Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.12.2023, RV/3100005/2023

Gymnasium für Berufstätige: Familienbeihilfe ist jedenfalls zu gewähren, wenn mehr als die Hälfte der in einem Semester vorgesehenen Unterrichtsgegenstände sowohl ihrer Zahl nach als auch in Wochenstunden ausgedrückt beurteilt werden konnten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe 09.2019-02.2020 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid (Rückforderungsbescheid vom ) wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A) In Beantwortung des Schreibens zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe vom wurde am eine Bestätigung vom über den Besuch der Klasse 6D vom bis einschließlich zum (pro futuro) durch das Kind ***K*** mit einem Ausmaß von 25 Wochenstunden vorgelegt.

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe - Überprüfungsbogen vom , eingelangt beim Finanzamt Österreich am - wurde seitens der Beschwerdeführerin ein Semesterzeugnis des Bundesrealgymnasiums für Berufstätige ***Ort*** vom vorgelegt, wonach im Semester 09/2019 bis 02/2020 Gegenstände im Ausmaß von 10 Wochenstunden (von insgesamt 25 Wochenstunden) nicht beurteilt wurden.

B) Mit internem Arbeitsauftrag vom hat das Finanzamt mit dem Hinweis, dass die erforderliche Anzahl an Wochenstunden nicht erreicht wurde, das Verfahren zur Rückforderung von Familienbeihilfe eingeleitet.

Schließlich wurden mit dem angefochtenen Bescheid vom für das Kind ***K***, VNR ***V***, folgende von der Beschwerdeführerin bezogene Beträge rückgefordert:

an Familienbeihilfe 990,60 Euro für den Zeitraum September 2019 bis Februar 2020 sowie

an Kinderabsetzbeträgen 350,40 Euro für den Zeitraum September 2019 bis Februar 2020.

Somit ergibt sich ein Rückforderungsbetrag gesamt in Höhe von 1.341,00 Euro, welcher gemäß § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - für den Kinderabsetzbetrag vermittelt über § 33 Abs. 3 EStG 1988 - rückgefordert wurde.

C) Am (nach allen Grundsätzen der Auslegung ist anstelle der offenkundig versehentlich zu Papier gebrachten Jahreszahl 2020 die Jahreszahl 2022 zu lesen), sohin fristgerecht, hat die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid erhoben.

"Grundsätzlich wird auf die bereits übermittelten Schreiben verwiesen. Es wurden die entsprechenden Nachweise wie gefordert überwiesen. Für ***K*** wurden die Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnisse entsprechend vorgelegt. Aufgrund dieser Schreiben wurde bereits entschieden, dass die Familienbeihilfe entsprechend gewährt wird, bzw. ab Februar 2021, trotz Besuchs des BRG für Berufstätige, jedoch aufgrund zu geringer Wochenstunden nicht mehr gewährt wird.

In Ihrem Schreiben wird in einem standardisierten Schreiben, ohne einer entsprechenden nachvollziehbaren Begründung für den bereits entschiedenen Zeitraum eine Forderung gestellt, demgemäß wird die Abgabe einer Stellungnahme bei Vorliegen entsprechender Ausführungen noch nachgereicht. Bei einem Anruf am konnte keine entsprechende Auskunft erteilt werden. Bei einem Rückruf am wurde auf das Schreiben verwiesen bzw. ausgesagt, eine Stellungnahme einbringen zu können." Weitere Ausführungen betreffen das andere Kind der Beschwerdeführerin.

Am wurde der Beschwerdeführerin seitens des Finanzamtes Österreich gemäß § 85 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung - BAO der Auftrag erteilt, den Mangel in Gestalt eines Formgebrechens des Fehlens einer Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 leg. cit. (anhand desselben Schreibens) bis zum nachzureichen und dadurch die angeführten Mängel zu beheben. Diesem Auftrag wurde spätestens am und somit jedenfalls rechtzeitig entsprochen. Allfällige weitere Mängel wurden vom Finanzamt nicht aufgegriffen, weshalb die Beschwerde als ursprünglich richtig eingebracht zu behandeln war.

