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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.01.2024, RV/7103918/2023

Anspruchszinsen wegen langer Bearbeitungsdauer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen 2021 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Bescheid
Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Österreich (belangte Behörde) Anspruchszinsen für das Jahr 2021 in Höhe von € 139,44 vorgeschrieben.

Beschwerde
Am langte ein Schreiben des Beschwerdeführers mit dem Betreff "Einkommenssteuerbescheid 2021 / Vorauszahlungsbescheid 2023 / Anspruchszinsen" bei der belangten Behörde ein. Darin legt der Beschwerdeführer dar, dass er auf seinen Einkommensteuerbescheid 2021 lange warten musste und ihn erst am erhalten habe. Hinsichtlich des Anspruchszinsenbescheides führte der Beschwerdeführer aus, dass er es nicht nachvollziehen könne, warum er Anspruchszinsen bezahlen müsse, wenn sich der Einkommensteuerbescheid lange hinzögere.

Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, dass die Ursache für den Zeitpunkt der Erlassung des zur Nachforderung bzw. Gutschrift führenden Bescheides bedeutungslos sei. Eine Bescheiderlassung nach dem für den Beginn des Zinsenlaufes maßgebenden Termin habe daher Zinsen, unabhängig von einem Verschulden des Abgabenpflichtigen oder der Abgabenbehörde zur Folge.

Vorlageantrag
Am langte bei der belangten Behörde ein Schreiben ein, in dem sich der Beschwerdeführer gegen die Beschwerdevorentscheidung vom wehrt. Darin führt der Beschwerdeführer aus, dass er die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 im August 2022 abgegeben habe und am ein Ergänzungsersuchen erhalten habe, das er umgehend beantwortet habe. Der Einkommensteuerbescheid sei jedoch erst am ergangen.

Vorlagebericht
Mit Vorlagebericht vom hat die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Darin hielt die belangte Behörde fest, dass die Einkommensteuer für das Jahr 2021 mit 6.323,- € festgesetzt wurde und da der Einkommensteuerbescheid nach dem für den Beginn des Zinsenlaufes maßgebenden Termin, nämlich dem , erlassen wurde, dieser Betrag gem. § 205 BAO zu verzinsen war.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2021 langte beim Finanzamt Österreich am ein. Am versendete die belangte Behörde ein Ersuchen um Ergänzung, das am beantwortet wurde.

Der Einkommensteuerbescheid 2021 erging am und führte zu einer Nachforderung von 6.323 €. Dabei wurden zwei Lohnzettel von zwei verschiedenen Arbeitgebern berücksichtigt. Einer der Arbeitgeber berücksichtigte im Zuge der Lohnverrechnung einen Freibetragsbescheid, wobei die tatsächlich anerkannten Werbungskosten unter dem Betrag aus dem Freibetragsbescheid lagen. Es wurden keine Anzahlungen geleistet.

Mit Bescheid vom wurden für den Nachforderungsbetrag Anspruchszinsen in Höhe von € 139,44 für den Zeitraum bis vorgeschrieben.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Einbringen der Arbeitnehmerveranlagung 2021 und zum Verfahren bis zum Ergeben des Einkommensteuerbescheides 2021 gründen sich einerseits auf die Angaben des Beschwerdeführers sowie auf die von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, auf denen sich Eingangsstempel des Finanzamtes finden.

Die Feststellung zur Höhe der Einkommensteuernachforderung gründet sich einerseits darauf, dass in den Einkommensteuerbescheid Einsicht genommen wurde und andererseits auf die Angaben des Beschwerdeführers (zB im Schreiben vom ). Vom Bundesfinanzgericht wurde auch Einsicht in die beiden Lohnzettel genommen, die der Einkommensteuerveranlagung zu Grunde gelegt wurden. Aus dem Lohnzettel, den der Arbeitgeber "***AG1***" der belangten Behörde übermittelt hat, ist ersichtlich, dass ein Betrag in Höhe von € 2.488,53 als "Berücksichtigter Freibetrag gemäß § 63 oder § 103 Abs 1a" ausgewiesen ist. Diese € 2.488,53 entsprechen elf Mal einem Monatsbetrag von € 226,23. Bei dem Monatsbetrag von € 226,23 handelt es sich um den höchstmöglich zu berücksichtigenden monatlichen Lohnsteuerfreibetrag für das Jahr 2021, der im Freibetragsbescheid 2021 vom (an jenem Tag wurde auch der Einkommensteuerbescheid 2019 erlassen) ersichtlich ist und in den Einsicht genommen wurde.

