Diverse Ausgaben (für Matratze, Kissen, Trinkbecher, etc.) als außergewöhnliche Belastung bei Behinderung?
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RV/7100079/2024-RS1 | wie RV/7100964/2020-RS1 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und "unter Ausschluss jeden Zweifels“ das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe im Einzelnen anzuführen sind (Behauptungs- und Nachweispflicht: Jakom/Peyerl, EStG 12. Auflage, § 34 Rz 9, mit Verweis auf ). Zwar gibt es im Abgabenverfahren keine verfahrensförmliche subjektive Beweislastregel; als allgemein anerkannte verfahrensvernünftige Handlungsmaxime gilt aber, dass die Abgabenbehörde ergebnishaft letzten Endes die Behauptungs- und Feststellungsbürde für die Tatsachen trägt, die vorliegen müssen, um den Abgabenanspruch geltend machen zu können, der Abgabepflichtige hingegen für jene, die den Anspruch aufheben oder einschränken (, unter Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar, S 1561; ). Die steuerliche Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung schränkt den Abgabenanspruch ein; sie begünstigt den Abgabepflichtigen, weshalb die Behauptung und der Beweis des Vorbringens vornehmlich dem Abgabepflichtigen obliegt (vgl. RV/0317-G/06; ; ). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Einkommensteuer 2022 wird mit -1.374,00 € festgesetzt.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist Pensionistin. Sie weist lt. Bescheid des Sozialministeriumservice (damals: Bundessozialamt) vom einen Grad der Behinderung von 80% auf und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist ihr wegen dauernder Gesundheitsschädigung (Gehbehinderung) unzumutbar. In 2022 hat sie ganzjährig Pflegegeld bezogen.
In ihrer beim Finanzamt am elektronisch eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 machte sie an außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt einen Betrag von 298,58 € an Krankheitskosten (inkl. Zahnersatz) sowie an außergewöhnlichen Belastungen bei Behinderung den Pauschbetrag wegen Krankendiätverpflegung (Zuckerkrankheit) gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010 (im Folgenden kurz: VO), den Pauschbetrag für das eigene Kfz wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 der VO sowie einen Betrag von 2.202,27 € an nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO geltend.
Am erging ein Vorhalt des Finanzamtes an die Bf., mit dem diese aufgefordert wurde, eine genaue Kostenaufstellung der beantragten, behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt abzüglich der erhaltenen bzw. beantragten Kostenersätze zu übersenden sowie zum Nachweis der beantragten Aufwendungen alle Belege in Kopie inklusive der ärztlichen Verordnung bzw. der Behandlungspläne zu den beantragten Kosten beizulegen. Hingewiesen wurde ua. darauf, dass nur Kosten, die im direkten Zusammenhang mit der Behinderung stünden, ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden könnten.
In ihrer am beim Finanzamt eingelangten Vorhaltsbeantwortung führte die Bf. aus, sie sei seit Jahren zu 80% behindert und leide an Diabetes mellitus samt Folgeerkrankungen. 2022 habe sie sich außerdem noch einer Hüftoperation unterziehen müssen, was teilweise die ***1*** bezahlt habe. Selbstverständlich könne sie alles belegen; das Finanzamt habe in den Vorjahren eine Prüfung durchgeführt inklusive des Behindertenfreibetrages für Kfz und es habe keine Beanstandung gegeben. Sollte dennoch eine Belegvorlage notwendig sein, ersuche die Bf., sie das wissen zu lassen, da sie demnächst auf Rehabilitation fahre. Eine Aufstellung liege bei.
Dieser Vorhaltsbeantwortung der Bf. war eine mit "2022" übertitelte Kostenaufstellung über einen Gesamtbetrag von 2.202,27 € (ua. betreffend Arzt- und Apothekenrechnungen, Fahrtkosten (Kilometergelder) sowie Ausgaben für eine "Gesundheitsmatratze") und eine Apothekenjahresabrechnung ("Umsatzliste von bis ") über einen Gesamtbetrag von 396,85 € beigeschlossen.
