Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.12.2023, RV/7100443/2018

Hochrechnung von Bildungsteilzeitgeld bei der Einkommensteuerveranlagung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***3***, ***4***, vertreten durch ***2***, ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der beschwerdegegenständliche im Spruch näher bezeichnete Bescheid wurde im Wesentlichen begründet wie folgt:
"Sie haben im Jahr 2016 steuerfreie Einkommensersätze erhalten (insbesondere Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, bestimmte Bezüge als Soldat oder Zivildiener), die eine besondere Steuerberechnung nach sich ziehen (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Dabei werden die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte auf den Zeitraum des Erhalts der steuerfreien Bezüge umgerechnet, so als ob sie auch während des Bezugs der Einkommensersätze weiterbezogen worden wären. Daraus wird ein Umrechnungszuschlag ermittelt, der zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes dem Einkommen hinzugerechnet wird. Mit diesem Durchschnittssteuersatz wird das steuerpflichtige Einkommen versteuert.
Hinsichtlich der Abweichungen gegenüber Ihrer Erklärung wird auf die diesbezügliche (telefonische) Besprechung verwiesen.
Zu den beantragten Reisekosten in Höhe von € 2.606,18 wurden Taggelder für das Fortbildungsseminar in ***5*** in maximaler Höhe von € 132,- (€ 26,40 x 5 Tage) anerkannt."

In der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin (Bf) folgendermaßen aus:
"Wie schon vorab telephoniert geht es nicht um die Höhe der (vom Finanzamt gekürzten) Werbungskosten - diese passen so wie im Bescheid berücksichtigt, sondern lediglich um die zu korrigierende Hochrechnung des steuerfreien AMS-Weiterbildungsgeldes für 1.1.-31.7. weil die Bf. durchgehend von 1.1.-31.12. bei der ***Universität*** beschäftigt war, im Zeitraum der Bildungskarenz aber nur geringfügig dazuverdienen und arbeiten durfte. Die Bf. lege die Berechnung It. BMD/NTCS Programm bei und glaube, dass das Finanzamt nur bestimmte Teile der Einkünfte bei der Hochrechnung für 1.1.-31.7. wegklicken müsse und verweise diesbezüglich auch auf die Begründung im beiliegenden BFG-Urteil zu § 3 Abs 2 EStG."

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde begründet wie folgt:
"Erhält ein Steuerpflichtiger steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a nur für einen Teil des Kalenderjahres so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen (§ 3 Abs. 2 EStG 1988).
Die Bf. bezog im Zeitraum vom - neben Einkünften aus einer geringfügigen Beschäftigung von der ***Universität*** (2.753,66 Euro) Arbeitslosenbezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (Weiterbildungsgeld gemäß § 26 AlVG)).
Die Hochrechnung der im Zeitraum - von der ***Universität*** bezogenen Einkünfte erfolgte daher zu Recht (vgl. R\//7100500/2017). Der gegenteiligen, im BFG-Erkenntnis v. , RV/7105820/2016 vertretenen Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden."

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) vom führte die Bf aus wie folgt:
"Weil sich der BFG offenbar selbst uneins ist (vgl die beiden vom Finanzamt zitierten Urteile vom 16.2, vs ) erhebe ich binnen offener Frist Beschwerde, um die Rechtsmittelfrist zu wahren. Der Fall scheint zu gleichen, auch die Bf. hatte ganzjährig vom selben Arbeitgeber 1.1.-31.12. (Vgl LZ in FinOnline von ***Universität***) keine Einkünfte, nur fürs restliche Jahr.

Im übrigen erscheint es mir noch nicht ganz klar, warum von den Werbungskosten inkl Sonderausgaben (insges rd 4.350) nur der Durchschnittssatz und nicht der 35% Grenzsteuersatz zur Steuergutschrift führen soll, wenn denn schon hochgerechnet werden müsste."

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:
"Sachverhalt: Die Bf. bezog im Zeitraum vom - Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung von der ***Universität*** (2.273,66 Euro) und gleichzeitig Weiterbildungsgeld nach dem AlVG.