Die Feststellung, dass der tatsächliche Werbungskostenbetrag, der vom Finanzamt im Zuge der Einkommensteuerveranlagung 2021 berücksichtigt wurde, geringer ist als der Freibetrag (aus dem Lohnzettel) ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2021 vom , in den Einsicht genommen wurde.

Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus den Buchungen am Abgabenkonto ergibt sich, dass hinsichtlich der Einkommensteuer 2021 vom Beschwerdeführer Vorauszahlungen oder Anzahlungen geleistet wurden.

Rechtslage

§ 205 BAO lautet:

Anspruchszinsen

§ 205. (1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 oder 4 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind. Bei im Abzugsweg zu erhebenden Steuern findet eine Verzinsung von Gutschriften nur insoweit statt, als die betreffenden Abgaben entrichtet wurden.

(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,
a) als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder
b) als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat.

Rechtliche Beurteilung

Für die Beurteilung von Parteianträgen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufällige verbale Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (). In diesem Sinne hat die belangte Behörde das Schreiben vom als Beschwerde und das Schreiben vom als Vorlageantrag gewertet.

Gemäß § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus den Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen. Gemäß § 205 Abs 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz und sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen. Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen, wobei Bemessungsgrundlage die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift ist, die sich aus dem Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides (Stammabgabenbescheid) ergibt (vgl. ). Jede Nachforderung bzw. Gutschrift löst (gegebenenfalls) einen Anspruchszinsenbescheid aus.

Gemäß § 205 Abs 3 BAO kann der Abgabepflichtige, auch wiederholt, auf die Einkommensteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen (§ 205 Abs 4 BAO). Die Entrichtung von Anzahlungen kann zur Vermeidung von Anspruchszinsen führen (zB iZm durch Verrechnungsweisung auf dem Einzahlungsbeleg).

Stehen die in einem Freibetragsbescheid berücksichtigten besonderen Verhältnisse im betreffenden Kalenderjahr nicht (exakt) in der ausgewiesenen Höhe zu, liegt ein Pflichtveranlagungstatbestand vor und ist bei der Jahresveranlagung der Einkommensteuer mit einer Abgabennachforderung oder (bei höheren Aufwendungen) Abgabengutschrift zu rechnen (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 63 Anm 7).
Eine Pflichtveranlagung ist auch durchzuführen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind. Dadurch wird dem progressiven Einkommensteuertarif Rechnung getragen, der bei Versteuerung des Gesamteinkommens idR eine höhere Einkommensteuerschuld ergibt als bei der getrennten Lohnversteuerung zweier jeweils für sich niedriger Einkommen (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 41 Anm 16).
Einerseits wurde von einem Arbeitgeber des Beschwerdeführers ein Freibetragsbescheid im Zuge der monatlichen Lohnverrechnung (Berechnung der Lohnsteuer) berücksichtigt, wobei die tatsächlich im Einkommensteuerbescheid anerkannten Werbungskosten unter dem Betrag im Freibetragsbescheid blieben; dies alleine führt idR schon zu einer Nachforderung. Andererseits hatte der Beschwerdeführer im Jahr 2021 über das gesamte Jahr zwei verschiedene Arbeitgeber, wobei jeder Arbeitgeber die Lohnsteuer auf Grund des jeweiligen Arbeitslohns zu berechnen hatte. Keiner der beiden Arbeitgeber konnte die (richtige) Lohnsteuer auf Grund des Gesamteinkommens aus beiden Arbeitsverhältnisses berechnen; dies erfolgte erst im Zuge der Einkommensteuerveranlagung und ist ein weiterer Grund für eine Abgabennachforderung.

Die Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 BAO ist es bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte. Zinsen nach § 205 BAO sind weder Sanktion noch Druckmittel oder gar Strafe, sondern Ausgleich für die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen (Zinsnachteilen bei verspätet erfolgten Gutschriften) beschränkt auf einen Zeitraum von maximal 48 Monaten ().

Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen (vgl. ; ; ).
Weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den Akten des Finanzamtes geht hervor, das die die Anspruchszinsen auslösenden Einkommensteuerbescheide nicht rechtswirksam erlassen worden wären oder dass die Höhe der Anspruchszinsen nicht korrekt berechnet wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Revisionszulassung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103918.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at