Am erging der Bezug habende Einkommensteuerbescheid 2022, mit dem das Finanzamt die beantragten Pauschbeträge wegen Krankendiätverpflegung gemäß § 2 der VO sowie für das eigene Kfz wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 3 der VO gewährte. Von den geltend gemachten, nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO wurde ein Betrag von 396,85 € (= der im Zuge der oa. Vorhaltsbeantwortung von der Bf. nachgewiesene, sich aus der Bezug habenden Apothekenjahresabrechnung ergebende Gesamtbetrag) anerkannt.
Begründend führte die Abgabenbehörde dazu aus, die beantragten Aufwendungen hätten nur insoweit berücksichtigt werden können, als die geforderten Beweismittel (Rechnungen) vorgelegt worden seien. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt (= der geltend gemachte Betrag von 298,58 € an Krankheitskosten (inkl. Zahnersatz), siehe dazu bereits oben) seien nicht berücksichtigt worden, da sie niedriger seien als der für die Bf. gültige Selbstbehalt von 2.549,67 €.
Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. am Beschwerde, in der sie erneut beantragte, die geltend gemachten, nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO im Gesamtausmaß von 2.202,27 € anzuerkennen.
Begründend führte die Bf. dazu aus, da dem Finanzamt die Kostenaufstellung 2022 nicht genüge, würden sämtliche Belege vorgelegt. Betreffend die Fahrtkosten zu den verschiedenen Ärzten sei das amtliche Kilometergeld verrechnet worden.
Am erging ein weiterer Vorhalt des Finanzamtes an die Bf., der inhaltlich dem am ergangenen, ersten Vorhalt (siehe dazu bereits oben) entspricht.
Mit ihrer am beim Finanzamt eingelangten, mit "Belege für Beschwerde (elektronisch)" übertitelten Vorhaltsbeantwortung übermittelte die Bf. neben der bereits vorgelegten Apothekenjahresabrechnung ("Umsatzliste von bis ") über einen Gesamtbetrag von 396,85 € weitere Belege (ua. betreffend Arzt- und Apothekenrechnungen sowie Rechnungen über Kaltschaummatratzen, Nackenstützkissen, Kirschkernkissen, Trinkbecher, FFP2-Masken etc.).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt, indem es neben den bereits im Erstbescheid anerkannten Pauschbeträgen gemäß §§ 2 und 3 der VO von den geltend gemachten, nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO einen Betrag von 1.408,59 € gewährte.
Begründend führte die Abgabenbehörde dazu aus, dass es für die Anerkennung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung erforderlich sei, dass nachweislich eine Krankheit vorliege, die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dieser Krankheit stehe und eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung derselben darstelle. Unter Krankheit sei eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordere. Nicht abzugsfähig seien daher Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit.
Liege eine Krankheit vor, so seien abzugsfähig
- Arzt- und Krankenhaushonorare,
- Aufwendungen für medizinisch verordnete Medikamente und Heilbehandlungen, Rezeptgebühren, Behandlungs-, Kostenbeiträge und Selbstbehalte (einschließlich Akupunktur und Psychotherapie ()),
- Aufwendungen für Heilbehelfe.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) sei der Erwerb apothekenpflichtiger Präparate, die ohne konkrete ärztliche Verordnung (Rezept) erworben würden, nicht zwangsläufig erwachsen und daher keine außergewöhnliche Belastung. Jene Artikel, die nicht auf Krankenkassenrezepten verschrieben worden seien, seien daher nicht anzuerkennen gewesen.
Eine ausschließlich krankheitsbedingte Veranlassung werde im Regelfall für Fahrten zur Besorgung von Medikamenten nicht gegeben sein, weshalb die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Fahrtkosten zur Apotheke nicht berücksichtigt werden könnten.
Kosten für Matratzen, Kirschkernkissen, Trinkbecher, Becherhalter und FFP2-Masken seien grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen, da diese Kosten von allen Steuerpflichtigen zu tragen seien und in keinem Zusammenhang mit der Behinderung stünden.
