Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2023, RV/2100559/2023

Wiedereinsetzungsantrag wegen "Nichtzurechenbarkeit" und angeblichen Übersehens der Einbringung des ESt-Bescheides in die Databox von FinanzOnline "im Vertrauen auf die korrekte Benachrichtigung per E-Mail mangels Schuldhaftigkeit"

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin C. Wittmann in der Beschwerdesache DI ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Wiedereinsetzung § 308 BAO / ESt 2020, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am reichte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) die Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung (im Folgenden: ANV) für das Jahr 2020 via FinanzOnline (im Folgenden FOn) ein.

Die Veranlagung erfolgte mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom .

Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte begründend aus, dass am ua der ANV-Bescheid 2020 im elektronischen Postfach von FOn hinterlegt worden sei, ohne dass er davon in irgendeiner Form Kenntnis erlangt hätte. Im Zuge der Einrichtung seines FOn-Zuganges habe er einer elektronischen Übermittlung von Bescheiden und anderen Schriftstücken nicht ausdrücklich zugestimmt. Im Falle des ANV-Bescheides 2020 vom sowie der diesen Bescheid betreffenden Zahlungsaufforderung vom habe er weder eine Verständigung über die Hinterlegung im elektronischen FOn-Postfach per Email bekommen, noch seien ihm die besagten Schriftstücke per Briefpost zugestellt worden. Da ihm sohin aus den dargelegten Gründen weder die Versäumnis der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den ANV-Bescheid 2020 noch die Versäumnis der Frist für die Entrichtung der Abgabennachforderung zuzurechnen seien, stelle er betreffend den ANV-Bescheid 2020 innerhalb der Frist des § 308 Abs 3 BAO den Antrag auf Wiedereinsetzung gem § 308 Abs 1 BAO.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Bf auf Wiedereinsetzung ab und führte begründend - auf das Wesentliche zusammengefasst - wie folgt aus: Per FOn habe der Bf am die E-Mailadresse "***1***" eingetragen und seither nicht verändert. Nach Rücksprache mit der IT-Abteilung sei bestätigt worden, dass am in der Früh eine Verständigung versendet worden sei. Das Gesetz beschränke die Berücksichtigung der nicht rechtzeitigen Kenntnis vom Zustellvorgang ausdrücklich auf den Fall der Abwesenheit von der Abgabestelle (). Abgabestelle sei insb die Wohnung des Empfängers (§ 2 Z 4 ZustG). Eine Ortsabwesenheit von der Wohnung sei vom Bf nicht behauptet worden. Gem § 5b Abs 2 FOnV habe jeder an der elektronischen Zustellung via FOn Teilnehmende eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Angabe einer unrichtigen, ungültigen oder gar keiner E-Mailadresse hindere nicht die wirksame Zustellung. Entscheidend für die Zustellung sei alleine der Zeitpunkt, in dem die Daten in der Databox einlangen. Die zusätzliche Verständigung des Empfängers per E-Mail sei eine reine Serviceleistung, an die keine Rechtsfolge geknüpft ist. So spreche auch § 5b Abs 2 FOnV von der E-Mailadresse, um über die elektronische Zustellung informiert zu werden, womit deutlich sei, dass der allfälligen Informationsmail die wirksame Zustellung bereits vorausgegangen sei. Daher berühre das Ausbleiben einer Mitteilung auch an eine gültige E-Mailadresse des FOn-Teilnehmers nicht die Wirksamkeit einer Zustellung in die Databox. Der ESt-Bescheid 2020 sei am in die Databox gestellt worden und gelte, nach den obigen Ausführungen, als zugestellt.

