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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2023, RV/7102280/2022

Antrag auf Zuerkennung der Gemeinnützigkeit

Beachte

Revision eingebracht. Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/13/0012.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj und die weiteren Beisitzer Dr. Hans Blasina, Thomas Albrecht, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, Mag. Andrea Prozek, Wirtschaftskammer Niederösterreich, im Beisein der Schriftführerin Nadine Bernold, in der Beschwerdesache ***1***, ***2***, vertreten durch ***3***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 17 ASG, für den Zeitraum 2022 bis 2026, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom beantragte der beschwerdeführende Verein (Bf.), eine internationale Nichtregierungsorganisation iSd. § 15 Bundesgesetzes zur Stärkung Österreichs als internationaler Amtssitz- und Konferenzstandort (Amtssitzgesetz - ASG), die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 17 ASG sowie die Bestätigung der Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 16 Abs. 2 Z 2 ASG.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Bf. beabsichtige, nunmehr die Rechtsstellung einer Quasi-Internationalen Organisation gemäß § 16 ASG zu erlangen, was gemäß § 16 Abs. 2 ASG ua. voraussetze, dass die belangte Behörde der Bf. mittels Bescheid gemäß § 17 ASG die Gemeinnützigkeit zuerkenne.

Die Bf. verfolge ausschließlich und unmittelbar, und zwar sowohl nach ihrer Satzung als auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung, gemeinnützige Zwecke iSd. der §§ 34 bis 47 BAO, nämlich insbesondere die Forschung und Lehre auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe. Ziel der Forschung sei es, neue Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit und Qualität der Hilfe zu gewinnen, um langfristig das System der internationalen Hilfe zu verbessern (vgl. Punkt 2 der Satzung der Bf.).

Die Forschungs- und Lehrtätigkeiten der Bf. würden daher ein breites Spektrum bedienen, seien interdisziplinär ausgestaltet und würden sowohl Bereiche der sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung als auch der Evaluationsforschung als Teil der empirischen Forschung beinhalten. Die Tätigkeit diene der Grundlagenforschung im Bereich der Evaluationswissenschaft und der humanitären Hilfe, indem sie Möglichkeiten der Wirkungsmessung, insbesondere unter Einbeziehung vulnerabler Zielgruppen, entwickle. Die Ergebnisse der Forschung seien außerdem von praktischer Relevanz für die Verbesserung des Systems der humanitären Hilfe und die Art der Feldforschung, wie sie die Bf. betreibe, biete von Katastrophen und Kriegen betroffenen Menschen eine Möglichkeit zur Mitbestimmung. Damit nehme die Bf. eine einzigartige und zunehmend unverzichtbare Rolle in einem modernen, evidenzbasierten, humanitären System ein.

Die Bf. unterhalte derzeit keine Gewerbebetriebe oder sonstige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe.

Die Satzung der Bf., angenommen per Vorstandsbeschluss vom , lautet auszugweise:

"§ 1: Name, Sitz und Status

(1)[...]

(2)[...]

(3)***Bf1*** ist eine humanitäre Organisation, die international tätig ist.

(4)[...]

(5)[...]

(6)***Bf1*** führt seine Tätigkeiten gemäß dieser Satzung durch und verfolgt ausschließlich und unmittelbar die hierin vorgesehenen Zwecke und Tätigkeiten auf gemeinnütziger Basis zum Wohl der Allgemeinheit.

(7)***Bf1***übt diese Tätigkeit in Übereinstimmung mit dem österreichischen Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien an nichtstaatliche internationale Organisationen und den Bestimmungen gemäß §§ 34 ff der österreichischen Bundesabgabenordnung aus.

(8)***Bf1***ist gemeinnützig im Sinne der §§ 34 ff. BAO.

§ 2: Zweck

***Bf1*** bezweckt Forschung und Lehre auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe. Ziel der Forschung ist es, neue Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit und Qualität der Hilfe zu gewinnen, um langfristig das System der internationalen Hilfe zu verbessern.

