Säumniszuschlag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hallas & Partner Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH & Co KG, Praterstraße 38, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Säumniszuschlag 2021 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Säumniszuschlagsbescheid
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich (belangte Behörde) einen Säumniszuschlag in Höhe von € 1.570,71 wie folgt fest:
In der Bescheidbegründung wurde festgehalten, dass die Festsetzungen erforderlich war, weil die angeführten Abgabenschuldigkeiten nicht innerhalb der obenstehenden Fristen entrichtet wurden.
Antrag
Mit einem elektronisch eingebrachten Antrag vom begehrte die Beschwerdeführerin die Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages wie folgt:
"Namens und im Auftrag unserer Mandantin beantragen wir gemäß § 217 Abs 7 BAO die Nichtfestsetzung des mit Bescheid vom festgesetzten Säumniszuschlages idH von € 1.570,71 für die U 9/21, Lohnabgaben 10/21 und K 10-12/21, da unserer Mandantin an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Die E war am zur Überweisung fällig.
Leider kam es - aufgrund einer massiven coronabedingte Arbeitsüberlastung (mit einem ständigen Auf- und Zusperren bei den Kunden unserer Mandantin, insb Hotels in Wien und einem ständigen Auf- und Abbau von Personal) - dazu, dass die Abgaben nicht rechtzeitig entrichtet wurden, gt ist vor kurzem der Mann unserer Mandantin verstorben. In diesem Zusammenhang kam es auch zu einerÄnderungbeim gemeinsamen Bankkonto und die Bank führte die beauftragte Überweisung - aus nicht nachvollziehbaren Gründen - nicht durch. Unser Mandantin hat sich bis dato stets vorbildhaft um die Begleichung ihrer Abgabenschuldigkeiten gekümmert. Die stets vorbildhafte Vorgangsweise ist bei Betrachtung des Finanzamtskontos unseres Mandanten ersichtlich. Es kann daher - insbesonder unter Berücksichtigung von COVID - nicht vom Vorliegen eines groben Verschuldens unseres abgabenrechtlich untadeligen Mandanten ausgegangen werden (siehe RAE, Rz 974). Wenn überhaupt liegt lediglich leichte Fahrlässigkeit vor, da ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (siehe zB Ritz, BA03, § 217 Tz 44 mit Verweis auf mwN). Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass unsere Mandantin ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen stets vorbildhaft nachgekommen ist und nur ein sehr kurzes Ausmaß der Fristüberschreitung vorliegt, beantragen wir die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Danke im Voraus ***StB*** (Dw 20)"
Abweisungsbescheid
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde den Antrag vom als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet wie folgt:
"§ 217 Bundesabgabenordnung bestimmt: Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines ersten Säumniszuschlages ein.
Da die Lohnsteuer 10/2021 in der Höhe von Euro 3.616,23 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 72,32 (2% von Euro 3.616,23 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da der Dienstgeberbeitrag 10/2021 in der Höhe von Euro 4.515,81 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 90,32 (2% von Euro 4.515,81 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da die Körperschaftsteuer 10-12/2021 in der Höhe von Euro 5.000,00 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 100,00 (2% von Euro 5.000,00 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da die Umsatzsteuer 09/2021 in der Höhe von Euro 65.403,62 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 1.308,07 (2% von Euro 65.403,62 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Ein grobes Verschulden am Eintritt der Säumnis im Sinn des § 217 Abs. 7 BAO ist dann anzunehmen, wenn die für die Einhaltung von Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird, wenn also eine ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung vorliegt.
Im Hinblick auf die in der Vergangenheit bereits aufgetretenen Versäumnisse bei der Entrichtung fälliger Abgabenschuldigkeiten ist eine grobe Sorgfaltsvernachlässigung vorzuwerfen, welche eine Herabsetzung oder Aufhebung des Säumniszuschlages iSd § 217 Abs. 7 BAO ausschließt.
Für weitere Auskünfte, steht Ihnen oben angeführter Sachbearbeiter gerne zur Verfügung."
Beschwerde
Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom folgende Beschwerde:
"1. Beschwerde gemäß § 243 BAO
Namens und im Auftrag unserer im Betreff erwähnten Mandantin - unter Verweis auf die erteilte Vollmacht, welche keine Zustell- und keine Geldvollmacht umfasst - ergreifen wir in offener Frist gegen nachfolgende Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde:
* Bescheid betreffend Abweisung des Antrags auf Aufhebung des ersten SZ in der Höhe von € 1.570,71 vom
Die Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung unseres Antrages. Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Stattgabe unseres Antrages.
