Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.01.2024, RV/6100237/2023

Beweislast des Abgabepflichtigen betreffend die medizinische Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Sonderklasse

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Wegen Nichtabgabe einer Abgabenerklärung und Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestands erfolgte die Arbeitnehmerveranlagung des Beschwerdeführers für 2021 von Amts wegen und wurde die Einkommensteuer 2021 mit Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Österreich (im Folgenden bezeichnet als "belangte Behörde") vom festgesetzt mit 537,00 Euro.

Mit am über das FinanzOnline Portal gegen den vorgenannten Bescheid eingebrachter Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer die Berücksichtigung von Krankheitskosten im Gesamtbetrag von 12.374,13 Euro sowie von Reha-Kosten in Höhe von 486,99 Euro als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und wurden unter dem Titel außergewöhnliche Belastungen Aufwendungen im Betrag von 11.987,89 Euro berücksichtigt, wobei davon ein Selbstbehalt von 7.240,69 Euro in Abzug gebracht wurde. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass von den beantragten Kurkosten eine Haushaltsersparnis in Höhe von 109,83 Euro abzuziehen sei. Zudem seien unter anderem Kosten für die Sonderklasse nur dann absetzbar, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliege. Diese sei durch eine ärztliche Verordnung nachzuweisen. Die beantragten Ausgaben hätten mangels dieser Voraussetzungen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.

Am wurde daraufhin vom Beschwerdeführer über das FinanzOnline Portal ein Vorlageantrag eingebracht und im Rahmen einer Ergänzung desselben vom im Wesentlichen ergänzend vorgebracht, dass die Haushaltsersparnis bereits für sämtliche Spitals- und Reha-Aufenthalte berücksichtigt worden und daher seitens der Finanzbehörde irrtümlich ein zweites Mal für 21 Tage abgezogen worden sei. Weiters legte der Beschwerdeführer ärztliche Bestätigungen betreffend die medizinische Notwendigkeit der jeweils in privaten Einrichtungen durchgeführten Schmerztherapie und Hüftoperation vor. Zudem führte der Beschwerdeführer aus, dass auch die Inanspruchnahme der Sonderklasse in diesem Zusammenhang gerechtfertigt sei, "einerseits aufgrund der vorherrschenden Pandemiezeit zum damaligen Zeitpunkt, ebenso zum besseren Heilungsverlauf war eine verbesserte Ruhezeit vorhanden. Im Klinikum ***Ort1*** ist kein Normal-Klasse-Zimmer vorhanden, dort war nur Sonderklasse möglich."

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wurde von der belangten Behörde im Vorlagebericht ausgeführt, dass alle relevanten Kosten berücksichtigt worden seien und eine Abweisung der Beschwerde beantragt werde.

Auf dahingehende mit erfolgte Nachfrage gab die belangte Behörde an, dass eine Haushaltsersparnis in Höhe von 109,83 Euro doppelt berücksichtigt worden sei und legte die belangte Behörde dem BFG eine Neuberechnung der ihrer Ansicht nach anzuerkennenden Kosten vor. Dabei beantragte die belangte Behörde, der Beschwerde teilweise stattzugeben und Kosten im Gesamtbetrag von 12.097,72 Euro als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anzuerkennen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer begab sich aufgrund von Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenkes nach Inanspruchnahme einer physiotherapeutischen Behandlung im Juli 2021 in privatmedizinische Behandlung und wurde stationär in der Klinik ***Ort1*** aufgenommen. Der vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigung zufolge waren die Schmerzen in den Tagen vor der stationären Aufnahme stark zunehmend, sodass eine Belastung des linken Beines nahezu unmöglich war. Zudem bestand eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung. Aufgrund der ausgeprägten Schmerzsituation war die Lebensqualität des Beschwerdeführers stark beeinträchtigt und war in den öffentlichen Krankenhäusern kein zeitnaher Behandlungs-Termin möglich. Da die in der Klinik ***Ort1*** durchgeführte stationäre Schmerzbehandlung zu keiner anhaltenden Schmerzlinderung führte, musste der vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigung zufolge eine operative Sanierung vorgenommen werden und wurde dem Beschwerdeführer im August 2021 eine Hüft-Totalendoprothese implantiert.

Infolge seiner Hüftoperation war für den Beschwerdeführer im Oktober 2021 ein mehrwöchiger Rehabilitationsaufenthalt erforderlich.

Darüber hinaus musste sich der Beschwerdeführer im Jahr 2021 in zahnärztliche Behandlung begeben und sich mehrere Zahnkronen einsetzen lassen.

Die mit den oben angeführten Behandlungen verbundenen Kosten, die nicht von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wurden und somit zur Gänze vom Beschwerdeführer getragen wurden, beliefen sich auf insgesamt 13.002,33 Euro.

Darin enthalten sind auch Mehrkosten für die Inanspruchnahmen der Sonderklasse in Zusammenhang mit den stationären Aufnahmen des Beschwerdeführers im Juli (Schmerztherapie) und im August 2021 (Hüftoperation) iHv insgesamt 763,40 Euro. Dass triftige medizinische Gründe für eine Behandlung in der Sonderklasse vorgelegen haben bzw dass ohne Behandlung in der Sondergebührenklasse ein ernsthafter gesundheitlicher Nachteil bestanden hätte, wurde vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen und kann folglich nicht festgestellt werden.