In ihrem Vorlageantrag vom führte die Bf. aus, das Finanzamt habe ihre durch die Behinderung bedingten Kosten gekürzt, was sie nicht nachvollziehen könne. Die Fahrtkosten zur Apotheke und zu den diversen Ärzten habe sie penibel ermittelt; diese stellten keine normalen Einkaufsfahrten dar, da jene, zB zu Billa und Penny, extra angefallen seien. Sämtliche der von der Bf. angeführten Kosten dienten nicht der Vorbeugung, sondern seien zwangsläufig krankheitsbedingt erwachsen.
Ihre Befunde betreffend die Behinderung seien bereits amtsbekannt. Eine Besserung ihrer Erkrankung sei leider nicht in Sicht und könne auch nicht angenommen werden, was vom Finanzamt bisher immer anerkannt worden sei, obwohl die Bf. schon mehrere Überprüfungen durchgemacht habe.
Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Bezug habenden Vorlagebericht führte die Abgabenbehörde aus, die Bf. habe zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung geltend gemacht. Beantragt werde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen; auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung werde verwiesen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg. cit.) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss dabei außergewöhnlich sein (Abs. 2), sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Alle vorstehenden Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.
Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Nach § 34 Abs. 6 5. und 6. Teilstrich EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwenden Fassung können folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 leg. cit.).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010, lautet:
"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988),
- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt, oder
- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen."
§ 4 der VO lautet:
"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
Fest steht im gegenständlichen Fall, dass das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom von den von der Bf. als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung geltend gemachten Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO im Gesamtausmaß von 2.202,27 € einen Betrag von 1.408,59 € anerkannt hat. Nicht gewährt wurden von der Abgabenbehörde Fahrtkosten zur Apotheke und zu Ärzten (295,68 €), Ausgaben für eine Kaltschaummatratze samt Nackenstützkissen (458,00 €), Kirschkernkissen (9,90 €), Trinkbecher (4,99 €), Becherhalter (6,90 €) und FFP2-Masken (4,40 €) sowie ein weiterer Betrag von 13,81 €, der jedoch weder aus den angefochtenen Bescheiden noch aus den vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Verwaltungsakten nachvollziehbar ist.
Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und "unter Ausschluss jeden Zweifels" das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe im Einzelnen anzuführen sind (Behauptungs- und Nachweispflicht: Jakom/Peyerl, EStG16, § 34 Rz 9, mit Verweis auf , und ).
Zwar gibt es im Abgabenverfahren keine verfahrensförmliche subjektive Beweislastregel; als allgemein anerkannte verfahrensvernünftige Handlungsmaxime gilt aber, dass die Abgabenbehörde ergebnishaft letzten Endes die Behauptungs- und Feststellungsbürde für die Tatsachen trägt, die vorliegen müssen, um den Abgabenanspruch geltend machen zu können, der Abgabepflichtige hingegen für jene, die den Anspruch aufheben oder einschränken (, unter Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar, S 1561; ). Die steuerliche Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung schränkt den Abgabenanspruch ein; sie begünstigt den Abgabepflichtigen, weshalb die Behauptung und der Beweis des Vorbringens vornehmlich dem Abgabepflichtigen obliegt (vgl. RV/0317-G/06; ; ; ).
Aus diesen Ausführungen (Behauptungs- und Nachweispflicht des Abgabepflichtigen, siehe oben) folgt für die von der Bf. geltend gemachten Fahrtkosten zur Apotheke und zu Ärzten, dass diese vom Finanzamt schon deshalb zu Recht nicht anerkannt wurden, da die Bf. betreffend jene keinerlei Aufzeichnungen vorgelegt und somit keinen diesbezüglichen Nachweis erbracht hat. Da im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehende Fahrtkosten nur im nachgewiesenen Ausmaß als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können (vgl. RV/0480L/12), ist die Vorgangsweise des Finanzamtes nicht zu beanstanden. Dazu kommt, dass Fahrtkosten zur Anschaffung von Medikamenten und Hilfsmitteln schon deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, weil diese Anschaffungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit Anschaffungen des täglichen Lebens (Lebensmitteln etc.) verbunden werden (vgl. RV/0339-K/08).
