Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.01.2024, RV/1100264/2023

Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre bei Vorliegen eines bedingten Vorsatzes.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, zu Handen ***1***,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom hinsichtlich Grunderwerbsteuer 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer merkte in seiner Beschwerde eingangs an, auch wenn er die vorgeschriebene Grunderwerbsteuer i.H.v. € 13.562,50 inzwischen entrichtet habe, verstehe sich dies nicht als Verzicht auf ein Rechtsmittel gegen den Grunderwerbsteuerbescheid. Er bekämpfe den Bescheid aus nachstehenden Gründen:

Besteuert werde der Erwerb eines Superädifikates vom . Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, verjähre gemäß § 207 BAO nach spätestens fünf Jahren, soweit nicht Abgabenhinterziehung vorliege, in welchem Fall die Verjährungsfrist zehn Jahre umfasse. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abgabenfestsetzung sei der Erwerbsvorgang mehr als fünf Jahre zurückgelegen.

Eine Abgabenhinterziehung begehe gemäß § 33 FinStrG, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegung- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirke. Im Finanzstrafverfahren müsse der Vorsatz von der Behörde nachgewiesen werden.

Einziges Argument der Abgabenbehörde hinsichtlich des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung sei der im Bestandvertrag mit der Gemeinde ***2*** vom unter Punkt XIV befindliche Hinweis, dass allenfalls mit dem Erwerb des Wochenendhauses verbundene Abgaben, Steuern und Gebühren vom Bestandnehmer zu tragen seien. Allein daraus leite die Abgabenbehörde ab, dass dem Beschwerdeführer klar gewesen sei, dass Grunderwerbsteuer zu entrichten sei. Diese Annahme treffe aber nicht zu.

Es sei nämlich vorauszuschicken, dass der Beschwerdeführer deutscher Staatsbürger sei, der als ***3*** in der Schweiz lebe und arbeite. Mit der österreichischen Rechtsordnung und ihren abgabenrechtlichen Bestimmungen sei er nicht vertraut. Das dem Streitfall zugrundeliegende Geschäft habe sich in drei Schritten vollzogen. Zuerst habe er mit Kaufvertrag vom 05./ das Superädifikat erworben, mit Erklärung vom habe die Verkäuferin auf ihr Bestandrecht an der Fläche ***2***, ***4***, zum Stichtag verzichtet, schließlich habe er mit Bestandvertrag vom die betreffende Fläche in Bestand genommen. Er sei juristischer Laie und habe die Bedeutung und Sinnhaftigkeit dieser Dreiteilung nicht nachvollziehen können, er habe auch nicht verstanden, was ein Superädifikat sei. Er habe die Urkunden, deren Inhalt im nicht erklärt worden sei, nicht verfasst.

Der Hinweis in Punkt XIV des Bestandvertrages sei viel zu allgemein gefasst, als dass er daraus eine Grunderwerbsteuerpflicht hätte ableiten können. Insgesamt liege daher eine Abgabenhinterziehung nicht vor, der Abgabenfestsetzung stehe die Verjährung entgegen. Er stelle daher den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die bereits entrichtete Zahlung zurückzuerstatten.

Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Abgabenbehörde erläuterte:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 unterlägen der Grunderwerbsteuer Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke bezögen. Aus § 2 Abs. 2 Z. 2 leg cit. gehe hervor, dass Gebäude auf fremdem Grund den Grundstücken gleichzuhalten seien.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO betrage die Verjährungsfrist bei der Grunderwerbsteuer fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen sei, betrage die Verjährungsfrist zehn Jahre. Die Verjährung beginne gemäß § 208 Abs. 1 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld sei bei der Grunderwerbsteuer jener, in dem sich die Vertragsparteien über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis, etwa durch Unterfertigung der Vertragsurkunde, einigten.

Bei der Frage, ob eine Abgabe hinterzogen sei, komme es auf die Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes an. Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG mache sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs-oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirke. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handle vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen wolle, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche; dazu genüge es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich halte und sich mit ihr abfinde (bedingter Vorsatz).

Bedingter Vorsatz liege vor, wenn der Täter die Verwirklichung des Unrechts des Sachverhaltes zwar nicht anstrebe, nicht einmal mit Bestimmtheit mit dem Eintritt des verpönten Erfolges rechne, dies jedoch für möglich halte, somit als naheliegend ansehe und einen solchen Erfolg hinzunehmen gewillt sei bzw. sich damit abfinde. Davon spreche man, wenn der Täter intellektuell erkannt habe, dass ein Verhalten zu einer Steuerverkürzung führen könne und er diesen Erfolg billigend in Kauf nehme (die Abgabenbehörde verwies auf die Fachliteratur sowie auf das Erkenntnis des ).