D) Gleichzeitig mit der Nachreichung übermittelte die Beschwerdeführerin auch unaufgefordert eine Anlage folgenden Inhalts, welche vom Gericht - angesichts der Wertung des Schreibens vom als Beschwerde im Sinne des § 250 BAO durch das Finanzamt - als deren Ergänzung angesehen wird:

"Wie bereits ausgeführt darf unter Hinweis auf die bereits erfolgten Einbringen und Erledigungen, sowie die zeiträumigen Zu- und Aberkennungen der Familienbeihilfe, sowie die gegenständliche nachträgliche Aberkennung der Familienbeihilfe darauf hingewiesen werden, dass eine ausführliche Begründung und Ermittlung erfolgen muss, um die Entscheidung nachzuvollziehen. Insbesondere muss eine nachträgliche Aberkennung einer bereits ergangenen und zuerkannten Familienbeihilfe dieser Prüfung mit Begründung zugeführt werden. Jedenfalls muss bei der nachträglichen Aberkennung angeführt werden worin die Tatsachen gesehen werden mit denen eine nicht ernsthaft und zielstrebige Ausbildung begründet wird."

Soweit mit diesem Vorbringen das Fehlen einer Begründung moniert wird, war im Rahmen des § 250 BAO anzunehmen, dass ein Antrag auf ersatzlose Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge einer Verletzung von Verfahrensvorschriften gestellt worden ist.

E) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte hierzu Folgendes aus:

"Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.

Wie bereits oben angeführt kommt es zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienerfolg an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Von der Bindung der vollen Arbeitskraft kann wohl nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Besuch des Unterrichts, die Vor- und Nacharbeiten und die Prüfungsteilnahme ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nimmt, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitdienstverhältnisses entspricht. Von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung kann ab einem Ausmaß von 20 positiv absolvierten Wochenstunden ausgegangen werden.

Laut vorgelegtem Zeugnis des BRG ***Ort*** vom hat ***K*** im Schuljahr 2019/20 15 positive Wochenstunden absolviert. Aufgrund der nur 15 positiv beurteilten Wochenstunden kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bildungsmaßnahme ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde bzw. die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen hat. Somit kann für ***K*** von 09/2019 - 02/2020 keine Familienbeihilfe gewährt werden."

F) Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtete sich eine von der Beschwerdeführerin erhobene Eingabe, welche als Beschwerde bezeichnet worden und als Vorlageantrag zu werten war. Darin führte sie Folgendes aus:

"Grundsätzlich wird auf die bereits übermittelten Schreiben verwiesen. Seitens der jeweiligen Sachbearbeiter sollte nicht nur das zuletzt eingebrachte Schriftstück, sondern der gesamte Akt einer Prüfung und Bearbeitung zugeführt werden.

Eine unzureichende Bearbeitung ist bereits daraus ersichtlich, dass zuletzt eine Familienbeihilfe gewährt wurde, obwohl mehrmals mitgeteilt wurde, dass eine Arbeitstätigkeit meines Sohnes aufgenommen wurde. Für den Zeitraum des Lehrverhältnisses wird jedenfalls die Gewährung einer Familienbeihilfe beantragt.

In dem Schreiben vom wird für einen Zeitraum, für den bereits Familienbeihilfe gewährt wurde (Schulbesuchsbestätigungen wurden jeweils übermittelt) im Nachhinein diese aberkannt. Bereits im Schriftstück zur Eingabe vom Februar 2022 (Mängelbehebung) wurde darauf hingewiesen, dass die nachträgliche Aberkennung für diesen Zeitraum einer entsprechenden Würdigung zuzuführen ist. Es wurde für den angesprochenen Zeitraum die entsprechende Schulbesuchsbestätigung vorgelegt. Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe. Es folgt eine wörtliche Wiedergabe der zitierten gesetzlichen Bestimmung. Es wird um entsprechende Bearbeitung gebeten. Allenfalls sollte eine entsprechende Aufstellung der zeitlichen Abläufe erstellt werden. Gerne werden gewünschte Abklärungen durchgeführt."

Am wurde der Beschwerdeführerin seitens des Finanzamtes Österreich gemäß § 85 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung - BAO der Auftrag erteilt, den Mangel in Gestalt eines Formgebrechens, nämlich des Fehlens einer Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 leg. cit. (anhand desselben Schreibens) bis zum nachzureichen und dadurch die angeführten Mängel zu beheben. Diesem Auftrag wurde spätestens am und somit rechtzeitig entsprochen. Allfällige weitere Mängel wurden vom Finanzamt nicht aufgegriffen, weshalb die Beschwerde als ursprünglich richtig eingebracht zu behandeln war. Vorlageanträge brauchen nicht begründet zu werden und erfüllt vorliegend das Schriftstück der unvertretenen Beschwerdeführerin die an dieses Instrument gestellten Voraussetzungen. Das erneute implizite Begehren, die nachträgliche Aberkennung einer Würdigung zuzuführen, wird als Antrag auf Entscheidung durch das Verwaltungsgericht gewertet.