§ 3: Tätigkeit und finanzielle Mittel

Für die Verwirklichung dieses Zwecks vorgesehene Tätigkeiten sind:

a.Erarbeitung von Problemstellungen;

b.Entwicklung von Forschungsinstrumenten und Studiendesigns;

c.Feldforschung und systematische Datenerhebung;

d.Auswertung der Ergebnisse der Feldforschung;

e.Datenanalyse und Erstellung von Statistiken;

f.Erstellung von allgemein zugänglichen Forschungsberichten;

g.Erstellung von Publikationen;

h.Durchführung von Schulungen und Workshops über die Effektivität von Maßnahmen zur humanitären Hilfe;

i.Kooperation mit Regierungen, internationalen Organisationen und Nicht- Regierungsorganisationen im humanitären Bereich;

j.Organisation von und Teilnahme an Konferenzen, Workshops und anderen Veranstaltungen zur Umsetzung des Zwecks von ***Bf1***;

k.Öffentlichkeitsarbeit.

Die erforderlichen finanziellen Mittel werden aufgebracht durch:

a.Subventionen und Förderungen von Staaten, internationalen Organisationen oder Einrichtungen, die Aufgaben von Staaten oder internationalen Organisationen erfüllen;

b.Erträge aus Forschungs- und Lehrtätigkeiten;

c.Erträge aus der Abhaltung von Schulungen, Konferenzen, Workshops und anderen Veranstaltungen;

d.Erträge aus Publikationen;

e.Finanzspenden aus privater und öffentlicher Hand;

f.Vermögensverwaltung und -Verwertung;

g.Erbschaften und Vermächtnisse,

h.Mitgliedsbeiträge.

***Bf1***unterhält in Österreich ein ständiges und personell angemessen ausgestattetes Büro. ***Bf1*** kann jedoch weltweit tätig sein.

§ 4: Ausschluss der Gewinnerzielungsabsicht

(1)Die Tätigkeit von ***Bf1*** ist nicht auf Gewinn oder finanzielle Vorteile gerichtet.

§ 5: Steuerliche Begünstigungswürdigkeit gemäß §§ 34 ff. der österreichischen BAO

(1)***Bf1*** verfolgt die im Statut aufgezählten Zwecke ausschließlich und unmittelbar.

(2)[...]

(3)[...]

(4)[...]

(5)[...]

(6)[...]

(7)[...]

(8)[...]

(9)[...]

(10)[...]

§ 20: [...]"

Die Bf. übermittelt des Weiteren einen Budgetplan und die Darstellung der geplanten Tätigkeiten für die Jahre 2021 und 2022 sowie die Jahresabschlüsse für die Jahre 2018 und 2019.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Zuerkennung der Gemeinnützigkeit als unbegründet ab und führte dazu begründend aus, dass im Hinblick auf die zu wenig konkreten Statuten der Bf. die Voraussetzungen gemäß § 17 ASG nicht erfüllt seien.

In der gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Beschwerde vom wiederholt die Bf., dass sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 34 bis 47 BAO verfolge. Sie betreibe Forschung und Lehre auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe; die Forschungstätigkeiten würden sowohl Bereiche der der sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung als auch der Evaluationsforschung beinhalten. Die Bf. beschäftige sich ua. mit der Entwicklung von Methoden zur Beurteilung von Entwicklungs- und humanitären Aktivitäten und wende sie an, um die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe zu beurteilen. Sämtliche Forschungsberichte würden ausnahmslos der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit der Allgemeinheit dienen. Zudem präsentiere die Bf. ihre Forschungsergebnisse in regelmäßigen Abständen auf internationalen Konferenzen.

Zusätzlich zur Forschungstätigkeit verfolge die Bf. auch humanitäre Zwecke und sei somit auch aus diesem Grund gemeinnützig. Durch die Einbeziehung hilfsbedürftiger Menschen in ihre Forschungsarbeit gebe die Bf. diesen das Gefühl, aktiv in den Prozess der humanitären Hilfe integriert zu sein und gehört zu werden.

Der Zweck und die Art der Verwirklichung würden eindeutig aus den Statuten der Bf. hervorgehen, welche mit der tatsächlichen Geschäftsführung übereinstimmten. Einer detaillierteren und spezifischeren Beschreibung der Forschungstätigkeit als der in § 2 der Statuten bezeichneten bedürfe es nicht und sei aufgrund der interdisziplinären und bereichsübergreifenden Ausgestaltung auch nur schwer möglich, ohne eine unvorhersehbare und unverhältnismäßige Restriktion der Forschungs- und Lehrtätigkeit der Bf. zu bewirken. Zudem erfolge eine weitere Konkretisierung durch die umfassende Aufzählung an Tätigkeiten/Mitteln in §2 der Statuten, durch die der verfolgte Zweck verwirklicht werde.

