Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.12.2023, RV/7100425/2022

Geschäftsführerhaftung (§ 9 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 BAO)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100425/2022-RS1
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertreter seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen i.S.d. § 9 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 BAO nachgekommen ist, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Für Abgaben, die erst nach Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Vertretenen fällig wurden, kann dem Vertreter, der infolge Konkurseröffnung keinen Zugriff auf das Massevermögen mehr hat, eine schuldhafte Nichtentrichtung daher nicht angelastet werden, sodass eine Haftung des Vertreters für diese Abgaben nicht in Frage kommt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung für Abgabenverbindlichkeiten der ***A*** GmbH, Steuernummer***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gem. § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten der ***A*** GmbH, FN ***FN-A***, im Gesamtbetrag vom € 118.122,49 in Anspruch genommen wird:


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Umsatzsteuer 08/16
49.783,32
Umsatzsteuer 11/16
17.097,40
Umsatzsteuer 12/16
13.315,09
Umsatzsteuer 01/17
15.716,92
Umsatzsteuer 02/17
13.073,08
Lohnsteuer 09/16
945,82
Lohnsteuer 01-03/17
3.245,09
Körperschaftssteuer 01-03/17
437,00
Kammerumlage 10-12/16
408,56
Dienstgeberbeitrag 01-03/17
1.323,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-03/17
116,20
Stundungszinsen 2017
671,39
1. Säumniszuschlag 2016
1.381,02
1. Säumniszuschlag 2017
608,25
Summe
118.122,49

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Abgabenkonto der ***A*** GmbH Rückstände i.H.v. € 120.213,14 aushaften, und dass er als ehemaliger Geschäftsführer dieser Gesellschaft zu Haftung für diese Verbindlichkeiten herangezogen werden könne, es sei denn er könne beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Er wurde daher aufgefordert, binnen vier Wochen bekanntzugeben und zu belegen, ob Mittel zur Verfügung standen, um die Abgabenrückstände zu entrichten, sowie ob in jenem Zeitraum, in dem er als Geschäftsführer für die Bezahlung der Abgaben verantwortlich war, andere Zahlungen (z.B. Lieferantenzahlungen, Lohnzahlungen, Krankenkassenzahlungen, etc.) geleistet wurden.

Hierauf brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom vor, dass er die Geschäftsführung der ***A*** GmbH im August 2016 aus gesundheitlichen Gründen abgegeben und - nachdem eine Verschlechterung des laufenden Betriebes eingetreten sei - im Oktober 2016 wieder übernommen habe. Er habe daraufhin versucht, das Unternehmen wirtschaftlich zu stabilisieren. Mit dem Finanzamt und der Gebietskrankenkasse seien Zahlungserleichterungen bzw. Stundungen vereinbart worden. Dadurch sei es möglich gewesen, mit den vorhandenen finanziellen Mitteln eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger durchzuführen. Infolge des schlechten Geschäftsganges in den ersten Monaten 2017 sei jedoch nur noch eine anteilsmäßige Bedienung der Gläubiger möglich gewesen. Er habe das Finanzamt nicht schlechter behandelt als andere Gläubiger. Die Lohnabgaben und die erste Ratenzahlung im Jänner 2017 seien pünktlich entrichtet worden. Da sich der Geschäftsgang nicht entspannt habe und ein Partner nicht gefunden werden konnte, sei die Gesellschaft insolvent geworden, dies jedoch nicht aus seinem Verschulden, sondern infolge des schlechten wirtschaftlichen Umfeldes. Dem Schreiben des Beschwerdeführers vom waren ein Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom (Bewilligung von Zahlungserleichterungen), ein Schreiben der OÖ Gebietskrankenkasse vom (Ratenbewilligung), ein weiteres Schreiben der OÖ Gebietskrankenkasse vom (Bewilligung eines Kuraufenthaltes), ein mit dem o.a. Schreiben der belangten Behörde vom übermittelter ausgefüllter Fragebogen (Feststellungen betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschäftsführers) sowie ein Bezugsnachweis des Beschwerdeführers für Juli 2018 angeschlossen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom nahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gem. § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten der ***A*** GmbH in Anspruch:


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Umsatzsteuer 08/16
49.783,32
Umsatzsteuer 11/16
17.097,40
Umsatzsteuer 12/16
13.315,09
Umsatzsteuer 01/17
15.716,92
Umsatzsteuer 02/17
13.073,08
Lohnsteuer 09/16
945,82
Lohnsteuer 01-04/17
4.345,09
Körperschaftssteuer 01-03/17
437,00
Kammerumlage 10-12/16
408,56
Dienstgeberbeitrag 01-04/17
1.773,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-04/17
156,20
Stundungszinsen 2017
671,39
1. Säumniszuschlag 2016
1.381,02
1. Säumniszuschlag 2017
922,59
Summe
120.026,83