Dagegen erhob der Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde und führte - seinen Wiedereinsetzungsantrag betreffend - begründend aus, im Falle einer elektronischen Zustellung in die Databox komme der Verständigung per E-Mail eine ähnliche Funktion wie dem gelben Zettel der Post zu; da dieser ebenfalls lediglich eine Benachrichtigungsfunktion habe und nicht die Zustellung und damit verbundene Fristenläufe hemme. Wenn er also im Vertrauen auf die korrekte Benachrichtigung per E-Mail das Einlangen des ESt-Bescheides übersehen hätte, sei ihm dies "mangels Schuldhaftigkeit" nicht zuzurechnen. Zur Wiedereinsetzung werde "nach herrschender Lehre und Kommentarmeinung ausgeführt, dass diese im Ermessen jedenfalls zugunsten des Steuerpflichtigen auszulegen ist". IdZ sei auch auf die "ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie zB exemplarisch in ", verwiesen. In seiner Beschwerde stellte der Bf zudem den Antrag, diese direkt dem Bundesfinanzgericht (im Folgenden BFG) vorzulegen.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem BFG vor und verwies dabei auf den den Wiedereinsetzungsantrag betreffenden Abweisungsbescheid des Finanzamtes.

Mit Schreiben vom teilte die Verfahrensbetreuung des Finanzamtes Österreich dem BFG mit, dass der Bf einer elektronischen Zustellung von rechtsverbindlichen Schriftstücken wie Bescheiden, Beschwerdevorentscheidungen, etc über FOn in die Databox am zugestimmt habe und diese bis heute aufrecht sei (Aktivierung elektronische Zustellung). Ebenso sei er seit Dezember 2009 FOn-Teilnehmer. Der ANV-Bescheid vom sei dem Bf am selben Tag um 19:44 Uhr elektronisch in seine Databox zugestellt worden. Die E-Mail Verständigung über die Zustellung des erwähnten ANV-Bescheides für das Jahr 2020 sei am um 06:08 Uhr an ***2***@gmx.at versendet worden.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf war bzw ist - ununterbrochen - seit Dezember 2009 bis dato FOn-Teilnehmer und hat am bis dato einer elektronischen Zustellung von rechtsverbindlichen Schriftstücken des Finanzamtes wie Bescheiden, Beschwerdevorentscheidungen, etc via FOn zugestimmt (Aktivierung elektronische Zustellung).

Dem Bf wurde der ANV-Bescheid 2020 vom am selben Tag um 19:44 Uhr elektronisch und amtssigniert in die Databox seines FOn-Kontos zugestellt.

Die einmonatige Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages begann daher am endete spätestens am .

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie aus der Stellungnahme der Verfahrensbetreuung JVP vom und sind unstrittig.

Vor diesem Hintergrund nahm das BFG den oben festgestellten Sachverhalt gem § 167 Abs 2 BAO als erwiesen an.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gem § 308 Abs 1 BAO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gem Abs 3 leg cit binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.

Die Wiedereinsetzung (restitutio in integrum) führt zur Durchbrechung der Rechtskraft; schon im Interesse der Rechtssicherheit ist deshalb an das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ein strenger Maßstab anzulegen (zB ).

§ 309a BAO normiert, dass der Wiedereinsetzungsantrag zu enthalten hat:

a) die Bezeichnung der versäumten Frist oder der versäumten mündlichen Verhandlung;

b) die Bezeichnung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (§ 308 Abs 1 BAO);

c) die Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Fristversäumung oder der Versäumung der mündlichen Verhandlung notwendig sind;

d) die Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Antrags notwendig sind.

§ 5b der FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006), BGBl. II Nr. 97/2006 idgF lautet auszugsweise:

(1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.

(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert.

Gem § 98 Abs 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (und damit gem § 98 Abs 2 BAO als zugestellt gelten), ist bei FOn der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat (). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch der FOn-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an (vgl zB jüngst sowie ).

Im Erkenntnis vom , RV/3100480/2020, erwog das BFG:

Wenn der Bf anlässlich des Einstiegs in FOn die Hinweise betreffend Zustellung und Einrichtung einer Benachrichtigungsfunktion nicht beachtet hat, so geht dies zu seinen Lasten. Indem der Bf die Anmeldung in FOn ohne Widerspruch der elektronischen Zustellung vorgenommen hat, liegt es in seiner Verantwortung, wenn aufgrund der Nichtbeachtung von in die Databox zugestellten Bescheiden Säumnisfolgen eintreten, dies umso mehr, als dem Bf aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen die Notwendigkeit der Beachtung behördlicher Hinweise auch im Online-Verkehr zweifellos bekannt war.

