Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2024, RV/4100506/2019

Keine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn die Tatsachen bzw. Beweismittel im Erstbescheid nicht angeführt sind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr.in Elisabeth Hafner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KWT Klagenfurter Wirtschaftstreuhand & Steuerberatungs KG, Kempfstraße 23, 9020 Klagenfurt/Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Klagenfurt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014, Einkommensteuer 2014 sowie über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2014, Steuernummer ***BF1StNr1*** ,

I. zu Recht erkannt:

1.) Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben. Dadurch scheidet auch der darauf aufbauende Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom aus dem Rechtsbestand.

2.) Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2014 wird als unbegründet abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2014 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Gegen dieses Erkenntnis (diesen Beschluss) ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 (iVm Abs. 9) Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe bzw. Gründe

I. Verfahrensgang

Mit dem erstangefochtenen Bescheid nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2014 (Bescheid vom ) gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und erlies einen berichtigten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014.

Mit dem letzteren Bescheid rechnete das Finanzamt dem Beschwerdeführer (BF) - als Folge der Nichtanerkennung einer Treuhandvereinbarung - Einkünfte aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an der X GmbH zu (Einkünfte € 93.000,00: Veräußerungserlös € 220.000,00 abzüglich Stammeinlage € 30.000,00 und Gesellschafterdarlehen € 97.000,00). Das Finanzamt unterzog diese Einkünfte dem besonderen Steuersatz von 25%.

Des Weiteren erlies das Finanzamt (ausgehend von der Einkommensteuernachforderung) einen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen.

In der Beschwerde wird beanstandet, dass das Finanzamt Verfahrensvorschriften verletzt habe. Insbesondere seien vom Finanzamt nicht hinreichende Beweise für die Abgabenfestsetzung aufgenommen worden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde (wörtlich) wie folgt begründet:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung vom Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

Der angeführte Verweis bezieht sich auf die Niederschrift vom der Steuerfahndung für das Finanzamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde über die Vernehmung des BF als Verdächtigen.

In dieser Niederschrift wurde (ebenfalls wörtlich) wie nachstehend festgehalten:

"Dem Verdächtigen wird eine Belehrung gemäß § 57 Abs. 3 Finanzstrafgesetz erteilt; dazu wird in das Formular ,Rechtsbelehrung für Verdächtige und Beschuldigte eines Finanzstrafverfahrens' ausgefolgt.

Dem Verdächtigen wird vorgehalten:

Im Zuge von Ermittlungen ist die Steuerfahndung Klagenfurt zum Ergebnis gekommen, dass Sie im Jahr 2014 aufgrund eines Abtretungsvertrages vom und aufgrund einer Treuhandvereinbarung vom für den Verkauf von Geschäftsanteilen an der X GmbH einen Veräußerungserlös von Euro 220.000,-- erzielt haben. Nach dem Ermittlungsergebnis der Steuerfahndung ist Ihnen der Veräußerungserlös am über ein Treuhandbankkonto des Dr. Thomas L zugeflossen

Frage:

Warum haben sie dem Veräußerungserlös aus dem Verkauf von Gesellschaftsanteilen in Höhe von € 220.000,-- in der Einkommensteuererklärung des Jahres 2014 (E1kv) nicht offengelegt?

Antwort:

Weil aus diesem Veräußerungserlös keine Beteiligungserträge zugeflossen sind. Ich habe lediglich eine Vermittlungsprovision in Höhe von € 8.870,-- im Jahr 2014 vereinnahmt und habe diesen Betrag in der Einnahmen-Ausgabenrechnung des Jahres 2015 erklärt. Ich übergebe eine von mir erstellte Stellungnahme samt Beilagen aus denen der gesamte Geschäftsfall vom Anfang bis zum Ende dokumentiert ist.

Frage: Wie hat der Geldfluss stattgefunden:

Antwort: Dr. L hat mir vermutlich am den Betrag von € 220.000,-- in bar ausgehändigt. Im Bargeldbetrag habe ich bis in meinem privaten Tresor verwahrt. Ich war aufgrund der Fußfesseln nicht reisefähig und F wollte auch nicht nach Klagenfurt. Daher kam es erst am zur Geldübergabe an F. Es wurden von mir € 127.400,-- an F übergeben und von ihm am vorgelegten Beleg dokumentiert. Zu den € 127.400,-- kam es folgendermaßen:

Gesellschafterdarlehen laut Bilanz der X GmbH € 97.400,-- und Stammkapital in Höhe von € 30.000,--. Weiteres ist der Stellungnahme zu entnehmen."

Ein Bericht über die Prüfungshandlungen der Finanzstrafbehörde gibt es nicht.