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Geschäftsführer einer GmbH für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann hafte, wenn die Mittel, die für die Entrichtung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet hat. Es sei daher insbesondere das Fehlen ausreichender Mittel nachzuweisen und darzutun, dass die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt wurden. Dieser Nachweispflicht sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, da er keine Unterlagen/Beweise für eine gleichmäßige Befriedigung aller Verbindlichkeiten beigebracht habe.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . In dieser führt der Beschwerdeführer zunächst aus, dass er im Zeitraum bis nicht Geschäftsführer der ***A*** GmbH gewesen sei und daher die in diesem Zeitraum entstandene Umsatzsteuer 8/2016 jedenfalls aus der Haftungssumme auszuscheiden sei. Weiters führte er aus, dass der ***A*** GmbH mit Bescheid vom eine Zahlungserleichterung bewilligt worden sei und daher eine schuldhafte Verletzung hinsichtlich der von diesem Bescheid umfassten Abgaben nicht vorliegen könne, weil der Bescheid die Verpflichtung ändere. Er habe auch mit der Krankenkasse eine Ratenvereinbarung geschlossen, um eine Gleichbehandlung herbeizuführen. Die anderen Gläubiger seien nicht besser behandelt worden. Hierzu verwies er auf das Anmeldeverzeichnis zum Insolvenzverfahren der ***A*** GmbH und beantragte, den Insolvenzverwalter diesbezüglich zu befragen, falls das Anmeldeverzeichnis als Nachweis nicht ausreichen sollte. Überdies beantragte er, den Referenten der Abgabensicherung des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr als Zeugen zu befragen. Dieser könne bestätigen, dass er im Zuge der Wiederaufnahme der Geschäftsführung ab Oktober 2016 bemüht gewesen sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, mit der Zahlungserleichterung vom eine Vereinbarung geschlossen und diesbezüglich auch Zahlung geleistet habe, die aliquot zu seinen anderen Verpflichtungen gestanden sei. Per Ende 2016 sei es nicht mehr möglich gewesen, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, wie auch im Bericht des Insolvenzverwalters vom (Pkt. 5a, letzter Abs.) festgehalten werde. Abschließend bot der Beschwerdeführer der belangten Behörde an, im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleiches 8 % des Haftungsbetrages zu leisten. Eine derartige Vereinbarung habe er mit seinen anderen Gläubigern bereits abgeschlossen. Der Beschwerde waren - abgesehen vom Schreiben der OÖ GKK vom und vom Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom , die bereits mit dem Schreiben vom vorgelegt wurden - das Anmeldungsverzeichnis zum Insolvenzverfahren der ***A*** GmbH, der Bericht des Insolvenzverwalters im Konkurs über das Vermögen der ***A*** GmbH vom sowie Unterlagen betreffend den außergerichtlichen Ausgleich zwischen dem Beschwerdeführer und der ***Bank1***, der ***Bank2*** und der ***3*** GmbH angeschlossen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Dem Einwand, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben zum Teil während der Zeit entstanden seien, als der Beschwerdeführer nicht Geschäftsführer der ***A*** GmbH war, hielt sie entgegen, dass die Haftung auch Abgabenverbindlichkeiten umfasse, die vor Übernahme der Geschäftsführungsfunktion aufgelaufen sind, da die Pflicht zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung ende und die Gesellschaft verpflichtet bleibe, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen. Dies gelte auch für Lohnsteuer, deren zugrunde liegende Löhne vor Begründung der Geschäftsführungsfunktion ohne Beachtung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 (Einbehaltung der Lohnsteuer von tatsächlich ausbezahlten Betrag, sofern die Mittel zur vollen Lohnzahlung nicht ausreichen) ausbezahlt wurden, wobei in einem solchen Fall der Gleichbehandlungsgrundsatz ausnahmsweise auch für die Lohnsteuer zum Tragen komme und eine schuldhafte Verletzung der Auszahlungspflicht dann gegeben sei, wenn der Vertreter Mittel für die Bezahlung zur Verfügung hatte und nicht - wenn auch nur anteilig - für die Abgabentilgung Sorge getragen hat. Hierbei habe der Haftungspflichtige aufzuzeigen und den Nachweis zu erbringen, mit welcher Quote die Abgabenschulden ohne sein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten uneinbringlich geworden wären, ansonsten sich seine Haftung auf die uneinbringlich gewordenen Abgaben in voller Höhe erstrecke. Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, dass nur Mittel zur anteilsmäßigen Befriedigung sämtlicher Gläubiger vorhanden gewesen seien. Er habe jedoch (ausreichende) Unterlagen bzw. Beweise für eine gleichmäßige Befriedigung aller Verbindlichkeiten nicht übermittelt, sodass die Abgabenbehörde davon ausgehen müsse, dass er seine Verpflichtungen verletzt hat. Den Vorschlag auf Abschluss eines außergerichtlichen Ausgleiches lehnte die belangte Behörde ab, da die Finanzverwaltung nicht schon ursprünglich in den außergerichtlichen Ausgleich einbezogen worden sei und zudem die Zustimmungserklärungen aller Gläubiger sowie die dazugehörigen Zahlungsnachweise nicht übermittelt worden seien.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Darin bemängelt er, dass auf seine Beweisanträge nicht oder kaum eingegangen worden sei. Im Übrigen enthält der Vorlageantrag ausschließlich Ausführungen zum angestrebten außergerichtlichen Ausgleich: Da der Ausgang des gegenständlichen Haftungsverfahren noch offen sei, werde für den Fall, dass die Haftung schlagend werden sollte, der Finanzverwaltung ein inhaltsgleiches Anbot wie den übrigen Gläubigern unterbreitet. Die Zustimmungserklärungen der übrigen Gläubiger sowie entsprechende Zahlungsnachweise waren dem Vorlageantrag angeschlossen.