Wir begründen unsere Beschwerde wie folgt:
Wir haben in unserem Antrag vom - entgegen den nunmehrigen Ausführungen im angefochtenen Bescheid - dargestellt, warum die Säumnis im konkreten Fall nicht auf ein grobes Verschulden zurückzuführen ist, Bestenfalls liegt leichte Fahrlässigkeit vor, da es leider - aufgrund einer massiven coronabedingte Arbeitsüberlastung (mit einem ständigen Auf- und Zusperren bei den Kunden unserer Mandantin, insbesondere Hotels in Wien und einem ständigen Auf- und Abbau von Personal) - dazu, dass die Abgaben nicht rechtzeitig entrichtet wurden. Unsere Mandantin führt das Unternehmen als Alleingesellschafter-Geschäftsführerin und ist seit dem Ausbruch der Pandemie extrem wirtschaftlich getroffen, da ihr ein Großteil des Umsatzes weggebrochen ist. Nach Lockdowns hat sich im Sommer 2021 die Umsatzsituation wieder etwas gebessert, wobei durch die arbeitsintensive Tätigkeit (Reinigung von Hotels) enorme Anstrengungen (Mitarbeitersuche, Einstellen, Einschulen, Einteilen, Kontrolle etc) erforderlich sind. In dieser Äußerst schwierigen Situation hat unserer Mandantin leider teilweise FA-Zahlung etwas zu spät entrichtet. Zugleich ist allerdings darauf zu verweisen, dass die U 9/2021 in Höhe von € 65.403,62 mit Verrechnungsanweisung innerhalb der Respirofrist gemäß §211 Abs 2 BAO mittels Telebanking an die Hausbank weitergeleitet wurde und am bereits am FA-Konto verbucht wurde.
Unsere Mandantin hat in den letzten Jahren immer versucht sich vorbildhaft bei der Begleichung ihrer Abgabenschulden zu verhalten. Diese Vorgangsweise ist bei Betrachtung des Finanzamtskontos unserer Mandantin auch ersichtlich. Es kann daher - insbesondere unter Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19 - nicht vom Vorliegen eines groben Verschuldens unseres abgabenrechtlich untadeligen Mandanten ausgegangen werden (siehe RAE, Rz 974).
Zu all diesen Ausführungen kommt noch die spezielle Situation der COVID-19-Pandemie. Somit ist im konkreten Fall bestenfalls ein Fehler unterlaufen, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (siehe zB Ritz, BAO3, § 217 Tz 44 mit Verweis auf mwN). Überdies wurden - wie nun im angefochtenen Besch ausgeführt - die Zahlungen teilweise nur wenige Tage verspätet geleistet.
Zudem sei darauf verwiesen, dass Säumniszuschläge nur ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht darstellen (siehe zB Judikaturnachweise bei Ritz, BAO3, § 217 Rz 2). Es ist daher nicht verständlich, warum es bei dem gegebenen Sachverhalt - unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens unserer Mandantin und einer verspäteten Zahlung von wenigen Tagen bzw einer Zahlung innerhalb der Respirofrist - dennoch überhaupt zu einer Verhängung eines Säumniszuschlages kam. Hält man sich nochmals den Sinn und Zweck des Säumniszuschlages ("Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht) vor Augen, so wird der "Strafcharakter" des verhängten Säumniszuschlages offenkundig.
2. Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 lit a BAO
Ergänzend beantragen wir die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 lit a BAO.
3. Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 lit a BAO
Ferner beantragen wir gemäß § 272 Abs 2 Z 1 lit a BAO die Entscheidung durch den gesamten Senat, wobei dieser Antrag nicht als Verzicht auf Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs 2 lit a BAO zu verstehen ist.
4. Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO
Abschließend beantragen wir gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung für die durch die positive Erledigung der gegenständlichen Berufung zum Wegfall kommenden Abgabenbeträge (Säumniszuschlag 2021 in Höhe von € 1.570,71)."
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen wie folgt:
"Firma
***Bf1***
z. Hd. ***StB***
Beschwerdevorentscheidung
Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung bezüglich der Beschwerde vom von Firma ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***StB***, gegen den Bescheid über die Abweisung eines Antrages über die Herabsetzung von ersten Säumniszuschlägen in der Höhe von insgesamt € 1.570,71 vom .
Über die Beschwerde wird auf Grund des § 263 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden:
Ihre Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung:
§ 217 Bundesabgabenordnung bestimmt: Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines ersten Säumniszuschlages ein.