Mit den vorgenannten stationären Aufnahmen war für den Beschwerdeführer eine Haushaltsersparnis iHv 52,30 Euro verbunden. Mit dem Rehabilitationsaufenthalt des Beschwerdeführers im Oktober 2021 war für den Beschwerdeführer eine Haushaltsersparnis von 115,06 Euro verbunden.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde im übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die Beweislast dafür, dass Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind, trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl , Rn 24; Ra 2020/13/0057, Rn 16; , Ra 2019/15/0159, mwN). Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich (vgl , mwN).

Der Beschwerdeführer hat zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der in Zusammenhang mit seinen privatmedizinischen Behandlungen erwachsenen Kosten jeweils ärztliche Bestätigungen vorgelegt, die dem Grunde nach die Notwendigkeit der erfolgten Behandlungen belegen. Auch ist die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers insoweit nicht entgegengetreten und hat die Beweiskraft der vorgelegten Bestätigungen nicht in Abrede gestellt.

Zur Frage der medizinischen Notwendigkeit der Sonderklassegebühren hat der Beschwerdeführer demgegenüber keinen Nachweis erbracht, obwohl ihm die belangte Behörde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung mitgeteilt hatte, dass diese Kosten nur bei einer - der Ansicht der belangten Behörde zufolge durch eine ärztliche Verordnung - nachzuweisenden medizinischen Notwendigkeit anerkannt werden könnten. Vielmehr beschränkte sich der Beschwerdeführer im Vorlageantrag darauf, hinsichtlich der Inanspruchnahme der Sonderklasse auf die "Pandemiezeit" und auf die "verbesserte Ruhezeit" zum "besseren Heilungsverlauf" hinzuweisen. Zudem sei im Klinikum ***Ort1*** "kein Normal-Klasse-Zimmer vorhanden". Dabei geht das Vorbringen des Beschwerdeführers jeweils nicht über bloße Behauptungen hinaus und stellte der Beschwerdeführer keine diese Behauptungen stützenden Beweisanträge.

Dass eine medizinische Notwendigkeit der Inanspruchnahme der Sonderklasse, welche nach der oa Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangels Kostenübernahme von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung durch ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten nachzuweisen gewesen wäre, gegeben war, hat der Beschwerdeführer somit trotz der ihn treffenden Beweislast nicht nachgewiesen.

Die Höhe der Haushaltsersparnis entspricht den in der Beschwerde und in der Ergänzung zum Vorlageantrag erfolgten Angaben des Beschwerdeführers, denen zufolge mit den stationären Aufnahmen des Beschwerdeführers im Juli (Schmerztherapie) und im August 2021 (Hüftoperation) - ausgehend von einem Tagsatz von 5,23 Euro - jeweils eine Haushaltsersparnis von 26,15 Euro (in Summe somit 52,30 Euro) verbunden war. Dass mit dem Rehabilitationsaufenthalt des Beschwerdeführers im Oktober 2021 eine Haushaltsersparnis von 115,06 Euro verbunden war, beruht auf den in der Beschwerde erfolgten Angaben des Beschwerdeführers. Die im Rahmen der Ergänzung des Vorlageantrages vom Beschwerdeführer vorgenommene Korrektur dieses Betrages auf 109,83 Euro ist nicht nachvollziehbar, da der vom Beschwerdeführer angegebene Zeitraum (unverändert) 22 Tage umfasst. Weshalb dessen ungeachtet lediglich eine Haushaltsersparnis für 21 Tage anzusetzen sei, legte der Beschwerdeführer nicht dar.

Im Übrigen beruhen die obigen Feststellungen auf den glaubhaften nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widersprochenen Ausführungen des Beschwerdeführers.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2 EStG 1988) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:

"1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
"

Die im vorliegenden Fall strittige Voraussetzung der Zwangsläufigkeit ist gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erfüllt, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung "aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann." Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl , Rn 24; , Ra 2019/13/0027, Rn 11). Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (, mwN).

Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (, Rn 16).

Zu berücksichtigen ist weiters, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Merkmal der Zwangsläufigkeit auch der Höhe nach gegeben sein muss (vgl , mwN). Zwar können im Einzelfall auch höhere Aufwendungen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen (; , 85/14/0149). Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass triftige medizinische Gründe dafür vorliegen, wobei die triftigen medizinischen Gründe in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen müssen, die ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (; , 85/14/0181).

Wie bereits unter Punkt 2. dargelegt wurde, ist zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit in diesem Zusammenhang - wenn nicht ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wird - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich und trägt dabei die Beweislast der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl zB , Rn 24, mwN).

Dass triftige medizinische Gründe für eine Behandlung in der Sonderklasse vorgelegen haben bzw dass ohne Behandlung in der Sondergebührenklasse ein ernsthafter gesundheitlicher Nachteil bestanden hätte, wurde vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall allerdings nicht nachgewiesen (siehe dazu die obigen Ausführungen unter Punkt 2). Vor diesem Hintergrund können nur die über die Haushaltsersparnis und die Sonderklassegebühren hinausgehenden Kosten - somit 12.071,57 Euro - als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wobei ein Selbstbehalt iHv 7.240,69 in Abzug zu bringen ist.

Betreffend die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Einkommensteuer wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen, das einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses bildet.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob triftige medizinische Gründe vorliegen, die auch höhere Aufwendungen des Steuerpflichtigen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen lassen oder nicht, ist eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht berufen ist (vgl , Rn 13). Im Übrigen folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

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Verweise











ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.6100237.2023

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