§ 308 iVm § 201 BAO Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens eines maßgeblichen Rechtsirrtums (bzw allenfalls keine Veranlassung durch die zuständige Behörde)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (als RNF der ***1*** & Co KG, der ***2*** GmbH, der ***3*** GmbH sowie der ***4*** GmbH) über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe gem.
§ 323b BAO) vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Festsetzung des Dienstgeberbeitrages gemäß § 201 BAO für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schriftsatz vom führte die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf.), eine Aktiengesellschaft, sowie weitere Gesellschaften des ***5***-Konzerns aus, im Zeitraum 1996 bis inklusive 4/2008 seien von diesen Gesellschaften für die nach den Bestimmungen des ***6***-Gesetzes zugewiesenen Bundesbeamten Dienstgeberbeiträge abgeführt worden. Ab dem Zeitraum 10/2003 seien diese Beiträge unter dem Vorbehalt der Rückforderung auf das Abgabenkonto überwiesen worden. Die Rückforderungsmöglichkeit der im Zeitraum 10/2003 bis 4/2008 vorläufig entrichteten Dienstgeberbeiträge sei auch durch ein "Stillhalteabkommen" zwischen der ***7*** AG (Konzernmutter) und dem BMF abgesichert worden. In diesem "Stillhalteabkommen" sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Verjährung bzw. jeglicher Fristenlauf betreffend die weiterhin entrichteten strittigen Lohnnebenkosten bis zur endgültigen Klärung durch die Behörden bzw. Gerichte ausgeschlossen habe werden sollen.
Hintergrund dieses Vorbehaltes sei ein gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 8/2003 und 9/2003 geführtes Rechtsmittelverfahren (der Konzernmutter) gewesen, dessen Ausgang habe abgewartet werden sollen. Gegenstand dieses Verfahrens sei die Frage gewesen, ob die ausgegliederten Gesellschaften oder aber der Bund als Dienstgeber iSd Familienlastenausgleichsgesetzes anzusehen seien. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/13/0110, sei die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen auf Ebene der Gesellschaften des Konzerns für zugewiesene Beamte als rechtswidrig erkannt worden. In weiterer Folge seien die erstinstanzlichen Festsetzungsbescheide betreffend 8/2003 und 9/2003 ersatzlos aufgehoben worden. Als Dienstgeber der Beamten sei der Bund anzusehen. Da insoweit von der Selbstträgerschaft des Bundes auszugehen sei, sei auch auf Ebene des Bundes keine Beitragspflicht ausgelöst worden, sodass die Abfuhr der Dienstgeberbeiträge in jedem Fall rechtsgrundlos erfolgt sei.
Vor diesem Hintergrund beantragte die Bf. (neben weiteren Gesellschaften des Konzerns) betreffend den für die ***5***-Beamten im Zeitraum 1996 bis 04/2008 abgeführten Dienstgeberbeitrag gemäß § 201 BAO mit 0,- Euro festzusetzen. Aufgrund des "Stillhalteabkommens" sei der Antrag als rechtzeitig eingebracht anzusehen. Sollte die Abgabenbehörde aber der Erlassung eines Festsetzungsbescheids die Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 1 BAO entgegenhalten, werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist nach § 201 Abs. 2 Z 1 BAO und zusätzlich für die Frist nach § 309 BAO gestellt.
Diesbezüglich machte die Bf. geltend, sie habe es verabsäumt, Anträge auf Erlassung von Festsetzungsbescheiden gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO betreffend die Dienstgeberbeiträge 1996 bis 4/2008 zu stellen. Derartige Anträge hätten innerhalb von einem Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht werden müssen. Die Bf. habe bislang keinen Grund gehabt, an der Rückerlangungsmöglichkeit der vorläufig bezahlten Dienstgeberbeiträge innerhalb des Konzerns zu zweifeln, sodass keine Notwendigkeit für die Ergreifung entsprechender Rechtsmaßnahmen bestanden habe.
Der Antragstellerin könne im Zusammenhang mit der versäumten Frist nach § 201 BAO bzw.
§ 309 BAO kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, zumal ein Irrtum über die Rückforderungsmöglichkeit der vorläufig für die Beamten gezahlten Beiträge von der Finanzverwaltung veranlasst worden sei und keinesfalls den Vorwurf des groben Verschuldens zu rechtfertigen vermöge. Der Irrtum über die Rückforderungsmöglichkeit wurde frühestens mit negativer Erledigung der Anträge nach § 216 BAO bzw. § 201 BAO manifest; somit sei der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls rechtzeitig. Die versäumten Handlungen (Antragstellung nach § 201 BAO bzw. nach § 308 BAO) seien mit diesem Schriftsatz nachgeholt worden.