Die Zahlung in Höhe von € 65.403,62 langte auf dem Nebenkonto des Finanzamtes am ein; unter Berücksichtigung einer dreitägigen Respirofrist (gemäß § 211 Absatz 2 Bundesabgabenordnung) ergab sich somit als Entrichtungstag der .
Dieser Entrichtungstag ist für die Fälligkeit der Umsatzsteuer 09/2021 () als verspätet anzusehen; somit war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von € 1.308,07 (2% von € 65.403,62 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt. § 217 Abs. 5 Bundesabgabenordnung bestimmt: Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet hat.
Diese Bestimmung kann leider nicht zur Anwendung kommen, da die erforderliche sechsmonatige Säumnislosigkeit aufgrund der verspäteten Entrichtung der Umsatzsteuer 08/2021 nicht gegeben ist.
Da die Körperschaftsteuer 10-12/2021 in der Höhe von Euro 5.000,00 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 100,00 (2% von Euro 5.000,00 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da die Lohnsteuer 10/2021 in der Höhe von Euro 3.616,23 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 72,32 (2% von Euro 3.616,23 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Da der Dienstgeberbeitrag 10/2021 in der Höhe von Euro 4.515,81 nicht bis zum Fälligkeitstag () entrichtet wurde war mit Ablauf des Fälligkeitstages ein erster Säumniszuschlag in Höhe von Euro 90,32 (2% von Euro 4.515,81 gemäß § 217 Abs. 2 Bundesabgabenordnung) verwirkt.
Ein grobes Verschulden am Eintritt der Säumnis im Sinn des § 217 Abs. 7 BAO ist dann anzunehmen, wenn die für die Einhaltung von Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird, wenn also eine ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung vorliegt.
Im Fall eines Antrages nach § 217 Abs. 7 BAO hat der Abgabepflichtige aus eigenem Antrieb konkret und nachvollziehbar darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihn an der verspäteten Entrichtung kein grobes Verschulden trifft. Da die pünktliche Abgabenzahlungsverpflichtung in der Vergangenheit bereits wiederholt nicht eingehalten wurde, liegt ein die Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO hinderndes grobes Verschulden an der gegenständlichen Säumnis vor.
Die Umsatzsteuer 04/2021, Umsatzsteuer 05/2021, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2021, Körperschaftsteuer 07-09/2021, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2021 und Umsatzsteuer 08/2021 wurden verspätet entrichtet. Für weitere Auskünfte, steht Ihnen oben angeführter Sachbearbeiter gerne zur Verfügung."
Vorlageantrag
Am langte der Vorlageantrag beim Finanzamt wie folgt ein:
"1. Vorlageantrag gemäß § 264 BAO
Am haben wir namens und im Auftrag unserer oa Mandantin das Rechtsmittel der Beschwerde gegen nachfolgenden Bescheid ergriffen:
• Bescheid betreffend Abweisung des Antrags auf Aufhebung des ersten SZ in der Höhe von€ 1.570,71 vom
Dieses Rechtsmittel wurde von der Abgabenbehörde mit am eingelangter Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Somit stellen wir hiermit gemäß § 264 BAO in offener Frist den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Begründung:
Zur Begründung verweisen wir auf unsere ausführlichen Darlegungen in der Beschwerde, die wir unverändert aufrecht halten.
Nur ergänzend verweisen wir darauf, dass hinsichtlich der U 9/2021 eine um einen Tag verspätete Entrichtung vorliegt und unsere Mandantin massiv von den Auswirkungen der Corona- Pandemie betroffen ist und gerade im relevanten Zeitraum unsere Mandantin bzw deren Geschäftsführerin eine enorme Arbeitsbelastung durch das An- und Abmelden von Mitarbeitern aufgrund des Schließens bzw Wiederaufsperrens der von den Kunden unserer Mandantin geführten Hotels konfrontiert war. In Anbetracht von Negativzinsen auf Bankkonten macht eine verspätete Entrichtung überhaupt keinen Sinn. Auch dies zeigt, dass unserer Mandantin im konkreten Fall ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (siehe zB Ritz, BAO3, § 217 Tz 44 mit Verweis auf mwN).
2. Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 lit a BAO
Ergänzend beantragen wir die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 lit a BAO.
3. Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 lit a BAO
4. Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO
Abschließend beantragen wir gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung für die durch die positive Erledigung der gegenständlichen Berufung zum Wegfall kommenden Abgabenbeträge (Säumniszuschlag 2021 in Höhe von € 1.570,71).
Ferner beantragen wir gemäß § 272 Abs 2 Z 1 lit a BAO die Entscheidung durch den gesamten Senat."