Mit - ebenfalls als "Vorlageantrag" betiteltem - Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass mit 1. Juli sein Gehalt gepfändet worden sei und dies unweigerlich zum Verlust seines Arbeitsplatzes führen werde, sowie dass er, falls die Haftung rechtskräftig festgesetzt werden sollte, den Haftungsbetrag unmöglich begleichen werden könne. Er ersuchte daher um Aufhebung der Gehaltspfändung sowie um Zustimmung zum angebotenen außergerichtlichen Ausgleich, wobei er die angebotene Quote auf 15 % erhöhte. Dem Schreiben war ein Bescheid der oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , mit welchem für den Beschwerdeführer ein Verfahrenshelfer zur Vertretung in einem zivilgerichtlichen Verfahren (das lt. Vorbringen ein Gläubiger gegen ihn angestrengt hatte) bestellt wurde, sowie ein Schreiben des Verfahrenshelfers vom (Ersuchen um Kontaktaufnahme zwecks Vereinbarung eines Besprechungstermins) angeschlossen.

Im Vorlagebericht vom hielt die belangte Behörde (erneut) fest, dass dem Vertreter der Nachweis obliege, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis, nämlich die Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Hierfür wäre eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabefälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln gewesen. In dieser Aufstellung hätten alle damaligen Gläubiger der ***A*** GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen enthalten sein müssen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von bis , weiters von bis und nochmals von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***A*** GmbH, vormals ***B*** GmbH bzw. ***C*** GmbH (FN ***FN-A***). Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom wurde der (damaligen) ***C*** GmbH aufgrund eines Antrages vom bewilligt, den damals aushaftenden Abgabenrückstand von € 70.223,22 (Saldo des Abgabenkontos zum ) sowie die bis zum Ablauf der Zahlungserleichterung noch auflaufenden KöSt-Vorauszahlungen i.H.v. € 874,00 in sechs Raten (€ 11.500,00 am , € 11.937,00 am , je € 11.500,00 am und , € 11.937,00 am sowie € 12.723,22 am ) zu entrichten. Von den nunmehr haftungsgegenständlichen Abgaben waren im genannten Betrag von € 70.223,22 die Umsatzsteuer 08/2016, die Lohnsteuer 09/2016 sowie der 1. Säumniszuschlag 2016 enthalten und damit - ebenso wie die ausdrücklich mit einbezogene Körperschaftsteuer 01-03/17 - von der Zahlungserleichterung umfasst. Alle übrigen nunmehr haftungsgegenständlichen Abgaben waren nicht von ihr umfasst und wurde hinsichtlich dieser übrigen Abgaben folglich keine Zahlungserleichterung bewilligt. Die erste Rate i.H.v. € 11.500,00 wurde entrichtet und langte am auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft ein. Weitere Ratenzahlungen wurden nicht geleistet. Auch die OÖ Gebietskrankenkasse räumte der (damaligen) ***C*** GmbH mit Schreiben vom die Möglichkeit ein, die damals rückständigen Beiträge i.H.v. € 71.666,99 in zwölf Monatsraten zu € 5.972,25, die erste fällig am , zu entrichten.