Der Antrag auf Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum 1996 bis 4/2008 mit "null" wurde vom Finanzamt als verspätet zurückgewiesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (inklusive Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist) wurde als unbegründet abgewiesen.
Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.
Die in der Beschwerde gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat wurden mit Schreiben vom zurückgenommen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Verfahrensgegenständlich ist die Bescheidbeschwerde der Bf. gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO iVm § 201 BAO.
Mit erfolgte durch das ***6***-Gesetz die Ausgliederung und Umwandlung der damaligen staatlichen Verwaltung in die ***8*** AG, nunmehr ***7*** AG (in Folge: Konzernmutter). Gemäß § ***9*** ***6***-Gesetz wurden die bisher bei der ***10*** beschäftigten aktiven Beamten auf die Dauer ihres Dienststandes der ***8*** AG oder einem Unternehmen, an dem die ***8*** AG zumindest mehrheitlich beteiligt ist, zur Dienstleistung zugewiesen.
Bei den Gesellschaften ***1*** & Co KG; ***2*** GmbH; ***3*** GmbH und ***4*** GmbH, deren Rechtsnachfolger die Bf. ist, war die Konzernmutter jeweils Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin.
Für die Jahre 1997 bis 2003 (bzw für einzelne Jahre aus diesem Zeitraum) wurden von den Rechtsvorgängergesellschaften der Bf. Dienstgeberbeiträge für die zugewiesenen ***5***-Beamten abgeführt.
Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. (neben weiteren Gesellschaften des Konzerns) einen Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum 1996 bis 04/2008 iHv "null" Euro. Damit verbunden wurde - für den Fall der Entgegenhaltung der Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 1 BAO - ein Antrag gemäß § 308 BAO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist nach § 201 Abs. 2 Z 1 BAO (und zusätzlich für die Frist nach § 309 BAO).
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenteilen sowie aus Firmenbuchabfragen.
Laut Aktenlage führte der ***5***-Konzern im Zeitraum 1996 bis inklusive 4/2008 für die nach den Bestimmungen des ***6***-Gesetzes zugewiesenen Bundesbeamten Dienstgeberbeiträge in Gesamthöhe von ***11*** Euro ab, wobei die Entrichtung der Dienstgeberbeiträge zunächst verteilt auf mehrere Gesellschaften des ***5***-Konzerns und ab dem Zeitraum 08/2003 gesammelt über das Abgabenkonto der ***12*** GmbH erfolgte. Die Bf. ist hiervon laut Beilage 1 der Anträge vom mit ihren Rechtsvorgängergesellschaften (***1*** & Co KG; ***2*** GmbH; ***3*** GmbH und ***4*** GmbH) betroffen.
Ab dem Zeitpunkt 10/2003 wurden die jeweiligen Beträge aufgrund eines - sogleich näher auszuführenden - "Stillhalteabkommens" vom sowie entsprechend eines Schreibens der Konzernmutter (ihr Personalamt betreffend) an das Finanzamt vom , lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung überwiesen.
Hintergrund des Vorbehaltes war ein gegen die Festsetzungsbescheide der Konzernmutter betreffend Dienstgeberbeitrag für die Kalendermonate August und September 2003 geführtes Rechtsmittelverfahren, dessen Rechtsausgang abgewartet werden sollte. Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob die (ausgegliederten) ***5***-Gesellschaften als Dienstgeber der ***5***-Beamten anzusehen sind oder vielmehr der Bund als Dienstgeber iSd FLAG anzusehen ist und die ***5***-Gesellschaften daher keine Dienstgeberbeitragspflicht trifft.
Der Verwaltungsgerichtshof () hat zu dieser Frage - mit Verweis auf sein Erkenntnis vom () ausgesprochen, dass im Fall einer gesetzlichen Zuweisung von Bundesbediensteten zur Dienstleistung an ausgegliederte Rechtsträger an der Arbeitgeberstellung des Bundes keine Änderung eintritt (wobei die Überlassung der Beamten an den ausgegliederten Rechtsträger für sich noch keinen Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG idF vor Art. 7 Z 12 FAG 2008, BGBl. I Nr. 103/2007, darstellte, vgl. das Erkenntnis vom , 2009/13/0160, 2010/13/0090, mwN). Zwar ist das Erkenntnis vom zur Kommunalsteuer ergangen, es ist jedoch auf die Verpflichtung zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages übertragbar, knüpft § 2 KommStG 1993 (idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000) doch wie § 41 Abs. 2 FLAG 1967 an das Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 an.