Die Mittel, die die Bf. regelmäßig benutze, würden jedenfalls ausreichend konkret bezeichnet. Überdies bedürfe es auch keiner konkreten Angaben der Forschungs- und Lernziele in den Statuten. Auch auf die Verwendung bestimmter Worte komme es nicht an, sondern ob begünstigte Zwecke tatsächlich ausschließlich und unmittelbar gefördert würden. Die seitens der belangten Behörde willkürlich herausgegriffenen Projektumschreibungen würden eindeutig die Wissenschaftlichkeit der Bf. aufzeigen.

Die Bf. sei insbesondere auch in der Feldforschung, also unmittelbar vor Ort in Krisengebieten, tätig. Die gewonnenen Erkenntnisse würden der Allgemeinheit unentgeltlich zugänglich gemacht und kämen direkt den Empfängern von Hilfsprogrammen zugute. Die Ergebnisse der Forschung seien unmittelbar von praktischer Relevanz für die Verbesserung des Systems der humanitären Hilfe.

Die Verneinung der Gemeinnützigkeit mit der Begründung, dass die Forschung der Bf. nicht als Ziel an sich gesehen werde, sondern primär dazu diene, Hilfstätigkeit zu optimieren, sei nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass die Bf. mit Regierungen, internationalen Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen im humanitären Bereich kooperiere, schade nicht, da diese die Tätigkeit der Bf. aus deren Budgets für Entwicklungshilfe, Katastrophenhilfe und sonstiger humanitärer Hilfe finanzieren. Die Bf. strebe keinerlei Gewinne an und ihre Erkenntnisse würden jedem, der daran interessiert ist, also der Allgemeinheit, zur Verfügung stehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit der Begründung ab, dass weder die Statuten noch die tatsächliche Geschäftsführung der Bf. ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig iSd. §§ 34 ff BAO seien, weswegen die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit iSd. § 17 Abs. 1 ASG iVm §§ 34 ff BAO zu versagen sei.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Entscheidung durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde verfolge die Bf. nicht "im Wesentlichen den Zweck, für die Erfordernisse humanitärer Organisationen zu forschen", sondern den Zweck, "neue Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit und Qualität … der humanitären Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe" (vgl. § 2 der Satzung) zu gewinnen. Auch komme die Arbeit der Bf. nicht "in erster Linie der jeweiligen auftragsvergebenden und finanzierenden humanitären Organisation zugute", sondern den "betroffenen, hilfsbedürftigen Menschen vor Ort". Entscheidend sei nicht, ob ein konkretes Projekt in Zusammenhang mit der betriebenen Forschung vorliege, sondern ob das Ergebnis der Forschung die Interessen der Allgemeinheit fördere. Die Auftraggeber, die die Arbeit der Bf. finanzierten, seien in erster Linie Regierungen und internationale Organisationen, welche ebenfalls an der Verbesserung des Systems der internationalen Hilfe an sich und in seiner Gesamtheit tätig seien.

Die Arbeit der Bf. diene auch der Erschließung neuer Felder der Grundlagenforschung, neben der reinen Grundlagenforschung gebe es auch noch die anwendungsorientierte Grundlagenforschung (siehe Frascati Handbuch 2015, S. 54).

Da die Forschung der Bf. ohne Gewinnabsicht und ohne Vermarkungsinteressen durchgeführt sowie unentgeltlich und zeitnah der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werde, sei es unverständlich, dass sie nach Ansicht der belangten Behörde nicht der Allgemeinheit zugutekommen solle.