Eine abgabenbehördliche Prüfung wurde nicht durchgeführt. Daher gibt es auch keinen Bericht über eine solche.

In der Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde, führte das Finanzamt (wiederum wörtlich) aus:

"Begründung:

Gemäß § 303 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren u.a. dann wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen und Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätten. Demnach muss es sich bei den Wiederaufnahmegründen um solche handeln, die dem Finanzamt bei Erlassung des Erstbescheides noch nicht bekannt waren, die aber für die Steuerbemessung wesentlich gewesen wären. Maßgeblich ist der Wissenstand des Finanzamtes bezogen auf die Aktenlage im Zeitpunkt Erlassung des das Verfahren abschließenden Erstbescheides.

Im gegenständlichen Fall wurde in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 der Gewinn aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen an der X GmbH nicht erklärt. Durch die finanzstrafrechtliche Ermittlungen wurden der Behörde die Geschehnisse rund um die X GmbH bekannt - welche im Wesentlichen in der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2014 vom ausgeführt wurden - und die als neu hervorgekommene Tatsachen/Beweismittel die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO erfüllen. Im Übrigen wird auf die nachstehende Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2014 vom verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

2. Beweiswürdigung

Dass sich der Verweis im angefochtenen Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Niederschrift vom der Steuerfahndung für das Finanzamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde über die Vernehmung des BF als Verdächtigen bezieht, wurde vom Finanzamt in der E-Mail vom angegeben. Dieser E-Mail ist ebenfalls zu entnehmen, dass ein Prüfbericht darüber nicht erstellt wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat keine Veranlassung, an den Angaben des Finanzamtes zu zweifeln.

Im Übrigen ist der Sachverhalt aktenkundig und unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Erkenntnis)

1.) betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens

Wie bereits das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt hat, kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).

Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung des Bescheides anzuführen. Dies deshalb, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die in Ritz/Koran, BAO7, Anmerkung 3 zu § 307, angeführten Erkenntnisse) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung des gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wideraufnahme rechtfertigen.

Im gegenständlichen Fall verweist der Wiederaufnahmebescheid auf eine "Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind".

Eine abgabenbehördliche Prüfung hat jedoch nicht stattgefunden, geschweige denn wurde darüber eine Niederschrift aufgenommen bzw. gar ein Prüfbericht erstellt.

Auf eine "Niederschrift über die Vernehmung des Verdächtigen" die von der Finanzstrafbehörde aufgenommen worden ist, verweist der Bescheid überhaupt nicht. Auch ein derartiger Verweis könnte jedoch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stützen: In dieser Niederschrift sind nämlich zwar allgemein Sachverhalte bzw. Beweismittel angeführt, jedoch gibt es keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, auf welche Tatsache bzw. welches Beweismittel konkret sich das Finanzamt stützen will.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe ist auch in einer Beschwerdevorentscheidung nicht nachholbar (siehe nochmals Ritz/Koran, BAO7, Anm. 3 zu § 307). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidung bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. BAO) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3 BAO). Demnach rechtfertigen auch die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Wiederaufnahmebescheid ersatzlos aufzuheben.

Durch die Aufhebung des Bescheides scheidet auch der darauf aufbauende Einkommensteuerbescheid aus dem Rechtsbestand.

2.) betreffend Anspruchszinsen

Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die u.a. in einem Abgabenbescheid getroffen worden sind, so kann dieser Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Abgabenbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind (§ 252 Abs. 2 BAO).

Dies gilt auch für- wie im gegenständlichen Fall - von Abgabenbescheiden abgeleitete Anspruchszinsenbescheide (Ritz/Koran, BAO, Anm. 11 z. § 252).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Auf die zur erfolgende Berichtigung des Anspruchszinsenbescheides gemäß § 295 Abs. 3 wird der Vollständigkeit halber hingewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Beschluss)

Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren nach § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Somit treten infolge der Aufhebung der die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide auch der darauf aufbauende Einkommensteuerbescheid außer Kraft (Ritz, BAO6, Anm. 8 z. § 307).

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid war daher gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos zu erklären.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des Erkenntnisses und des Beschlusses (Revision)

Gegen ein Erkenntnis (einen Beschluss) des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das vorliegende Erkenntnis und der darauf aufbauende Beschluss stützen sich auf die in den oben angesprochenen Kommentarstellen zur BAO angeführten Rechtsprechung. Revisionen sind daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Ritz/Koran, BAO, 7 Auflage, Anm. 3 z. § 303
Ritz/Koran, BAO 7. Auflage, Anm. 3 z. § 307
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100506.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at