Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG, § 46 BDG 1979) erblickt, weil grundsätzlich vom Bestehen eines überwiegenden Interesses der Steuerpflichtigen an der Geheimhaltung der in ihren Steuerfällen bekanntwerdenden Tatsachen auszugehen ist (vgl. etwa ).

Ob dieser Grundsatz im vorliegenden Fall der begehrten Auskunftserteilung entgegen steht, soll untenstehend näher untersucht werden. Es ist aber bereits an dieser Stelle anzumerken, dass alles für eine Bejahung dieser Frage spricht. Denn gem. § 48a Abs. 2 lit. b BAO ist es unzulässig, u.a. den Inhalt von Akten eines Abgabenverfahrens (hier: Verbrauchsteuerver-fahrens) nach außen zu tragen. Es handelt sich hierbei um ein objektives Verbot. Im Gegensatz dazu besteht in den Fällen des § 48a Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BAO insofern ein subjektiver Bezug, als dort für die Erfüllung der jeweiligen Tatbestände die zumindest potentielle Rechtsverletzung eines anderen durch die Nichteinhaltung der Geheimhaltungspflicht verlangt wird (Unger, aaO, 79).

Aus all den eben angeführten Gründen ist somit als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, dass die von der Bf. begehrten o.a. Auskünfte entgegen dem Beschwerdevorbringen der verfassungsrechtlich normierten Amtsverschwiegenheit unterliegen und somit nichts dagegenspricht, in verfassungskonformer Auslegung des § 48a BAO des Vorliegens eines Steuergeheimnisses zu prüfen.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass von den Bestimmungen des § 48a BAO nicht nur steuerliche Verhältnisse, sondern auch betriebliche Verhältnisse geschützt sind. Zu ersteren zählen etwa die Fragen der Bf. nach Mineralöllager bzw. Steuerlager ihrer Mitbewerberin und alle damit in Zusammenhang stehenden Auskunftsersuchen, aber auch die Fragen nach steuerrechtlichen Genehmigungen, den Umfang der Lagerung von gekennzeichnetem Gasöl und nach steuerfreier Abgabe gem. § 4 Abs. 1 Z 2 Mineralölsteuergesetz. Gleiches gilt für die Frage, ob und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage vom **Beförderungsmittel1** "***NN***" empfangenes, gelagertes und abgegebenes Mineralöl bzw. Gasöl von der Abfuhr von Mineralölsteuer gemäß den Bestimmungen des Mineralölsteuergesetzes 2022 befreit war und ist bzw. ob für vom erwähnten **Beförderungsmittel1** in Österreich empfangenes, gelagertes und abgegebenes Mineralöl bzw. Gasöl bisher und aktuell Mineralölsteuer abgeführt wurde und wird.

Zu den (ebenfalls dem Steuergeheimnis unterliegenden) betrieblichen Verhältnissen zählen beispielsweise die von der Bf. aufgeworfenen Fragen, ob das **Beförderungsmittel1** als ***Gasöltank*** eingesetzt werden darf und ob die Mitbewerberin der Bf. über die notwendigen schifffahrtsrechtlichen und gewerberechtlichen Berechtigungen bzw. Konzessionen verfügt.

Dem Zollamt können diese Umstände - wenn überhaupt - nur im Rahmen eines allfälligen Verbrauchsteuerverfahrens bekannt geworden sein. Wenn das Zollamt aber allein durch seine Amtsstellung Kenntnis von den eben angesprochenen Verhältnissen und Umständen erlangte, weil sie in einem Abgabenverfahren der Behörde anvertraut oder zugänglich gemacht wurden, dann fällt das Wissen hierüber unter die Geheimhaltungspflicht (Unger, aaO, 77).

Die Bestimmungen des § 48a Abs. 2 BAO verbieten das unbefugte Offenbaren des Inhalts von Akten eines Abgabenverfahrens. Unter "Offenbaren" versteht man das Mitteilen der geheim zu haltenden Verhältnisse und Umstände an einen anderen, für den diese Kenntnisse neu oder zumindest nicht gesichert sind.

Wenn die Bf. unter Hinweis auf die von ihr zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung meint, Geheimhaltungsinteressen desjenigen, der unter Umständen das Gesetz verletze, könnten nicht beachtlich sein, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn für die damit zum Ausdruck gebrachte Annahme, es seien lediglich die Interessen des redlichen Abgabepflichtigen schützenswert iSd Art. 20 Abs. 3 B-VG iVm § 48a BAO fehlt jede rechtliche Grundlage.

