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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.01.2024, RV/7101501/2023

Haftung des Verpächters von Räumlichkeiten für die Glücksspielabgabe.

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0022.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7101501/2023-RS1
Wenn die Vermieterin (-pächterin) Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen konnte, Vertragszweck der Betrieb eines Card Casinos war, sie selbst ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Betriebes bekundete und Vorsorge für eine allfällige Haftungsinanspruchnahme treffen hätte können, erscheint eine (begrenzte) Haftung für Glücksspielabgaben sachlich gerechtfertigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***7***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid gemäß § 59 Abs. 4 lit a GSpG des ***FA*** vom , Steuernummer ***8***, betreffend Glücksspielabgabe 05/2013-06/2015 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt hat gegenständliche Beschwerde mit folgender Sachverhaltsdarstellung zur Entscheidung vorgelegt:

Die ***1*** (kurz ***2***) betrieb auf Grund eines Unterpachtvertrages mit der ***Bf1*** (Vermieterin, Bf.) am Standort ***3***, ein Pokercasino.

Als Geschäftszweck wurde der Betrieb eines Kartencasinos vereinbart.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist Pächterin des Hotelgebäudes auf der Liegenschaft ***4***. Sie hat das Hotel von der ***5*** (die Baurechtsnehmer ist) mit mündlichen Pachtvertrag gepachtet.

Die ***Bf1*** ihrerseits hat mit der ***1*** am einen Unterpachtvertrag beginnend ab auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Unterpachtgegenstand war die sich im Untergeschoss befindlichen Bar von ca. 193,85 m2 sowie einem Kühlraum und ein Teilbereich des Schwimmbades samt Nebenräumen in einer Größe von ca. 200 m2.

Der Pachtvertrag unter Punkt 1. Unterpachtgegenstand lautete auszugsweise wie folgt:

"Der Unterpachtgegenstand wird ausschließlich zu Geschäftszwecken insbesondere zum Betrieb eines Card Casinos verpachtet. Der Unterverpächter hat ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Betriebes.

Der Unterpachtgegenstand ad a) Bar ist möbliert und derzeit mit Geschäftseinrichtung Bar / Lounge ausgestattet. Der Pächter wird die vorhandenen Verbauten abbauen und als Kartencasino (Pokerspiel) ausstatten (Computer, Überwachungsanlage /Videoanlage, Pokertische, ...).

Der Unterpachtgegenstand ad b) wird baulich an der im Plan Beilage 71 eingetragenen Stelle durch eine Mauer abgetrennt. Der linke verbleibende Teil wird vom Unterverpächter als Wellnessbereich mit einem neuen Eingang genutzt werden. Der restliche Teil wird vom Unterpächter auf seine Kosten in ein Kartencasino (Pokerspiel) umgebaut und ausgestattet (siehe oben)."

Die Durchführung von Pokerspielen unterliegt der Glücksspielabgabe. Das Abgabenverfahren und die durchgeführten Beschwerdeverfahren der ***2*** sind inkl. höchstgerichtlicher Entscheidungen abgehandelt. Die Rechtsansicht des Finanzamtes, dass die veranstalteten Pokerspiele der Glücksspielabgabe unterliegen, ist auf allen Instanzen bestätigt worden.

Für die am gegenständlichen Standort von der ***2*** veranstalteten Pokerspiele im Zeitraum 05/2013 - 06/2015 errechnet sich eine Glücksspielabgabe idHv. € 8.089.035,41. Die Aufschlüsselung auf die einzelnen Zeiträume ist dem Haftungsbescheid zu entnehmen.

Da die Entrichtung der Glücksspielabgabe durch die ***2*** nicht erfolgte, und die Einbringlichmachung als unwahrscheinlich anzusehen ist, wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid vom zur Haftung gem. § 59 GSpG in der Höhe von € 218.403,96 von 2,7 % der Haftungssumme herangezogen.

Bei der ***2*** wurden ab 2011 lfd. Einbringungsmaßnahmen gesetzt. (wiederholte Zahlungserleichterungen wurden gewährt).

Die Einbringlichkeit ist insbesondere unwahrscheinlich, da über die ***2*** bereits ein Konkursverfahren eröffnet wurde. Im Ermittlungsverfahren, beginnend im Juli 2016 und auch durch Ersuchen an die Beschwerdeführerin beginnend im September 2017 wurden die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin erhoben. Gegen den Bescheid vom wurde am Beschwerde erhoben. Am wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Dagegen wurde der gegenständliche Vorlageantrag eingebracht."

