Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.12.2023, RV/7101444/2019

Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO (DB) nicht fristgerecht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (als RNF der ***1*** & Co KG, der ***2*** GmbH, der ***3*** GmbH sowie der ***4*** GmbH) über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe gem.
§ 323b BAO) vom betreffend Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008
(Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom führte die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf.), eine Aktiengesellschaft, sowie weitere Gesellschaften des ***5***-Konzerns aus, im Zeitraum 1996 bis inklusive 4/2008 seien von diesen Gesellschaften für die nach den Bestimmungen des ***6***-Gesetzes zugewiesenen Bundesbeamten Dienstgeberbeiträge abgeführt worden. Ab dem Zeitraum 10/2003 seien diese Beiträge unter dem Vorbehalt der Rückforderung auf das Abgabenkonto überwiesen worden. Die Rückforderungsmöglichkeit der im Zeitraum 10/2003 bis 4/2008 vorläufig entrichteten Dienstgeberbeiträge sei auch durch ein Stillhalteabkommen zwischen der ***7*** AG (Konzernmutter) und dem BMF abgesichert worden. In diesem Stillhalteabkommen sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Verjährung bzw. jeglicher Fristenlauf betreffend die weiterhin entrichteten strittigen Lohnnebenkosten bis zur endgültigen Klärung durch die Behörden bzw. Gerichte ausgeschlossen habe werden sollen.

Hintergrund dieses Vorbehaltes sei ein gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 8/2003 und 9/2003 geführtes Rechtsmittelverfahren der Konzernmutter gewesen, dessen Ausgang habe abgewartet werden sollen. Gegenstand dieses Verfahrens sei die Frage gewesen, ob die ausgegliederten Gesellschaften oder aber der Bund als Dienstgeber iSd Familienlastenausgleichsgesetzes anzusehen seien. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/13/0110, sei die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen auf Ebene der Gesellschaften des Konzerns für zugewiesene Beamte als rechtswidrig erkannt worden. In weiterer Folge seien die erstinstanzlichen Festsetzungsbescheide betreffend 8/2003 und 9/2003 ersatzlos aufgehoben worden. Als Dienstgeber der Beamten sei der Bund anzusehen. Da insoweit von der Selbstträgerschaft des Bundes auszugehen sei, sei auch auf Ebene des Bundes keine Beitragspflicht ausgelöst worden, sodass die Abfuhr der Dienstgeberbeiträge in jedem Fall rechtsgrundlos erfolgt sei.

Vor diesem Hintergrund beantragte die Bf. (neben weiteren Gesellschaften des Konzerns) betreffend den für die ***5***-Beamten im Zeitraum 1996 bis 04/2008 abgeführten Dienstgeberbeitrag gemäß § 201 BAO mit 0,- Euro festzusetzen. Aufgrund des "Stillhalteabkommens" sei der Antrag als rechtzeitig eingebracht anzusehen. Sollte die Abgabenbehörde aber der Erlassung eines Festsetzungsbescheids die Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 1 BAO entgegenhalten, werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist nach § 201 Abs. 2 Z 1 BAO und zusätzlich für die Frist nach § 309 BAO gestellt.

Diesbezüglich machte die Bf. geltend, sie habe es verabsäumt, Anträge auf Erlassung von Festsetzungsbescheiden gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO betreffend die Dienstgeberbeiträge 1996 bis 4/2008 zu stellen. Derartige Anträge hätten innerhalb von einem Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht werden müssen. Die Bf. habe bislang keinen Grund gehabt, an der Rückerlangungsmöglichkeit der vorläufig bezahlten Dienstgeberbeiträge innerhalb des Konzerns zu zweifeln, sodass keine Notwendigkeit für die Ergreifung entsprechender Rechtsmaßnahmen bestanden habe.

Der Antragstellerin könne im Zusammenhang mit der versäumten Frist nach § 201 BAO bzw.
§ 309 BAO kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, zumal ein Irrtum über die Rückforderungsmöglichkeit der vorläufig für die Beamten gezahlten Beiträge von der Finanzverwaltung veranlasst worden sei und keinesfalls den Vorwurf des groben Verschuldens zu rechtfertigen vermöge. Der Irrtum über die Rückforderungsmöglichkeit wurde frühestens mit negativer Erledigung der Anträge nach § 216 BAO bzw. § 201 BAO manifest; somit sei der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls rechtzeitig. Die versäumten Handlungen (Antragstellung nach § 201 BAO bzw. nach § 308 BAO) seien mit diesem Schriftsatz nachgeholt worden.

