Sprucherfordernis für Bescheid; kein Durchschlagen von Nichtbescheiden bei doppelstöckiger Personengesellschaft
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Siegfried Kemedinger, Magdalenenstraße 2, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs 4 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben, weil bereits ein dieselbe Sache betreffender Bescheid rechtskräftig existiert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am bringt der Beschwerdeführer (Bf) einen Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO ein und beantragt, die Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 aufzuheben, weil sie auf Nichtbescheiden beruhten. Dazu verweist er inhaltlich auf die umfangreiche Vorkorrespondenz, insbesondere die Beschwerde vom und den Vorlagebericht vom .
Diese Beschwerde betreffend, der die Zurückweisung eines Antrages auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs 4 BAO zugrunde lag, hat das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7104457/2019, zu Recht erkannt, dass der Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufgehoben wird.
Mit Schriftsatz vom ersucht der Bf unter Hinweis auf den Antrag vom und das BFG-Erkenntnis nochmals um Aufhebung der Einkommensteuerbescheide.
Mit Bescheid vom spricht die belangte Behörde über den "Antrag vom , eingebracht am , ergänzt mit Anbringen vom unter Bezug auf die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO, betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 und Anspruchszinsenbescheide 2007 und 2008 und Anspruchszinsenbescheide 2007 und 2008, alle vom , gem. § 295 Abs. 4 BAO" derart ab, dass er abgewiesen wird, wobei dieser Spruchbestandteil erst am Ende des mit "Begründung" titulierten Abschnittes zu finden ist.
Gegen diesen Abweisungsbescheid richtet sich die Beschwerde des Bf vom . Darin wird vorgebracht, dass der Bescheid fehler- bzw lückenhaft sei, insbesondere, weil nicht auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/7104457/2019, eingehe, aus dem hervorgehe, dass der seinerzeitige Antrag rechtzeitig war, und das ausdrücklich festhalte, dass auch die Erledigungen betreffend die unmittelbar vom Bf gehaltenen Kommanditbeteiligungen Nichtbescheide sind.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom weist die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurück. Die angefochtene Erledigung stelle keinen Bescheid dar, weil sie keinen Spruch (§ 93 Abs 2 BAO) enthalte.
Mit neuerlichem Bescheid vom weist die belangte Behörde den "Antrag vom , ergänzt mit Anbringen vom und unter Bezug auf die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO, betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 und Anspruchszinsenbescheide 2007 und 2008, alle vom , gemäß § 295 Abs. 4 BAO" ab. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, das BFG habe bisher nur ausgesprochen, dass die Anträge gemäß § 295 Abs 4 BAO idF BGBl I 2021/3 rechtzeitig eingebracht worden waren. Über die materiellen Voraussetzungen sei nicht abgesprochen worden. Diese lägen aber nicht vor, weil die Unwirksamkeit eines Feststellungsbescheides durch Zurückweisung der dagegen gerichteten Beschwerde nur für den von diesem intendierten Bescheid abgeleiteten Bescheid tatbestandlich sei und nicht auf einen vom abgeleiteten Bescheid wiederum abgeleiteten Bescheid durchschlagen könne.
In der gegen den Bescheid vom nach Fristerstreckung rechtzeitig erhobenen Beschwerde vom wird vorgebracht, in den eingebrachten Rechtsmitteln und Anträgen werde sehr wohl auf die zweite Ebene Bezug genommen, in den Verfahren betreffend die Feststellungsbescheide der Zwischenebene seien auch Anträge nach § 295 Abs 4 BAO gestellt worden. Aufgrund des Verzichtes auf eine Beschwerdevorentscheidung erfolgte am die Direktvorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Mit Beschluss vom wurde der belangten Behörde vom BFG aufgetragen, auch den Verfahrensgang zu den Feststellungsbescheiden der KGs vorzulegen, an denen der Bf unmittelbar beteiligt ist (Bescheide, Rechtsmittel, Erledigungen dazu). Dem ist die belangte Behörde nachgekommen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die belangte Behörde hat am einen Bescheid erlassen, mit dem sie den "Antrag vom , eingebracht am , ergänzt mit Anbringen vom unter Bezug auf die Neufassung des § 295 Abs. 4 BAO, betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 und Anspruchszinsenbescheide 2007 und 2008 und Anspruchszinsenbescheide 2007 und 2008, alle vom , gem. § 295 Abs. 4 BAO" abgewiesen hat.
Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom hat die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom zurückgewiesen, weil die angefochtene Erledigung mangels Spruchs keinen Bescheid darstelle.
Die belangte Behörde hat am einen Bescheid erlassen, mit dem sie den "Antrag vom , ergänzt mit Anbringen vom und unter Bezug auf die Neufassund des § 295 Abs. 4 BAO, betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 und Anspruchszinsenbescheide 2007 und 2008, alle vom , gemäß § 295 Abs. 4 BAO" abgewiesen hat.
Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde hat die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dass entgegen der Feststellung der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom dem Bescheid vom der Spruch nicht fehlt, ergibt sich daraus, dass im Bescheid alle rechtlichen Erfordernisse enthalten sind.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid unter anderem den Spruch zu enthalten. Erledigungen ohne Spruch (somit ohne normativen Inhalt) sind keine Bescheide (vgl. zB ).
Grundsätzlich muss im Wortlaut der behördlichen Erledigung selbst zum Ausdruck kommen, dass die Behörde eine Abgabensache in rechtsverbindlicher Weise erledigt (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 92 E 3). Der Spruch ist die Willenserklärung der Behörde. Der normative (rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende) Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung ergeben (vgl zB ).
Der Bescheidadressat, also die Person, an die der Bescheid ergeht, ist im Spruch des Bescheides namentlich zu nennen, wobei eine Nennung im Adressfeld ebenfalls reicht (vgl. zB ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bescheid einer Verwaltungsbehörde als Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen ().
Ein absoluter Nichtakt liegt nur dann vor, wenn es unmöglich erscheinen muss, die essenziellen Bestandteile eines Bescheidspruchs im Sinne des Willens der Behörde zur jeweiligen Rechtsgestaltung oder auch Rechtsfeststellung rechtssicher auszumachen (Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 93, 291).
Der Bescheid vom enthält sämtliche erforderlichen Merkmale: die bescheiderlassende Behörde, den Bescheidadressaten, den Spruch, eine Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung. Der einzige Unterschied zwischen zum Bescheid vom liegt darin, dass in letzterem unmittelbar nach der Bezeichnung der Sache ("Der Antrag vom …) die Wortfolge: "wird abgewiesen", angefügt ist, im Bescheid vom hingegen erst am Ende der Begründung der Satz steht: "Der Antrag war daher abzuweisen." Der weitere Unterschied, dass der Bescheid vom auch die Ergänzung vom erwähnt, ist für die Beschreibung der Sache, über die abgesprochen wird, unbedeutend.
Wie aus der obzitierten Rechtsprechung ersichtlich ist, kommt es für das Vorhandensein eines Spruches nicht darauf an, dass der Spruch eine in sich geschlossene Einheit darstellt. So wie es unschädlich ist, dass der Bescheidadressat disloziert in einem Adressfeld genannt werden kann, muss es auch unschädlich sein, wenn der normative Inhalt (hier: die Abweisung) erst dem Ende des Bescheides zu entnehmen ist.
Deutlicher, als mit dem Satz: "Der Antrag war daher abzuweisen", kann der normative Wille der Behörde nicht zum Ausdruck gebracht werden. Auch sonst ist nicht ersichtlich, welche Spruchbestandteile dem Bescheid vom fehlen könnten. Die Zurückweisung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom erfolgte zu Unrecht, wurde aber vom Bf nicht weiter bekämpft. Der Bescheid vom ist somit weiterhin im Rechtsbestand und rechtskräftig geworden. Ein Verfahrenstitel, mit dem dieser Bescheid seither aufgehoben worden wäre, ist nicht ersichtlich.