Für den Hinterziehungsvorsatz gemäß § 33 FinStrG genüge es, wenn der Steuerpflichtige eine grundsätzliche Steuerpflicht ernstlich für möglich halte. Der Vorsatz entfalle nicht deshalb, weil er nicht wisse, welche Rechtsnorm anzuwenden sei.

Die beschriebenen Voraussetzungen seien nach Ansicht des Finanzamtes durch den Hinweis unter Punkt XIV des Pachtvertrages vom erfüllt, in welchem ausdrücklich auf eine mögliche Steuerpflicht hingewiesen werde.

Dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben den Inhalt der von ihm unterschriebenen Urkunden nicht nachvollziehen konnte und ihm diese nicht erklärt wurden, vermöge daran nichts zu ändern. Es sei nämlich nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung Aufgabe eines Abgabepflichtigen, sich bei persönlicher Unkenntnis steuerrechtlicher Verpflichtungen mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen, bei der Behörde nachzufragen, oder einen befugten Parteienvertreter heranzuziehen.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer einen nicht weiter ausgeführten Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein.

Nachgereicht wurde ein Schreiben des steuerlichen Vertreters, in welchem er darauf hinwies, dass seit Einbringung der Beschwerde fast zwei Jahre vergangen wären. Er beantrage mit diesem Schreiben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil er es für die Beurteilung der Frage, ob eine die Verjährungsfrist verlängernde Hinterziehung vorliege, als erforderlich erachte, den sich dem Beschwerdeführer zum relevanten Zeitpunkt (2014) bietenden Kenntnisstand zu ermitteln. Der Beschwerdeführer solle im Sinne der Wahrung des rechtlichen Gehörs und rechtsstaatlicher Prinzipien Gelegenheit haben, zu Wort zu kommen. Dies sei auch Gebot eines fairen Verfahrens.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das BFG legt seiner Entscheidung die nachstehenden Punkte als feststehend zugrunde:

  1. Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger und lebt und arbeitet als ***3*** in der Schweiz.

  2. Er stellte am über Vermittlung durch das ***5*** GmbH in Schriftform ein Kaufangebot an ***6***.

  3. Gegenstand des Kaufangebots war das Superädifikat Ferienhaus ***4*** in ***7*** samt allem faktischen und rechtlichen Zugehör.

  4. Als faktisches Zugehör wurde das im Ferienhaus befindliche Motorboot einschließlich dem Betrieb des Bootes dienlicher Baulichkeiten genannt.

  5. Als rechtliches Zugehör wurde der mit dem Kaufgegenständlichen Superädifikat verbundene Bootsanlegeplatz genannt.

  6. Der angebotene Kaufpreis betrug € 395.000.

  7. Neben weiteren Bestimmungen über Beglaubigungskosten, Vermittlungsprovision, Abwicklung und Zahlung, Gewähr etc. enthielt das Kaufangebot den Passus, dass der Käufer ab lastenfreier Übergabe am Tag des Einlangens des Kaufpreises auf dem Treuhandkonto, alle mit dem Eigentum am Superädifikat verbundenen Steuern, Abgaben, Gebühren und sonstigen Lasten oder Kosten zu tragen habe.

  8. Zudem enthielt das Kaufanbot den Passus, die Käuferseite sei informiert worden, dass dieses Kaufangebot bei Annahme durch die Verkäuferseite als rechtsgültige Basis zur Erstellung eines verbücherungsfähigen Kaufvertrages diene.

  9. Das Kaufangebot vom wurde seitens ***6*** am angenommen.

  10. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Verkäuferin setzten ihre Unterschrift unter das Kaufangebot.

  11. Die Parteien des Geschäftes, nämlich der Beschwerdeführer und Frau ***6***, schlossen am als Treugeber eine Treuhandvereinbarung mit dem ***5*** GmbH als Treuhänder.

  12. Mit dieser Treuhandvereinbarung übernahm das ***5*** GmbH die Abwicklung der Verzichtserklärung für die Überlassung des Pachtrechtes an der Teilfläche ***2***, ***4***, samt damit verbundener Verpflichtungserklärung für die Leistung eines Ablösebetrages.

  13. Der Ablösebetrag für die Überlassung des Pachtrechtes sei mit schuldbefreiender Wirkung an die Treuhänderin zu leisten, welche ihn auf das Konto der ***6*** weiterzuleiten habe.

