Aufteilungsverbot bei gemischten Aufwendungen (steigeisenfähige Bergschuhe als Werbungskosten)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Roman Galehr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch E. Igerz & Co WP und Steuerberatungs GmbH, Bergmannstraße 7, 6850 Dornbirn, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz (nunmehr Finanzamt Österreich, Postfach 260, 1000 Wien) vom betreffend Einkommensteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde des Beschwerdeführers gegen Einkommensteuerbescheid 2019 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Aufgrund des in diesem Zuge elektronisch übermittelten Beschwerdeaktes der belangten Behörde, stellt sich der Verfahrensgang für das Bundesfinanzgericht wie folgt dar:
Mit Datum übermittelte der Beschwerdeführer seine Abgabenerklärung für das Jahr 2019 via FON an die belangte Behörde. Darin beantragte er u.a. Werbungskosten in der Höhe von € 449,97 für steigeisenfähige Bergschuhe.
Mit Datum übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter via FON eine berichtigte Einkommensteuererklärung 2019 an die belangte Behörde.
Darin machte er unverändert Ausgaben für steigeisenfähige Bergschuhe samt Innensohle und entsprechender Handschuhe als Werbungskosten gemäß § 16 EStG in der Höhe von € 449,97 geltend.
Die belangte Behörde führte in der Folge die Veranlagung für das Jahr 2019 durch und erließ am den Einkommensteuerbescheid 2019. In der Bescheidbegründung führte sie u.a. aus, dass die aufgelaufenen Kosten für die steigeisenfähigen Bergschuhe gemäß § 20 EStG nicht zum Abzug zugelassen wurden.
Mit Schriftsatz seines steuerlichen Vertreters vom , beantragte der Beschwerdeführer eine Beschwerdefristverlängerung betreffend Einkommensteuerbescheid 2019 bis zum .
In offener Frist brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers die Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 am via FON bei der belangten Behörde ein.
Begründend wurde dabei ausgeführt wie folgt:
"Im Namen und im Auftrage unseres Klienten erheben wir in offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid und stellen den folgenden Antrag:
Die Ausgaben für die Arbeitsschuhe als Flugrettungsarzt (€ 449,97) mögen als Werbungskosten (Arbeitsmittel) berücksichtigt werden.
Begründung:
Der Abgabenpflichtige ist als Flugrettungsarzt beschäftigt und benötigt für die Einsätze im alpinen Gelände einen steigeisenfähigen Bergschuh. Wir verweisen auf die beigefügte Bestätigung."
Dem Beschwerdeschriftsatz beigefügt wurde eine Bestätigung von Dozent Dr. ***1*** welche mit datiert. Darin wird bestätigt, dass es sich bei der Flugrettung Vorarlberg um sog. Alpinstützpunkte handle. Für die im alpinen Gelände zu absolvierenden Einsätze sei es für die Crew unerlässlich, über eine entsprechende alpine Ausrüstung wie geeignete Bergschuhe, Kombigurt inkl. Sicherungsmaterial, sowie der Jahreszeit angepasste Handschuhe zu verfügen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde das Beschwerdebegehren als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung führte sie aus wie folgt:
"Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Gemäß § 16Abs. 1 Z 7 EStG 1988 sind Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung) Werbungskosten.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Soweit sich Aufwendungen für die Lebensführung und Aufwendungen beruflicher Natur nicht einwandfrei trennen lassen (sog. Doppelveranlassung bzw. überlappende Veranlassung), ist entsprechend dem Aufteilungsverbot der gesamte Betrag nicht abzugsfähig."
Mit Datum brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers via FON einen Vorlageantrag gemäß § 264 BAO bei der belangten Behörde ein. Darin beantragte er die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist von Beruf Humanmediziner. Sein Arbeitgeber ist das ***3***. Der Beschwerdeführer ist dort als angestellter Arzt tätig und erzielt hiermit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Jahr 2019 absolvierte der Beschwerdeführer einen Grundkurs zur Ausbildung als Flugrettungsarzt.
In diesem Zusammenhang machte der Beschwerdeführer Werbungskosten in der Höhe von € 449,97 für steigeisenfähige Bergschuhe inklusive entsprechender Innensohlen geltend.
Streit besteht darüber, ob die Ausgaben für die steigeisenfähigen Bergschuhe samt Innensohlen Werbungskosten im Sinne des § 16 EStG 1988 darstellen, oder unter das Abzugsverbot des § 20 EStG 1988 fallen.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen betreffend die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im ***3*** leitet das Bundesfinanzgericht aus einer Abfrage des elektronischen Veranlagungsaktes ab, welcher bei der belangten Behörde geführt wird. Daraus ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Streitjahr als angestellter Arzt im ***3*** tätig war.
Die Feststellungen betreffend die Tätigkeit als Flugrettungsarzt leitet das Bundesfinanzgericht aus der vorliegenden Bestätigung des ***4*** vom ab. Darin wird bestätigt, dass der Beschwerdeführer an einem Training des Air Rescue College teilgenommen hat.