Die Bf. hat in ihrer Beschwerde vorgebracht, sie sei Pächter des Hotelgebäudes auf der Liegenschaft in ***4***, in dem sie ein Hotel betreibe. Teile der von ihr im Rahmen des Hotelbetriebs nicht benötigten Räumlichkeiten habe sie an die ***6*** (im Folgenden "***2***") in Unterbestand gegeben. Zwischen der ***2*** und ihr bestehe kein rechtliches oder wirtschaftliches Naheverhältnis. Der dazu geschlossene Bestandsvertrag liege vor.

  • Die an die ***2*** in Unterbestand gegebenen Räumlichkeiten befänden sich im Untergeschoß des Gebäudes und bestünden aus zwei Einheiten: einer Bar von ca 193,85 m2 samt Kühlraum sowie einem Teilbereich des Schwimmbades mit Nebenräumen im Ausmaß von ca 200 m2. Zu Vertragsbeginn habe die ***2*** insbesondere den angemieteten Teil des Schwimmbads umbauen müssen, um diesen nutzen zu können. Insbesondere habe die ***2*** das Schwimmbecken abdecken müssen, um ihren Betrieb in diesen Räumlichkeiten eröffnen zu können. Dies habe die ***2*** auch aus Eigenem getan. Der pauschale Mietzins von EUR 7.000,- netto (inklusive Betriebskostenpauschale) sei für die Dauer des Umbaus reduziert gewesen. Eine Beteiligung am Erfolg der ***2***, beispielsweise durch umsatzabhängige Zinskomponenten, sei zu keinem Zeitpunkt vereinbart gewesen.

  • Die ***2*** habe in diesen Räumlichkeiten im Zeitraum von Mai 2013 bis Juni 2015 Ausspielungen in Form von Poker-Cashgames und Poker Turnieren veranstaltet. Mit Bescheid vom habe die Abgabenbehörde gegenüber der ***2*** für diesen Zeitraum gemäß § 57 Abs. 1 GSpG Glückspielabgaben in Höhe von EUR 8.089.035,41,- festgesetzt. Nach ihren Informationen habe die ***2*** diesen Bescheid bekämpft, wobei sie auch an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei. Mangels Beteiligung am Geschäftsbetrieb der ***2*** könne sie die Höhe der Abgaben nicht überprüfen oder nachvollziehen. Die ***2*** habe ihre Geschäftstätigkeit ohne jedwede Einflussmöglichkeiten ihrererseits entfaltet und sei zu dieser Tätigkeit in den angemieteten Räumlichkeiten nach dem zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrag sowie den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen auch berechtigt gewesen. Während des aufrechten Vertrags sei sie zur Betretung dieser Räumlichkeiten nur berechtigt gewesen, soweit dies vorangekündigt gewesen sei und zur Erhaltung des Hauses oder zur Weitervermietung (beispielsweise bei Kündigung des Bestandvertrags durch die ***2***) erforderlich.

  • Mit Auskunftsersuchen vom habe sie die belangte Behörde über die aushaftenden Abgabenschulden der ***2*** und eine mögliche Haftungsinanspruchnahme nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG informiert. In ihrer Stellungnahme vom habe sie detailliert dargelegt, weshalb sie nicht für die Entrichtung der Abgabenschulden der ***2*** in Anspruch genommen werden könne. In Erfüllung eines weiteren Auskunftsersuchens vom habe sie in einem weiteren Schreiben vom auf neue Literatur sowie Judikatur hingewiesen, die eine Haftung nach § 59 Abs. 4 lit a GSpG ihrerseits ausschließe. Ein weiteres Ergänzungsersuchen vom habe sie - mit Verweis auf ihre durch die COVID-Krise stark beeinträchtigte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit - am beantwortet. Ungeachtet und ohne Bezugnahme auf diese Stellungnahmen habe die Bf. am den gegenständlichen Haftungsbescheid über die aushaftenden Abgabenschulden der ***2*** für den Zeitraum 05/2013 bis 06/2015 erhalten. Die Bf. hatte und habe als Hotelbetrieb in den Jahren 2020 und 2021 infolge der Corona-Krise mit gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen.

  • Die behördlichen Maßnahmen spiegelten sich auch in den Ergebnissen des Unternehmens wieder.

[...]

  • Ihre Leistungsfähigkeit sei vor diesem Hintergrund schlicht nicht gegeben und würde eine Haftung für fremde Abgabenschulden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Insolvenz ihres Unternehmens bedeuten. Weitere Nachweise über ihre Vermögenslage könnten im Bedarfsfall beigebracht werden.