G) Am wurde schließlich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht, mit dem Antrag, diese abzuweisen, vorgelegt. Ein Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie ein Sozialversicherungsauszug wurden vom Finanzamt nicht vorgelegt. Das Bundesfinanzgericht hat daher von Amts wegen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 f des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 bei der Beschwerdeführerin überprüft und erachtet auf den Beschwerdezeitraum (=Rückforderungszeitraum) bezogen ein Vorliegen bei ihr für gegeben. Die Mutter des anspruchsvermittelnden Kindes ist zugleich Adressatin des Rückforderungsbescheides vom und daher als zur Erhebung einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid aktiv legitimiert anzusehen.

H) Mit Ersuchen um Auskunft vom wurde das Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasium für Berufstätige (im Folgenden kurz: "BG/BRG für Berufstätige") ersucht, dem Gericht mitzuteilen, welche Bedeutung dem Ausdruck "Nicht beurteilt" im Semesterzeugnis einer Studierenden / eines Studierenden beizulegen ist und welche (objektiv nachvollziehbaren) Gründe jeweils zu diesem Ergebnis führen.

Per E-Mail vom antwortete hierauf der Administrator des BG/BRG für Berufstätige folgendermaßen:

"Lehrpersonen beurteilen die Leistungen einer/s Studierenden in einem Modul unter Zugrundelegung aller im betreffenden Modul erbrachten Leistungen. Ein "nicht beurteilt" am Semesterzeugnis bedeutet, dass die Lehrperson keine sichere Leistungsbeurteilung treffen kann."

I) In Ergänzung des Finanzamtsaktes wurden vom Verwaltungsgericht am noch die Schulzeugnisse des Kindes der Beschwerdeführerin vom sowie vom sowie eine Schulbesuchsbestätigung vom eingeholt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist die Rückforderung der Familienbeihilfe für das Kind ***K***, geb. **.09.2000, für den Zeitraum 09.2019 bis 02.2020 von der Beschwerdeführerin strittig.

An die Beschwerdeführerin wurden im Zeitraum September 2019 bis Februar 2020 Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von 1.341,00 Euro für ihren Sohn ***K*** ausbezahlt.

Das anspruchsvermittelnde Kind war im ersten hier zu beurteilenden Monat bereits volljährig.

Es hat von Wintersemester 2018/2019 bis Sommersemester 2021/2022 am Bundesrealgymnasium für Berufstätige ***Ort*** studiert und sich mit von dieser Schule abgemeldet.

Im Zeitraum vom bis zum wurde die Schule mit einem Ausmaß von 25 Wochenstunden besucht. Die Familienbeihilfe wurde daher gewährt.

Im Wintersemester des Schuljahres 2019/20 wurden vier Gegenstände im Ausmaß von 10 Wochenstunden nicht beurteilt, sechs Gegenstände im Ausmaß von 15 Wochenstunden wurden positiv beurteilt. Insgesamt sind lehrplanmäßig im sechsten Semester 10 Gegenstände im Ausmaß von 25 Wochenstunden zu absolvieren.

Beim Wintersemester des Schuljahres 2019/20 handelt es sich um den Zeitraum September 2019 bis Februar 2020.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch:

Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Akt;

Einholung einer Auskunft der Schule, um die Bedeutung eines "nicht beurteilt" zu präzisieren;

Einholung zweier weiterer Schulzeugnisse über dem Beschwerdezeitraum (=Rückforderungszeitraum) unmittelbar vorgelagerte Zeiträume.

Die aufgenommenen Beweise wurden dahingehend gewürdigt, dass sich der festgestellte Sachverhalt zweifels- und widerspruchsfrei aus der Schulbesuchsbestätigung vom , vorgelegt mit dem Arbeitsbogen zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe, welcher von Amts wegen versendet und am eingelangt ist, sowie aus dem Semesterzeugnis vom , vorgelegt mit dem Arbeitsbogen zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe, welcher von Amts wegen versendet und am eingelangt ist, ergibt.