Über das Vermögen der (mittlerweiligen) ***A*** GmbH wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , ***GZ-Konkurs***, ein Konkursverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter (Masseverwalter) bestellt. Im Insolvenzantrag bezifferte die ***A*** GmbH die Verbindlichkeiten mit "etwa € 1,6 Mio"; in der vorgelegten Gläubigerliste waren keine Beträge ausgewiesen. Tatsächlich angemeldet wurden bis (sohin innerhalb der am endenden Anmeldungsfrist) € 1.238.296,57. Die damals offenen Abgabenverbindlichkeiten im Gesamtbetrag von € 181.016,45 meldete die belangte Behörde als Konkursforderung an. Das Konkursverfahren erbrachte - wie mit Beschluss des Konkursgerichtes vom bekannt gegeben wurde - eine Quote von 4,5 % für die Konkursgläubiger und wurde nach Schlussverteilung mit Beschluss vom aufgehoben. Am wurde die ***A*** GmbH gem. § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Abzüglich der eingelangten Konkursquote und der sonstigen zwischenzeitigen Gutschriften haften von der angemeldeten Konkursforderung noch die im beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid vom angeführten Abgabenforderungen unberichtigt aus, wobei die ***A*** GmbH aufgrund einer im Mai 2017 durchgeführten Außenprüfung mit Haftungsbescheid vom gemäß § 82 EStG 1988 für die Lohnsteuer 01-04/2017 i.H.v. € 4.345,09 (hiervon entfällt ein Betrag von € 1.100,00 auf April 2017) in Anspruch genommen wurde und ihr gegenüber mit weiteren Bescheiden vom selben Tage auch Nachforderungen an Dienstgeberbeitrag 01-04/2017 i.H.v. € 1.773,35 (hiervon € 450,00 für April 2017) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-04/2017 i.H.v. € 156,20 (hiervon € 40,00 für April 2017) festgesetzt wurden. Die Körperschaftsteuer-Vorauszahlung 1. Qu. 2017 (€ 437,00) beruht auf dem Vorauszahlungsbescheid vom , in dem die Fälligkeitszeitpunkte der vierteljährlichen Vorauszahlungen mit 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November festgelegt werden. Die Stundungszinsen 2017 (€ 671,39) wurden mit Bescheid vom , der 1. Säumniszuschlag 2016 (€ 1.381,02) mit Bescheid vom und der 1. Säumniszuschlag 2017 (€ 922,59) mit Bescheiden vom (€ 608,25) und (€ 314,34) vorgeschrieben. Hinsichtlich der übrigen (Selbstbemessungs-) Abgaben erfolgte gegenüber der ***A*** GmbH keine bescheidmäßige Festsetzung. Mit Ausnahme der Bescheide vom (Lohnabgaben) und des Bescheides vom (Säumniszuschlag € 314,34) wurden der ***A*** GmbH sämtliche Bescheide vor dem zugestellt.

Der Beschwerdeführer bezieht aus einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit monatlich € 2.543,83 netto (Stand Juli 2018) und ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***XXX*** KG ***YYYYY***, mit der Grundstücksadresse ***Bf-Adr***, wo er auch seinen Hauptwohnsitz hat. Er verfügt sonst über kein nennenswertes bzw. verwertbares Vermögen und ist gegenüber einem minderjährigen Kind (geb. ) unterhaltspflichtig. Der Beschwerdeführer hatte gegenüber verschiedenen Gläubigern der ***A*** GmbH und der ***D*** GmbH (FN ***FN-D***), deren Geschäftsführer er ebenfalls war, Bürgschaftsverpflichtungen im Ausmaß von rd. € 800.000,00 übernommen. Mit mehreren dieser Gläubiger traf er Vereinbarungen, wonach er gegen Leistung von Abschlagszahlungen i.H.v. 6-30 % aus der Haftung entlassen wird.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der ***A*** GmbH sowie zur Geschäftsführungsfunktion des Beschwerdeführers für diese Gesellschaft und die ***D*** GmbH gründen sich auf das offene Firmenbuch, jene zu den im Dezember 2016 verfügten bzw. vereinbarten Zahlungserleichterungen auf den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom und das Schreiben der OÖ Gebietskrankenkasse vom . Welche Abgaben von der Zahlungserleichterung umfasst waren, sowie dass (ausschließlich) die erste Rate an das Finanzamt entrichtet wurde, ist aus dem vorliegenden Auszug aus dem Abgabenkonto ersichtlich. Die Feststellungen zum Konkursverfahren der ***A*** GmbH sind der offenen Insolvenzdatei, dem Bericht des Masseverwalters vom sowie dem vorgelegten Anmeldungsverzeichnis entnommen. Die offenen Abgabenverbindlichkeiten gegenüber der ***A*** GmbH sind durch die dem Haftungsbescheid vom angeschlossenen Unterlagen (Abgabenbescheide, BP-Bericht und Niederschrift über die Schlussbesprechung vom , Forderungsaufstellung) sowie durch den Auszug aus dem Abgabenkonto belegt und bestreitet auch der Beschwerdeführer die - im Haftungsverfahren ohnedies nicht zu prüfende (; , 2001/14/0154; , 96/15/0104) - Richtigkeit der Abgabenforderungen gegenüber der ***A*** GmbH nicht. Die Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers sowie zu seinen (Bürgschafts-) Verbindlichkeiten und die mit den Gläubigern getroffenen Vereinbarungen gründen sich auf das vom Beschwerdeführer ausgefüllte und am unterfertigte Formular "Feststellungen betr. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschäftsführers", das offene Grundbuch und die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen (Korrespondenz mit den Gläubigern).