  14. Die Treuhandvereinbarung enthielt präzisierend 10 Bestimmungen, von denen Pkt. 9. wörtlich lautet: "Die Treugeber bestätigen der ***5*** GmbH, dass die Abwicklung der Treuhandschaft ausschließlich als Zusatzleistung zur Vermittlungstätigkeit des oben bezeichneten Bestandobjektes erfolgen soll. Insbesondere erklären die Treugeber ***6*** und ***8***, dass sie von der ***5*** GmbH darüber informiert wurden und damit einverstanden sind, dass die Beurteilung, Bemessung und Abfuhr der unter Umständen anfallenden Immobilienertragsteuer und Grunderwerbsteuer nicht durch die ***5*** GmbH erfolgen kann. Die Treugeber erklären, dies mit ihren Steuerberatern selbst abzuklären und die ***5*** GmbH vollkommen schad-und klaglos gegenüber allen daraus resultierenden Ansprüchen zu halten".

  15. Beide Treugeber, nämlich der Beschwerdeführer und Frau ***6***, setzten ihre Unterschrift unter die Treuhandvereinbarung.

  16. Im Weiteren wurde ein Bestandvertrag vom zwischen Vertretern der Gemeinde ***2*** und dem Beschwerdeführer geschlossen.

  17. In Bestand gegeben wurde damit durch die Gemeinde ***2*** als Alleineigentümerin der Liegenschaft ***13***, ***9***, ***10***, an den Beschwerdeführer als Bestandnehmer jener Grundanteil der Liegenschaft, auf welchem sich aufgrund anderweitiger vertraglicher Vereinbarung das als Superädifikat errichtete Wochenendhaus ***11*** befindet.

  18. Unter Punkt XIV "Kosten und Gebühren" wird wörtlich festgehalten: "Die mit der Errichtung dieses Vertrages verbundenen Abgaben, Steuern und Gebühren trägt ausschließlich der Bestandnehmer. Allenfalls mit dem Erwerb eines Wochenendhauses durch den Bestandnehmer verbundene Abgaben, Steuern und Gebühren sind ausschließlich von diesem nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften zu entrichten".

  19. Der Bestandvertrag trägt die Unterschriften zweier Gemeindevertreter für die Bestandgeberin sowie des Beschwerdeführers als Bestandnehmer.

  20. Die für den Erwerb des Superädifikates anfallende Grunderwerbsteuer wurde weder durch einen Notar oder Rechtsanwalt selbstberechnet, noch wurde der Erwerb beim Finanzamt zur Anzeige gebracht.

  21. Im Zuge einer umfangreichen Überprüfung der Rechtsverhältnisse der Ferienanlage ***13*** erlangte das Finanzamt Kenntnis von dem Erwerb und verlangte mit Schreiben vom die relevanten Unterlagen beim Beschwerdeführer ab.

  22. In der Folge kam es zur bescheidmäßigen Festsetzung der Grunderwerbsteuer, gegen welche die streitgegenständliche Beschwerde eingelegt wurde.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt, etwa das Kaufanbot, unterzeichnet am und ; die Treuhandvereinbarung, unterzeichnet am und den Bestandvertrag unterzeichnet am sowie die Ausführungen der Abgabenbehörde in der Stellungnahme zum Vorlagebericht.

2. Gesetzliche Grundlagen und rechtlich Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die (zum Teil) bereits im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung zitierten gesetzlichen Grundlagen werden wie nachstehend zusammengefasst:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbsteuer die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

1. Ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, …

Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 GrEStG 1987 stehen Gebäude auf fremdem Boden Grundstücken gleich.

Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG 1987 sind Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, bis zum 15. des auf den Kalendermonat, in dem die Steuerschuld entstanden ist, zweitfolgenden Monats beim Finanzamt Österreich mit einer Abgabenerklärung anzuzeigen; … Gemäß Abs. 1, letzter Satz leg. cit. entfallen diese Verpflichtungen insgesamt bei Erwerbsvorgängen, für die gemäß § 11 eine Selbstberechnung der Steuer erfolgt.

Gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG 1987 sind Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärungen (§ 10) erfolgt.

Gemäß § 12 GrEStG 1987 sind Parteienvertreter befugt, gegenüber dem Grundbuchsgericht je Erwerbsvorgang elektronisch zu erklären, dass eine Selbstberechnung gemäß § 11 vorgenommen worden ist und die Grunderwerbsteuer sowie die Eintragungsgebühr nach dem Gerichtsgebührengesetz … gemäß § 13 abgeführt werden.

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe aufgrund eines erfüllten Entstehungstatbestandes festzusetzen, der Verjährung (Bemessungsverjährung).

Die Frist der Bemessungsverjährung beträgt bei der Grunderwerbsteuer fünf Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO).