Auch die Verneinung der Gemeinnützigkeit mit der Begründung, dass "die Forschung nicht das Ziel der Förderung der Allgemeinheit, sondern das Ziel der Verbesserung des Systems der internationalen Hilfe in Form der Projektkooperation mit diversen humanitären Organisationen" habe, führe das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht ad absurdum. Im Gegenteil ergebe sich aus der von der Bf. betriebenen Forschung unmittelbar eine Erweiterung des menschlichen Wissensstandes und ein direkter Nutzen für die Allgemeinheit. Der Umstand, dass die Tätigkeit auch den Hilfsorganisationen zu Gute komme, liege in der Natur der Sache und ändere nichts an der Gemeinnützigkeit der Tätigkeit. Die Liste spendenbegünstigter Organisationen weise eine Vielzahl von Vereinen auf dem Gebiet der medizinischen Forschung aus. Während medizinische Forschung von Ärzten umgesetzt werde, werde die Forschung der Bf. von Hilfsorganisationen umgesetzt, dennoch seien beide gemeinnützig. Während gewinnorientierte Forschung im Dienste von Pharmaunternehmen, Consulting oder Meinungsforschungsunternehmen nicht gemeinnützig sei, sei die Bf. eine gemeinnützige Organisation, die ohne Gewinnerzielungsabsicht wichtige Forschungen im Dienste der Allgemeinheit leiste. Aus diesem Grund werde sie auch von Regierungen und internationalen Organisationen finanziert.

Die seitens der Bf. verfolgten Zwecke würden sehr wohl unmittelbar der Unterstützung von Hilfsbedürftigen dienen, die Verbesserung des Systems der internationalen Hilfe sei keineswegs bloß eine mittelbare Verfolgung humanitärer Ziele.

Am legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde zur Entscheidung vor.

In der am vor dem Bundesfinanzgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung bringt der steuerliche Vertreter vor, dass der Zweck und die Finanzierung der Bf. mit der Satzung vom geändert worden seien. Die Bf. sei eine internationale Organisation ohne Gewinnerzielungsabsicht, welche empirische Forschung, anwendungsorientierte Forschung, Grundlagenforschung direkt vor Ort (Methoden der Einbeziehung der Menschen mittels Entwicklung, um zu den Forschungsergebnissen zu gelangen) und Evaluationsforschung betreibe. Sie erhalte Zuschüsse ohne Gegenleistungscharakter, wobei die Mittel aus den Forschungsbudgets der Katastrophen- und Entwicklungshilfe kämen.

Die Mission der Bf. liege in der Einbeziehung der Personen in den Krisengebieten, wobei das Problem insbesondere darin bestehe, wie man die Menschen, die die Hilfe am dringendsten benötigen, erreichen kann. In diesem Zusammenhang würden Gespräche mit lokalen NGOs geführt, Feldforschung (sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung) und Evaluationsforschung betrieben, um die Wirksamkeit humanitärer Hilfe gewährleisten zu können. Die Berichte darüber seien auf der Homepage der Bf. unter "Library" zu finden.

Der steuerliche Vertreter führte weiter aus, dass der Verein ausschließlich gemeinnützige Zwecke, nämlich Forschung auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, verfolge und zudem humanitär sei. Die Mitglieder der Bf. würden sich aus natürlichen Personen (Diplomaten und frühere Mitarbeiter der Weltbank) zusammensetzen.

Der Behördenvertreter hält fest, dass die Tätigkeit der Bf. geschätzt werde, aber die Bundesabgabenordnung strenge Kriterien im Zusammenhang mit der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit anwende.

Abschließend bietet der steuerliche Vertreter an, aktualisierte Jahresabschlüsse, ein Strategiepapier mit aktuellen Projekten sowie weitere Nachweise für die anwendungsorientierte Grundlagenforschung vorzulegen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellung

Die Bf. ist eine internationale Nichtregierungsorganisation iSd. § 15 ASG. Sie betreibt Forschung auf dem Gebiet der humanitären Hilfe, Entwicklungshilfe und Katastrophenhilfe. Ziel der Forschung ist es, neue Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit und Qualität der Hilfe zu gewinnen, um langfristig das System der internationalen Hilfe zu verbessern (§ 2 - Zweck der Satzung des Vereins).

Die Forschungstätigkeit wird in Kooperation mit und für diverse(n) humanitäre(n) Organisationen durchgeführt und richtet sich nach dem Informationsbedürfnis der auftraggebenden humanitären Organisation. Die Forschungsergebnisse werden in der Folge veröffentlicht und anderen Forschungseinrichtungen zugänglich gemacht.