Beschluss
Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht an die Beschwerdeführerin und an den Vertreter der Beschwerdeführerin wie folgt:
"Der Säumniszuschlagsbescheid vom ist wie folgt adressiert:
,***Bf1***
z.H. ***StB***'
Soweit ersichtlich, wurde in der Vergangenheit von der steuerlichen Vertretung über FinanzOnline eine Zustellvollmacht für die steuerliche Vertretung bekannt gegeben. Folglich erging der Säumniszuschlagsbescheid vom und auch der angefochtene Abweisungsbescheid vom auch an die Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Vertreterin. Auch die Beschwerdevorentscheidung vom ist an die Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Vertreterin adressiert.
In der Beschwerde vom wird auf eine erteilte Vollmacht verwiesen, wobei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass diese Vollmacht ,keine Zustell- und keine Geldvollmacht umfasst'.
[…]"
Mit Nachricht vom beantwortete der Vertreter der Beschwerdeführerin den Beschluss vom wie folgt:
"Unter Bezugnahme auf den Beschluss vom übermitteln wir Ihnen in der Anlage die seit 2014 aufrechte Vollmacht (samt Zustellung- und Geldvollmacht) der ***Bf1***, wobei die ***StB_alt1*** in ***Stb_alt2*** und in weiterer Folge in ***StB*** umfirmiert wurde.
Leider wurde in unserer Beschwerde vom fälschlicherweise ausgeführt, dass keine Zustell- und Geldvollmacht vorliegt. Die Beschwerdevorentscheidung vom ist uns zugestellt worden."
Beschluss
Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht wie folgt an die Beschwerdeführerin:
"I. Auf Grund der derzeit vorliegenden Unterlagen geht das Bundesfinanzgericht von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin (***Bf1***) hat fällige Abgaben zum Fälligkeitstag nicht entrichtet. Die belangte Behörde (Finanzamt Österreich) hat einen Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von € 1.570,71 am erlassen und der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer steuerlichen Vertretung zugestellt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Säumniszuschlägen hinsichtlich Umsatzsteuer in Höhe von € 1.308,07, Lohnsteuer in Höhe von € 72,32, Dienstgeberbeitrag in Höhe von € 90,32 und Körperschaftsteuer in Höhe von € 100,00.
Am waren die Umsatzsteuer 9/2021 in Höhe von € 65.403,62, die Lohnsteuer 10/2021 in Höhe von 3.616,23, die Dienstgeberabgabe 10/2021 in Höhe von € 4.515,81 sowie die Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal 2021 in Höhe von € 5.000 fällig.
In den Monaten August 2021 bis November 2021 wurden bereits Säumniszuschlagsbescheide erlassen.
Am wurden mit Fälligkeitsdatum € 65.403,62 als Einzahlung am Abgabenkonto verbucht; am wurden mit Fälligkeitsdatum nochmals € 30.000 am Abgabenkonto als Einzahlung verbucht. Bei beiden Zahlungen handelt es sich um Überweisungen, die vom Bankkonto ***Kto_Nr*** bei der Bank mit der Bankleitzahl 14.000 überwiesen wurden. Auch in der Vergangenheit wurden Zahlungen von diesem Bankkonto überwiesen.
>> Sie werden eingeladen, dazu Stellung zu nehmen.
II. Im Antrag gemäß § 217 Abs 7 BAO wird darauf hingewiesen, dass
-) die "E war am zur Überweisung fällig"
-) vor kurzem "der Mann unserer Mandantin verstorben" wäre
-) es zu einer Änderung beim gemeinsamen Bankkonto kam und die Bank die beauftragte Überweisung nicht durchgeführt habe.
In der Beschwerde vom wird darauf hingewiesen, dass
-) "Unsere Mandantin" das Unternehmen als Alleingesellschafter-Geschäftsführerin führe
-) Finanzamtszahlungen teilweise zu spät entrichtet wurden
-) die Umsatzsteuer 9/2021 innerhalb der Respirofrist des § 211 Abs 2 BAO mittels Telebanking an die Hausbank weitergeleitet wurde.
Bezugnehmend auf das Vorbringen im Antrag vom und in der Beschwerde vom geht das Bundesfinanzgericht (derzeit) davon aus, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Kapitalgesellschaft handelt, die über ein eigenes Bankkonto verfügt und dieses Bankkonto bereits in der Vergangenheit für Finanzamtszahlungen verwendet wurde.
Aus dem Firmenbuchauszug der Beschwerdeführerin (FN ***FN_Nr***) ist ersichtlich, dass es neben der Geschäftsführerin im Unternehmen der Beschwerdeführerin auch noch einen selbständig vertretungsbefugten Prokuristen gibt.