Hinsichtlich der Frage, wann die Bescheide der ***A*** GmbH zugestellt wurden, wurde die belangte Behörde aufgefordert, die Zustellnachweise zu übermitteln und teilte sie mit, dass die Bescheide ohne Zustellnachweis zugestellt wurden. Das Gericht geht daher davon aus, dass die bis einschließlich ausgefertigten Bescheide noch vor dem zugestellt wurden. Eine Zustellung nach diesem Tag würde voraussetzen, dass sie mehr als zwei Wochen auf dem Postweg unterwegs waren, und wäre dies angesichts dessen, dass Postsendungen innerhalb Österreichs i.d.R. nach ein bis drei Tagen zugestellt werden, so ungewöhnlich, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen (darunter fallen etwa die Geschäftsführer von GmbHs: § 18 Abs. 1 GmbHG) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, hat der Vertreter für eine gleichmäßige (anteilige) Befriedigung der Gläubiger zu sorgen. Hierbei trifft ihn eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Er hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich war (; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). Behauptet der Vertreter, dass die Mittel unzureichend waren, um sämtliche Gläubiger zur Gänze zu befriedigen, obliegt ihm der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (; die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht hierzu nicht aus: ). Er hat insbesondere die Quote und den Betrag zu errechnen, der bei anteilsmäßige Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (). Erbringt der Vertreter diesen Nachweis nicht, darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass eine schuldhafte Verletzung i.S.d. § 9 BAO vorliegt und diese Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war, sodass der Vertreter für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze haftet (; , 98/14/0082; , 2011/16/0187; , Ra 2020/13/0027). Um dieser Nachweispflicht nachkommen zu können, obliegt es dem Vertreter auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen ().

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer lediglich behauptet, dass die ***A*** GmbH per Ende 2016 ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, in den ersten Monaten 2017 die Gläubiger nur noch anteilsmäßig bedient werden konnten und das Finanzamt hierbei nicht schlechter behandelt worden sei als die anderen Gläubiger. Eine nähere - insbesondere betragsmäßige - Konkretisierung erfolgte nicht, obwohl die belangte Behörde den Beschwerdeführer mehrfach, nämlich im Vorhalt vom , im Bescheid vom , in der Beschwerdevorentscheidung vom und im Vorlagebericht vom (die Beschwerdevorentscheidung und der Vorlagebericht haben Vorhaltscharakter: ; , 94/15/0024; ; , RV/7100054/2023) auf seine diesbezügliche Behauptungs- und Konkretisierungslast hingewiesen hat. Das Vorbringen erschöpft sich damit in einer bloßen Rechtsfolgenbehauptung und ist daher nicht geeignet, eine Gleichbehandlung der Gläubiger zu belegen oder weitere dahingehende Ermittlungspflichten auszulösen. Insbesondere waren die belangte Behörde und das Bundesfinanzgericht nicht verpflichtet, quasi im Wege eines "Erkundungsbeweises" den Masseverwalter der ***A*** GmbH einzuvernehmen und zu befragen, ob er bestätigen kann, dass der Beschwerdeführer die Gläubiger der ***A*** GmbH gleich behandelt hat (vgl. ; , Ra 2020/13/0027), zumal nicht ersichtlich ist, weshalb der Beschwerdeführer, der als Geschäftsführer wohl den besten und umfassendsten Einblick in die Gebarung der ***A*** GmbH hatte und auch verpflichtet gewesen wäre, entsprechende Belege aufzubewahren (s.o.), nicht in der Lage gewesen sein sollte, zahlenmäßig konkretisiert darzulegen, inwiefern er die Gläubiger in den ersten Monaten des Jahres 2017 gleich behandelt hat. Für den Zeitraum vor 2017, in dem der überwiegende Teil der haftungsgegenständlichen Abgaben angefallen ist, fehlt überhaupt jegliches Vorbringen. Auch das Anmeldungsverzeichnis zum Konkursverfahren ist nicht geeignet, eine Gläubigergleichbehandlung zu belegen, da es naturgemäß nur darüber Auskunft gibt, welche Forderungen bei Konkurseröffnung (noch) offen waren, nicht aber, welche Zahlungen an welche Gläubiger in der Zeit davor geleistet wurden. Dass die Gläubiger im Konkursverfahren (durch Verteilung gem. §§ 128 ff. IO) gleich behandelt wurden, steht außer Zweifel, lässt aber keinen Schluss darauf zu, ob dies auch in der Zeit vor Konkurseröffnung der Fall war. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass die gegenüber dem FA Kirchdorf Perg Steyr erreichte Zahlungserleichterung (Bescheid vom ) vorsah, dass die offenen Abgabenverbindlichkeiten in sechs Raten im Zeitraum Jänner bis Juni 2017 abzustatten war, während laut Ratenbewilligung der OÖ GKK (Schreiben vom ) die offenen Beitragsschulden in zwölf Raten im Zeitraum Jänner bis Dezember 2017 abzuzahlen waren. Zumindest diese beiden Gläubiger hat der Beschwerdeführer also nicht gleich behandelt. Wenngleich hier eine Bevorzugung des Finanzamtes durch frühere Zahlungsziele stattgefunden hat, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer das Finanzamt auch gegenüber anderen Gläubigern zumindest nicht schlechter gestellt hat. Weiters ist hier von Bedeutung, dass die ***A*** GmbH ihre Gesamtverbindlichkeiten im Insolvenzantrag nur grob beziffern und nicht angeben konnte, welche Beträge auf die einzelnen Gläubiger entfallen. Auch dieser Umstand spricht nicht für eine Gläubigergleichbehandlung, da diese es naturgemäß erfordert, die Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen Gläubiger der Höhe nach genau zu kennen.