Dass diese Beurteilung auch dem Konzept des Gesetzgebers im Rahmen der Ausgliederungsgesetze entspricht, geht auch aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/13/0017, wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zum § 15 Abs. 3 Poststrukturgesetz (Art. 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) hervor. In diesen wird nämlich der Bund in Bezug auf die an die ausgegliederten Rechtsträger zugewiesenen Beamten ausdrücklich als Personalüberlasser genannt (und deshalb die im § 15 Abs. 3 leg. cit. geschaffene Ausnahmeregelung, vgl. nunmehr auch § 2 lit. c KommStG 1993 idF BGBl. I Nr. 142/2000, für notwendig erachtet). Liegen solcherart gesetzlich angeordnete Arbeitskräfteüberlassungen vor, tritt damit keine Änderung in der Dienstgeberstellung des Bundes als Personalüberlasser ein.
Aufgrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich auch für die Bf., dass sie nicht Dienstgeberin hinsichtlich der ihr zugewiesenen Bundesbeamten war und somit keine Verpflichtung zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen hatte.
Am schloss die Konzernmutter mit der Republik Österreich, letztere vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, eine als "Stillhalteabkommen" titulierte Vereinbarung mit folgendem Inhalt:
"Gegenstand des Abkommens ist die von der Republik Österreich bestrittene Forderung der Konzernmutter auf Ersatz der seitens der Konzernmutter für die ihr zugewiesenen Bundesbeamten nach Meinung der Konzernmutter zu viel geleisteten Lohnnebenkosten, die nach Auffassung der Konzernmutter als Ausgleich für die mit der dauernden Zuweisung der Bundesbeamten an die Konzernmutter verbundenen Mehraufwendungen bei der Verwendung bzw. dem Abbau dieser Beamten, vom Bund zu tragen wären, sowie die von der Republik Österreich ebenfalls bestrittene Forderung der Konzernmutter auf Ersatz der Aufwendungen, welche dem Unternehmen mit der Durchführung der Pensionsverrechnung für Pensionsbezieher des Bundes entstanden sind bzw. entstehen.
Vor diesem Hintergrund wird Folgendes vereinbart:
1. Unpräjudiziell der jeweiligen Rechtsstandpunkte wird versucht, bis zum Ablauf des eine einvernehmliche Lösung der gegenständlichen Problematik herbeizuführen.
2. Ab sofort nimmt die Konzernmutter unpräjudiziell vorerst, jedenfalls aber bis , die Überweisung der laufenden Pensionsdeckungsbeiträge wieder auf.
3. Die bislang durch Aufrechnung bezahlten Pensionsdeckungsbeiträge werden unpräjudiziell vorerst an den Bund überwiesen.
4. Die Überweisungsbeträge nach § 311 ASVG werden unpräudiziell vorerst, jedenfalls aber bis zum , weiter vom Bund bezahlt.
5. Das Bundesmmisterium für Finanzen nimmt die Arbeit an der Novellierung des ***6***-Gesetzes unverzüglich auf. Als Termin für die Umsetzung wird der in Aussicht genommen. Im Mittelpunkt der Novellierung wird die Änderung der dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen stehen, wobei insbesondere die ökonomischen Verhältnisse eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens berücksichtigt werden.
6. Ab wird im Falle einer einvernehmlichen Lösung die Pensionsverrechnung durch das Bundespensionsamt in Zusammenarbeit mit der BRZ-GmbH durchgeführt. Die Mitarbeiter des Pensionsamtes der Konzernmutter (6 Mitarbeiter) werden vollständig in den Dienststand des Bundes übernommen.
7. Die Republik Österreich (der Bund) verzichtet auf die Einrede der Verjährung allfälliger die gegenständliche Rechtsangelegenheit betreffender Ansprüche und Forderungen der Konzernmutter, insbesondere bezüglich des Ersatzes der nach Meinung der Konzernmutter zu viel bezahlten Lohnnebenkosten sowie bezüglich des Ersatzes des Aufwandes für die Durchführung der Pensionsverrechnung. Diese Verjährungsverzichtserklärung ist bis (Einlangen einer Klage bei Gericht oder eines Antrages bei der Behörde oder Zugang einer Aufrechnungserklärung) befristet und erstreckt sich nur auf Forderungen, die am Tag der Unterzeichnung dieses Abkommens oder zum Zeitpunkt der Aufrechnung seitens Konzernmutter noch nicht verjährt sind bzw. waren.
