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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.12.2023, RV/7102736/2023

Im Urlaubsentgelt enthaltene SEG-Zulagen - hier: keine Steuerbefreiung nach § 68 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Elisabeth Traxler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr: Finanzamt für Großbetriebe) vom betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer für die Kalenderjahre 2016, 2017 und 2018 sowie Festsetzung eines Säumniszuschlages für Lohnsteuer 2016, 2017 und 2018 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist - als Ergebnis einer Lohnsteuerprüfung gemäß § 86 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 -, ob die im Urlaubsentgelt enthaltenen SEG-Zulagen gemäß § 68 EStG 1988 steuerfrei sind.

Dieser Frage liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zu Grunde:

Die nunmehr angefochtenen Bescheide vom hat das Finanzamt im (verwiesenen und ebenfalls mit datierten) Bericht (nur) damit begründet, dass das Ausfallsentgelt für Urlaub nicht der Lohnsteuer unterzogen worden sei.

Ihre Beschwerde vom hat die Bf (zusammengefasst) wie folgt begründet: Bei der Bf handle es sich um ein Unternehmen, das sich auf den Transport von medizinischen Gütern und Gefahrengut (Belieferung von Heimpatienten mit flüssigem Sauerstoff, Transport von radioaktiven Stoffen) spezialisiert habe. Der Transport dieser Spezialgüter sei für die damit befassten Dienstnehmer mit sehr schweren Tätigkeiten und mit erheblichen (von der Bf im Detail ausgeführten) Gefährdungen verbunden. Dementsprechend zahle die Bf ihren Fahrern eine Erschwernis- bzw. Gefahrenzulage. Die funktionellen und materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung lägen im ggstdl. Fall vor (Beweis: Einvernahmen ***1***, Geschäftsführer, und ***2***) und seien auch vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen worden. Das Finanzamt sei jedoch der Auffassung, dass das Ausfallsentgelt, gemeint seien wohl die im Rahmen des Ausfallsentgeltes für Urlaub ausbezahlten SEG-Zulagen, nicht nach § 68 EStG 1988 steuerbegünstigt seien (Beweis: ua Einvernahmen ***1***, Geschäftsführer, und ***2***). Dies sei jedoch unrichtig. Die SEG-Zulagen seien während des Urlaubes genauso weiterzubezahlen wie während des Krankenstandes. Gemäß § 68 Abs. 7 EStG 1988 seien auch an die Arbeitnehmer im Krankheitsfall weitergezahlten SEG-Zulagen nach den Abs. 1 bis 5 leg. cit. zu behandeln. Auch wenn der Gesetzgeber auf das Urlaubsentgelt nicht konkret Bezug genommen habe, sei nach der Rechtsprechung der Schluss zulässig, dass er die Steuerfreiheit bei der Fortzahlung des Entgelts während des Urlaubes stillschweigend vorausgesetzt und daher nicht als gesondert regelungsbedürftig erachtet habe ( Zl. 2006/08/0225; GZ. RV/7101571/2017). Diese Zulagen der Lohnsteuer zu unterziehen und somit anders zu behandeln als die während des Krankenstands ausbezahlten SEG-Zulagen stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und sei daher gleichheits- und verfassungswidrig (Beweis: Einvernahmen ***1***, Geschäftsführer, und ***2***).
Im Prüfungsverfahren bzw. im erstinstanzlichen Verfahren sei eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Fahrer der Bf überwiegend eine relevante Erschwernis und/oder Gefährdung darstellende Tätigkeit ausgeübt hätten, unterblieben, sodass eine mögliche Steuerbegünstigung des SEG-Anteils am Urlaubsentgelt nicht beurteilt werden könne. Dieses Unterbleiben stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde abgewiesen und diese Entscheidung (zusammengefasst) wie folgt begründet:
Im Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0030, habe der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgeführt: "§ 68 Abs. 7 EStG 1988 und § 68 Abs. 4 EStG 1972 regeln Fälle, in denen die Begünstigungen des § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988 bzw. § 68 Abs. 1 EStG 1972 unabhängig davon zur Anwendung kommen, ob die Lohnbestandteile Arbeiten abgelten, die unter Umständen erfolgen, welche eine Verschmutzung bewirken, eine außerordentliche Erschwernis darstellen oder eine Gefährdung mit sich bringen, bzw. Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bzw. Mehrarbeit darstellen. § 68 Abs. 7 EStG 1988 und § 68 Abs. 4 EStG 1972 enthalten somit Ausnahmen von dem Grundgedanken des § 68, dass nur solche Lohnbestandteile, die für tatsächlich und unter bestimmten Voraussetzungen erbrachte Arbeitsleistungen ausgezahlt werden, begünstigt sind (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 68 Tz 58; Hofstätter/Reichel, § 68 EStG 1988 Tz 6 und 7). Dieser Grundgedanke liegt im übrigen auch der Neufassung des § 68 Abs. 4 EStG 1972 durch die EStG-Novelle 1974 zugrunde, mit welcher der im Krankheitsfalle weitergezahlte Arbeitslohn in den Katalog des § 68 Abs. 4 EStG 1972 aufgenommen worden ist (vgl. Pokorny, Die Einkommensteuergesetznovelle 1974, ÖStZ 1974, 230). Während des Urlaubes behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgelt (vgl. § 6 Abs. 1 BG vom betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung, BGBl. Nr. 390). Weil der Dienstnehmer im Urlaub die durch § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988 und § 68 Abs. 1 EStG 1972 steuerlich begünstigten Leistungen nicht erbringt, ist die in diesen Gesetzesstellen normierte Steuerbefreiung für Bestandteile des Urlaubsentgeltes nicht anwendbar, zumal sich die Ausnahmebestimmungen des § 68 Abs. 7 EStG 1988 und § 68 Abs. 4 EStG 1972 nicht auf das Urlaubsentgelt erstrecken."
Damit sei das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden.
Zu dem von der Bf angeführten Erkenntnis des Zl. 2006/08/0225, sei Folgendes auszuführen: Dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Fall sei eine für alle Sozialversicherungsträger und Behörden (mit Verordnungscharakter ausgestattete) verbindliche Feststellung gemäß § 49 Abs. 4 ASVG hinsichtlich der Beitragsfreiheit einer kollekivvertraglichen Schmutzzulage zugrunde gelegen. Im ggstdl. Fall hingegen liege eine solche bindende Feststellung gemäß § 49 Abs. 4 ASVG nicht vor, eine derartige Feststellung würde darüber hinaus eine Bindungswirkung nur gegenüber Sozialversicherungsträger und Behörden hinsichtlich der beitragsrechtlichen Behandlung, nicht jedoch gegenüber den Abgabenbehörden, entfalten. Überdies seien Feststellungen gemäß § 49 Abs. 4 ASVG - was den Bereich der SEG-Zulagen betreffe - nur für Schmutzzulagen zulässig.
Zu dem von der Bf ins Treffen geführten (wesentlichen) Verfahrensmangel: Die grundsätzliche Steuerfreiheit der ausbezahlten SEG-Zulagen sei im gesamten Prüfungsverfahren nicht in Zweifel gezogen worden. Die Steuerpflicht von im Urlaubsentgelt enthaltenen SEG-Zulagen sei - wie bereits ausgeführt worden sei - nicht von der Verrichtung überwiegender Tätigkeiten abhängig. Der behauptete Verfahrensmangel sei daher nicht berechtigt.

Diesen Ausführungen ist die Bf in ihrem Vorlageantrag vom (zusammengefasst) wie folgt entgegen getreten: Die vom Finanzamt gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2006/08/0225, ins Treffen geführten Argumente würden nichts daran ändern, dass die eindeutigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Leitentscheidung unmöglich so verstanden werden könnten, dass diese für die steuerliche Behandlung der SEG-Zulagen nicht gelten würden. Das werde auch in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung vom Bundesfinanzgericht (BFG) so gesehen ( GZ. RV/7102199/2012), und zwar nicht nur betreffend Schmutzzulagen, sondern betreffend sämtlicher SEG-Zulagen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

Gemäß Abs. 5 leg. cit sind unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die
- in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
- im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder
- infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Die im ggstdl. Fall maßgebliche Bestimmung des § 68 Abs. 7 EStG 1988 lautet wie folgt:
"Gemäß Abs. 1 bis 5 sind auch zu behandeln
- Zulagen und Zuschläge, die in dem an freigestellte Mitglieder des Betriebsrates fortgezahlten Entgelt enthalten sind,
- gleichartige Zulagen und Zuschläge an Personalvertreter im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesgesetzlicher Vorschriften,
- Zulagen und Zuschläge, die im Arbeitslohn, der an den Arbeitnehmer im Krankheitsfall weitergezahlt wird, enthalten sind."

