1. Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 26 Z 4 EStG 1988 und § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 im Falle monatlich gleichbleibender pauschaler Spesenersätze 2. Vertreterpauschale
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/1100263/2021-RS1 | Sowohl für die Anwendung des § 26 Z 4 EStG 1988 wie auch des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 ist Voraussetzung, dass die betreffende Leistung des Arbeitgebers Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise ist, wobei eine solche Konkretisierung bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstreise zugrunde zu liegen hat (vgl. , und , mwN). Werden vom Arbeitgeber, unabhängig davon, wie viele Dienstreisen tatsächlich unternommen wurden, monatlich gleichbleibende Pauschalbeträge für auswärtige Verpflegung geleistet, sind diese weder gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 noch gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 begünstigt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, ***StNr***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den im antragsgemäß wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom gemäß § 299 BAO auf. Im gleichzeitig ergangenen neuen Einkommensteuerbescheid rechnete das Finanzamt der Abgabenbemessungsgrundlage einen aus der Benutzung eines Firmenwagens resultierenden Sachbezug sowie im Zeitraum Juli bis Dezember 2019 bezogene pauschale Verpflegungsspesen hinzu.
2. Gegen die Erfassung der pauschalen Verpflegungsspesen wandte sich der Beschwerdeführer unter Anschluss einer entsprechenden Beilage mit Beschwerde. Er unterliege dem Kollektivvertrag für die Metallindustrie, der eine steuerfreie Reiseaufwandsentschädigung vorsehe.
3. Auf Ergänzungsersuchen des Finanzamtes legte der Beschwerdeführer den Arbeitsvertrag, den Angestellten-Außendienstvertrag Schweiz, den Zusatzkollektivvertrag (Inlandsdienstreisen und Sonderregelungen) für die Angestellten des Metallbereiches sowie ein Schreiben des kantonalen Finanzdepartementes betreffend das Spesenreglement der ***A*** Schweiz GmbH vor.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Dem vorgelegten Kollektivvertrag zufolge gelte die Regelung betreffend Reiseaufwandsentschädigungen nicht für Vertreter, mit denen einvernehmlich ein Pauschalsatz für Reiseaufwandsentschädigungen vereinbart worden sei. Das schweizerische Spesenreglement sei nicht vorgelegt worden.
5. Mit Vorlageantrag beantragte der Beschwerdeführer unter Verweis auf ein angeschlossenes Spesenreglement die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
6. Auf weiteren Vorhalt des Finanzamtes legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Arbeitgeberin betreffend die Vertretertätigkeit sowie das Fahrtenbuch vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war bis bei der im Inland ansässigen ***A*** GmbH als Außendienstmitarbeiter im Verkauf beschäftigt. Seit ist er bei der ***A*** Schweiz GmbH, einer Tochtergesellschaft, als Außendienstmitarbeiter angestellt. Das Aufgabengebiet umfasst die Betreuung zugeordneter Gebiete in der Schweiz. Er betreut den bestehenden Kundenstock und stellt den Kontakt zu potenziellen Neukunden her, handelt die Vertragsbedingungen aus, schließt Kaufverträge ab und berät die Kunden hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten und technischen Funktionen der Produkte.
Im Zeitraum vom bis bezog er von der ***A*** GmbH nicht steuerbare Spesenersätze in Höhe von 1.717,18 €. Nach den hier maßgeblichen Regelungen des Arbeitsvertrages mit der ***A*** Schweiz GmbH erhält der Arbeitnehmer für auswärtige Verpflegung während Dienstreisen als Spesenersatz einen Pauschalbetrag von 700,00 CHF brutto pro Monat (Punkt 9). Weiters stellt die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer ein Geschäftsfahrzeug zur Verfügung, welches dieser uneingeschränkt auch zu privaten Zwecken nutzen kann.
Der festgestellte Sacherverhalt ergibt sich aus den aktenkundigen Unterlagen und ist zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig.
2. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.
In lit. a bis e der Bestimmung sind Obergrenzen für die Kilometergelder sowie die Tages- und Nächtigungsgelder normiert. Zahlt der Arbeitgeber höhere Beträge, sind die die angeführten Grenzen übersteigenden Beträge steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sind vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder, die ua. für eine Außendiensttätigkeit (zB Kundenbesuche, Patrouillendienste, Servicedienste) gewährt werden, von der Einkommensteuer befreit, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 zu berücksichtigen sind und der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt für alle in § 26 EStG 1988 angeführten nicht steuerbaren Arbeitgeberleistungen der Grundsatz, dass darüber einzeln abgerechnet werden muss und hat der Gerichtshof in diesem Sinn wiederholt ausgesprochen, dass für die Anwendbarkeit von § 26 Z 4 EStG 1988 jedenfalls der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringen ist (vgl. , , und , mwN). Ein Nachweis dem Grunde nach erfordere, dass im Einzelnen eine Dienstreise nach der Definition des § 26 Z 4 EStG 1988 vorliege und die für diese Reise vom Arbeitgeber gewährten pauschalen Tagesgelder die gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 je nach Dauer der Dienstreise bemessenen Tagesgelder nicht überschritten. Die betreffende Leistung des Arbeitgebers gelte als Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise. Eine solche Konkretisierung habe bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstreise zugrunde zu liegen. Gewährte Tagesgelder fielen demnach nur dann unter die Regelung des § 26 Z 4 EStG 1988, wenn der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber erbracht sei.
Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sind das Vorliegen einer der dort angeführten Tätigkeiten und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Reiseaufwandsentschädigungen auf Grund einer lohngestaltenden Vorschrift, wobei sich die Obergrenze für steuerfreie Tagesgelder nach § 26 Z 4 EStG 1988 richtet.