>> Sie werden ersucht, dazu Stellung zu nehmen.
III. In der Beschwerde vom ist angeführt, dass die Umsatzsteuer 9/2021 in Höhe von € 65.403,62 mit Verrechnungsweisung innerhalb der Respirofrist des § 211 Abs 2 BAO mittels Telebanking an die Hausbank weitergeleitet wurde.
>> Sie werden ersucht, die diesbezüglichen Unterlagen (zB Ausdruck aus dem Telebanking-System), aus denen ersichtlich ist, wann und von welcher Person die Überweisung beauftragt wurde, vorzulegen."
Dazu langte am per E-Mail folgende Beantwortung ein:
"Unter Bezugnahme auf den Beschluss vom erlauben wir uns wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Punkt I.: Leider sind in unserem Antrag versehentlich Textbausteine (zB "… gt ist vor kurzem der Mann unserer Mandantin verstorben. In diesem Zusammenhang kam es auch zu einer Änderung beim gemeinsamen Bankkonto und die Bank führte die beauftragte Überweisung - aus nicht nachvollziehbaren Gründen - nicht durch. …") eines Antrags einer anderen Klientin verblieben. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zu Punkt II.: Unsere Mandantin verfügt nur über ein Bankkonto bei der BAWAG, wobei alle Überweisungen immer nur von der im FB eingetragenen Geschäftsführerin vorgenommen werden.
Zu Punkt III.: Die Geschäftsführerin unserer Mandantin, Frau ***GF*** hat - laut den uns erteilten Auskünften - am späteren Nachmittag des die Überweisung im Telebanking der BAWAG vorgenommen. Aufgrund der Höhe des Betrages erfolgte - wie der Geschäftsführerin heute von der Bank persönlich erläutert wurde - noch eine Überprüfung durch die Bank. Die Überweisung/Abbuchung wurde schlussendlich erst am , ca 9 Uhr vorgenommen. Die Zeitangabe hat die Geschäftsführerin heute von einer Bankmitarbeiterin erfahren. Dem Telebanking konnte unsere Mandantin Nachfolgendes entnehmen
Ergänzend zum bisherigen Vorbringen erlauben wir uns nur darauf hinzuweisen, dass sich der Zusammenhang zwischen der coronabedingten Arbeitsüberlastung und der Versäumnis auch dadurch herstellen lässt, als am erwähnten Bankkonto unserer Mandantin beträchtliche liquide Mittel liegen und unserer Mandantin bereits mit Negativzinsen belastet ist. Es würde somit überhaupt keinen Sinn ergeben, "grob fahrlässig" Zahlungen ans Finanzamt nicht vorzunehmen.
Wir bitten nochmals unsere, leider ebenfalls auf eine coronabedingte Arbeitsüberlastung zurückzuführenden Fehler in der gegenständlichen Angelegenheit zu entschuldigen, stehen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung und verbleiben
mit freundlichen Grüßen"
Zurücknahme des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Senatszuständigkeit
Nach der Ladung zur mündlichen Senatsverhandlung hat der Vertreter der Beschwerdeführerin sowohl den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung als auch auf Senatszuständigkeit mit Faxnachricht vom wie folgt zurückgenommen:
"Namens und auftrags unserer oa Mandantin ziehen wir hiermit - wie soeben telefonisch besprochen - unseren Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 lit a BAO und unseren Antrag auf Senatsentscheidung gemäß § 272 Abs 2 Z 1 lit a BAO zurück."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hat fällige Abgaben zum Fälligkeitstag nicht entrichtet. Die belangte Behörde hat einen Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von € 1.570,71 am erlassen und der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer steuerlichen Vertretung zugestellt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Säumniszuschlägen hinsichtlich Umsatzsteuer in Höhe von € 1.308,07, Lohnsteuer in Höhe von € 72,32, Dienstgeberbeitrag in Höhe von € 90,32 und Körperschaftsteuer in Höhe von € 100,00.
Am waren die Umsatzsteuer 9/2021 in Höhe von € 65.403,62, die Lohnsteuer 10/2021 in Höhe von 3.616,23, die Dienstgeberabgabe 10/2021 in Höhe von € 4.515,81 sowie die Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal 2021 in Höhe von € 5.000 fällig.
In den Monaten August 2021 bis November 2021 wurden bereits Säumniszuschlagsbescheide erlassen. Über die Fälligkeit der Körperschaftsteuervorauszahlungen wurde die Beschwerdeführerin zeitnah mit gesondertem Schreiben informiert.