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe der Beschwerde)

Vorliegend kann ein Anspruch auf Familienbeihilfe nur auf den Anspruchsgrund des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG gegründet werden.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden (Abs. 2 leg. cit.).

Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat (Abs. 3 leg. cit.).

Die Oberbehörde ist ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes das zuständige Finanzamt anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre (Abs. 4 leg. cit.).

A) Nach ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Zur Berufsausbildung gehört zweifellos auch die allgemein bildende Schulausbildung ( unter Verweis auf Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, zu § 2, Seite 6, und die Folgejudikatur).

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des im § 2 Abs. 1 lit b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (vgl. die mit -die belangte Behörde in dieser Aussage bestätigende- sowie mit -sich diese Rechtsanschauung zueignende- begründete Judikatur).

Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (, , 2009/15/0089, , 2011/16/0077 sowie , Ra 2018/16/0203). Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. etwa unter Verweis auf die Vorjudikatur; vgl. explizit zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG im Fall der Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung auch sowie für den Fall des Besuches einer Maturaschule ; letzteres Erkenntnis zit. in Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 2 Rz 39).

Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es allerdings nicht nur auf dieses (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang oder Ausbildungserfolg an. Maßgeblich ist schließlich auch, dass der erforderliche zeitliche Einsatz in die Berufsausbildung, der - soll eine Berufsausbildung vorliegen - so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (vgl. ebd, § 2 Rz 35 mwN; unter Hinweis auf ). Mit anderen Worten weist eine anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf, sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang sind zu prüfen ( in Anlehnung an die zit. Literatur: ebd, § 2 Rz 36). Wie gezeigt werden wird, bleiben beide Elemente freilich aufeinander bezogen.

So ersichtlich, hat der Verwaltungsgerichtshof, ohne ein fixes Ausmaß an Wochenstunden als für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG ausreichend oder erforderlich zu nennen, in allgemeiner Weise entschieden, dass einer im Einzelfall vom Finanzamt errechneten Belastung durch den reinen Besuch von Lehrveranstaltungen (im Ausgangsfall waren dies aufgerundet 20 Stunden je Woche) jeweils eine Lern- und Vorbereitungszeit für die Beurteilungen der Lehrveranstaltungen sowie im Ausgangsfall für die Abschlussprüfung des Lehrganges hinzuzurechnen sein wird, um zu einem bestimmten "Gesamtausmaß" an Wochenstunden zu gelangen. Erst über dieses ist unter dem Gesichtspunkt seines Ausreichens für die Annahme einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG zu befinden (). In der Literatur wird unter Bezugnahme auf BFG-Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass bei Schulen für Berufstätige ein wöchentlicher Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben, also insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden erforderlich ist, um von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG sprechen zu können (vgl. Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 2 Rz 40; die Autoren gewinnen dabei einen wöchentlichen Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden aus einem Vergleich zum Besuch einer AHS und BHS).

Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn annehmen zu können. Hierzu gehört neben dem laufenden Besuch von Unterrichts- oder Lehrveranstaltungen (, unter Hinweis auf die Vorjudikatur) regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation, des Ausbildungserfolges (ebd, § 2 Rz 35; dieser Formulierung aus der Literatur liegt erkennbar die von der Rechtsprechung aufgestellte Anforderung zugrunde, dass das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg hinzutreten muss, welches nach außen erkennbar sein muss und sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen zu manifestieren hat; vgl. , , 2000/14/0093, sowie , Ro 2015/16/0033).

In dem zugrundeliegenden Ausgangsfall hätte das Finanzamt daher Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Schüler im Wesentlichen zu den von ihm zu erwartenden Prüfungen angetreten ist (gemeint waren damit "Zulassungsprüfungen" aufgrund des Besuches einer privaten Maturaschule zur Vorbereitung auf die Reifeprüfung, wogegen Zeugnisse über "reguläre" Prüfungen zur Beurteilung von Lehrveranstaltungen eines Gymnasiums und eines Bundesrealgymnasiums für Berufstätige vorgelegt worden waren).

Unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Berufsausbildung bleibt es daher im Ergebnis bedeutsam, Prüfungen abzulegen (vgl. z. B. schon , sowie , 90/14/0108), wobei nach der oben referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein reines Abstellen auf das Gelingen einer erfolgreichen Ablegung der Prüfungen nicht zulässig ist.