Dies ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des OGH, der sogar im Falle eines Beschuldigten in einem Finanzstrafverfahren ausgesprochen hat, dass die oben zitierten Normen - neben den Interessen des Bundes - auch das Interesse der Partei an der Geheimhaltung des Akteninhalts, von Verhältnissen und Umständen schützen. Die Bestimmung soll nicht nur den Bund, sondern auch die Partei vor - auch vermögensrechtlichen - Nachteilen bewahren, die durch das öffentliche Bekanntwerden des Akteninhalts, ihrer Verhältnisse und Umstände entstehen können ().

Laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung besteht im Hinblick auf den Schutz der Verbraucher ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit an der Kenntnis, ob hinsichtlich eines bestimmten diätischen Lebensmittels die Anmeldepflicht nach den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes befolgt wird. Aber auch das Interesse des Mitbewerbers daran, sich gegen einen unter Umständen rechtswidrig agierenden Konkurrenten (z.B. bei Vertrieb eines Produktes als diätetisches Lebensmittel ohne vorherige Anmeldung oder aber auch trotz Vorliegens eines die Untersagung aussprechenden Bescheides gemäß § 17 Abs. 4 in Verbindung mit § 74 Abs. 4 und 5 Z. 3 LMG) zur Wehr setzen zu können, erachtet der Verwaltungsgerichtshof als gegeben ().

Die Bf. kann mit ihrem Ansinnen nicht durchdringen, wenn sie meint, dieses Judikat für sich in Anspruch nehmen zu können. Denn in jenem Fall waren vom Auskunftsersuchen keine Verhältnisse oder Umstände umfasst, die dem Steuergeheimnis unterliegen. Der VwGH hatte daher damals nicht zu prüfen, ob der Erteilung der dort gegenständlichen Auskünfte allenfalls die Bestimmungen der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht gem. § 48a BAO entgegenstehen. Er stützte die Bejahung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung vielmehr auf folgende zentrale Feststellung, die keinerlei Bezug zum Steuergeheimnis erkennen lässt:

"Aus dem Lebensmittelgesetz 1975 ist jedenfalls nichts dafür zu gewinnen, dass die Geheimhaltungsinteressen desjenigen, der unter Umständen das Gesetz verletzt, beachtlich wären oder gar die Interessen der vom Gesetz Geschützten an Information überwögen."

Mit dem Einwand, es bestehe durchaus auch ein Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der schifffahrtsrechtlichen Vorschriften zur Konzessionserteilung, zumal doch damit auch die Sicherheit in der gewerbsmäßigen Schifffahrt gewährleistet werde, kann die Bf. daher nichts gewinnen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht in der eben angesprochenen Argumentation auch keine Grundlage für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands gem. § 48a Abs. 4 lit. b zweiter Fall BAO erblickt. Nach der bezogenen Norm ist die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen befugt, wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist.

Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses reicht im gegebenem Zusammenhang für die Durchbrechung des Steuergeheimnisses noch nicht aus. Es muss sich vielmehr um ein zwingendes öffentliches Interesse handeln. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ohne eine entsprechende Mitteilung ein Hoheitsträger außerstande wäre, eine ihm zukommende Aufgabe zu erfüllen (Ritz/Koran, aaO, § 48a, Rz. 27). Die Mitteilung der erbetenen Auskünfte an die Bf. fällt zweifellos nicht darunter. Denn zur behördlichen Ahnung von Unregelmäßigkeiten der von der Antragstellerin vermuteten Art bedarf es keiner Informationsweitergabe an die Bf.

Es ist daher neuerlich daran zu erinnern, dass dem Steuergeheimnis im Hinblick auf die umfassende Offenlegungspflicht der Abgabepflichtigen überragende Bedeutung zuzumessen ist. Dies kommt u.a. auch in den Erläuternden Bemerkungen zum FinStrG zu Ausdruck, wonach es eine Verpflichtung des Staates sei, den Abgabepflichtigen davor zu schützen, dass die zur Kenntnis der Abgabenbehörde gelangten Verhältnisse und Umstände von anderen verwertet werden (Unger, aaO, 95).