Das Bundesfinanzgericht stellt fest, dass der wesentliche Zweck der Bf. darin besteht, für die Erfordernisse humanitärer Organisationen zu forschen, um das Ziel der Verbesserung des Systems der internationalen Hilfe in Form der Projektkooperation mit diversen humanitären Organisationen zu erreichen.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen sowie dem Parteienvorbringen.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 17 ASG hat das Finanzamt Österreich auf Antrag und nach Anhörung des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten einer Nichtregierungsorganisation, die die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 erfüllt, mit Bescheid Gemeinnützigkeit zuzuerkennen, sofern auf Grund der in Abs. 2 genannten Unterlagen zu erwarten ist, dass die in den §§ 34 bis 47 BAO, umschriebenen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der in den nachstehenden Abs. 2 und 3 enthaltenen besonderen Bestimmungen erfüllt werden.

Gemäß § 34 Abs. 1 BAO sind die Begünstigungen, die bei der Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke auf abgabenrechtlichem Gebiet in einzelnen Abgabenvorschriften gewährt werden, an die Voraussetzung geknüpft, dass die Körperschaft, der die Begünstigung zukommen soll, nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder ihrer sonstigen Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke dient.

Gemäß § 35 Abs. 1 BAO sind solche Zwecke gemeinnützig, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.

Gemäß § 37 Abs. 1 BAO sind solche Zwecke mildtätig (humanitär, wohltätig), die darauf gerichtet sind, hilfsbedürftige Personen zu unterstützen.

Die Begünstigung der §§ 34 ff BAO erfordert eine ausschließliche und unmittelbare Förderung des genannten Zweckes der Körperschaft in der Rechtsgrundlage (Satzung) und in der tatsächlichen Geschäftsführung.

Ausschließliche Förderung liegt gemäß § 39 Z 1 BAO ua. vor, wenn die Körperschaft, abgesehen von völlig untergeordneten Nebenzwecken, keine anderen als gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt.

Unmittelbare Förderung liegt gemäß § 40 Abs. 1 BAO vor, wenn eine Körperschaft den gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck selbst erfüllt. Dies kann auch durch einen Dritten geschehen, wenn dessen Wirken wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist. Werden jedoch Idealziele gefördert, welche über den Weg und mit Hilfe Dritter erreicht werden sollen, ist das Unmittelbarkeitsprinzip nicht erfüllt ().

Gemäß § 41 Abs. 1 BAO muss die Satzung der Körperschaft eine ausschließliche und unmittelbare Betätigung für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck ausdrücklich vorsehen und diese Betätigung genau umschreiben; als Satzung im Sinn der §§ 41 bis 43 gilt auch jede andere sonst in Betracht kommende Rechtsgrundlage einer Körperschaft.

Die Zwecke und die Art ihrer Verwirklichung, das heißt die ideellen und materiellen Mittel, müssen in der Rechtsgrundlage der Körperschaft so genau bezeichnet werden, dass allein aufgrund einer Einsichtnahme in diese Rechtsgrundlage geklärt werden kann, ob die Voraussetzungen für abgabenrechtliche Begünstigungen gegeben sind (zB. Baldauf in Baldauf/Renner/Wakounig, Die Besteuerung der Vereine10, 168 mwN).

Unbestritten ist, dass die Bf. eine forschende Tätigkeit ausübt. Forschung ist eine Tätigkeit, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder (und) Lehre, zum Zwecke der Erweiterung ihres Wissenstandes dient (). Zu prüfen ist, ob es sich um begünstigte Forschung im Sinne der BAO handelt.

Aus § 2 der Statuten ergibt sich bereits, dass die Tätigkeit der Bf. nicht die Forschung an und für sich zum Zweck hat, sondern die Forschungsergebnisse langfristig das System der internationalen Hilfe verbessern sollen. Diese Zielsetzung stellt keine Grundlagenforschung, sondern vielmehr empirische Projektforschung dar. Unmittelbare humanitäre Zweckausrichtung lassen die Vereinsstatuten, insbesondere § 2 der Satzung, ebenfalls nicht erkennen.