Am späten Nachmittag des wurde die Überweisung in Höhe von € 65.403,62 im Online-Banking-System von der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin erfasst und am wurde die Überweisung von der Bank durchgeführt. Am wurden mit Fälligkeitsdatum € 65.403,62 als Einzahlung am Abgabenkonto verbucht; am wurden mit Fälligkeitsdatum nochmals € 30.000 am Abgabenkonto als Einzahlung verbucht. Bei beiden Zahlungen handelt es sich um Überweisungen, die vom Bankkonto ***Kto_Nr*** bei der Bank mit der Bankleitzahl 14.000 überwiesen wurden. Auch in der Vergangenheit wurden Zahlungen von diesem Bankkonto überwiesen.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Säumniszuschlagsbescheid und zur Zusammensetzung des Säumniszuschlages in Höhe von € 1.570,-- gründet sich auf den Säumniszuschlagsbescheid vom , in den Einsicht genommen wurde. Darüber hinaus verweist auch die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom auf den Bescheid vom .
Die Feststellung, dass bereits in den Monaten August (Bescheid vom ), September (Bescheid vom ), Oktober (Bescheid vom ) und November (Bescheid vom ) Säumniszuschlagsbescheide erlassen wurden, ergibt sich einerseits aus einer Einsichtnahme in das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin und andererseits wurde im Vorlagebericht vom darauf hingewiesen, dass seit Oktober 2017 mehrmals pro Jahr Säumniszuschlagsbescheide ergangen sind. Zusätzlich erhielt die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom eine Benachrichtigung über den Vorauszahlungsteilbetrag an Körperschaftsteuer für den Zeitraum 10-12/2021 in Höhe von € 5.000,00. Auf dieser Benachrichtigung ist der Fälligkeitstag ausdrücklich genannt.
Die Feststellung zu den am fälligen Abgaben und deren Höhe, die auch Gegenstand des Säumniszuschlagsbescheides vom sind, gründen sich auf die Einsichtnahme in das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin. Aus diesem Abgabenkonto ist ersichtlich, dass am die Lohnsteuer in Höhe von € 3.616,23, der Dienstgeberbeitrag in Höhe von € 4.515,81 und der Dienstgeberzuschlag in Höhe von € 440 als Selbstbemessungsabgaben verbucht wurden.
Am wurde die Körperschaftsteuervorauszahlung in Höhe von € 5.000 am Abgabenkonto als Belastung mit dem Hinweis "Vierteljahresbuchung" verbucht.
Die Feststellung, dass die Überweisung in Höhe von € 65.403,62 erst am späten Nachmittag des im Online-Banking-System der BAWAG erfasst wurde gründet sich auf den Angaben die vom steuerlichen Vertreter als Beantwortung zum Beschluss vom erteilt wurden. Aus der Beantwortung des Beschlusses vom , der - offenbar - ein Auszug aus einem Online-Banking-System beigefügt war, ist jedoch nicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die Eingabe und somit der Auftrag an die Bank zur Durchführung der Überweisung erteilt wurde. Aus den Angabe, dass der Auftrag an die Bank "am späteren Nachmittag des " (gemeint wohl: ) erteilt wurde und die Bank den Auftrag erste am nächsten Arbeitstag bearbeitet, kann der Rückschluss gezogen werden, dass der Auftrag außerhalb der üblichen Geschäftszeiten der Bank erteilt wurde. Aus den Angaben der BAWAG P.S.K auf deren Internetauftritt ist ersichtlich, dass etwa der Annahmeschluss für Finanzamtszahlungen (per eBanking) zur taggleichen Bearbeitung um 14:30 Uhr ist. Wenn nun der Auftrag von der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin erst am "späteren Nachmittag" erteilt wurde und die Annahmezeit für die taggleiche Bearbeitung bereits verstrichen ist, ist auch erklärlich, warum die Überweisung erst am (taggleich) durchgeführt wurde.
Erst am wurde eine Zahlung mit Verrechnungsweisung in Höhe von € 65.403,62 verbucht.
Die Feststellungen zu den Zahlungseingängen am und am ergibt sich aus den Buchungen und den zusätzlichen Informationen, die am Abgabenkonto ersichtlich sind. Die Feststellung, dass auch schon in der Vergangenheit diverse Abgabenschulden im Überweisungswege entrichtet wurden und dabei dasselbe Girokonto verwendet wurde, wie auch für die Zahlungen vom und vom ergibt sich zB aus den Bankbelegdaten der Zahlungen vom (Buchungsdatum ) oder vom (Buchungsdatum ). Auch diese Zahlungen wurden vom Girokonto ***Kto_Nr*** bei der BAWAG PSK überwiesen.