Die zeugenschaftliche Einvernahme des Referenten der Abgabensicherung des (früheren) Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr konnte unterbleiben, da dieser zum Beweis dafür namhaft gemacht wurde, dass der Beschwerdeführer sich um eine Zahlungserleichterung für die ***A*** GmbH bemüht hat, eine solche auch bewilligt wurde und die darin vorgesehene erste Rate bezahlt wurde. Diese Feststellungen konnten auch ohne Einvernahme des Zeugen aufgrund des Bescheides vom und des Auszuges aus dem Abgabenkonto getroffen werden.

Soweit der Beschwerdeführer meint, für die Umsatzsteuer-Vorauszahlung 8/2016 nicht zu haften, da diese zu einem Zeitpunkt fällig wurde, als er (vorübergehend) nicht Geschäftsführer der ***A*** GmbH war, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschulden erst mit deren Abstattung endet und der Geschäftsführer auch für die Entrichtung jener Abgaben Sorge zu tragen hat, die vor seiner Bestellung fällig wurden (; , 2000/16/0601). Die Haftung des Beschwerdeführers gem. § 9 BAO erstreckt sich daher auch auf die Umsatzsteuer-Vorauszahlung 8/2016.

Soweit der Beschwerdeführer weiters ausführt, dass eine schuldhafte Verletzung für jene Abgaben, die von der Zahlungserleichterung laut Bescheid vom umfasst sind, nicht vorliegen könne, weil dieser Bescheid die Verpflichtungen ändere, ist zunächst festzuhalten, dass die Umsatzsteuern 11/16 bis 2/17, die Kammerumlage 10-12/16, die Lohnabgaben (LSt/DB/DZ) 01-04/17, die Stundungszinsen 2017 und der 1. Säumniszuschlag 2017 von dieser Zahlungserleichterung nicht umfasst waren. Von den umfassten Abgaben waren die Umsatzsteuer 08/16 und die Lohnsteuer 09/16 bei Einlangen des Zahlungserleichterungsansuchens am bereits fällig: Gem. § 21 Abs. 1 UStG 1994 wird die Umsatzsteuervorauszahlung am 15. Tag des dem Voranmeldungszeitraum (= Kalendermonat) zweitfolgenden Kalendermonats fällig; die Lohnsteuer ist gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 am 15. Tag nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats abzuführen; beide Abgaben wurden daher am fällig. Da die Bewilligung einer Zahlungserleichterung lediglich den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgabenschuld hinausschiebt, den Fälligkeitstag aber unberührt lässt, ändert ein nach Eintritt der Fälligkeit eingebrachtes Zahlungserleichterungsansuchen nichts daran, dass durch die Unterlassung der Zahlung gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung verstoßen wurde und der Abgabenausfall (Uneinbringlichkeit gegenüber der Gesellschaft) nicht eingetreten wäre, wenn die Abgaben bereits pflichtgemäß bei ihrer Fälligkeit entrichten worden wären. Eine Zahlungserleichterung hat daher keinen Einfluss auf die Haftung gemäß § 9 BAO, soweit die haftungsgegenständlichen Abgaben bereits vor Einbringung des Zahlungserleichterungsansuchens fällig geworden sind (; , 2001/14/0154). Die Frage, ob die Zahlungserleichterung laut Bescheid vom die abgabenrechtlichen Verpflichtungen des Beschwerdeführers dergestalt abgeändert hat, dass ihm die unterbliebene Zahlung nicht angelastet werden kann, stellt sich daher nur für jene Abgaben, die (von der Zahlungserleichterung umfasst und) bei Einlangen des Zahlungserleichterungsansuchens am noch nicht fällig waren, also hinsichtlich des 1. Säumniszuschlages 2016 (dieser wurde mit Bescheid vom festgesetzt und gemäß § 210 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung, sohin jedenfalls nach dem fällig) und hinsichtlich der Körperschaftsteuervorauszahlung 01-03/17 (diese wurde gem. Vorauszahlungsbescheid vom am fällig). Eine Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten hinsichtlich dieser