Die Bf. wird regelmäßig im Zusammenhang mit konkreten Projekten (siehe die dem Antrag auf Zuerkennung der Gemeinnützigkeit beigelegte Liste an Projekten der Jahre 2021 und 2022) tätig und forscht je nach Informationsbedürfnis der jeweiligen Auftraggeber bzw. Projektpartner. Wie aus den Berichten und Publikationen der Bf. auf ihrer Homepage hervorgeht, handelt es sich bei den Auftraggebern und Projektpartnern um humanitäre Organisationen (wie beispielsweise US Aid, UNICEF, Hi humanity inclusion, Plan International, Ecpat, CN/AEJTB, partnership with Canada, ICCCAD, iied, Salma, OCHA, WFP, WHO, H2H Network, The New Humanitarian). Es werden somit zwar wissenschaftliche Methoden zur Erlangung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse eingesetzt (=Forschung), doch dienen die im Interesse der auftragsvergebenden humanitären Organisationen oder Projektpartner erforschten wirtschaftlichen Erkenntnisse primär diesen humanitären Organisationen zur Optimierung ihrer Projektaktivitäten.

Die Bf. weist ausdrücklich darauf hin, empirische Forschung, anwendungsorientierte Forschung, Grundlagenforschung direkt vor Ort (Methoden der Einbeziehung der Menschen mittels Entwicklung, um zu den Forschungsergebnissen zu gelangen) sowie Evaluationsforschung zu betreiben.

Grundlagenforschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens ohne Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel zu vermehren. Dass durch die Tätigkeit der Bf. ein signifikanter Beitrag zur Grundlagenforschung geleistet wird bzw. die Grundlagenforschung vorangetrieben wird, geht aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor.

Inwieweit die Tätigkeit der Bf. ausschließlich oder nahezu ausschließlich dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse dient, kann weder den vorgelegten Unterlagen noch dem Vorbringen der Bf. entnommen werden.

Evaluationsforschung ist eine ex post Forschung, die dazu dient, Verhaltensweisen auf ihre Wirksamkeit hin zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen für ihre Optimierung zu ziehen. Dieser Vereinszweck ergibt sich auch bereits aus § 2 der Satzung der Bf., wonach das erklärte Ziel der Forschung darin liegt, neue Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit und Qualität der Hilfe zu gewinnen. Die Adressaten der Evaluationsforschung sind jedoch humanitäre Organisationen oder nationale Entwicklungsagenturen und nicht die eigentlichen Adressaten der Entwicklungszusammenarbeit selbst.

Damit steht fest, dass die Zweckorientierung der Bf. in der anwendungsorientierten und empirischen Projektforschung liegt und der Allgemeinheit nicht unmittelbar zugutekommt.

Nachdem die Forschungstätigkeit der Bf. keinen Beitrag zur Grundlagenforschung erkennen lässt und die Evaluationsforschung sich lediglich mittelbar auf die Adressaten der Entwicklungszusammenarbeit auswirkt, ist kein gemeinnütziger Zweck iSd. § 35 BAO ersichtlich.

Unabhängig davon, scheitert die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 17 ASG daran, dass die Bf. den Zweck ihrer Tätigkeit neben der Wissenschaft und Forschung auch als humanitäre Organisation (mildtätiger Zweck iSd. § 37 BAO) sieht, weil sie Menschen direkt Vorort unterstützt. Auch wenn der in der Satzung festgelegte Vereinszweck der Bf. (§ 2 der Satzung) keinerlei Mildtätigkeit erkennen lässt, ist auf Grund des Vorbringens von einer mildtätigen Tätigkeit der Bf. im Rahmen der Geschäftsführung auszugehen. Im Hinblick darauf, dass die Einbindung der Menschen Vorort als Teil der Evaluationsforschung anzusehen und für die Forschungsarbeit unerlässlich ist, stellt sie keinen unmittelbaren mildtätigen Zweck iSd. § 37 BAO dar. Forschungsergebnisse können per se niemals einen unmittelbaren Nutzen bei den Betroffenen produzieren, sondern bedürfen regelmäßig einer vorherigen Umsetzung, um einen unmittelbaren Nutzen stiften zu können. Der Umstand, dass die Ergebnisse der Forschung letztlich - nämlich nach Umsetzung der Forschungsergebnisse - auch den Betroffenen zugutekommen, macht diese noch nicht unmittelbar mildtätig.