Im Zeitraum vom - bezog die Bf. von der ***Universität*** Einkünfte aus einer Vollbeschäftigung.
Strittig ist, ob hinsichtlich der im Zeitraum vom - bezogenen Einkünfte eine Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 vorzunehmen ist. Der steuerliche Vertreter der Bf. vermeint unter Verweis auf das Erkenntnis des , dass diese zu unterbleiben hätte.
Beweismittel: - Versicherungsdatenauszug der Bf.
Stellungnahme: Die Abgabenbehörde vertritt die im Erkenntnis vom , RV7100500/2017, vertretene gegenteilige Rechtsansicht.
Es wird daher die Abweisung der Beschwerde beantragt."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Bf. hatte ganzjährig denselben Arbeitgeber (***Universität*** laut Lohnzettel _ FinOnline).

Die Bf. nahm vom 1.1. bis Bildungskarenz in Anspruch und bezog daraus für diesen Zeitraum AMS-Weiterbildungsgeld. Die Bf. war im Streitjahr 2016 ganzjährig bei der ***Universität***, jedoch vom 1.1. bis 31.7. nur geringfügig dazuverdienend beschäftigt.

In der Zeit vom 01.01. bis nahm die Bf. eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) in Anspruch und erhielt zusätzlich zu ihren geringfügigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vom Arbeitsmarktservice Bildungsteilzeitgeld gemäß § 26a Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) 1977 in Höhe von EUR 6.104,32 (für 1.1. bis ) sowie € 2.560,17 (für 1.6. bis ), in Summe daher € 8.664,49 für insgesamt 212 Tage.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Rechtsnormen

§ 3 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (idgF) lautet:

"Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Wohnsitzfinanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen."

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Gemäß § 26a Abs. 5 AlVG 1977 iVm § 26 Abs. 8 AlVG 1977 gilt das Bildungsteilzeitgeld als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 EStG 1988.

Erwägungen

Zweck der Regelung - so die Erl zur RV 277 BlgNR 17. GP, 6 ff - ist es, einen rechtspolitisch unerwünschten Effekt zu beseitigen, der sich ergibt, wenn steuerfreie, soziale Transferleistungen in einem Kalenderjahr mit anderen, steuerpflichtigen Einkünften zusammentreffen. Dies könnte, insbesondere im Fall saisonaler Arbeitslosigkeit, wegen der zum Teil erheblichen Milderung der Steuerprogression dazu führen, dass das Nettoeinkommen eines nicht ganzjährig Beschäftigten unter Berücksichtigung der im Wege der Einkommensteuerveranlagung erhaltenen Lohnsteuererstattung höher wäre als das Nettoeinkommen eines ganzjährig Beschäftigten.

Um diese Milderung der Steuerprogression auszuschließen, hat sich der Gesetzgeber des 3. AbgÄG 1987 und ihm folgend des EStG 1988 dazu gefunden, den Veranlagungszeitraum auf jenen Zeitraum zu reduzieren, in dem Erwerbs- bzw Pensionseinkünfte erzielt werden. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge bzw die Einkünfte der ersten vier Einkunftsarten für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Für den Fall des Bezuges niedriger steuerpflichtiger Erwerbs- oder Pensionseinkünfte im Restzeitraum des Jahres ist überdies noch vorgesehen, dass aus der Umrechnung keine höhere Steuerbelastung als im Falle der Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten darf.

Die Hochrechnung ist aus dem oben im Spruch näher bezeichneten beschwerdegegenständlichen Bescheid ersichtlich (Abgabengutschrift iHv € 724,00):

[...]

Kontrollrechnung:
Das Einkommen bei Kontrollrechnung beträgt € 20.106,69, woraus eine Einkommensteuer laut Kontrollrechnung iHv € 2.118,84 resultiert (vgl. Beilage zur Beschwerde der Bf.: Steuerberechnung Arbeitnehmerveranlagung für 2016), abzüglich der einbehaltenen Lohnsteuer iHv € 2.625,11 ergibt sich bei der Kontrollrechnung eine der Hochrechnung gegenüber geringere Abgabengutschrift iHv € 506,27 (vgl. Beschwerde der Bf.).