Beweiswürdigung
§ 217 BAO lautet:
2. Säumniszuschläge
§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
(3) Ein zweiter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt ihrer Vollstreckbarkeit (§ 226) entrichtet ist. Ein dritter Säumniszuschlag ist für eine Abgabe zu entrichten, soweit sie nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des zweiten Säumniszuschlages entrichtet ist. Der Säumniszuschlag beträgt jeweils 1% des zum maßgebenden Stichtag nicht entrichteten Abgabenbetrages. Die Dreimonatsfristen werden insoweit unterbrochen, als nach Abs. 4 Anbringen oder Amtshandlungen der Verpflichtung zur Entrichtung von Säumniszuschlägen entgegenstehen. Diese Fristen beginnen mit Ablauf der sich aus Abs. 4 ergebenden Zeiträume neu zu laufen.
(4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als
a) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,
b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,
c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,
d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.
(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.
(6) Wird vor dem Ende einer für die Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist ein Vollstreckungsbescheid (§ 230 Abs. 7) erlassen, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 erst mit dem ungenützten Ablauf dieser Frist, spätestens jedoch einen Monat nach Erlassung des Vollstreckungsbescheides ein und beginnt erst ab diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist des Abs. 3 erster Satz zu laufen.
(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
(8) Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen; dies gilt sinngemäß
a) für bei Veranlagung durch Anrechnung von Vorauszahlungen entstehende Gutschriften und
b) für Nachforderungszinsen (§ 205), soweit nachträglich dieselbe Abgabe betreffende Gutschriftszinsen festgesetzt werden.
(9) Im Fall der nachträglichen rückwirkenden Zuerkennung oder Verlängerung von Zahlungsfristen hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung der zuerkannten oder verlängerten Zahlungsfrist zu erfolgen.
(10) Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.
Rechtliche Beurteilung
Zustellvollmacht:
Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Gemäß § 83 Abs. 2 BAO richten sich Umfang und Inhalt der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
Die Bevollmächtigung einer (natürlichen oder juristischen) Person oder einer eingetragenen Personengesellschaft hat gegenüber einer Behörde insbesondere zu erfolgen
durch Vorlage der Vollmachtsurkunde (§ 83 Abs 1 BAO),
mündlich (vgl § 83 Abs 3 BAO) oder
durch Berufung auf die Vollmacht (gem § 88 Abs 9 WTBG bzw § 77 Abs 11 WTBG 2017, § 8 Abs 1 Rechtsanwaltsordnung, § 5 Abs 4a Notariatsordnung oder § 36 Abs 5 BibuG 2014).
Bei Rechtsanwälten, Wirtschaftstreuhändern, Notaren und Bilanzbuchhaltern ersetzt nach § 8 Abs 1 letzter Satz Rechtsanwaltsordnung (idF BGBl 1990/474), nach § 77 Abs 11 WTBG 2017, nach § 5 Abs 4a Notariatsordnung (idF BGBl 1993/692) bzw § 36 Abs 5 BibuG 2014 die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis. Bei diesen Parteienvertretern reicht es somit, wenn sie sich schriftlich oder mündlich (nichttelefonisch) auf eine ihnen erteilte Bevollmächtigung berufen.
Beruft sich einer der genannten Parteienvertreter auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung, so ist für den Umfang der Vertretungsmacht seine Behauptung maßgebend (vgl ). Eine allgemeine Vollmacht umfasst auch die Zustellungsbevollmächtigung (zB ; , 2001/09/0180; , 2002/09/0137; , 2012/13/0051; , 2012/13/0102). Dies gilt auch dann, wenn sich ein Vertreter (zB § 88 Abs 9 WTBG bzw § 77 Abs 11 WTBG 2017) auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl ; , 2012/13/0051).
Bestehen - etwa aus der Aktenlage - konkrete Zweifel, ob der betreffende Parteienvertreter tatsächlich bevollmächtigt ist, so hat die Abgabenbehörde von Amts wegen entsprechende Ermittlungen vorzunehmen (vgl zu § 30 Abs 2 ZPO, , SZ 57/131; zu § 10 Abs 1 letzter Satz AVG, , ; zu § 83 BAO ); in Betracht kommt vor allem die diesbezügliche Einvernahme des Vertretenen. Ein Auftrag zur Vorlage der Urkunde kann ebenso zielführend sein ().