Der Antrag auf Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum 1996 bis 4/2008 mit "null" wurde vom Finanzamt als verspätet zurückgewiesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (inklusive Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist) wurde als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.

Die in der Beschwerde gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat wurden mit Schreiben vom zurückgenommen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Verfahrensgegenständlich ist die Bescheidbeschwerde der Bf. gegen die Zurückweisung des Antrages gemäß § 201 BAO.

Mit erfolgte durch das ***6***-Gesetz die Ausgliederung und Umwandlung der damaligen staatlichen Verwaltung in die ***8*** AG, nunmehr ***7*** AG (in Folge: Konzernmutter). Gemäß § ***9*** ***6***-Gesetz wurden die bisher bei der ***10*** beschäftigten aktiven Beamten auf die Dauer ihres Dienststandes der ***8*** AG oder einem Unternehmen, an dem die ***8*** AG zumindest mehrheitlich beteiligt ist, zur Dienstleistung zugewiesen.

Bei den Gesellschaften ***1*** & Co KG; ***2*** GmbH; ***3*** GmbH und ***4*** GmbH, deren Rechtsnachfolger die Bf. ist, war die Konzernmutter jeweils Allein- oder Mehrheitsgesellschafterin.

Für die Jahre 1997 bis 2003 (bzw für einzelne Jahre aus diesem Zeitraum) wurden von den Rechtsvorgängergesellschaften der Bf. Dienstgeberbeiträge für die zugewiesenen ***5***-Beamten abgeführt.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. (neben weiteren Gesellschaften des Konzerns) einen Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum 1996 bis 04/2008 iHv "null" Euro.

Damit verbunden wurde - für den Fall der Entgegenhaltung der Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 1 BAO - ein Antrag gemäß § 308 BAO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist nach § 201 Abs. 2 Z 1 BAO (und zusätzlich für die Frist nach § 309 BAO). Die Abweisung dieses Antrages wurde durch das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom gleichen Tag bestätigt (RV/7101445/2019).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenteilen sowie aus Firmenbuchabfragen.

Laut Aktenlage führte der ***5***-Konzern im Zeitraum 1996 bis inklusive 4/2008 für die nach den Bestimmungen des ***6***-Gesetzes zugewiesenen Bundesbeamten Dienstgeberbeiträge in Gesamthöhe von ***11*** Euro ab, wobei die Entrichtung der Dienstgeberbeiträge zunächst verteilt auf mehrere Gesellschaften des ***5***-Konzerns und ab dem Zeitraum 08/2003 gesammelt über das Abgabenkonto der ***12*** GmbH erfolgte. Die Bf. ist hiervon laut Beilage 1 der Anträge vom mit ihren Rechtsvorgängergesellschaften (***1*** & Co KG; ***2*** GmbH; ***3*** GmbH und ***4*** GmbH) betroffen.

Ab dem Zeitpunkt 10/2003 wurden die jeweiligen Beträge aufgrund eines - sogleich näher auszuführenden - "Stillhalteabkommens" vom sowie entsprechend eines Schreibens der Konzernmutter (ihr Personalamt betreffend) an das Finanzamt vom , lediglich unter dem Vorbehalt der Rückforderung überwiesen.

Hintergrund des Vorbehaltes war ein gegen die Festsetzungsbescheide der Konzernmutter betreffend Dienstgeberbeitrag für die Kalendermonate August und September 2003 geführtes Rechtsmittelverfahren, dessen Rechtsausgang abgewartet werden sollte. Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob die (ausgegliederten) ***5***-Gesellschaften als Dienstgeber der ***5***-Beamten anzusehen sind oder vielmehr der Bund als Dienstgeber iSd FLAG anzusehen ist und die ***5***-Gesellschaften daher keine Dienstgeberbeitragspflicht trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof () hat zu dieser Frage - mit Verweis auf sein Erkenntnis vom () ausgesprochen, dass im Fall einer gesetzlichen Zuweisung von Bundesbediensteten zur Dienstleistung an ausgegliederte Rechtsträger an der Arbeitgeberstellung des Bundes keine Änderung eintritt (wobei die Überlassung der Beamten an den ausgegliederten Rechtsträger für sich noch keinen Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG idF vor Art. 7 Z 12 FAG 2008, BGBl. I Nr. 103/2007, darstellte, vgl. das Erkenntnis vom , 2009/13/0160, 2010/13/0090, mwN). Zwar ist das Erkenntnis vom zur Kommunalsteuer ergangen, es ist jedoch auf die Verpflichtung zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages übertragbar, knüpft § 2 KommStG 1993 (idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000) doch wie § 41 Abs. 2 FLAG 1967 an das Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 an.
Dass diese Beurteilung auch dem Konzept des Gesetzgebers im Rahmen der Ausgliederungsgesetze entspricht, geht auch aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/13/0017, wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zum § 15 Abs. 3 Poststrukturgesetz (Art. 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) hervor. In diesen wird nämlich der Bund in Bezug auf die an die ausgegliederten Rechtsträger zugewiesenen Beamten ausdrücklich als Personalüberlasser genannt (und deshalb die im § 15 Abs. 3 leg. cit. geschaffene Ausnahmeregelung, vgl. nunmehr auch § 2 lit. c KommStG 1993 idF BGBl. I Nr. 142/2000, für notwendig erachtet). Liegen solcherart gesetzlich angeordnete Arbeitskräfteüberlassungen vor, tritt damit keine Änderung in der Dienstgeberstellung des Bundes als Personalüberlasser ein.

Aufgrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich auch für die Bf., dass sie nicht Dienstgeberin hinsichtlich der ihr zugewiesenen Bundesbeamten war und somit keine Verpflichtung zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen hatte.

Am schloss die Konzernmutter mit der Republik Österreich, letztere vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, eine als "Stillhalteabkommen" titulierte Vereinbarung mit folgendem Inhalt:
"Gegenstand des Abkommens ist die von der Republik Österreich bestrittene Forderung der Konzernmutter auf Ersatz der seitens der Konzernmutter für die ihr zugewiesenen Bundesbeamten nach Meinung der Konzernmutter zu viel geleisteten Lohnnebenkosten, die nach Auffassung der Konzernmutter als Ausgleich für die mit der dauernden Zuweisung der Bundesbeamten an die Konzernmutter verbundenen Mehraufwendungen bei der Verwendung bzw. dem Abbau dieser Beamten, vom Bund zu tragen wären, sowie die von der Republik Österreich ebenfalls bestrittene Forderung der Konzernmutter auf Ersatz der Aufwendungen, welche dem Unternehmen mit der Durchführung der Pensionsverrechnung für Pensionsbezieher des Bundes entstanden sind bzw. entstehen.

Vor diesem Hintergrund wird Folgendes vereinbart:
1. Unpräjudiziell der jeweiligen Rechtsstandpunkte wird versucht, bis zum Ablauf des eine einvernehmliche Lösung der gegenständlichen Problematik herbeizuführen.
2. Ab sofort nimmt die Konzernmutter unpräjudiziell vorerst, jedenfalls aber bis , die Überweisung der laufenden Pensionsdeckungsbeiträge wieder auf.
3. Die bislang durch Aufrechnung bezahlten Pensionsdeckungsbeiträge werden unpräjudiziell vorerst an den Bund überwiesen.
4. Die Überweisungsbeträge nach § 311 ASVG werden unpräudiziell vorerst, jedenfalls aber bis zum , weiter vom Bund bezahlt.
5. Das Bundesmmisterium für Finanzen nimmt die Arbeit an der Novellierung des
***6***-Gesetzes unverzüglich auf. Als Termin für die Umsetzung wird der in Aussicht genommen. Im Mittelpunkt der Novellierung wird die Änderung der dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen stehen, wobei insbesondere die ökonomischen Verhältnisse eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens berücksichtigt werden.
6. Ab wird im Falle einer einvernehmlichen Lösung die Pensionsverrechnung durch das Bundespensionsamt in Zusammenarbeit mit der BRZ-GmbH durchgeführt. Die Mitarbeiter des Pensionsamtes der Konzernmutter (6 Mitarbeiter) werden vollständig in den Dienststand des Bundes übernommen.
7. Die Republik Österreich (der Bund) verzichtet auf die Einrede der Verjährung allfälliger die gegenständliche Rechtsangelegenheit betreffender Ansprüche und Forderungen der Konzernmutter, insbesondere bezüglich des Ersatzes der nach Meinung der Konzernmutter zu viel bezahlten Lohnnebenkosten sowie bezüglich des Ersatzes des Aufwandes für die Durchführung der Pensionsverrechnung. Diese Verjährungsverzichtserklärung ist bis (Einlangen einer Klage bei Gericht oder eines Antrages bei der Behörde oder Zugang einer Aufrechnungserklärung) befristet und erstreckt sich nur auf Forderungen, die am Tag der Unterzeichnung dieses Abkommens oder zum Zeitpunkt der Aufrechnung seitens Konzernmutter noch nicht verjährt sind bzw. waren.
8. Hinsichtlich der nunmehr erfolgenden Überweisungen der laufenden Pensionsbeiträge (siehe Punkt 2.) sowie hinsichtlich der Nachzahlung der bisher einbehaltenen Beträge (siehe Punkt 3.) verzichtet der Bund im Zusammenhang mit und wegen der Durchführung der Punkte 2. und 3. ausdrücklich auf die Einrede des Rückforderungsausschlusses wegen wissentlicher Leistung einer Nichtschuld (§ 1432 ABGB). Einen entsprechenden Verzicht leistet die Konzernmutter hinsichtlich Zahlung der Überweisungsbeträge gemäß Punkt 4.
9. Die Konzernmutter verzichtet bis zum auf die Geltendmachung von Ansprüchen und Forderungen in der gegenständlichen Angelegenheit."