Die sich bei Hochrechnung ergebende Steuer ist jener Steuer gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollversteuerung des Bildungsteilzeitgeldes ergibt (sog. Kontrollrechnung). Die jeweils niedrigere Steuerbelastung ist maßgebend.
Die Hochrechnung ergibt im vorliegenden Fall eine Abgabengutschrift in Höhe von EUR 724,00. Nach dem Günstigkeitsvergleich gemäß § 3 Abs. 2 2. Unterabsatz EStG 1988 ist daher dieses Ergebnis günstiger, weil aus der Kontrollrechnung demgegenüber eine Abgabengutschrift von lediglich € 506,27 hervorgeht.
Die für die Bf. günstigere Variante ist die Einkommensteuerberechnung mit Hochrechnung (gegenüber der Kontrollrechnung), die eine Einkommensteuer iHv € 1.900,64 ergibt, und nach Abzug der Lohnsteuer eine Abgabengutschrift von € 724,00 ausweist (s. beschwerdegegenständlicher Einkommensteuerbescheid).

Der Umstand, dass das Gesetz ausdrücklich nur eine Umrechnung jener Arbeitseinkünfte vorsieht, "die für das restliche Kalenderjahr" bezogen wurden, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes offensichtlich auf die typisierende Betrachtungsweise zurückzuführen, dass während der Dauer eines Arbeitslosengeldbezuges keine ins Gewicht fallenden Arbeitseinkünfte zufließen (). In diesem Erkenntnis sprach der Gerichtshof aus, es wäre mit der Zielsetzung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 unvereinbar, diese Bezugszeiträume nicht zu neutralisieren und den progressionsmildernden Umstand der Steuerbefreiung des Arbeitslosengeldes für die nicht befreiten Einkünfte zum Tragen kommen zu lassen.

Diese vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auslegung des Gesetzes ist auch auf das Bildungsteilzeitgeld anzuwenden. Auch dabei sind die neben dem AMS-Weiterbildungsgeld (Bildungsteilzeitgeld) zugeflossenen Einkünfte geringer, weshalb der Bezugszeitraum 1.1. bis (sind 212 Tag) im Wege der Hoch-/Kontrollrechnung zu neutralisieren war.

Das von der Bf zitierte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts v. , RV/7105820/2016 (s. o.a. Vorlageantrag) steht mit der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung nicht im Einklang. Die darin vertretene Rechtsansicht kann für den vorliegenden Fall nicht übernommen werden.

Den diesbezüglichen Ausführungen der Bf. im Vorlageantrag betreffend Werbungskosten und Sonderausgaben ist zu entgegnen, dass betreffend die Steuerberechnung ausschließlich das Einkommensteuergesetz heranzuziehen ist, wonach sich die eindeutige Steuerberechnung ergibt, weshalb auch aus dem Beschwerdebegehren im Vorlageantrag, die Werbungskosten und Sonderausgaben müssten zu einer Gutschrift im Ausmaß von 35% (Grenzsteuersatz) führen, nichts gewonnen werden kann. Werbungskosten und Sonderausgaben führen zu einer Verminderung der Besteuerungsbemessungsgrundlage, von der die Einkommensteuer iSd Einkommensteuergesetzes (EStG) 1988 idgF zu errechnen ist.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist daher im Hinblick auf die obigen Ausführungen rechtsrichtig im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung ergangen (s. o.a. § 3 Abs. 2 EStG 1988 idgF; Erl zur RV 277 BlgNR 17. GP, 6 ff; Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts , RV/7100500/2017).

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wie die Einkommensteuer im Falle des Zufließens von steuerfreien Transferleistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit a EStG 1988 zu errechnen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100443.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at