beiden Abgaben würde aber voraussetzen, dass die Raten laut Zahlungserleichterungsbescheid bis zur Konkurseröffnung entrichtet wurden bzw. dass - wenn dies mangels liquider Mittel nicht möglich gewesen sein sollte - der Beschwerdeführer die Abgabenbehörde gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt (vgl. UFS Linz , RV/0716-L/04). Da die Raten im Zeitraum Februar bis April 2017 nicht mehr entrichtet wurden und der Beschwerdeführer den Gleichbehandlungsnachweis nicht erbracht hat, muss auch hinsichtlich des 1. Säumniszuschlages 2016 und der Körperschaftsteuervorauszahlung 01-03/17 von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgegangen werden.

Auch die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsfähigkeit der ***A*** GmbH trifft, ist für die Haftung nach § 9 BAO ohne Belang (). Dass die Gesellschaft - wie der Beschwerdeführer ausführt - nicht aus seinem Verschulden, sondern infolge des schlechten wirtschaftlichen Umfeldes insolvent geworden ist, steht daher der Haftung nicht entgegen.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertreter seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachkam, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (; , 2007/15/0277). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass ein Teil der haftungsgegenständlichen Abgaben erst nach Konkurseröffnung () fällig wurde. Dies betrifft zum einen die Lohnabgaben für April 2017 (LSt € 1.100,00; DB € 450,00; DZ € 40,00). Diese wurden als Selbstbemessungsabgaben unabhängig von der bescheidmäßigen Geltendmachung nach den jeweils maßgeblichen Bestimmungen (§ 79 Abs. 1 EStG 1988, § 43 FLAG 1967, § 122 Abs. 8 WKG 1998) am 15. Tag nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats fällig, die Abgaben für April 2017 sohin am . Zum anderen betrifft dies auch den Säumniszuschlag laut Bescheid vom (€ 314,34). Dieser wurden als bescheidmäßig festzusetzende Abgabe gemäß § 210 Abs. 1 BAO mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe (= Zustellung) des Abgabenbescheides fällig, hier also keinesfalls vor dem . Durch die Konkurseröffnung verliert der Schuldner die Verfügungsbefugnis über das Massevermögen (§ 2 Abs. 2 IO; § 3 Abs. 1 IO), dessen Verwaltung und Vertretung nun dem Insolvenzverwalter obliegt (§ 83 Abs. 1 IO; § 114 Abs. 1 IO). Der Insolvenzverwalter wird dadurch zum Vertreter i.S.d. § 80 Abs. 1 BAO, der für die Entrichtung der Abgaben aus den Mitteln der Insolvenzmasse Sorge zu tragen, also Masseforderungen grundsätzlich laufend und vollständig und Insolvenzforderungen (i.d.R. bloß quotenmäßig) im Rahmen der Schlussverteilung zu befriedigen hat und bei Verletzung dieser Pflichten gemäß § 9 Abs. 1 BAO in Anspruch genommen werden kann (; , 97/14/0128; , Ro 2014/15/0028). Der Beschwerdeführer hatte nach der Konkurseröffnung mangels Zugriff auf das Massevermögen dagegen keine Möglichkeit mehr, Abgabenforderungen aus den Mitteln der ***A*** GmbH zu entrichten, sodass es ihm nicht als schuldhafte Verletzung seiner Verpflichtungen angelastet werden kann, nach Konkurseröffnung fällig gewordene Abgaben nicht entrichtet zu haben. Die o.a., nach dem fällig gewordenen Abgaben im Gesamtbetrag von € 1.904,34 waren daher aus der Haftungssumme auszuscheiden.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen (; , Ra 2020/13/0029). Ermessensentscheidungen sind gemäß § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sind hierbei die berechtigten Interessen der Partei zu verstehen, unter dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben (). Die Kriterien der Ermessensübung sind vorrangig dem Zweck jener Norm zu entnehmen, die das Ermessen einräumt ().