  • Bis zur Klarstellung des VwGH im Jahr 2017 - somit auch im gegenständlich relevanten Zeitraum (Mai 2013 bis Juni 2015) sowie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - sei überdies nicht vorhersehbar gewesen, dass die von der ***2*** ausgeübte Tätigkeit unter das Glücksspielgesetz falle. Die ***2*** habe dazu, wie auch dem Finanzamt bekannt sei, die begründete Ansicht vertreten, dass ihre Tätigkeit nicht unter das GSpG falle. Insbesondere habe die ***2*** ihres Wissens über eine Gewerbeberechtigung zur Durchführung erlaubter Kartenspiele ohne Bankhalter verfügt, sodass sie zu Recht davon ausgegangen sei, dass keine Tätigkeit nach dem Glücksspielgesetz bestehe.

  • Weiters sei es für die Bf. und wohl auch die ***2*** nicht vorhersehbar gewesen, dass eine Tätigkeit, die nach der Gewerbeordnung erlaubt sei, gleichzeitig nach dem Glücksspielgesetz mit einer Abgabe belegt sei, die die Ausübung der erlaubten Tätigkeit wirtschaftlich sinnlos mache. Die so errechnete Höhe der Glücksspielabgabe, für die sie jedenfalls dem Grunde nach haften solle, übersteige den eingenommenen Mietzins in etwa um das Vierzigfache.

  • Zur Haftung dem Grunde nach wendet die Bf. ein, jede Haftung für fremde Steuern müsse nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sachlich begründet sein. Eine Haftung sei also nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn zwischen Abgabenschuldner und Haftendem eine hinreichende Nahebeziehung bestehe. Selbst wenn eine solche Nahebeziehung bestehe, müsse die Haftung verhältnismäßig sein. Haftungen, die hinsichtlich der Höhe der Haftungssummen keine Eingrenzungen und Abschätzungsmöglichkeiten erlaubten, hielten einer solchen Prüfung nicht stand.

  • Vor dem Hintergrund dieser klaren verfassungsrechtlichen Vorgaben sei auch die

  • Haftung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG zu sehen. Diese könne bei verfassungskonformer

  • Auslegung somit nur auf Fälle angewendet werden, in denen neben dem Abgabenschuldner auch (zumindest) eine weitere Person, der präsumtive Haftende, Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich jener Sachverhalte habe, die die jeweilige Abgabenpflicht auslösten. Dies würde sich bereits zwanglos aus einer Wortlautinterpretation ergeben, weil eine Haftung nach der genannten Bestimmung nur erfolge, wenn der Haftende die Durchführung einer Ausspielung "in seinem Verfügungsbereich erlaube". Der Verfügungsbereich einer (juristischen) Person sei nach allgemeinem Verständnis jener Bereich, in dem die Person berechtigt sei, diesen selbständig zu nutzen, etwa um dem eigenen Wohnbedürfnis, geschäftlichen Interessen oder gewerblichen Tätigkeiten nachzukommen. Ein "Erlauben" liege nur dann vor, wenn eine Ausspielung konkret erlaubt werde - und nicht die Durchführung von Ausspielungen im Rahmen eines bestehenden Vertrags geduldet werde. Letztlich spreche auch § 59 Abs. 4 lit. a GSpG von der "Ausspielung" im Singular und stelle somit auf eine Erlaubnis der konkreten, einzelnen Ausspielung - und nicht der bloßen Duldung laufender Geschäftstätigkeit - ab.

  • Hinsichtlich des Übergangs des Verfügungsbereiches an die ***2*** führt die Bf. aus, im vorliegenden Fall habe sie mit Abschluss des Bestandvertrags die Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten an die ***2*** übertragen. Es hätten ihr keine gesetzlichen oder vertraglichen Rechte zugestanden, in die Geschäftstätigkeit der ***2*** einzugreifen, Weisungen zu erteilen oder Kontrolle auszuüben. Die ***2*** habe hinsichtlich ihrer Nutzung der überlassenen Räumlichkeiten selbständig disponieren können, ohne vorher Rücksprache halten zu müssen. Ihre fehlende Verfügungsmacht sei zusätzlich über die Grundsätze des Zivilrechts hinaus vertraglich determiniert, indem der Vertrag vorsehe, dass die ***2*** die Schlösser zum Geschäftslokal austausche, sodass auch faktisch keine Möglichkeit zur Verfügung gestanden sei, die ***2*** in irgendeiner Art und Weise zu kontrollieren. Mangels für die Bf. bestehender selbständiger Nutzungs- und Einwirkungsmöglichkeiten hinsichtlich der in Bestand gegebenen Räumlichkeiten hätten die von der ***2*** durchgeführten Ausspielungen nicht im Verfügungsbereich der Bf. stattgefunden. Zu diesem Ergebnis sei das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom , RV/7101709/2020 ebenfalls gekommen, das auf einem

  • vergleichbaren Sachverhalt beruhe.