Der Vertreter der Beschwerdeführerin hat gegenüber dem Bundesfinanzgericht angegeben, dass er über eine aufrechte Zustellvollmacht verfügt. Da ihm sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Beschwerdevorentscheidung als Zustellbevollmächtigtem zugestellt wurde, ist kein Zustellmangel ersichtlich.
Säumniszuschlag:
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob ihn an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. (Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist.
Fragen des Vorliegens eines groben Verschuldens der Partei sind der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zuzuordnen (), wobei es sich bei der Frage, ob grobes Verschulden vorliegt (oder nicht), nicht um eine Frage handelt, die zu beweisen wäre; es handelt sich vielmehr um eine Rechtsfrage ().
Zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Unternehmensleitung gehört eine ordnungsgemäß eingerichtete Büroorganisation (-K/08 mwN); die Büroorganisation von Kapitalgesellschaften muss in gleicher Weise wie eine Rechtsanwalts-kanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen. Die Organisation muss daher die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sicherstellen (zB bis 0060; ; ).
Maßgebend ist somit, ob der Geschäftsführung grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle (vgl zB ; ) anzulasten sind.
Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (). Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (). Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (). Liegt eine wiederholte Säumigkeit bei der Entrichtung von Abgaben vor, kann regelmäßig nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens ausgegangen werden (vgl. z.B. ; ).
Bei § 217 Abs. 7 BAO handelt es sich um einen Begünstigungstatbestand. Bei diesen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat daher selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat ein Säumniszuschlag keinen Strafcharakter (vgl zB ), weil der Säumniszuschlag eine "Sanktion eigener Art" darstellt (). Er ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht (). Der Säumniszuschlag kann schon deshalb keinen Strafcharakter haben, weil dessen Verwirkung kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraussetzt () und weil die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, grundsätzlich unbeachtlich sind ().
Die Respirofrist des § 211 Abs. 2 BAO dient keineswegs der Einräumung einer weiteren Frist zur Abgabenentrichtung, sondern soll allein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Bearbeitung von Banküberweisungen längere Zeit in Anspruch nehmen kann (; ).
Es mag zwar zutreffen, dass es im Unternehmen der Beschwerdeführerin zu Arbeitsspitzen gekommen ist, die (auch) in der Pandemie ihren Grund haben können. Allerdings ist zu bedenken, dass bei Finanzamtszahlungen, welche zB die Umsatzsteuer oder lohnabhängige Abgaben betreffen, die Fälligkeitstage grundsätzlich gleich sind und solche Zahlungen jeweils am 15. eines Monates fällig sind. Darüber hinaus hat die COVID-19-Pandemie bereits im März 2020 begonnen und die Schwierigkeiten, die sich durch diverse Lockdowns und Öffnungsschritte ergeben, bestanden auch schon in den Jahren 2020 und 2021. Insofern kann der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass gerade zum Fälligkeitstag - nach eineinhalb Jahren Pandemie - in der verspäteten Überweisung der zum fälligen Abgaben nur eine leichte Fahrlässigkeit zu erblicken wäre, nicht gefolgt werden. Zu bedenken ist auch, dass - wie auch die Beschwerdeführerin ausführt - am (nur) die Umsatzsteuer 9/2021 - nicht hingegen die lohnabhängigen Abgaben und die Körperschaftsteuer 10-12/2021 überwiesen wurde.
Der letzte Säumniszuschlagsbescheid vor der Fälligkeit jener Abgaben, für die im beschwerdegegenständlichen Bescheid ein Säumniszuschlag festgesetzt wurde, stammt vom - somit sehr zeitnah zum Fälligkeitstag . Hinsichtlich der Körperschaftsteuervorauszahlung für das vierte Quartal erhielt die Beschwerdeführerin sogar zeitgerecht eine Benachrichtigung über die Fälligkeit.
Auch die Argumentation in der Beschwerde vom und im Antrag vom , dass lediglich ein Fehler vorliegt, den "gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht" bzw. dass sich die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren immer vorbildhaft bei der Begleichung ihrer Abgabenschulden verhalten habe, kann nicht gefolgt werden. So hat etwa die belangte Behörde im Vorlagebericht, dem Vorhaltscharakter zukommt (zB ; ; ), aufgelistet, dass es zwischen Oktober 2017 und September 2021 zu nicht weniger als 26 (!) Festsetzungen von Säumniszuschlägen gekommen ist. Insofern muss festgehalten werden, dass die verspätete Entrichtung von Abgaben im Unternehmen der Beschwerdeführerin nicht die Ausnahme ist.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Revisionszulassung
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig. Darüber hinaus weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der in den oben zitierten Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100176.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at