B) Aus dieser Rechtsprechung ist zunächst abzuleiten, dass negative Beurteilungen bei Prüfungsantritten nicht zwingend gegen das Vorliegen einer Berufsausbildung sprechen. Bleibt ein Fach dagegen unbeurteilt, bedeutet dies nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der Schuladministration nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass mangels ausreichender Anwesenheit im Unterricht und bei Prüfungen das Erreichen der (zwischenzeitlichen) Bildungsziele und somit auch die jeweils erworbene Qualifikation nicht festgestellt, weil gar nicht überprüft werden können. Mit anderen Worten kann keine "sichere Leistungsbeurteilung" getroffen werden.

Betrachtet man somit den Umstand, dass eine fachliche Leistung nicht beurteilt werden konnte, weil eine Teilnahme an der Lehrveranstaltung nicht im hierfür ausreichenden Maße gegeben war oder aber ein Prüfungsantritt in einem Gegenstand nicht erfolgte, für sich alleine, so ermöglicht dies noch keine Wertung im Sinne der Bestimmungen und Ziele des FLAG. Denn bleibt ein Gegenstand unbeurteilt, so ist dies nur die zunächst neutral zu sehende Folge fehlender Beurteilungssicherheit.

Wohl aber kann, falls ein Kind an einzelnen Gegenständen nicht oder nicht in ausreichendem Maße teilnimmt oder nicht zu Prüfungen aus diesen Gegenständen antritt, im Hinblick darauf nur dann vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG gesprochen werden, wenn im Lichte aller Umstände des Falles objektiv und subjektiv "ansonsten" jene Verhaltensweisen gegeben sind, mit denen das anspruchsvermittelnde Kind sogar angesichts dessen eine dem Vorliegen einer Berufsausbildung entsprechende Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit an den Tag legt, sodass eine derartige Wertung insgesamt nicht dadurch verunmöglicht wird, dass einzelne Gegenstände nicht beurteilt werden konnten.

Sofern diese Verhaltensweisen sowohl qualitativ gewichtiger sind als auch quantitativ überwiegen, erlauben sie somit "gebündelt" die Feststellung, dass der Schüler im Wesentlichen zu den von ihm zu erwartenden Prüfungen angetreten ist (), sodass seine Leistung für Zwecke der Familienbeihilfe beurteilt werden kann. Andernfalls wäre es nach Ansicht des Gerichtes unbedingt erforderlich, auch die subjektiven Gründe für die objektiv unzureichende Anwesenheit mit ins Kalkül zu ziehen. Derartige Angaben liegen allerdings nicht vor und brauchten aus nachstehenden Gründen auch nicht mehr eingeholt zu werden:

C) Es steht nach dem Inhalt des elektronischen Familienbeihilfeaktes fest, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin im Wintersemester 2019/20 an der Schule für Berufstätige angemeldet hat. Das Finanzamt hat der Beschwerdeführerin offenbar auf Grund dieser Anmeldung auch die Familienbeihilfe ab April 2018 wieder gewährt.

Über den der gerichtlichen Beurteilung unterliegenden Zeitraum vom bis einschließlich zum - welcher dem Wintersemester 2018/20 entspricht - wurde am jenes Semesterzeugnis ausgestellt, welches für eine Beurteilung der Studienleistung im Sinne eines hier interessierenden ernsthaften und zielstrebigen Betreibens den Ausschlag gegeben hat. Aus diesem Zeugnis ergibt sich nunmehr, dass von den zehn zur Beurteilung angestandenen Gegenständen vier nicht beurteilt werden konnten. In zeitlicher Hinsicht konnten 10 Wochenstunden von insgesamt zu beurteilenden 25 Wochenstunden nicht beurteilt werden.

In wurde hingegen ausschließlich auf die Gegenstände abgestellt und - insofern folgerichtig - festgestellt, dass "im Allgemeinen davon auszugehen ist", dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat, wenn bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt wird. Gegenteiliges habe die - dortige - Beschwerdeführerin weder behauptet noch unter Beweis gestellt.

Der gegenständliche Fall ist allerdings anders gelagert: Hier konnten im Wintersemester mehr Gegenstände - sowohl ihrer Anzahl nach als auch in Wochenstunden gemessen - beurteilt als nicht beurteilt werden.