Dass die Dienstnehmer der Bf (dem Grunde nach) überwiegend eine relevante Erschwernis und/oder Gefährdung darstellende und damit eine die materiellen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung (§ 68 Abs. 5 EStG 1988) erfüllende Tätigkeit ausgeübt haben wurde auch vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen, sodass sich die von der Bf in diesem Zusammenhang beantragte Beweisaufnahme (Einvernahmen ***1***, Geschäftsführer, und ***2***) erübrigt und auch der von der Bf behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Dass das Finanzamt nur den im Rahmen des Ausfallsentgeltes für Urlaub ausbezahlten SEG-Zulagen die Steuerbegünstigung versagt hat, ist unstrittig, sodass sich auch die von der Bf in diesem Zusammenhang beantragte Beweisaufnahme (Einvernahme ***1***, Geschäftsführer, und ***2***) erübrigt.

In dem - bereits vom Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung ausführlich wiedergegebenen - Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0030, hat der Verwaltungsgerichtshof ua auch die Verfassungsmäßigkeit des § 68 Abs. 7 EStG 1988 bestätigt.
Im Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0121, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsauffassung (vollinhaltlich) bestätigt und darin auch festgehalten, dass das (zu § 49 ASVG ergangene) Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0225, für den Anwendungsbereich der Lohnsteuer und der Frage der Steuerfreiheit der Zulagen nicht einschlägig ist. Dieses Erkenntnis ist zu der (von der Bf mehrfach angesprochenen) Entscheidung des GZ. RV/7102199/2012, ergangen.

Das BFG schließt sich der vom Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 95/15/0030, und vom , Ra 2021/13/0121, vertretenen Rechtsauffassung (vollinhaltlich) an. Der ggstdl. Beschwerde bleibt daher aus den darin dargelegten Gründen der gewünschte Erfolg versagt.

Bei der Frage, ob eine gesetzliche Bestimmung - wie hier § 68 Abs. 7 EStG 1988 - verfassungskonform ist, handelt es sich um eine Rechts- und nicht um einen Tatsachenfrage, sodass von der von der Bf in diesem Zusammenhang beantragten Beweisaufnehme (Einvernahmen ***1***, Geschäftsführer, und ***2***) Abstand genommen wurde.

Zum Säumniszuschlag (für Lohnsteuer 2016, 2017 und 2018):
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO (idF BGBl. I Nr. 142/2000) nach Maßgabe der folgenden Absätze Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht rechtzeitig entrichteten Abgabenbetrages (Abs. 2 leg. cit.).
Gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.
Dass die vorgeschriebene Abgabe nicht (rechtzeitig) entrichtet und damit ein Säumniszuschlag verwirkt worden ist, ist unstrittig. Die Festsetzung eines Säumniszuschlages ist daher ebenfalls zu Recht erfolgt.

In der Beschwerde hat die Bf auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dazu, bei der Aufklärung des (entscheidungsrelevanten) Sachverhaltes mitzuwirken und zu Beweisergebnissen Stellung zu nehmen ( Zl. 2013/15/0245). Da im ggstdl. Fall der (entscheidungsrelevanten) Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedarf und das Bundesfinanzgericht auch keine Beweise aufgenommen hat, erübrigt sich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde daher Abstand genommen.

Zur Revision (Art. 133 Abs. 4 B-VG):
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage der Steuerpflicht/Steuerfreiheit von im Urlaubsentgelt enthaltenen SEG-Zulagen gibt es eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das BFG nicht abgewichen ist.
Die Revision ist daher nicht zulässig.

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102736.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at