Zu den von der Bf. geltend gemachten Ausgaben für eine Kaltschaummatratze samt Nackenstützkissen (458,00 €), Kirschkernkissen (9,90 €), Trinkbecher (4,99 €), Becherhalter (6,90 €) und FFP2-Masken (4,40 €) folgt aus den obigen Ausführungen, dass auch diese Aufwendungen von der Abgabenbehörde zu Recht nicht gewährt wurden. Um nämlich als Kosten der Heilbehandlung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes anerkannt werden zu können, bedarf es eines unmittelbaren, ursächlichen Zusammenhangs der geltend gemachten Kostenmit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde liegt (); Ausgaben, die nur mittelbar mit einer Krankheit in Zusammenhang stehen, stellen hingegen keine außergewöhnlichen Belastungen dar, auch wenn sie sich auf den Krankheitsverlauf positiv auswirken können (Jakom/Peyerl, § 34 Rz 90, Stichwort "Krankheitskosten", mit Judikaturverweisen).
Dass die beim Möbelhaus ***2*** angeschaffte Kaltschaummatratze samt Nackenstützkissen in unmittelbarem, ursächlichem Zusammenhang mit der Behinderung der Bf. steht, hat diese nicht nachgewiesen, zumal sie keine diesbezügliche medizinische Indikation (ärztliche Verordnung bzw. Verschreibung) vorgelegt hat. Einen solchen unmittelbaren, ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung vermag das Bundesfinanzgericht hinsichtlich des angeschafften Kirschkernkissens, des Trinkbechers, des Becherhalters und der FFP2-Masken von Vornherein nicht zu erkennen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Nichtanerkennung der angeführten Fahrtkosten der Bf. sowie ihrer Ausgaben für eine Kaltschaummatratze samt Nackenstützkissen, Kirschkernkissen, Trinkbecher, Becherhalter und FFP2-Masken als Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung gemäß § 4 der VO durch das Finanzamt nicht zu beanstanden ist. Dies gilt nicht für den oa., weiteren Betrag von 13,81 €, der von der Abgabenbehörde ebenfalls nicht gewährt wurde; da jener Betrag weder aus den angefochtenen Bescheiden noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nachvollziehbar ist (siehe dazu bereits oben), ist dieser als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu gewähren und der vom Finanzamt gemäß § 4 der VO anerkannte Betrag von 1.408,59 € um 13,81 € auf 1.422,40 € zu erhöhen.
Somit ist der Beschwerde teilweise Folge zu geben und die strittige Einkommensteuer 2022 wie folgt festzusetzen:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:
***5***: 25.289,16 € (steuerpflichtige Bezüge Kennzahl 245)
Gewerkschaftsbeiträge laut Veranlagung: -111,00 €
Gesamtbetrag der Einkünfte: 25.178,16 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Zuwendungen gemäß § 18 (1) Z 7 EStG 1988: -234,00 €
Kirchenbeitrag: -145,44 €
Außergewöhnliche Belastungen:
Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 (4) EStG 1988): -298,58 €
Selbstbehalt: 298,58 €
Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung: -3.120,00 €
Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen: -1.422,40 €
Einkommen: 20.256,32 €
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
0% für die ersten 11.000,00 €: 0,00 €
20% für die weiteren 7.000,00 €: 1.400,00 €
32,5% für die restlichen 2.256,32 €: 733,30 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge: 2.133,30 €
Pensionistenabsetzbetrag: -33,19 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge: 2.100,11 €
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0% für die ersten 620,00 €: 0,00 €
6% für die restlichen 3.594,86 €: 215,69 €
Einkommensteuer: 2.315,80 €
Anrechenbare Lohnsteuer (Kennzahl 260): -3.689,94 €
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988: +0,14 €
Festgesetzte Einkommensteuer: -1.374,00 €
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Das Erkenntnis folgte vielmehr der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 1 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100079.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at