Mit dem Bescheid, den die belangte Behörde am erlassen hat, hat sie über eine bereits mit Bescheid vom entschiedene Sache abgesprochen, ohne diesen Bescheid vorher aufgehoben zu haben. Daher war der Bescheid vom rechtswidrig und wegen "res iudicata" aufzuheben. Der mit dem Bescheid vom verdrängte Bescheid vom lebt mit dieser Aufhebung wieder auf.
Allerdings wäre für den Bf auch in der Sache nichts zu gewinnen gewesen: Der Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs 4 BAO war gestützt auf die Tatsache, dass der Feststellungsbescheid einer atypisch stillen Gesellschaft ein Nichtbescheid war, wobei der Bf selbst an dieser atypisch stillen Gesellschaft nicht unmittelbar beteiligt war, sondern nur mittelbar als Kommanditist zweier Kommanditgesellschaften, die Gesellschafter der atypisch stillen Gesellschaft waren.
Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0155, ausgesprochen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass auch eine bloß mittelbare Ableitung von einem Nicht-Bescheid ohne (oder vor) Aufhebung des darauf gestützten (mittleren) Grundlagenbescheides zu einer Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO führen könnte. Dass der Feststellungsbescheid der atypisch Stillen ein Nichtbescheid war, kann somit nicht auf den Einkommensteuerbescheid des Bf durchschlagen, weil dieser (nur) von den Feststellungsbescheiden der KGs abhängt.
Wenn der Bf im Verfahren ausführt, dass auch die mittleren Grundlagenbescheide der KGs betreffend Anträge nach § 295 Abs 4 BAO gestellt worden sind, so hilft ihm das nichts, weil nur die Zurückweisung einer Beschwerde gegen ein als Bescheid intendiertes Dokument für den Antrag des Bf nach § 295 Abs 4 BAO tatbestandlich wäre, nicht aber eine Aufhebung des Grundlagenbescheides nach einem Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO; diese führte auf der abgeleiteten Ebene zu einer Aufhebung nach § 295 Abs 1 BAO (vgl ).
Auch, dass die mittleren Grundlagenbescheide der KGs mittlerweile als Nichtbescheide tituliert worden sind, hilft dem Bf nicht. Das Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO ist antragsgebunden. Mit dem Antragsinhalt ist die Sache des Verfahrens festgelegt. Seitens des Bf liegt nur ein Aufhebungsantrag vor, der sich darauf stützt, dass die Feststellungsbescheide der atypisch stillen Gesellschaft Nichtbescheide sind. Dieser Antrag lässt sich nicht umdeuten in einen Aufhebungsantrag, der sich auf die fehlende Bescheideigenschaft der mittleren Bescheide stützen würde. Ein amtswegiges Vorgehen ist nach § 295 Abs 4 BAO ebenfalls nicht vorgesehen. Auf die Tatsache, dass die Feststellungsbescheide der KGs Nichtbescheide sind (vgl die jeweiligen Beschwerdevorentscheidungen vom ), kann daher ohne darauf gestützten Antrag nicht eingegangen werden.
Die Tatsache, dass über die Feststellungsbescheide der KGs Beschwerden anhängig waren, die zurückgewiesen worden sind, womit die Voraussetzungen des § 295 Abs 4 BAO erfüllt wären, ergibt sich weder aus dem BFG-Erkenntnis vom , RV/7104457/2019, das nur ohne weitere Begründung erwähnt, es handle sich um Nichtbescheide, noch aus den Schriftsätzen des Bf. Dieser geht nur darauf ein, dass bezüglich der Feststellungsbescheide der KGs Anträge nach § 295 Abs 4 BAO gestellt worden seien. Somit kann der Antrag des Bf nicht dahingehend verstanden werden, dass er sich auf die Nichtigkeit der Feststellungsbescheide der KGs aus dem Titel der Zurückweisung von gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden stützte. Die amtswegigen Erkundungen des BFG helfen - wie bereits erwähnt - wegen der Antragsgebundenheit nicht.
Somit wäre die Beschwerde inhaltlich abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Für die aufgeworfenen Rechtsfragen gibt es höchstgerichtliche Rechtsprechung, in deren Rahmen sich das gegenständliche Erkenntnis bewegt. Daher war die Revision nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103243.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at