Gemäß § 33 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegung-oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wie einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Strittig ist: Beträgt die Verjährungsfrist im Streitfall zehn Jahre, weil dem Beschwerdeführer zumindest bedingter Vorsatz anzulasten ist?

Die Verpflichtung zur Vorlage einer Abgabenerklärung im Sinne des § 10 GrEStG 1987 besteht grundsätzlich für jeden Erwerbsvorgang, also für jede Verwirklichung eines im Grunderwerbsteuergesetz normierten Haupt- oder Ersatztatbestandes. Die eingebrachte Abgabenerklärung soll die Behörde so vollständig über den Erwerbsvorgang informieren, dass aufgrund derselben die dem tatsächlichen Vorgang entsprechende Steuer erhoben werden kann. Nach dem letzten Satz des § 10 Abs. 1 GrEStG 1987 entfallen die Verpflichtungen zur Vorlage einer Abgabenerklärung insgesamt bei Erwerbsvorgängen, für die gemäß § 11 GrEStG 1987 eine Selbstberechnung der Steuer erfolgt (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Bd. II, Grunderwerbsteuer11, § 10 Rz 6).

Mit der Einführung einer Selbstberechnung für die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Abgaben, die im Wesentlichen an vergleichbare Tatbestände anknüpfen (Erwerb von Grundstücken, Baurechten und Bauwerken), in vereinfachter Form an eine "zentrale Stelle" zu entrichten. Eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer und der Eintragungsgebühr soll in jenen Fällen ermöglicht werden, in denen sich der Steuerpflichtige zur Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten eines Notars oder eines Rechtsanwaltes bedient. Die Selbstberechnung ist nicht zwingend vorgeschrieben, sondern wahlweise möglich. Wird die Selbstberechnung gewählt, so muss sie sowohl die Grunderwerbsteuer als auch die Eintragungsgebühren umfassen. Ein wesentlicher Bestandteil des Selbstberechnungsmodells ist die sogenannte Selbstberechnungserklärung. Diese ersetzt die Unbedenklichkeitsbescheinigung (Fellner aaO, § 11 Rz 1).

Nach § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Für den Bereich der Grunderwerbsteuer sind in diesem Zusammenhang die Vorschriften des § 10 Abs. 1 GrEStG 1987 über die Vorlage einer Abgabenerklärung und des § 13 über die Vorlage von Anmeldungen im Falle der Selbstberechnung der Steuer maßgeblich. Es liegt im Wesen einer Steuererklärung, dass der Abgabepflichtige gegenüber der Abgabenbehörde von sich aus die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände offenlegt (Fellner aaO, § 10 Rz 2 mit Hinweis auf ).

Die Frage, ob eine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO vorliegt, ist im Abgabenverfahren zu beurteilen. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen, ohne dass es eines förmlichen Strafverfahrens bedarf. Es ist auch gleichgültig, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht. Eines diesbezüglichen rechtskräftigen Schuldspruches im Finanzstrafverfahren bedarf es also nicht.

Es ist dabei in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert. Eine Abgabenhinterziehung kann erst dann als erwiesen gelten, wenn auch Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Dabei genügt es, dass sich der Täter mit der ernstlich für möglich gehaltenen Abgabenverkürzung abfindet (bedingter Vorsatz).

Vorsätzliches Handeln beruht dabei zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (Fellner aaO, § 1 Rz 46).

Für den Streitfall ergibt sich aus all dem: Der Beschwerdeführer, der über ein Universitätsstudium verfügt und den verantwortungsvollen Beruf eines ***12*** ausübt, hat im Zuge des streitgegenständlichen Superädifikat-Erwerbes, drei Mal seine Unterschrift unter auf seinen Erwerb bezogene, rechtsbegründende Vereinbarungen gesetzt, die auf die damit verbundenen steuerlichen Begleiterscheinungen hinweisen (nicht zutreffend ist insofern das Vorbringen in der Beschwerde, wonach einzig im Bestandvertrag vom ein Hinweis auf vom Bestandnehmer zu tragende Steuern enthalten gewesen sei):

1. Kaufangebot, : "… ab diesem Zeitpunkt hat der Käufer auch alle mit dem Eigentum am Superädifikat verbundenen Steuern, Abgaben, Gebühren und sonstigen Lasten oder Kosten zu tragen …"

2. Treuhandvereinbarung , Pkt. 9: Bestätigung des Beschwerdeführers und der Verkäuferin, wonach sie erklären, die Bemessung und Abfuhr von Immobilienertragsteuer und Grunderwerbsteuer selbst mit ihren Steuerberatern abzuklären zu wollen.

