Gemäß § 303 Abs. 4 BAO kann nur bei neu hervorgekommenen Tatsachen, die einen anderslautenden Bescheid bewirken, das Verfahren wiederaufgenommen werden
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuer 2006, 2007, 2008, Einkommensteuer 2006, 2007, 2008 und Wiederaufnahme der Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008, Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008 Steuernummer ***BF1StNr1***
I. zu Recht erkannt
Der Beschwerde betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008 und Einkommensteuer 2006, 2007, 2008 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II: den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008 und Einkommensteuer 2006, 2007, 2008 wird gemäß § 261Abs.2 BAO iVm § 278 Abs. 1 BAO als gegenstandslos erklärt. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, Herr ***2*** ***3***, war und ist 100 % ***4*** und deren Geschäftsführer. Er bezog daraus Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
Der Beschwerdeführer erwarb in ***5***, ***6***, zwei Eigentumswohnungen.
Diese vermietete der Beschwerdeführer an die ***7***.
Ab dem Jahr 2006 erklärte der Beschwerdeführer aus dieser Vermietung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und machte Vorsteuern aufgrund des des Verzichtes auf die Steuerbefreiung für Kleinunternhmer gemäß § 6 Abs. 3 UStG geltend.
Für die Jahre 2006, 2007, 2008 fand im Jahr 2010 eine Betriebsprüfung statt.
Die Betriebsprüfung traf folgende Feststellungen die das Finanzamt nach Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer in ihren Sachbescheiden betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006, 2007, 2008 mitberücksichtigte.
Der Betriebsprüfungsbericht traf folgende beschwerderelevante Feststellungen:
Steuerliche Feststellungen
Tz. 1 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
Im Prüfungszeitraum wurden an die ***8*** zwei Eigentumswohnungen vermietet. Das Mietverhältnis wurde von der Betriebsprüfung nicht anerkannt, da die Anmietung der beiden Dienstwohnungen nur durch das Naheverhältnis des Gesellschafters zustandegekommen ist.
Die steuerlichen Auswirkungen werden wie folgt dargestellt.
Steuerliche Auswirkungen
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Zeitraum | 2006 | 2007 | 2008 |
Euro | Euro | Euro | |
Umsatzsteuer | |||
[000] Steuerbarer Umsatz | -2.907,60 | -18.502,91 | -17.608,42 |
[029] 10% Ermäßigter Steuersatz | -2.907,60 | -18.502,91 | -17.608,42 |
[060] Vorsteuern (ohne EUSt) | -64.556,00 | ||
Einkommensteuer | |||
[370] Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung | 701,93 | 3.615,88 | 7.127,68 |
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde mit folgender Begründung:
"Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wird als Begründung für die Nichtanerkennung des Mietverhältnisses zwischen Herrn ***3*** und der ***9*** das Naheverhältnis des Gesellschafters angeführt.
Über die Frage der Anerkennung dieses Mietverhältnisses ist der UFS bereits in seiner Berufungsentscheidung vom (GZRV/0798-W/08) betreffend Umsatzsteuer 10/2006 zum Ergebnis gekommen, dass kein Missbrauch iSd § 22 BAO vorliegt und demgemäß das Mietverhältnis anerkannt.
Lediglich wegen der Frage, ob im Beobachtungszeitraum ein Gesamtüberschuss aus der Vermietung entsteht, hat der UFS die Umsatzsteuer 10/2006 vorläufig festgesetzt. Die Liebhabereiproblematik wurde von der BP allerdings nicht aufgegriffen, zumal sich aus der vorgelegten Überschussrechnung für 2009 bereits ein Überschuss der Einnahmen von € 5.061,32 ergibt.
Da beim Sachverhalt und den Argumenten seit dem Berufungsverfahren gegen die UVA 10/2006 keine Änderung eingetreten ist, besteht meines Erachtens kein Grund und auch kein Recht für die Betriebsprüfung, die auf Basis des og. Erkenntnissees des UFS ergangen Bescheid für die Jahre 2006 - 2008 wiederaufzunehmen und abzuändern.
Ich ersuche daher die ergangenen Bescheide vom aufzuheben und die usprünglichen Bescheid vom (für 2006), vom (für 2007) und vom (für 2008) wieder in Kraft zu setzen."
Die Beschwerde wurde direkt an die zweite Instanz vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht ersuchte um Beantwortung folgender Fragen:
"Wie wurden die von Ihnen als Dienstwohnung "angemieteten Wohnungen" seit 2009 genutzt?
Wer wohnte oder nutzte diese Wohnungen?
Um eine genaue Aufstellung der Nutzer dieser Wohnungen, welcher Art und Dauer die Nutzung war (Hauptwohnsitz, dienstlich genutzt etc9 für den gesamten Zeitraum 2006 bis 2023 wird ersucht."
Durch die steuerliche Vertretung wurde dies in der Beantwortung zum Vorhalt im Beschwerdeverfahren des Geschäftsführers in einem wie folgt beantwortet:
Der Beschwerdeführer legte eine Liste mit den Nutzern dieser Wohnungen für den gesamten Zeitraum vor.