Da es sich bei Haftungen um Besicherungsinstitute handelt, ergibt sich aus dem Normzweck eine gewisse Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Der Haftende darf daher i.d.R. nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre (). Für die Haftung nach § 9 BAO ist die Uneinbringlichkeit der Abgaben auch Tatbestandsvoraussetzung. Dass die Abgabenverbindlichkeiten bei der ***A*** GmbH uneinbringlich sind, steht im vorliegenden Fall außer Zweifel. Über deren Vermögen war ein Konkursverfahren anhängig, welches nach Schlussverteilung aufgehoben wurde. Dies bedeutet, dass deren Vermögen vollständig verwertet und (quotenmäßig) unter den Gläubigern aufgeteilt wurde, sodass über die Quote hinaus keine weitere Befriedigung der Gläubiger zu erwarten ist. Mittlerweile wurde die ***A*** GmbH gem. § 40 FBG, also wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Im Schreiben vom führt der Beschwerdeführer aus, dass mittlerweile sein Gehalt gepfändet worden sei und dies zum Verlust des Arbeitsplatzes führen könne, sowie dass er den Haftungsbetrag, wenn dieser rechtskräftig festgesetzt werden sollte, nicht begleichen werden könne. Hierzu ist festzuhalten, dass eine Vermögenslosigkeit und/oder Arbeitslosigkeit des Haftenden in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht. Eine allfällige, derzeitige Uneinbringlichkeit schließt es nämlich nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen und künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Ein weiterer für die Ermessensübung relevanter Umstand ist die Zeitdauer zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben beim der Primärschuldner einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits. Ist dieser Zeitabstand ohne sachliche Rechtfertigung ungewöhnlich lang, kann dies - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - eine Minderung der Haftung zur Folge haben ( m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass über das Vermögen der ***A*** GmbH ein Insolvenzverfahren anhängig war und denmach das tatsächliche Ausmaß des Forderungsausfalles erst mit dem Beschluss des Insolvenzgerichtes vom , wonach laut Schlussrechnung auf die Konkursgläubiger eine Quote von 4,5 % entfällt, bekannt wurde (vgl. ). Es sind daher rd. 10 Monate vergangen, bis die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom informiert hat, dass beabsichtigt ist, ihn zur Haftung heranzuziehen. Es kann demnach nicht gesagt werden, dass die belangte Behörde mit der Geltendmachung der Haftung unangemessen lange zugewartet hätte und aus diesem Grunde eine Reduktion der Haftung im Ermessenswege angezeigt wäre. Dies ist grundsätzlich erst bei einem mehrjährigen Zuwarten der Fall (vgl. die in Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. 28, dargestellte Rechtsprechung).

Auch weitere Ermessenskriterien, die der Haftung ganz oder teilweise entgegenstehen könnten (z.B. verwaltungsökonomische Überlegungen, Treu und Glauben) sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, sodass die Zweckmäßigkeit i.S.d. § 20 BAO, also das öffentliche Interesse an einer Einbringung der Abgaben als überwiegendes Ermessenskriterium verbleibt. Die Inanspruchnahme erfolgte daher auch im Rahmen des Ermessens zutreffend.

Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, mit seinen übrigen Gläubigern einen außergerichtlichen Ausgleich abgeschlossen zu haben, ist dieses Vorbringen offenkundig darauf gerichtet, die belangte Behörde ebenfalls zum Abschluss eines außergerichtlichen Ausgleiches zu bewegen. Es ist daher bloß der guten Ordnung halber festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht nur über den in Beschwerde gezogenen Bescheid vom absprechen kann und eine allfällige Entscheidung über den Ausgleichsvorschlag der belangten Behörde vorbehalten bleiben muss.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass den gem. § 9 BAO haftungspflichtigen Vertreter eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast trifft und er daher insb. zu errechnen und nachzuweisen hat, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, wenn infolge unzureichender Mittel des Vertretenen die Gläubiger nur noch anteilsmäßig befriedigt werden können, ist durch die ständige Rechtsprechung, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist, klargestellt. Ob einem Vertreter dieser Nachweis im Einzelfall gelungen ist, stellt eine Tatsachenfrage dar. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100425.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at