D) Muss nach der oben zitierten Rechtsprechung "der erforderliche zeitliche Einsatz in die Berufsausbildung so beschaffen sein, dass die ,volle Zeit' des Kindes in Anspruch genommen wird" ( unter Hinweis auf ) oder "ein bestimmter wöchentlicher Zeitaufwand" … "auf Kurse und Vorbereitung auf eine Prüfung" entfallen (laut in etwa 30 Stunden), sind diese Formulierungen nach Ansicht des Gerichtes so zu verstehen, dass es auf eine Beurteilung der Ausbildung nach deren Art und Rahmen a priori vor der konkreten Studienleistung des Kindes ankommt, um die Frage beantworten zu können, ob eine Ausbildung "die volle Zeit des Kindes" in Anspruch nimmt. Auch wird ein Ausbildungserfolg definiert. Dem entsprechend wird bei Vorliegen - u. a. - dieser Voraussetzung als eines formellen Kriteriums die Familienbeihilfe zu Beginn des Monats, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden, auch gewährt (vgl. ). Im konkreten Fall war auf Basis der Schulbesuchsbestätigung des Bundesrealgymnasiums für Berufstätige für das Wintersemester 2019/2020 vom für die das Wintersemester umfassenden Monate die Familienbeihilfe gewährt worden.

Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die konkrete Studienleistung in einer Größenordnungnicht mit der Vorgabe vollzeitlicher Inanspruchnahme übereinstimmt, welche das - wiederum - von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium ernstlichen und zielstrebigen, nach außen erkennbaren Bemühens um diesen Ausbildungserfolg entscheidend in Frage stellt (vgl. in diesem Sinne , sowie , 2003/13/0157), kann jedenfalls nicht mehr davon gesprochen werden, dass das Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG verfolgt wird, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Auch das nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes maßgebliche "Überwiegen" lässt sich jeweils nur davon abgeleitet feststellen, was nach der Rechtsprechung als "volle Zeit" zu gelten hat und wofür in der Rechtsprechung dieser Begriff verwendet wird. Auch in der Literatur wird schließlich betont, dass schulischen sowie kursmäßigen Ausbildungsmaßnahmen gemeinsam sei, dass sie die volle Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehmen müssen (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 2 Rz 39).

E) Betrachtet man nunmehr den Studienverlauf des anspruchsvermittelnden Kindes der Beschwerdeführerin insgesamt, so wird erkennbar, dass diesem über mehrere, den hier familienbeihilferechtlich zu beurteilenden Monaten vorangegangene Zeiträume hinweg immer wieder Gegenstände, d. h. Wochenstunden, nicht oder zu Beginn auch negativ beurteilt worden waren. Letzteres ist im Beschwerdezeitraum anders.

Stets hat der Sohn der Beschwerdeführerin allerdings mehr Wochenstunden - und im Beschwerdezeitraum auch ausschließlich positiv - beurteilt als nicht beurteilt erhalten.

Angesichts dieser sich im Beschwerdezeitraum manifestierenden Entwicklung braucht auch nicht näher darauf eingegangen zu werden, dass zwar nach dem Verständnis eines "nicht beurteilt" dieses keine selbständige Wertung der offenbar nicht ausreichenden Anwesenheit des Kindes für eine Beurteilung und damit auch keine Überprüfung (und Feststellung) des Ausbildungserfolges in einem Fach erlaubt, unter weiteren Umständen allerdings ein solches "nicht beurteilt" für das Gesamtergebnis den Ausschlag geben kann. Ausschließlich eine derartige wertende Einbeziehung würde ein Eingehen auf die jeweiligen Gründe fehlender Anwesenheit erfordern.

Zusammengefasst ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, dass der Besuch eines Abendgymnasiums durch den Sohn der Beschwerdeführerin eine (solche) Berufsausbildung darstellt, welche einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründet, zumal diesem das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg nicht abgesprochen werden konnte. Dieser Besuch hat inklusive der mit diesem in untrennbarem Zusammenhang stehenden weiteren Anforderungen die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch genommen.