Das Finanzamt gab zu der Beantwortung des Vorhaltes folgendes bekannt:
"Betreffend der Auflistung der Personen lt. steuerlicher Vertretung, die in den beiden Wohnungen in den jeweiligen Jahren untergebracht waren, habe ich keine gegenteiligen Äußerungen abzugeben. Das Finanzamt Österreich nimmt daher Abstand von einer Stellungnahme betreffend der Beantwortung des steuerlichen Vertreters zu oben genannter Verfahren."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Herr ***3*** ***2***, Beschwerdeführe, war und ist Geschäftsführer und Alleingesellschafter der ***7***. Der Beschwerdeführer erwarb zwei Eigentumswohnungen in ***5*** und vermietete diese an die ***7***. Die Wohnungen wurden im beschwerdegegenständlichen Zeitraum von dem Beschwerdeführer und Dienstnehmern der GmbH genutzt. In folgenden Jahren wurde es einerseits als Büro genutzt sowie als Schlafstelle für Dienstnehmer. Eine Wohnung wurde erst ab 2015 von einer Verwandten genutzt. Diese bezahlte keine Miete.
Beide Wohnungen werden seit wenigen Jahren an Privatpersonen vermietet.
2. Beweiswürdigung
Dies ergibt sich aus dem bisherigen Verfahren, der Betriebsprüfung, den vorgelegten Aktenteilen, dem zitierten Vorerkenntnis RV/0798-W/08 und der Beantwortung des Vorhaltes des BFG.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008 und Einkommensteuer 2006, 2007, 2008.
§ 303. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
(3) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auch bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.
(4) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO in der damals geltenden Fassung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von amtswegen dann zulässig, wenn in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der Betriebsprüfungsbericht vom wies folgende steuerliche Feststellungen auf:
Im Prüfungszeitraum wurden an die ***8*** zwei Eigentumswohnungen vermietet. Das Mietverhältnis wurde von der Betriebsprüfung nicht anerkannt, da die Anmietung der beiden Dienstwohnungen nur durch das Naheverhältnis des Gesellschafters zustandegekommen ist.
Die Betriebsprüfung stellte in ihrem Arbeitsbogenfest, dass die Überschussrechnung bezüglich Vermietung überprüft wurde; zur Überschussrechnung gibt eskeine Feststellungen, falls die Vermietung grundsätzlich anerkannt wird.
Die Betriebsprüfung stellte somit keinerlei neue Tatsachen, die steuerlich ein anderes Ergebnis erzielen würden, fest.
Die Feststellungen zum Ausmaß der Nutzung der Wohnungen waren für den betreffenden Zeitraum dem Finanzamt bekannt. Da keine die Überschussrechnungen betreffenden Feststellungen getroffen wurden, kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grund der neuhervorgekommenen Tatsachen nicht erfolgen.
Prinzipiell ist die Tatsache, dass ein Alleingesellschafter Wohnungen, die in seinem Eigentum stehen, an die Gesellschaft vermietet, an der er zu 100% beteiligtist, nicht als Missbrauch gemäß § 22 BAO zu werten.
Im Rechtssatz zu RV/0799-W/08 wird ausgeführt:
"Eine ungewöhnliche Gestaltung ist kein Missbrauch, wenn für sie außersteuerliche Gründe vorliegen. Solche Gründe können auch in der unternehmerischen Zukunftsplanung gelegen sein. Die Anmietung von Wohnungen vom Alleingesellschafter zu einem fremdüblichen Mietpreis stellt keinen Fall eines Missbrauchs iSd § 22 BAO dar, wenn sie mit dem geplanten Aufbau eines zusätzlichen Kundenkreises wirtschaftlich begründet ist. Gelingt der Aufbau dieses Kundenkreises nicht, wäre jedoch bei Beibehaltung des Mietvertrages das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung an den Gesellschafter zu prüfen."
Da die Anfangsphase des Aufbaues eines erweiterten Kundenstockes durch die GmbH den beschwerdegegenständlichen Zeitraum bildet, ist aufgrund der vorliegenden Tatsache, dass die Vermietung transparent, fremdüblich und aus strategischen wirtschaftlichen Überlegungen aus damaliger Sicht erfolgte, anzuerkennen. Die Strategie der GmbH vor der Finanzkrise für qualifizierte bestehende und zukünftige Arbeitnehmer Dienstwohnungen als Wohnort und Arbeitsstätte anzubieten war realistisch, zukunftsorientiert und anzuerkennen. Da der Beschwerdeführer diese Wohnungen auch nicht als seinen Wohnsitz nutzte, Wohnungen in dieser guten Lage auch von Firmen für Dienstnehmer angemietet werden und auch mit dementsprechenden Mieterträgen an Privatpersonen vermietet werden kann, kann bei dieser fremdüblichen Vermietung an die eigene GmbH kein Missbrauch gemäß § 22 BAO festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hatte wie andere Vermieter von Wohnungen in guten Lagen ein entsprechendes Angebot für eine Branche, die hohe Lohnkosten und Benefits - für ihre Mitarbeiter - auch für zukünftige- in Konkurrenz zu anderen der Brache anbieten musste.
Das Mietverhältnis ist daher anzuerkennen.
Da keine neuen Tatsachen hervorgetreten sind, die einen anderslautenden Bescheid bewirkt hätten, waren die Wiederaufnahmebescheide gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Umsatzsteuer 2006, 2007, 2008 und Einkommensteuer 2006, 2007, 2008 nicht zulässig.
Die angefochtenen Bescheide betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO werden aufgehoben.
Da die Bescheide betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO aufgehoben werden, werden die Beschwerden gemäß § 261 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs 1 BAO als gegenstandslos erklärt und die Beschwerdeverfahren eingestellt.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist nicht zulässig, da Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden. Die rechtlichen Schlussfolgerungen folgen der herrschenden Judikatur zu Naheverhältnissen und Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 22 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | fremdüblich Naheverhältnis neuhervorgekommene Tatsachen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100244.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
ZAAAF-18340