  • Es spiele dabei keine Rolle, ob es sich um einen Miet- oder einen Pachtvertrag handle. In beiden Fällen gingen sowohl aufgrund des ABGB als auch nach dem Wortlaut des Vertrags sämtliche relevanten Verfügungsmöglichkeiten auf den Bestandnehmer über. Vor dem Hintergrund, dass das BFG in der oben genannten Entscheidung über einen Mietvertrag zu entscheiden hatte, ist lediglich aus anwaltlicher Vorsicht darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Vertrag zwischen der ***2*** und der Bf. rechtlich - entgegen der Bezeichnung am Dokument - um einen Mietvertrag handle. Das Finanzamt habe sich in seinem Haftungsbescheid auch offensichtlich unserer in der Stellungnahme vom geäußerten Ansicht, dass es sich entgegen der Überschrift um keinen "Unterpachtvertrag", sondern bei richtiger rechtlicher Würdigung um einen Mietvertrag handle, angeschlossen (vgl Haftungsbescheid S3: "Laut

  • Unterpachtvertrag vom [...] wurde das Objekt [...] vermietet"). Dies sei

  • auch zutreffend.

  • Hinsichtlich der "Erlaubnis" " iSd des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG führt die Bf. unter Hinweis auf , aus, dass auch der Abschluss des Bestandvertrags mit dem klaren Zweck, dem Bestandnehmer im Bestandobjekt (auch) Ausspielungen zu ermöglichen, keine Erlaubnis iSd § 59 Abs 4 lit a GSpG sein könne. Wegen des Bestandvertrags sei die Erlaubnis auch nicht erforderlich, solange der Bestandnehmer in den Grenzen des Vertrags handle. Da der Bestandgeber sich gegen vertragsgemäße Handlungen des Bestandnehmers keine Abhilfe verschaffen könne und innerhalb der Schutz- und Sorgfaltspflichten verpflichtet sei, den Bestandnehmer in der Ausübung seines Rechtsbesitzes gegen Dritte zu schützen, erlaube ein Bestandgeber nicht die Durchführung von Ausspielungen, er dulde sie bloß. Zusammengefasst habe die Bf. durch Abschluss des Bestandvertrags und Übergabe der

  • Räumlichkeiten an die ***2*** ihre Verfügungsgewalt über diese Räumlichkeiten aufgegeben. Die Ausspielungen der ***2*** hätten somit nicht in ihrem Verfügungsbereich stattgefunden, was ihre Haftung gemäß § 59 Abs. 4 lit. a GSpG ausschließe. Im Vertragsabschluss selbst könne weiters keine Erlaubnis zu Ausspielungen gesehen werden.

  • Zur Haftung der Höhe nach führt die Bf. aus, sie habe dem Finanzamt insgesamt dreimal dargelegt, dass sich ihre Gesellschaft in einer prekären finanziellen Lage befinde. Durch die Corona-Krise, die die Hotellerie-Branche besonders hart getroffen habe, habe sich ihre Lage noch weiter verschlechtert. Zusammengefasst müsse sie in den nächsten Jahren bereits kumulierte Verluste von über EUR 3,7 Mio zurückverdienen, um das Unternehmen langfristig profitabel aufzustellen. Dies sei unbedingt erforderlich, um den Betrieb langfristig aufrechterhalten und etwa 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter bezahlen zu

  • können.