F) Gemäß § 10 Abs. 2 leg.cit. wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein Zeitraum bezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides ( unter Hinweis auf die Vorjudikatur). Bei der Beurteilung, ob der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Anspruchszeitraum gegeben ist, ist grundsätzlich eine Ex-ante-Prüfung vorzunehmen (Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 10 Rz 8 mwN). Sodann hat die Prüfung, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen wurde, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu erfolgen. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 entnehmen lässt, der Monat (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 26 Rz 28).

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden (§ 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988). Die Rückforderungstatbestände entsprechen dabei mutatis mutandis den Anspruchstatbeständen (ebd, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 26 Rz 20). Fehlt im Rückforderungszeitraum eine Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienbeihilfe, wurde aber dessen ungeachtet vom Finanzamt Familienbeihilfe ausbezahlt, hat eine Rückforderung zu erfolgen (ebd, § 26 Rz 21).

Zu den wiederholten Einwendungen der Beschwerdeführerin, die Abgabenbehörde habe - vereinfacht gesprochen - Familienbeihilfe zunächst gewährt und sodann wieder aberkannt, ist zunächst auszuführen, dass das FLAG keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe kennt. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. Daraus folgt aber, dass der Erlassung eines - für einen Anspruchszeitraum erstmaligen - Rückforderungsbescheides nicht das Prozesshindernis rechtskräftig entschiedener Sache entgegenstehen kann (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 26 II. Systematik der Auszahlung von FB).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa ).

G) Konkret sollte mittels Rückforderung das Finanzamt vermögensmäßig so gestellt werden, wie es stünde, wäre Familienbeihilfe nicht seiner Ansicht unberechtigt gewährt worden. Dabei wurde eine retrospektive Betrachtung angestellt.

Vorauszuschicken ist in diesem Zusammenhang, dass auch das öffentlich-rechtliche Verfahren prinzipiell und im Kern bereicherungsrechtlichen Regeln folgt, wobei allerdings nicht auf die analoge Anwendung des Bereicherungsrechts des ABGB zurückgegriffen werden muss (vgl. im Hinblick auf deren prinzipielle Zulässigkeit Rummel in Rummel, ABGB3 Vor § 1431 (Stand , rdb.at), Anm 2). Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 26 FLAG Bereicherungsregeln, welche allgemeine, der gesamten Rechtsordnung immanente Grundsätze darstellen (so für §§ 1431 ff VwGH (verst Senat) Slg 6736 A = JBl 1966, 436), speziell für die Zwecke der Familienbeihilfe und innerhalb der Systematik des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 ausdrücklich positiviert und damit abschließend geregelt. Auch aus der Qualifikation der Rückforderung von Familienbeihilfe als Abgabenanspruch ergibt sich letztlich keine hiervon abweichende Beurteilung (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 4 BAO Rz 4 mwN; die hierzu in referierte höchstgerichtliche Rechtsprechung ( unter Hinweis auf die Vorjudikatur) wurde allerdings hinsichtlich Abgabenrückforderungsansprüchen des Abgabepflichtigen entwickelt. Solche Ansprüche sind, soweit sie Forderungen gegenüber dem Abgabengläubiger in Gestalt negativer öffentlichrechtlicher Leistungsansprüche darstellen (so ) "negative Abgabenansprüche". Ob diese Judikaturlinie allerdings ohne Weiteres auf die Rückerstattung staatlicher Leistungen im Zuge der Rückabwicklung des der Leistung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses übertragen werden kann, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben).

Von Relevanz ist allerdings, dass, sollte die Rückforderung von Familienbeihilfe als solche qualifiziert werden, solche "negative Abgabenansprüche" wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf die Bescheiderlassung und die näheren Modalitäten der Geltendmachung der Ansprüche kommt es dabei nicht an.

Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass - nach dieser Ansicht - gegenständlich die Familienbeihilfe im strengen Sinn des § 26 FLAG zu Unrecht hätte bezogen worden sein müssen, um den in der bescheidmäßigen Rückforderung liegenden Widerruf der Gewährung erst zu ermöglichen.