Da die stimmberechtigten Mitglieder der Bf. sich nicht erkennbar überwiegend aus Staaten und internationalen Organisationen zusammensetzen, kommt auch die Ausnahmebestimmung des § 17 Abs. 3 Z 4 ASG nicht zum Tragen.

In der anwendungsorientierten und empirischen Projektforschung für humanitäre Organisationen ist daher weder ein die Allgemeinheit fördernder gemeinnütziger Zweck iSd. § 35 BAO noch ein unmittelbarer mildtätiger Zweck iSd. § 37 BAO zu erkennen.

Wie oben ausgeführt, scheitert die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit im beschwerdegegenständlichen Fall daran, dass die Bf. bei ihrer Forschungstätigkeit keinen Beitrag zur Grundlagenforschung leistet und keinen unmittelbaren die Allgemeinheit fördernden gemeinnützigen Zweck iSd. §§ 35 ff BAO verfolgt. Da darüber hinaus die seitens der Bf. intendierte humanitäre Zweckausrichtung gemäß § 37 BAO lediglich mittelbar und ohne mehrheitliche Bestimmung durch humanitäre Organisationen oder "Geberländer" erfolgt, steht auch dieser Umstand der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit entgegen.

Wenn die Bf. zu ihrer humanitären Zweckausrichtung vorbringt, dass die Ergebnisse der Forschung unmittelbar von praktischer Relevanz für die Verbesserung des Systems der humanitären Hilfe seien, so ist dem nicht entgegenzutreten. Dem Vorbringen allerdings, wonach die seitens der Bf. verfolgten Zwecke bzw. die gewonnenen Forschungsergebnisse den Empfängern von Hilfsprogrammen direkt zugutekämen und somit unmittelbar der Unterstützung von Hilfsbedürftigen dienen würden, ist entgegenzuhalten, dass es in der Natur von Forschungsergebnissen liegt, dass diese niemals unmittelbar den Betroffenen dienen können. Vielmehr muss ein Forschungsergebnis zunächst einer Umsetzung zugeführt werden, um einen unmittelbaren Nutzen entfalten zu können.

Inwiefern die Bf. aufgrund ihrer Tätigkeit vor Ort in den Krisengebieten bzw. der Einbindung hilfsbedürftiger Menschen in ihre Forschungsarbeit ihre humanitäre Zweckausrichtung darlegen möchte, ist nicht nachvollziehbar, zumal darin weder ein unmittelbarer Entwicklungshilfecharakter noch eine persönliche Hilfeleistung oder Verbesserung der materiellen Situation der hilfsbedürftigen Menschen zu erblicken ist. Vielmehr ist die genannte Vorgangsweise unerlässlich für die Forschungsarbeit der Bf. und bewirkt eine Verbesserung der Gesamtsituation für die hilfsbedürftigen Menschen bestenfalls lediglich infolge systemischer Optimierung der humanitären Hilfe.

Wenn die Bf. unter Verweis auf die Liste spendenbegünstigter Organisationen einen Vergleich zwischen ihrer Forschungstätigkeit und Vereinen auf dem Gebiet der medizinischen Forschung anstellt, ist festzuhalten, dass sich die Bf. von spendenbegünstigten medizinischen Institutionen insofern unterscheidet, als diese ihre Forschung unabhängig vom Informationsbedürfnis bestimmter Auftraggeber betreiben. Der Umstand allein, dass die Bf. für gemeinnützige Organisationen tätig ist, macht die Bf. selbst noch nicht gemeinnützig.

Der wiederholte Hinweis der Bf., dass sie von Regierungen und internationalen Organisationen finanziert werde, welche ebenfalls an der Verbesserung des Systems der internationalen Hilfe arbeiteten, geht im Hinblick darauf, dass die Frage der Finanzierung nicht verfahrensgegenständlich ist, ins Leere.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zu der Rechtsfrage, ob zum Vorliegen unmittelbar vorhandener Zwecke das Vorliegen anderer gemeinwirtschaftlicher Zwecke schädlich ist, besteht keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Aus diesem Grund war die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 17 ASG, Amtssitzgesetz, BGBl. I Nr. 54/2021
§ 34 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 35 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 40 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 37 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 39 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102280.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at