8. Hinsichtlich der nunmehr erfolgenden Überweisungen der laufenden Pensionsbeiträge (siehe Punkt 2.) sowie hinsichtlich der Nachzahlung der bisher einbehaltenen Beträge (siehe Punkt 3.) verzichtet der Bund im Zusammenhang mit und wegen der Durchführung der Punkte 2. und 3. ausdrücklich auf die Einrede des Rückforderungsausschlusses wegen wissentlicher Leistung einer Nichtschuld (§ 1432 ABGB). Einen entsprechenden Verzicht leistet die Konzernmutter hinsichtlich Zahlung der Überweisungsbeträge gemäß Punkt 4.
9. Die Konzernmutter verzichtet bis zum auf die Geltendmachung von Ansprüchen und Forderungen in der gegenständlichen Angelegenheit."
Dieses Abkommen wurde in der Folge bis verlängert.
Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes ergaben, dass das Gericht über parallele Beschwerden einer weiteren Konzerngesellschaft abweisend hinsichtlich der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung gem. § 201 BAO entschieden hat (). Gleichfalls abweisend wurde auch über die Beschwerde gegen die Abweisung des diesbezüglichen Antrages auf Wiedereinsetzung entschieden (). Dagegen erhob die dortige Beschwerdeführerin in beiden Fällen Revision beim Verwaltungsgerichtshof, die dieser mit Beschluss vom , zurückwies ().
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 201 BAO idgF lautet:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013)
3.wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
(4)Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."
§ 308 BAO idgF lautet:
"(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 124/2003)
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
(4) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung auch bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.
(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. Nr. 680/1994)
§ 309 BAO idgF lautet:
Nach Ablauf von fünf Jahren, vom Ende der versäumten Frist oder vom Termin der versäumten mündlichen Verhandlung an gerechnet, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr zulässig.
§ 201 BAO ist gemäß § 323 Abs. 11 BAO erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entsteht.
Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist gemäß
§ 201 BAO in der Fassung vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz BGBl. I Nr. 97/2002 ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für den Dienstgeberbeitrag fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Gemäß § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie
a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder
b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.
Der gegenständliche Antrag auf erstmalige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008 langte am bei der Abgabenbehörde ein. Zu diesem Zeitpunkt war einerseits die einjährige Antragsfrist nach § 201 Abs. 2 Z 2 BAO für die erstmalige bescheidmäßige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages ab Jänner 2003 verstrichen und stand andererseits einer Abgabenfestsetzung des Dienstgeberbeitrages betreffend alle Zeiträume vor 2003 die Verjährung entgegen.
Auch die in § 201 Abs. 2 Z 3 BAO angeführte sinngemäße Anwendung der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO scheitert - ungeachtet des Umstandes, dass die Bf. keine Wiederaufnahmsgründe genannt hat - daran, dass die fünfjährige Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO (beginnend mit dem jeweiligen Kalendermonat, für den der Dienstgeberbeitrag abzuführen war) im Zeitpunkt der Antragstellung für alle gegenständlichen Zeiträume bereits verstrichen war.
Versäumte Fristen sind durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sanierbar, wenn die in
§ 308 BAO angeführten Voraussetzungen vorliegen.
Ein Ereignis im Sinne des § 308 BAO ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, sich dabei irren usw. Als "unvorhergesehen" gilt ein Ereignis dann, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Ein Ereignis gilt dann als "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf demnach nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (siehe ; , sowie Ritz, BAO6, § 308 Rz 9 ff). An rechtskundige Parteienvertreter ist hierbei ein strengerer Maßstab anzulegen als an am Verfahren beteiligte rechtsunkundige Parteien (siehe ; ). Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei und ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (). Dabei muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vertretene das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen ().
Die Bf. argumentiert im gegenständlichen Fall einen von der Behörde durch das Stillhalteabkommen, auf das sie vertraut habe, verursachten Rechtsirrtum.
Grundsätzlich stellen Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Wiedereinsetzungsgründe dar und können nur in Ausnahmefällen ein Wiedereinsetzungsgrund sein, zB wenn - wie von der Bf. dargelegt - der Irrtum von der Behörde veranlasst wurde (siehe dazu Ritz, BAO6, zu § 308 Rz 12; ). Nach Fink (Wiedereinsetzung, 86) stellt ein Irrtum über Rechtsvorschriften oder deren Unkenntnis nur dann keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn den Wiedereinsetzungswerber hieran zumindest grobes Verschulden trifft. Nach Ansicht des OGH kann ein Rechtsirrtum bzw. die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2010/15/0001, zu § 308 Abs. 1 BAO ausgesprochen, dass ein Rechtsirrtum ein maßgebliches Ereignis sein könne und im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen sei. Ausdrücklich führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen könne.
