Prozesskosten iZm mit Mietrechtsstreitigkeiten als ag Belastung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In der Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2022 beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Berücksichtigung von Krankheitskosten iHv € 2.035,23 sowie einen Betrag iHv € 1.692,00 als (sonstige) außergewöhnliche Belastung.
Mit Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde vom wurde die Bf. aufgefordert, die beantragten Aufwendungen belegmäßig nachzuweisen und eine Kostenaufstellung zu übermitteln.
Mit Schreiben vom gab die Bf. - den Ergänzungspunkt sonstige außergewöhnliche Belastung betreffend - bekannt, dass ein Wasserschaden in ihrer Mietwohnung erst nach Einschalten der Schlichtungsstelle saniert worden sei. Vermutlich als Folgeschaden seien Lärmimmissionen aufgetreten, die bis heute nicht beseitigt worden sind. Die angeführten Kosten seien im Verfahren bei der Schlichtungsstelle und in weiterer Folge beim Bezirksgericht Hernals entstanden.
Im Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte das Finanzamt lediglich die geltend gemachten, um die Haushaltsersparnis gekürzten, Krankheitskosten iHv € 1.992, 39 als außergewöhnliche Belastung. Diese blieben allerdings ohne steuerliche Auswirkung, da sie den Selbstbehalt nicht übersteigen.
Die als sonstige außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten blieben außer Ansatz. Begründend wurde ausgeführt, dass die Zwangsläufigkeit bei Prozesskosten in einem Zivilrechtsstreit im Zusammenhang mit Mietrechtsstreitigkeiten nicht gegeben sei, weshalb die diesbezüglichen Aufwendungen nicht berücksichtigt werden könnten.
In der Beschwerde vom , die sich gegen die Nichtanerkennung der als sonstige außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen iHv € 1.692,00 richtet, brachte die Bf. vor, dass sie den Rechtsstreit deshalb anstrengen hätte müssen, weil seitens der Vermieterin nicht rechtzeitige Sanierungsmaßnahmen nach einem Wasserschaden vorgenommen worden wären. In der Folge seien ständige Lärmimmissionen, vermutlich durch eine wegen beschädigter Verblechung unwirksam gewordene Trittschalldämmung der oberhalb ihrer Wohnung gelegenen Wohnung aufgetreten, die sie sowohl physisch als auch psychisch extrem belastet hätten. Zum Nachweis der psychischen Probleme verwies die Bf. auf die der Einkommensteuererklärung beigelegte Rechnung eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie.
Die Folgen des Schadens könnten durch Einsicht in die Akten des Rechtsstreites vor der Schlichtungsstelle sowie dem Bezirksgericht Hernals nachgewiesen werden. In diesen Verfahren seien die Schallimmissionen wiederholt festgestellt worden, jedoch habe die Vermieterin bis heute nicht Abhilfe geschaffen, sodass gerichtliche Rechtshilfe zwangsläufig erforderlich geworden sei. Die dabei entstandenen Kosten seien daher außergewöhnlich, zwangsläufig erwachsen und hätten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bf. wesentlich beeinträchtigt, da die aufgelaufenen Aufwendungen mehr als eine monatliche Nettopension betragen hätten.
Mit Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde vom wurde die Bf. um Vorlage der Gerichtsakten sowie um Bekanntgabe ersucht, ob das Gericht ihre Forderung anerkannt habe und welche Aufwendungen die gegnerische Partei übernehmen habe müssen bzw. welche Entschädigungen der Bf. vom Gericht zuerkannt wurden.
In Beantwortung dieses Ersuchens übermittelte die Bf. den Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom , das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom sowie den Fristerstreckungsantrag der Antragsgegnerin, bewilligt durch das Bezirksgericht Hernals. Weiters gab die Bf. die bisher vom Bezirksgericht Hernals festgesetzten Kostenvorschüsse bekannt und teilte mit, dass das Verfahren noch nicht beendet sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung mangels Zwangsläufigkeit ausgeschlossen sei, weil sich die Bf. freiwillig in einen nicht eindeutig erfolgversprechenden Prozess eingelassen habe.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Aus den vorgelegten Beschlüssen des Bezirksgerichtes Hernals sei zu erkennen ist, dass das Verfahren durchaus erfolgreich sei. Sie habe aber auch aus gesundheitlichen Gründen zur Wiederherstellung ihrer Wohnqualität dieses Verfahren anstrengen müssen. Dass sowohl ihre psychische als auch physische Gesundheit gefährdet sind, sei ihr von Fachärzten (Psychiater und Kardiologe) mitgeteilt worden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist Mieterin der Wohnung ***Bf1-Adr***.
Sie hat im beschwerdegegenständlichen Jahr beim Bezirksgericht Hernals einen Antrag auf Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten gestellt, da in ihrer Wohnung auf Grund einer - vermutlich als Folge eines Wasserschadens - unwirksam gewordenen Trittschalldämmung Lärmimmissionen, die sie sowohl physisch und auch psychisch belasten, aufgetreten sind. Das Verfahren gegen ihre Vermieterin wegen §§ 6 Abs 1 iVm 37 Abs 1 Z2 MRG wird beim Bezirksgericht Hernals zur GZ ***GZ*** geführt und ist noch nicht beendet.
Die Bf. beantragt die Berücksichtigung der im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit angefallenen Kosten, die unter den Überbegriff "Verfahrenskosten" zu subsumieren sind, als außergewöhnliche Belastung.