3. Bestandvertrag , Pkt. XIV, 14.2: "… Allenfalls mit dem Erwerb eines Wochenendhauses durch den Bestandnehmer verbundene Abgaben, Steuern und Gebühren sind ausschließlich von diesem nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften zu entrichten …" (siehe auch oben, Sachverhalt).

Dennoch hat der Beschwerdeführer die gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 für den Erwerb des Superädifikates im Jahr 2014 entstandene Steuerschuld weder im Wege einer Abgabenerklärung (§ 10 Abs. 1 GrEStG 1987), noch durch einen zur Selbstberechnung bevollmächtigten berufsmäßigen Parteienvertreter (§ 11 Abs. 1 GrEStG 1987) gegenüber dem Finanzamt offengelegt.

Wenn bei dieser Sachlage die Abgabenbehörde vom Vorliegen der mildesten Form eines Vorsatzes - der Untergrenze des Vorsatzes - nämlich dem bedingten Vorsatz (dolus eventualis "die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden") ausgeht, ohne dem Beschwerdeführer Absichtlichkeit (dolus directus) oder Wissentlichkeit (dolus principalis) zur Last zu legen, kann ihr nicht mit der Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden.

Es darf bei einer dem Bildungs- und Berufskreis des Beschwerdeführers angehörenden Person vorausgesetzt werden, dass sie nicht unreflektiert rechtsverbindliche Vertragsausfertigungen unterschreibt bzw., dass sie sich bei eigener Unkenntnis steuerrechtlicher Verpflichtungen mit den einschlägigen Vorschriften vertraut macht und im Zweifel bei der Behörde nachfragt oder sich bei einem berufsmäßigen Parteienvertreter erkundigt (vgl. dazu die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung sowie : "… Will der Abgabepflichtige diese Aufgabe nicht selbst wahrnehmen, oder ist er dazu, etwa aufgrund fehlender Sachkenntnisse oder beruflicher Beanspruchung, nicht imstande, kann er die Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten auch anderen Personen anvertrauen. Dies befreit ihn jedoch nicht von jedweder finanzstrafrechtlichen Verantwortung. Der Abgabepflichtige ist nämlich angehalten, bei der Auswahl dieser Personen sorgsam vorzugehen und sie auch entsprechend zu beaufsichtigen".

Zur Einhaltung einer solchen Verhaltensweise wäre der Beschwerdeführer zweifellos intellektuell befähigt gewesen und hat er, indem er den von ihm mehrfach unterschriebenen Hinweisen auf mit seinem Immobiliengeschäft verbundene Steuerpflichten nicht nachgegangen ist, die laut höchstgerichtlicher Judikatur objektiv gebotene, pflichtgemäße Sorgfalt verletzt ().

Das Beschwerdevorbringen, wonach er als deutscher Staatsbürger, welcher in der Schweiz lebe, mit der österreichischen Rechtsordnung nicht vertraut sei, geht daher ins Leere. Im Übrigen gibt es auch in Deutschland (www.finanztipp.de) und in der Schweiz (www.rsm.global/switzerland, "Handänderungssteuer") Grunderwerbsteuern.

Der Beschwerdeführer musste es - angesichts der beschriebenen Sachlage - ernstlich für möglich halten, eine Grunderwerbsteuerverkürzung herbeizuführen, indem er seiner Offenlegungspflicht weder durch Einreichung einer Abgabenerklärung beim Finanzamt gem. § 10 GrEStG 1987 noch durch Selbstberechnung gem. § 11 GrEStG 1987 seitens eines bevollmächtigten Parteienvertreters nachkam.

Schon dieser "bedingte Vorsatz" genügt aber, um die Verjährungsfrist auf zehn Jahre zu verlängern.

Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Grunderwerbsteuerfestsetzung erfolgte daher innerhalb verlängerter Verjährungsfrist und die Beschwerde war spruchgemäß abzuweisen.

Soweit der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, ist darauf zu verweisen, dass ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 BAO) einen entsprechenden Antrag in der Beschwerde oder im Vorlageantrag voraussetzt. Anträge, die erst in einem ergänzenden Schriftsatz gestellt werden, genügen nicht (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 272 Tz 4 mwN, bzw. § 274 Tz 3, mwN, sowie und , Ra 2021/13/0014).

Nachdem im Beschwerdefall ein entsprechender Antrag weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag, sondern erst im ergänzenden Schriftsatz vom gestellt wurde, bestand somit kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und war dem Antrag des Beschwerdeführers nicht näher zu treten.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 2 Abs. 2 Z 2 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 10 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 11 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1100264.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at