Der Bf sieht offenbar darin, dass er vom ANV-Bescheid 2020 keine Kenntnis erlangt habe, weil er weder per Mail noch per Post von der Erlassung des ANV-Bescheides benachrichtigt worden sei, ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis".

Abgesehen davon, dass - wie bereits vom erkennenden Gericht festgestellt - der verfahrensggst ANV-Bescheid 2020 dem Bf nachweislich am in die Databox zugestellt wurde und er damit sehr wohl die Möglichkeit hatte, diesen abzurufen, liegen - selbst wenn man dem Vorbringen des Bf folgen würde - auch aus folgenden Gründen die Tatbestandsvoraussetzungen der Wiederaufnahme in den vorigen Stand (§§ 308 Abs 1 und 309a BAO) aus folgenden Gründen nicht vor:

Ein Ereignis ist dann "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es ist "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Ein Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl , sowie Ritz/Koran, BAO7, § 308, Tz 10).

Der Bf hat in seinen Eingaben zugestanden, dass er Kenntnis von der Existenz der Databox hatte. Auch wird nicht bestritten, dass die Zustellung in diese Databox eine gesetzmäßig bewirkte Bekanntgabe darstellt (§ 97 BAO).

Die Unkenntnis alleine rechtfertigt jedoch nach dem klaren Gesetzestext die Wiedereinsetzung noch nicht. Vielmehr ist zu untersuchen, ob diese Unkenntnis auf ein Verschulden der die Wiedereinsetzung anstrebenden Person zurückzuführen ist, der über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht. Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird nach der VwGH-Rsp als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl etwa ; , 99/03/0029, mwN und ).

Dazu ist festzuhalten, dass die Teilnahme an FOnnicht automatisch erfolgt, sondern eine Anmeldung bzw Registrierung voraussetzt. Im Rahmen dieser Registrierung muss eine gültige E-Mail-Adresse ebenso bekannt gegeben werden, wie, ob eine Verständigung über elektronisch übermittelte Erledigungen mittels Mail erfolgen soll. Alternativ kann - im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten - auch auf die elektronische Zustellung vollständig verzichtet werden. Ein derartiger Verzicht ist jederzeit auch später möglich.

Wenn sich der Bf als FOn-Teilnehmer registriert und auch Kenntnis vom Bestehen einer Databox hat, aber weder auf die elektronische Zustellung verzichtet (§ 5b Abs 3 FOnV 2006), noch ausreichende Maßnahmen setzt, dass sie zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlangt, handelt nicht nur schuldhaft, sondern geht dieses Verschulden über einen minderen Grad des Versehens hinaus (vgl nur ).

Die elektronische Zustellung, somit die Bekanntgabe amtlicher Erledigungen, löst regelmäßig Fristen aus, die gegebenenfalls von den Empfängern derselben einzuhalten sind, um Rechtsnachteile vermeiden zu können. Dieser Umstand ist nicht nur weitesthin bekannt, sondern wird auch im Rahmen der Aktivierung und Teilnahme an FOn klar darauf hingewiesen. Aus diesem Grund wird von einem sorgfältigen und vorausschauenden Menschen entweder eine Erinnerung mittels gesondertem Mail angefordert, was den an sich üblichen Verhaltensweisen entspricht, oder besteht das Bewusstsein, dass man auf andere Weise Vorsorge zu treffen hat, dass elektronische Zustellungen nicht übersehen werden. Dies könnte bspw durch regelmäßigen Aufruf der Databox erfolgen (vgl nur ). Dabei handelt es sich nicht um eine komplexe Vorgangsweise oder ist dafür (höheres) fachliches Wissen erforderlich, weshalb der Umstand, dass der Bf unvertreten war, hier auch nicht von entscheidender Bedeutung sein kann.

