Aufhebung eines Abweisungsbescheides betreffend eines Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** Ungarn, Steuernummer: ***BF1StNr1***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 zu Recht:
I)
Der Beschwerde wird gem. § 279 BAO Folge gegeben. Der Bescheid der belangten Behörde vom wird - ersatzlos - aufgehoben.
II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) hat am einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2020 bei der belangten Behörde eingereicht. Er hat Werbungskosten für Familienheimfahrten und den Familienbonus Plus für zwei Kinder beantragt.
Der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2020 wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom abgewiesen, da der BF im strittigen Kalenderjahr 2020 in Österreich keine einkommensteuerpflichtigen Einkünfte (hier aus nicht selbständiger Arbeit) bezogen habe.
Mit Schreiben vom hat der BF eine Beschwerde gegen den angeführten Bescheid vom bei der belangten Behörde eingebracht. Im Rahmen der Beschwerde hat der BF eine Optionserklärung zur unbeschränkten Steuerpflicht abgegeben und Unterlagen betreffend eine gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung durch die ungarische Fa. B (Überlasserin) an die österreichische Fa. E (als inländischer Beschäftigungsbetrieb) angeschlossen. In der vorgelegten Überlassungsmeldung wurden auch die Orte der Beschäftigung in Österreich angeführt. Weiters wurden vom BF von der Fa. B ausgestellte Gehaltszettel für die Zeiträume September und Oktober sowie eine Arbeitnehmerinformation der BUAK vorgelegt.
Von der belangten Behörde wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die vom BF angeführten Bezüge seien der Finanzverwaltung nicht gemeldet worden. Die nachgereichten Unterlagen würden daher keinen Nachweis über inländische Einkünfte darstellen.
Mit Schreiben vom wurde vom BF ein Vorlageantrag bei der belangten Behörde eingebracht und die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung mit Option zur unbeschränkten Steuerpflicht urgiert.
Am hat die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und ergänzend ausgeführt, dass eine Abfrage der Sozialversicherungsdaten des BF für das strittige Kalenderjahr 2020 keine Daten über ein Dienstverhältnis ergeben habe.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die belangte Behörde gem. § 269 Abs 2 BAO beauftragt, bei den Firmen B, AdrB, Ungarn, Vertreter in Österreich: R GmbH, AdrR und E, AdrE, Erhebungen hinsichtlich des vom BF erstatteten Vorbringens durchzuführen.
Mit Eingabe der belangten Behörde vom wurde diesbezüglich ein Schreiben der R GmbH übermittelt, worin ausgeführt wird, dass der BF Dienstnehmer der Firma B gewesen sei und von dieser nach Österreich überlassen worden sei. Da der BF in Österreich nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen, sondern mit seinem gesamten Einkommen in Ungarn sozialversicherungspflichtig gewesen sei, hätte er über keine österreichische Sozialversicherungsnummer verfügt und sei somit die Übermittlung eines Jahreslohnzettels mittels Elda nicht möglich gewesen. Die Lohnsteuer, die auf das österreichische Einkommen entfalle, sei vom Dienstgeber einbehalten und an die belangte Behörde abgeführt worden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Der BF war im Jahr 2020 Dienstnehmer der ungarischen Fa. B und wurde von dieser im Beschwerdejahr nach Österreich überlassen, wo er für den inländischen Beschäftigerbetrieb E auf verschiedenen Baustellen in Wien tätig war. Die Fa. B hat die auf die österreichischen Einkünfte des BF entfallende Lohnsteuer einbehalten und an die belangte Behörde abgeführt. Ein Jahreslohnzettel 2020 wurde für den BF nicht übermittelt.
2. Beweiswürdigung
Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich schlüssig aus den von der R GmbH bzw vom BF vorgelegten Unterlagen.
Vor diesem Hintergrund können die oben angeführten Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).