Dieses Stillhalteabkommen wurde in der Folge bis verlängert.

Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes ergaben, dass das Gericht über parallele Beschwerden einer weiteren Konzerngesellschaft abweisend hinsichtlich der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung gem. § 201 BAO entschieden hat (). Gleichfalls abweisend wurde auch über die Beschwerde gegen die Abweisung des diesbezüglichen Antrages auf Wiedereinsetzung entschieden (). Dagegen erhob die dortige Beschwerdeführerin in beiden Fällen Revision beim Verwaltungsgerichtshof, die dieser mit Beschluss vom , zurückwies ().

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 201 BAO idgF lautet:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013)
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."

§ 201 BAO ist gemäß § 323 Abs. 11 BAO erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entsteht.

Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist gemäß
§ 201 BAO in der Fassung vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz BGBl. I Nr. 97/2002 ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für den Dienstgeberbeitrag fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

Gemäß § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie
a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder
b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Nach § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgesetzte Fristen, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden. § 201 BAO enthält keine derartige Bestimmung, weshalb die genannten Fristen auch nicht verlängerbar sind. Dementsprechend kann auch durch das sogenannte "Stillhalteabkommen" keine Verlängerung der in § 201 BAO normierten Fristen bewirkt werden.

Der gegenständliche Antrag auf erstmalige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008 langte am bei der Abgabenbehörde ein. Zu diesem Zeitpunkt war einerseits die einjährige Antragsfrist nach § 201 Abs. 2 Z 2 BAO für die erstmalige bescheidmäßige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages ab Jänner 2003 verstrichen und stand andererseits einer Abgabenfestsetzung des Dienstgeberbeitrages betreffend alle Zeiträume vor 2003 die Verjährung entgegen.

In diesem Sinn hat das Bundesfinanzgericht () auch in einem parallel geführten Verfahren einer anderen Konzern-Gesellschaft entschieden. Gegen dieses Erkenntnis wurde eine ao Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. In seinem, die Revision zurückweisenden, Beschluss vom () hat der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass gem. § 110 Abs. 1 BAO gesetzlich festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden können. Er hat auch klargestellt, dass es - auch einem Bundesminister für Finanzen - nicht möglich ist, einen wirksamen Verzicht betreffend Fristen des § 201 BAO zu erklären. Auch bezog sich die Vereinbarung ihrem Wortlaut nach nicht auf die Antragsfrist des § 201 BAO, sondern auf die "Verjährung".

Auch die in § 201 Abs. 2 Z 3 BAO angeführte sinngemäße Anwendung der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO scheitert - ungeachtet des Umstandes, dass die Bf keine Wiederaufnahmsgründe genannt hat - daran, dass die fünfjährige Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO (beginnend mit dem jeweiligen Kalendermonat, für den der Dienstgeberbeitrag abzuführen war) im Zeitpunkt der Antragstellung für alle gegenständlichen Zeiträume bereits verstrichen war.

Wie dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom gleichen Tag zu RV/7101445/2019 entnommen werden kann, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.

Aus den dargelegten Gründen wurde der Antrag auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages nicht fristgerecht eingebracht. Die Zurückweisung durch das Finanzamt erfolgte somit zu Recht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und insbesondere mit der des Beschlusses vom , Ra 2019/13/0078, in dem über einen gleichgelagerten Parallelfall abgesprochen wurde, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 110 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101444.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at