Aus dem Wortlaut der Steuerbefreiungsbestimmung, wonach diese "gezahlte Tagesgelder" erfasst und diese Tagesgelder die Sätze des § 26 Z 4 EStG 1988 nicht übersteigen dürfen, ergibt sich unter Bedachtnahme auf den aus den Gesetzesmaterialien zur Reisekosten-Novelle 2007 (IA 220/A, 23. GP, S 4) hervorgehenden Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 die vormals in § 26 Z 4 EStG 1988 enthaltene Begünstigung für in lohngestaltenden Vorschriften geregelte Tagesgelder beibehalten wollte, dass Tagessätze nur dann steuerfrei gestellt sind, wenn sie vom Arbeitgeber für jede Reisebetätigung einzeln abgerechnet werden (vgl. ). Die in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfassten Arbeitgeber-Leistungen unterscheiden sich demnach lediglich insoweit von den Aufwandsersätzen des § 26 Z 4 EStG 1988, als ihnen kein strenges Aufwandsprinzip zugrunde liegt (vgl. ).
Sowohl für die Anwendung des § 26 Z 4 EStG 1988 wie auch des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 ist somit Voraussetzung, dass die betreffende Leistung des Arbeitgebers Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise ist, wobei eine solche Konkretisierung bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstfahrt zugrunde zu liegen hat (vgl. , und , mwN).
Diese Voraussetzungen sind im Revisionsfall offenkundig nicht erfüllt, hat die schweizerische Arbeitgeberin doch nicht Zahlungen "aus Anlass einer Dienstreise" gewährt, sondern, unabhängig davon, wie viele Dienstreisen tatsächlich unternommen wurden, monatlich gleichbleibende Pauschalbeträge für auswärtige Verpflegung geleistet und waren § 26 Z 4 EStG 1988 sowie § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 somit von vornherein nicht anwendbar (vgl. auch ).
Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, weshalb die ausländische Arbeitgeberin des Beschwerdeführers zur Anwendung der in einem (österreichischen) Kollektivvertrag vorgesehenen Regelungen betreffend Spesenvergütungen verpflichtet gewesen sein sollte und ein entsprechendes schweizerisches Reglement nicht vorgelegt wurde, kam eine Steuerfreistellung der strittigen Pauschalvergütungen sohin bereits aus diesem Grund nicht in Betracht.
Die Zahlung nicht verrechnungspflichtiger Pauschalien durch den Arbeitgeber, mögen sie auch für die in § 26 EStG 1988 angeführten Zwecke gedacht sein, führt zu steuerpflichtigem Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1988 und sind Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer in einem solchen Fall anlässlich einer Dienstreise tatsächlich erwachsen, im Rahmen der Werbungskosten geltend zu machen (vgl. , mwN).
Im Beschwerdefall wurde anstelle der tatsächlichen Kosten das Vertreterpauschale geltend gemacht.
Nach § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten, hier in der ab der Veranlagung 2018 anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 68/2018, werden für die dort angeführten Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 näher geregelte Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt. Für Vertreter wird die Höhe der Werbungskosten mit 5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich, bestimmt (Z 9). Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden.
Bei nicht ganzjähriger Tätigkeit sind die sich aus § 1 ergebenden Beträge nach § 2 der Verordnung anteilig zu berücksichtigen. Gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung kürzen Kostenersätze gemäß § 26 EStG 1988 die jeweiligen Pauschbeträge.
Nach § 1 Z 9 der Verordnung ist Voraussetzung für die Berücksichtigung des Vertreterpauschales, dass ausschließlich eine Vertretertätigkeit ausgeübt wird. Eine völlig untergeordnete andere Tätigkeit steht der Inanspruchnahme des Vertreterpauschales nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht entgegen (vgl. , mwN, und , mwN).
Im Beschwerdefall kann nach der Aktenlage, insbesondere im Hinblick auf den Aufgabenbereich, das Fahrtenbuch und die vorgelegte Bestätigung der Arbeitgeberin, kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr eine Vertretertätigkeit im Sinne der Pauschalierungsverordnung ausgeübt hat und die Voraussetzungen für die Anwendung der Pauschalierungsverordnung erfüllt sind.
Kostenersätze gemäß § 26 EStG 1988 kürzen gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung in der ab der Veranlagung 2018 anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 68/2018 die jeweiligen Pauschbeträge. Dem von der ***A*** GmbH ausgestellten Lohnzettel zufolge bezog der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis nicht steuerbare Spesenersätze gemäß § 26 EStG 1988 in Höhe von 1.717,18 €. Nachdem diese das sich für diesen Zeitraum ergebende anteilige Vertreterpauschale (1.095,00 €) übersteigen, waren keine entsprechenden Werbungskosten in Abzug zu bringen. Die ab dem von der schweizerischen Arbeitgeberin ausbezahlten pauschalen Vergütungen stellen, wie oben ausgeführt, keine Kostenersätze im Sinne des § 26 EStG 1988 dar und kürzen diese daher nicht das (anteilige) Vertreterpauschale für den Zeitraum Juli bis Dezember 2019. Somit war ein Betrag in Höhe von 1.095,00 € als Werbungskosten zu berücksichtigen und der Beschwerde sohin insoweit teilweise Folge zu geben.
3. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die im Beschwerdefall strittige Frage, ob monatlich ausbezahlte pauschale Reisekostenvergütungen unter § 26 Z 4 EStG 1988 bzw. § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 fallen, wurde ebenso wie jene, ob und in welchem Ausmaß das Vertreterpauschale Berücksichtigung finden kann, auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie von nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt und ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten - Angehörige bestimmter Berufsgruppen, BGBl. Nr. 32/1993 § 4 Abs. 1 Durchschnittssätze für Werbungskosten - Angehörige bestimmter Berufsgruppen, BGBl. Nr. 32/1993 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100263.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at