H) Während jedoch die "Inanspruchnahme der vollen Zeit" durch eine Ausbildungsmaßnahme ex-ante als gegeben beurteilt werden konnte, erfolgte die Überprüfung, ob die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorliegen (vgl. zu den näheren Modalitäten des sog. "Überprüfungsverfahrens" Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 26 Rz 22), anhand des Kriteriums qualifizierten Bemühens um einen Ausbildungserfolg im Sinne einer "Inanspruchnahme der überwiegenden Zeit" naturgemäß erst ex-post. Damit erweist sich aber die nachträgliche Überprüfung als nicht darauf gerichtet, ob eine - ihrer Art nach vorgegebene - Anspruchsvoraussetzung (ausschließlich)auf Grund des Schulbesuches des anspruchsvermittelnden Kindes unverändert besteht, sondern vielmehr darauf, ob die Vorgabe vollzeitlicher Inanspruchnahme durch die Studienleistung des Kindes(auch)eingelöst wird.

An dieser Stelle ist zunächst zu bemerken, dass nach ständiger Rechtsprechung sehr wohl beide Kriterien erfüllt sein müssen, um davon sprechen zu können, dass ein volljähriges Kind im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG "für einen Beruf ausgebildet" wird, und die Vorgehensweise des Finanzamtes daher auch dieser Judikatur entspricht.

Allerdings ergeben sich nach Ansicht des erkennenden Gerichtes Konsequenzen für die Anwendung des § 26 FLAG in solchen Fällen: Vor diesem Hintergrund wird die Wortfolge in § 26 Abs. 1 FLAG "Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat .." teleologisch zu reduzieren und dahingehend zu verstehen sein, dass im Rückforderungszeitraum eine Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienbeihilfe fehlen muss (also in der Rückforderung jedenfalls auch der dafür vorausgesetzte Widerruf liegt), um eine Rückforderung auch in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen das Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht als verfolgt angesehen werden konnte, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Jedenfalls kann es nicht darauf ankommen, dass bspw. ".. in derVergangenheit Familienbeihilfe zu Unrechtausbezahlt" worden wäre (so aber Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. (2020), § 26 Rz 5).

Denn im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Geltung Zeitraum bezogener Absprüche ( unter Hinweis auf die Vorjudikatur) können "die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Anspruchszeitraum" allein dadurch keine Änderung erfahren (haben), dass im Nachhinein ein von der Rechtsprechung entwickeltes Überprüfungskriterium auf eine Anspruchsvoraussetzung angewendet wird, welche dadurch aber - als für sich einer Beurteilung a priori zugänglich - nicht wegfällt. Allenfalls hätte somit der Anspruch selbst für diesen Zeitraum nachträglich entfallen können, was gegenständlich ebensowenig der Fall war.

Vielmehr gelten solche Absprüche nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erlassung des (Rückforderungs-)Bescheides, sollte nicht zuvor eine besagte Änderung der Verhältnisse eingetreten sein. Daraus erhellt für den Fall der hier gegebenen Ex-ante Beurteilung, dass allein der Rückforderungsbescheid als solcher kraft selbständiger Rechtsgrundlage, in concreto aber rechtswidrig den Anspruch für den Anspruchszeitraum gleich einem Widerruf formfreier Gewährung entfallen lassen hat.

Der Anspruch auf Familienbeihilfe bestand im Anspruchszeitraum, wie an früherer Stelle schon dargelegt, allerdings zu Recht. Der Rückforderungsbescheid über diesen Zeitraum war daher aufzuheben. Da der Beschwerdeführerin Familienbeihilfe zu gewähren war, stehen ihr im Wege des § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch die Kinderabsetzbeträge für die Monate September 2019 bis einschließlich Februar 2020 zu.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulassung der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist zwar als solche eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat, und ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen.

Da jedoch zu der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Rechtsfrage, was unter einer "Inanspruchnahme der vollen Zeit des Kindes" vor dem Hintergrund einer Anerkennung der Ausbildungsmaßnahme als Berufsausbildung im Sinne des FLAG zu verstehen ist, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt, sich die Auslegung des genannten Begriffes allerdings - und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, wann ein Ausbildungserfolg vor dem Hintergrund der Inanspruchnahme dieser "vollen Zeit" als erreicht oder das Bemühen darum als ernstlich, zielstrebig und nach außen erkennbar gelten kann - als im vorliegenden Fall entscheidend erweist, war die Revision zuzulassen. Hierbei kommt nach Ansicht des erkennenden Gerichtes insbesondere auch der Frage, in welcher Phase des Familienbeihilfeverfahrens welche der genannten, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen Rückforderung nach § 26 FLAG zu prüfen sind, grundsätzliche Bedeutung zu.

Innsbruck, am

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