Gem. § 98 Abs 1 Z 4 EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs 3) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die im Inland oder auf österreichischen Schiffen ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist (Z 2) oder aus inländischen öffentlichen Kassen mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden. Eine Erfassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach dieser Ziffer hat zu unterbleiben, wenn die Einkünfte wirtschaftlich bereits nach Z 3 erfasst wurden. Der letzte Satz des § 98 Abs 1 Z 4 EStG 1988 soll eine doppelte steuerliche Anknüpfung in Fällen unterbinden, in denen eine inländische nichtselbständige Arbeitsleistung auch zu einer Einkünfteerfassung als inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb führt. Eine solche wirtschaftliche Doppelbesteuerung würde sonst etwa bei der Arbeitskräftegestellung eintreten, da diese für den Gesteller die beschränkte Steuerpflicht hinsichtlich der gesamten ihm aus dem Gestellungsvertrag zufließenden Vergütung begründet und diese Vergütung auch den Lohnanteil der gestellten Arbeitnehmer umfasst (Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 98 Rz 27).
§ 102 EStG 1988 idgF lautet auszugsweise:
"(1) Zur Einkommensteuer sind zu veranlagen:
…
3. Einkünfte, von denen eine Lohnsteuer nach § 70 Abs. 2 oder eine Abzugssteuer nach § 99 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5 oder 6 zu erheben ist, über Antrag des beschränkt Steuerpflichtigen. Dabei dürfen in den Fällen des § 70 Abs 2 Z 2 Werbungskosten sowie in den Fällen des § 99 Abs 1 Z 1 Betriebsausgaben nicht abgezogen werden, wenn sie ohne Beibringung eines inländischen Besteuerungsnachweises an Personen geleistet wurden, die hiemit der beschränkten Steuerpflicht unterliegen und die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe gegenüber der Republik Österreich ansässig sind. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden.
…
(2) Bei der Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger gilt folgendes:
1. Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4) oder Werbungskosten (§ 16) dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie mit diesen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
2. Sonderausgaben (§ 18) sind abzugsfähig, wenn sie sich auf das Inland beziehen. Der Verlustabzug (§ 18 Abs. 6 und 7) steht nur für Verluste zu, die in inländischen Betriebsstätten entstanden sind, die der Erzielung von Einkünften im Sinne von § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 dienen. Er kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen hat.
3. Die §§ 34, 35, 38, 41 und 105 sind nicht anwendbar.
(3) Die Einkommensteuer ist bei beschränkt Steuerpflichtigen gemäß § 33 Abs 1 mit der Maßgabe zu berechnen, dass dem Einkommen ein Betrag von 8.000 Euro hinzuzurechnen ist. Beim Steuerabzug vom Arbeitslohn angesetzte Absetzbeträge sind zu berücksichtigen."
Gem. § 1 Abs 4 EStG 1988 werden auf Antrag Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder, wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als € 11.000 betragen.
§ 102 EStG 1988 regelt jene Tatbestände, bei deren Erfüllung - amtswegig oder antragsgebunden - eine Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger in der Einkommensteuer durchzuführen ist. Aus dem Wortlaut der Ziffern 1 bis 3 leg cit ist herauszulesen, dass jedenfalls als Voraussetzung einer Veranlagung im entsprechenden Veranlagungszeitraum Einkünfte vorliegen müssen.
Nach § 98 Abs 1 Z 4 EStG 1988 liegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 EStG 1988 unter anderem vor, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist.
Gem. § 39 Abs 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen.
§ 41 EStG 1988 regelt die Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften. Nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt wird.
Im gegenständlichen Fall wurde unter Punkt II.1. festgestellt, dass der BF im Beschwerdejahr 2020 im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat und die darauf entfallende Lohnsteuer von seinem Dienstgeber einbehalten und an die belangte Behörde abgeführt wurde.
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben. Es wird darauf hingewiesen, dass infolge der ersatzlosen Aufhebung des angefochtenen Bescheides der vom BF am gestellte Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2020 unerledigt ist und die belangte Behörde darüber zu entscheiden hat.
Dem Bundesfinanzgericht kommt eine derartige Entscheidungskompetenz nicht zu, weil die Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht die Einkommensteuer 2020 ist, sondern lediglich der Abweisungsbescheid betreffend den Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2020. Die Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts ist gem. § 279 BAO durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Das Bundesfinanzgericht darf daher einen Bescheid, mit dem der Antrag auf Festsetzung einer Abgabe abgewiesen wurde, nicht in ein die Abgabe festsetzendes Erkenntnis umwandeln (Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 11 und die dort angeführte Judikatur).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb gem. § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25a Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 § 102 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 39 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100569.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at