Wenn der Bf darauf hinweist, dass alle Zustellungen vor dem ANV-Bescheid 2020, entweder per Mailbenachrichtigung oder auch per Post erfolgten, exkulpiert diesen nicht (vgl nur ). Nach § 5b Abs 1 FOnV 2006 haben die Abgabenbehörden Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FOn sind, (nur) nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten elektronisch vorzunehmen. Es ist somit nicht entscheidend, ob das Finanzamt andere Erledigungen per Post zustellen ließ; entscheidend ist vielmehr, dass der Bf (unstrittig) darüber in Kenntnis war, dass er über eine Databox für elektronische Zustellungen verfügt und entsprechende Vorkehrungen zu treffen hat, dass er über elektronische Zustellungen Kenntnis erlangt.

Auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) könnte ein Ereignis darstellen, welches einen Antragsteller gehindert hat, eine Frist zu wahren. Bei einem Rechtsirrtum oder einer Unkenntnis der Rechtsvorschriften stellt sich die Frage, ob dieses Ereignis allerdings unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen ist. In diese Richtung zielen auch die Aussagen des VwGH, dass sich der Normunterworfene über die Rechtslage erkundigen kann. In Ausnahmefällen jedoch könnte es sein, dass ein solcher Rechtsirrtum auch ein unabwendbares Ereignis iSd § 308 BAO darstellt (vgl ).

Auch außerhalb des Bereichs des Abgabenverfahrens hat der VwGH etwa im Erkenntnis (dort zu § 46 VwGG), festgehalten, nach der neueren Rsp des VwGH könne auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insb mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorbringen des Bf jedoch in keiner Weise, dass er nicht gewusst hätte, dass Zustellungen in die ihm bekannte Databox rechtswirksam erfolgen können oder er einem sonstigen Rechtsirrtum unterlegen sei. Vielmehr hat er - was durch seine Ausführungen im ggst Verfahren letztlich nur bestätigt wird - ganz offensichtlich nicht die notwendige und zumutbare Ernsthaftigkeit iZm dem elektronischen Rechtsverkehr an den Tag gelegt, was auch im Fall einer Rechtsunkenntnis bzw eines Rechtsirrtums einer darauf bezogenen Wiedereinsetzung entgegenstehen würde (vgl nur ).

Das Vorbringen des Bf - im Falle einer elektronischen Zustellung in die Databox komme der Verständigung per E-Mail eine ähnliche Funktion wie dem gelben Zettel der Post zu; da dieser ebenfalls lediglich eine Benachrichtigungsfunktion habe und nicht die Zustellung und damit verbundene Fristenläufe hemme. Wenn er also im Vertrauen auf die korrekte Benachrichtigung per E-Mail das Einlangen des ESt-Bescheides übersehen hätte, sei ihm dies mangels Schuldhaftigkeit nicht zuzurechnen. Zur Wiedereinsetzung werde "nach herrschender Lehre und Kommentarmeinung ausgeführt, dass diese im Ermessen jedenfalls zugunsten des Steuerpflichtigen auszulegen ist - lässt sich mit den obigen Feststellungen und den darauf basierenden Erwägungen nicht in Einklang bringen. Von einem der Bf im Zusammenhang mit der elektronischen Zustellung vom unterlaufenen Fehler, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht, kann nicht gesprochen werden.

Auch das in der Beschwerde zitierte VwGH-Erk vom , 2001/14/0083, kann dem Bf nicht zum Erfolg verhelfen, zumal dieses einen Abgabenhaftungsbescheid, die Frage der Haftung nach § 9 BAO, die Geltendmachung dieser Haftung als Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde sowie Fragen der Ermessensübung betraf. Weder ging es dort wie in casu um eine Wiedereinsetzung noch darum, dass das behördliche Ermessen jedenfalls zugunsten des Steuerpflichtigen auszulegen sei wie der Bf behauptet.

Damit steht fest, dass die Entscheidung des Finanzamtes im vorliegenden Fall, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verwehren, nicht zu beanstanden und die vorliegende Beschwerde daher abzuweisen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat oder ob ein Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des BFG und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zukommt (vgl , mwN). Gleiches gilt für die Frage, ob das BFG fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl ; , mwN). Eine Revision an den VwGH ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5b Abs. 1 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100559.2023

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