Auch außerhalb des Bereichs des Abgabenverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0084 (dort zu § 46 VwGG), festgehalten, dass nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein Rechtsirrtum (also die Unkenntnis von Rechtsvorschriften) einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen kann, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen. Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stelle regelmäßig zwar keinen minderen Grad des Versehens dar, doch könnten fallbezogen Umstände vorliegen, die ein grobes Verschulden ausschließen (in diesem Sinne auch ).
Wenn nun nach neuerer Judikatur zwar auch ein Rechtsirrtum als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO qualifiziert werden kann, so stellt dies eine wohl zu begründende Ausnahme dar. Eine solche Begründung kann beispielweise darin liegen, dass der Rechtsirrtum auf einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs beruht oder - in Bezugnahme auf die restlichen Voraussetzungen des § 308 BAO - kein oder lediglich ein besonders leichtes Verschulden vorliegt.
Die Bf. bringt vor, im Hinblick auf das zwischen dem Bundesminister für Finanzen und der Konzernmutter am abgeschlossene "Stillhalteabkommen" davon ausgegangen zu sein, dass die in § 201 BAO idgF. normierte Antragsfrist bzw. die für die vor 2003 liegenden Zeiträume geltenden Verjährungsfristen für sie nicht gelten solle. Wenn dies nicht stimmen sollte, so sei sie einem von der Behörde - in diesem Fall dem Bundesminister (iums) für Finanzen - verursachten Rechtsirrtum unterlegen.
Dem wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes im Verfahren einer anderen Konzern-Gesellschaft () entgegengehalten, dass das gegenständliche "Stillhalteabkommen" mit der Konzernmutter ohne jeglichen Hinweis darauf abgeschlossen wurde, dass es auch für die Konzerngesellschaften gelten solle.
Wesentlich ist weiters, dass nicht der Bundesminister für Finanzen, sondern die belangte Behörde die zuständige Behörde in diesem Verfahren war. Selbst wenn man also davon ausgehen sollte, dass der Rechtsirrtum vom Bundesministerium für Finanzen veranlasst wurde, wäre dieser von einer unzuständigen Behörde veranlasst worden. Damit wäre er aber nicht maßgeblich und würde keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.
Auch hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem, die Revision zurückweisenden, Beschluss vom () zu dem genannten Verfahren einer anderen Konzern-Gesellschaft vor dem Bundesfinanzgericht () bestätigt, dass gem. § 110 Abs. 1 BAO gesetzlich festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden können. Er hat auch klargestellt, dass es - auch einem Bundesminister für Finanzen - nicht möglich ist, einen wirksamen Verzicht betreffend Fristen des § 201 BAO zu erklären. Auch bezog sich die Vereinbarung ihrem Wortlaut nach nicht auf die Antragsfrist des § 201 BAO, sondern auf die "Verjährung". Damit hat der Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzung eines maßgeblichen (von der Behörde veranlassten) Rechtsirrtums als Grund für eine Wiedereinsetzung iSd § 308 BAO im gegenständlichen Fall verneint.
Weiters nimmt der Verwaltungsgerichtshof auch Bezug darauf, dass von der Revisionswerberin nicht behauptet wurde und auch sonst nicht ableitbar ist, dass sie zu der durch diese Vereinbarung gestalteten Rechtslage an kompetenter Stelle Erkundigungen eingeholt hätte und verweist dazu auf . Daraus schloss der Verwaltungsgerichtshof, dass ein Rechtsirrtum der Revisionswerberin nicht erkennbar ist.
Im Ergebnis hatte der Verwaltungsgerichtshof daher keine Bedenken, dass das Bundesfinanzgericht den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einbringung von Anträgen nach § 201 BAO als unbegründet abgewiesen hat und bestätigte durch seinen Beschluss die genannten Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes.
Dass die Bf. - wie in der Beweiswürdigung erwähnt - nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () nicht Dienstgeberin hinsichtlich der ihr zugewiesenen Bundesbeamten war und somit keine Verpflichtung zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen gehabt hätte, ändert aber aus den dargelegten Gründen nichts daran, dass ein für eine Widereinsetzung in den vorigen Stand maßgeblicher Rechtsirrtum nicht vorliegt bzw ein solcher (so er doch gegeben sein sollte) nicht von der zuständigen Behörde veranlasst wurde.
Aufgrund der eindeutigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes () war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und insbesondere mit der des Beschlusses vom , Ra 2019/13/0078, in dem über einen gleichgelagerten Parallelfall abgesprochen wurde, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101445.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at