Die Feststellungen in Bezug auf die beantragten Werbungskosten für steigeisenfähige Bergschuhe erschließt sich für das Bundesfinanzgericht aus dem vom Beschwerdeführer übermittelten Kassabeleg der Firma ***5*** vom .
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Der Begriff der Werbungskosten wird in § 16 Abs 1 erster Satz EStG geregelt. Danach sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 16 Abs 1 Z 7 EStG sind Ausgaben für Arbeitsmittel (z.B. Werkzeug oder Berufsbekleidung) Werbungskosten.
§ 20 EStG 1988 regelt nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben.
§ 20 leg cit enthält Bestimmungen, durch die die Sphäre der Einkommenserzielung von der steuerlich unbeachtlichen Sphäre der Einkommensverwendung abgegrenzt werden soll. Aufwendungen (Ausgaben) wird die Abzugsfähigkeit wegen ihres ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen privaten Charakters bzw im Hinblick auf das Zusammentreffen von betrieblicher oder beruflicher Veranlassung mit privater Veranlassung versagt. Ein bloß mittelbarer Zusammenhang genügt, um betriebliche bzw berufliche Veranlassung anzunehmen (vgl hierzu Jakom EStG16, RZ 1 zu § 20).
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
§ 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG enthält als wesentlichste Aussage ein Abzugsverbot gemischt veranlasster Aufwendungen. Es soll vermieden werden, dass Steuerpflichtige auf Grund der Eigenschaft ihres Berufs eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen können.
Bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen, muss ein strenger Maßstab angelegt werden (; (vgl hierzu Jakom, EStG16, RZ 11 zu § 20).
Aus Z 2 lit a leg cit ergibt sich nach der Rechtsprechung überdies ein allgemeines Aufteilungsverbot. Gemischte Aufwendungen, dh Aufwendungen mit einer privaten und einer betrieblichen/beruflichen Veranlassung, sind nicht abzugsfähig (). Dies gilt auch für typischerweise der Lebensführung dienende Wirtschaftsgüter, wenn sie gemischt genutzt werden (dh eine private Mitveranlassung besteht, ). Soweit sich Aufwendungen nicht "einwandfrei" () trennen lassen, ist der gesamte Betrag nicht abzugsfähig (vgl hierzu Jakom, EStG16 RZ 12 zu § 20).
Aufwendungen für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig, auch wenn die Kleidung tatsächlich nur in der Arbeitszeit getragen wird. Steuerliche Berücksichtigung nach § 16 Abs. 1 Z 7 leg. cit. können nur Aufwendungen für typische Berufskleidung finden, also für solche Kleidung, die sich nicht für die Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung eignet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/14/0262, und vom , Zl. 2000/14/0173).
Mit der Begrenzung auf typische Berufskleidung soll der Werbungskostenabzug auf solche Berufskleidung beschränkt werden, bei der offensichtlich ist, dass sie im Wesentlichen nur für die berufliche Verwendung geeignet ist, und damit eine Kollision zur privaten Lebensführung und zur privaten Bekleidung von vornherein ausscheidet.
Zur typischen Berufskleidung werden daher solche Kleidungsstücke zu rechnen sein, die berufstypisch die Funktion entweder einer Schutzkleidung oder einer Art Uniform erfüllen und deshalb bei einer Verwendung im Rahmen der Lebensführung entsprechende Assoziationen zu den Angehörigen einer bestimmten Berufsgruppe auslösen würden ().
Vom Aufteilungsverbot umfasste Aufwendungen für bürgerliche Kleidung (zB Anzüge, Kostüme, Kleider, Jacken, Hemden, Blusen etc) sind auch dann steuerlich nicht abzugsfähig, wenn sie mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen ().
Bei den beantragten Aufwendungen für steigeisenfähige Bergschuhe samt Einlagesohle handelt es sich um eine Art von Schuhen, die neben der beruflichen Verwendung üblicherweise auch im Rahmen der privaten Lebensführung Verwendung finden.
Den obigen Ausführungen des VwGH folgend ist eine steuerliche Berücksichtigung der beantragten Ausgaben im Rahmen der Werbungskosten nur für solche Kleidung möglich, die sich nicht für die Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung eignet.
Die streitgegenständlichen steigeisenfähigen Bergschuhe samt Einlagesohle eignen sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch für eine Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung.
Das Bundesfinanzgericht zu bedenken, dass es im Umkreis von weniger als einer Stunde Autofahrt entfernt vom Wohnsitz des Beschwerdeführers zahlreiche Wanderrouten gibt. Zudem stellt das Wandern ganz allgemein, in Vorarlberg eine beliebte Freizeitbeschäftigung dar.
Letztlich gilt in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen um keine Arbeitsschuhe handelt und somit eine steuerliche Geltendmachung der Ausgaben zu versagen ist.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das vorliegende Erkenntnis ist in Einklang mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 16 und 20 EStG ergangen. Weiters steht es in Einklang mit der einschlägigen und im gegenständlichen Erkenntnis zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Abzugsverbot des § 20 EStG.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100055.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at