Die Bf. trägt ergänzend vor, im vorliegenden Fall sei zusätzlich von der Erfüllung des Ausnahmetatbestands des § 48a Abs. 4 lit. c BAO auszugehen.

Nach der bezogenen Gesetzesstelle ist die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen befugt, wenn ein schutzwürdiges Interesse offensichtlich nicht vorliegt oder ihr diejenigen zustimmen, deren Interessen an der Geheimhaltung verletzt werden könnten.

Die Bf. meint dazu, ihrem Interesse daran, sich gegen einen u.U. rechtswidrig agierenden Konkurrenten zur Wehr zu setzen, also an einem Schutz vor Wettbewerbsverletzungen und dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der schifffahrtsrechtlichen Vorschriften, der Sicherstellung der Sicherheit in der gewerbsmäßigen Schifffahrt sowie an der Einhaltung der steuerrechtlichen Vorschriften könne nicht das allfällige Interesse des Betreibers des ***Beförderungsmittels1*** "***NN***" an der Geheimhaltung von Informationen über eine allfällige Verletzung von Rechtsvorschriften als schutzwürdig entgegenstehend erachtet werden.

Mit dieser Argumentation verkennt die Bf. augenscheinlich den Regelungsinhalt der genannten Norm. Bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen gem. § 48a Abs. 4 lit. c erster Fall BAO vorliegen, kommt es entgegen der von ihr vertretenen Ansicht nicht auf das Ergebnis einer Interessensabwägung an; eine solche ist vielmehr bei der Untersuchung der "überwiegenden Interesse der Partei" iSd Art. 20 Abs. 3 B-VG vorzunehmen (siehe dazu die ausführlichen obenstehenden Ausführungen). Es ist vielmehr der Fokus auf die Verhältnisse und Umstände selbst und auf die Beantwortung der Frage zu richten, welche Bedeutung diesen innewohnt.

Nur dann, wenn diese Verhältnisse und Umstände, objektiv und subjektiv betrachtet, so unbedeutend sind, dass sie keines Schutzes bedürfen, liegt ein "schutzwürdiges Interesse offensichtlich nicht vor".

Das ist dann der Fall, wenn die anvertrauten oder zugänglich gemachten Verhältnisse oder Umstände, wenn sie bekannt werden, selbst bei strengster Beurteilung keinen Einfluss auf betriebliche oder private Positionen in der Gesellschaft, im Wirtschaftsleben, im Beruf, im Familienleben haben können, sie daher ohne Einfluss auf die persönliche (moralische, charakterliche) Wertung, auf die Einstellung Außenstehender zur geschäftlichen und gesellschaftlichen Integrität der Persönlichkeit sind, und somit also die Umstände, um die es geht, unter Berücksichtigung aller möglichen Wirkungen selbst unter Bedachtnahme auf die besonderen individuellen Gegebenheiten nicht geeignet scheinen, für den Betroffen im Fall der Geheimhaltung von messbarem Vorteil, im Fall der Offenbarung von ebenso erkennbarem Nachteil zu sein (Unger, aaO, 98).

Im Streitfall möchte die Bf. die erbetenen Auskünfte dazu verwenden, um Schritte unternehmen zu können, sich gegen eine Mitbewerberin zur Wehr zu setzen. Damit liegt auf der Hand, dass den betreffenden Verhältnissen und Umständen ein erheblicher Einfluss auf die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Person (der Betreiberin des angesprochenen ***Beförderungsmittels1***) nicht abzusprechen ist.

Das Tatbestandsmerkmal, dass "ein schutzwürdiges Interesse offensichtlich nicht vorliegt", wird angesichts dieser Umstände gerade nicht erfüllt.

Da in § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz die gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten generell als Grenze für die Auskunftserteilung genannt werden, kann durch ein Auskunftsbegehren die in § 48a BAO normierte abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht nicht umgangen werden ().

Im Streitfall besteht somit kein subjektiver Anspruch der Bf. auf Erteilung der erbetenen Auskünfte. Der angefochtene Auskunftsverweigerungsbescheid gem. § 4 Auskunftspflicht-gesetz erging somit zu Recht.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 20 Abs. 3 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 20 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 AuskG, Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987
Verweise

G 5/70
B 9/74




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7200061.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at