Im Einzelnen setzen sich die geltend gemachten Kosten wie folgt zusammen:
Schalltechniker Ing. ***H*** € 492,00
RA Dr. ***P*** € 120,00
RA Dr. ***P*** € 480,00
Sachverständigen-KV € 600,00
Summe € 1.692,00
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen beruhen auf den dem BFG vorliegenden Aktenteilen, insbesondere den von der Bf. vorgelegten Unterlagen (Protokoll des BG Hernals vom , Kostenaufstellung) und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Nach Absatz 2 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Gemäß Absatz 3 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Absatz 4 zufolge, beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Im gegenständlichen Beschwerdefall steht in Streit, ob die der Bf. im Zusammenhang mit einem Mietrechtsstreit angefallenen Kosten (Rechtsanwaltskosten, Gutachterkosten und Sachverständigen- Kostenvorschuss) in Höhe von insgesamt € 1.692,00 zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 erwachsen und damit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.
Von einem zwangsläufig erwachsenen Aufwand kann nur gesprochen werden, wenn sich ein Steuerpflichtiger diesem Aufwand von dessen Entstehungsgrund her aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Eine Beurteilung hat stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu erfolgen.
Aus der in Absatz 3 leg. cit. normierten Wortfolge "wenn er sich ihr …. nicht entziehen kann" ergibt sich, dass freiwillig getätigte Aufwendungen ebenso wenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder sonst die Folgen eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (Fuchs, in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer-Kommentar, § 34 Abs 2 bis 5 EStG, Tz. 8).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können Prozesskosten in einem zivilgerichtlichen oder außerstreitigen Verfahren grundsätzlich nur in Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Prozesskosten erwachsen im Allgemeinen nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988, wobei sich aber eine allgemeine Regel bei aufgezwungener Prozessführung nicht aufstellen lässt. Zwangsläufigkeit von Prozesskosten wird stets dann verneint, wenn die Prozessführung auf Tatsachen zurückzuführen ist, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat und keine Handlungsalternativen bestanden haben (; , Ro 2016/13/0026; , 2011/13/0029). Prozesskosten erwachsen deshalb nicht zwangsläufig, weil jede Prozessführung mit dem Risiko verbunden ist, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen zu müssen. Wenn sich in diesem Zusammenhang auch eine stets gültige Regel nicht aufstellen lässt, so ist die Zwangsläufigkeit jedenfalls dann immer zu verneinen, wenn ein Prozess letztlich nur die Folge eines Verhaltens ist, welches der Steuerpflichtige aus freien Stücken gesetzt hat (; , 89/13/0100).
Im Rahmen der Beurteilung, ob im vorliegenden Fall Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 EStG 1988 vorliegt, ist daher der Entstehungsgrund dieser Aufwendungen, nämlich ob die Einleitung bzw. Führung des Rechtsstreits mit der Vermieterin für die Bf. zwangsläufig war und sie sich diesem aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen hätte können, von entscheidender Bedeutung. Stellt sich heraus, dass die gerichtliche Auseinandersetzung nicht zwangsläufig, sondern die Folge eines Verhaltens der Bf. war, zu dem sie sich aus freien Stücken entschlossen hat, können die daraus resultierenden Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung in Abzug gebracht werden.
Die Bf. bringt vor, dass sie den Rechtsstreit auf Grund der durch die Lärmimmissionen hervorgerufenen massiven physischen und auch psychischen Belastung und weil seitens der Vermieterin keine Abhilfe geschaffen wurde, zwangsläufig anstrengen habe müssen.
Mit dem Argument, dass die Vermieterin keine Maßnahmen zur Beseitigung der Lärmimmissionen getroffen habe und die geltend gemachten, im Zusammenhang mit der gerichtlichen Auseinandersetzung entstandenen Aufwendungen aus diesem Grund zwangsläufig entstanden seien, wird von der Bf. ein unmittelbarer Zusammenhang des Rechtsstreits mit dem zwischen der Bf. und der Vermieterin bestehenden Mietverhältnis, das von der Bf. freiwillig begründet und auch weiterhin aus freien Stücken aufrechterhalten wird, dargetan. Der von der Abgabenbehörde vertretenen Ansicht, dass die durch die Prozessführung verursachten Aufwendungen, die ihren Auslöser in der behaupteten Unterlassung der Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten haben, auf die freiwillige Fortsetzung des Mietverhältnisses, zurückzuführen sind, kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Aber auch der Einwand, die Bf. sei zur zur Abwehr drohender bzw. zur Beseitigung bereits bestehender gesundheitlicher Schäden quasi zur Prozessführung gezwungen gewesen, geht ins Leere:
Zwar erscheint es aus subjektiver Sicht der Bf. durchaus menschlich verständlich und nachvollziehbar, dass sich diese wegen der behaupteten Lärmbelästigungen bzw. der dadurch hervorgerufenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Führung eines Rechtsstreits gegen ihre Vermieterin entschlossen hat, um auf diese Weise die Wiederherstellung ihrer Wohnqualität und damit eine Abwehr gesundheitlicher Schäden zu erwirken, dennoch liegt hinsichtlich des Verfahrens, aus welchem die strittigen Aufwendungen resultieren, keine aufgezwungene Prozessführung vor.
Die Tatsache, dass sich die Bf. aus subjektiven Gründen veranlasst gesehen haben mag, das gerichtliche Verfahren einzuleiten, ändert nichts daran, dass der Rechtsstreit die Folge eines Verhaltens ist, zu dem sich die Bf. aus freien Stücken entschlossen hat.
Die in § 34 Abs 3 EStG 1988 geforderten Zwangsläufigkeit lag nicht vor.
Eine Prüfung der anderen in § 34 EStG 1988 normierten Voraussetzungen konnte daher unterbleiben, da schon das Fehlen einer einzigen der Voraussetzungen eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ausschließt ().
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob gegenständlich die Voraussetzungen für die Anwendung der Begünstigungsbestimmung des § 34 EStG 1988 vorliegen, wurde auf Basis der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelöst; eine Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102874.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at