  • Im Rahmen dieser Ermessensausübung hätte das Finanzamt außerdem zu berücksichtigen gehabt, dass Haftungen nur dann billig und zweckmäßig seien, wenn sie für

  • den Haftungsschuldner vorhersehbar und -insbesondere vor dem Hintergrund der

  • VfGH-Rechtsprechung - die zugrundeliegenden Risiken auch steuer- bzw. eingrenzbar seien. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und während des gesamten Zeitraumes, der

  • den von der Bf. eingeforderten Abgaben zugrunde liege, sei die Rechtslage im Hinblick

  • auf Glücksspielabgaben für Pokerkartenspiele unklar gewesen. Neben der - zuvor bereits einmal wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenen - Aufnahme des Pokerspiels in das

  • GSpG hätten nämlich noch aktive Gewerbeberechtigungen zur Durchführung erlaubter Kartenspiele ohne Bankhalter bestanden. Darüber hinaus sei während des gesamten

  • Zeitraums unklar gewesen, was Bemessungsgrundlage bei Poker-Cashgames sei, sofern diese

  • überhaupt der Glücksspielabgabe unterliegen würden. Diese Fragen seien erst 2017

  • höchstrichterlich geklärt worden.

  • Es sei für die Bf. also während des gesamten Zeitraums weder vorhersehbar gewesen, dass

  • überhaupt Glücksspielabgabe erhoben werde, noch, welche wirtschaftlich absurden

  • Beträge diese erreichen könne. Die über EUR 8 Mio, die im Zeitraum von lediglich

  • etwa zwei Jahren an Abgabenschulden angelaufen seien, überstiegen ihren Jahresumsatz bei Weitem. Der eingenommene Bestandzins stehe in keinerlei Verhältnis zu diesem Betrag.

  • Vor dem Hintergrund der völligen Unvorhersehbarkeit, Unkontrollierbarkeit und betraglichen Ausuferung dieser für die Bf. wirtschaftlich wie rechtlich fremden Abgabenschulden, denen keine unternehmerische Chance (bspw in Form eines hohen umsatzabhängigen Mietzinses oder einer wirtschaftlichen Beteiligung am Unternehmen) gegenüberstand, sei schon aus Billigkeitsgründen jede Haftung, sofern sie überhaupt dem Grunde nach bestehe, auf Null herabzusetzen.

  • Mit umfangreich begründeter Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

  • Mit Schriftsatz vom wurde Vorlageantrag eingebracht. Die steuerliche Vertretung der Bf. verweist zur Begründung auf die Ausführungen der Beschwerde, die vollinhaltlich aufrechterhalten wird. Die Beschwerdevorentscheidung beschränke sich im Ergebnis auf eine Kritik an der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts, die ihres Erachtens völlig zutreffend und auch auf den gegenständlichen Fall anwendbar sei. Die Beschwerdevorentscheidung sei daher in der Sache unrichtig.

  • Am übermittelte das Finanzamt Österreich - DS Sonderzuständigkeiten - zu den inzwischen ergangenen Erkenntnissen des und Ro 2021/17/0006, betreffend Haftung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG für die Glücksspielabgabe eine diesbezügliche Stellungnahme im Zusammenhang mit gegenständlichem Fall.

  • Das Finanzamt führte insbesondere aus:

  • "Im gegenständlichen Fall handelt es sich um keinen Anwendungsfall des VwGH Erkenntnisses. Nach Ansicht des Finanzamtes ist für die Frage, ob der Vermieter bei der Vertragsgestaltung auf sein Haftungsrisiko Einfluss nehmen konnte, als wesentlicher Zeitpunkt die Kundmachung des BGBl 54/2010 anzusehen, da bereits im Zeitpunkt der Kundmachung feststand, dass die Haftungsbestimmung mit in Kraft treten wird. Der gegenständliche Unterpachtvertrag wurde am und somit nach Kundmachung der Haftungsbestimmung im BGBL 54/2010 am abgeschlossen.

  • Im Pachtvertrag wurde als Zweck der Vermietung insbesondere der Betrieb eines Casinos vereinbart - sohin eines Betriebes, in welchem Ausspielungen stattfinden, darüber hinaus wurde (Anm.: mit) der Unterpächterin sogar der Umbau des gegenständlichen Pachtgegenstandes zu einem Pokercasino vertraglich vereinbart. Die Verpächterin (Bf.) hat dem ausdrücklich zugestimmt. Auch wurde einvernehmlich darüber hinaus vereinbart, dass jede andere Verwendung einen Kündigungsgrund darstellt. Es wurde daher insbesondere der Betrieb eines Casinos und sohin die Durchführung von Ausspielungen nicht bloß geduldet, sondern ausdrücklich bedungen.

  • Als Vermieter hätte der Bf. bereits bei Abschluss des Unterpachtvertrages in Anbetracht der Kundmachung der Haftungsbestimmung am die Möglichkeit gehabt, durch vertragliche Gestaltung im Mietvertrag, zB durch Aufnahme eines Kündigungsgrundes für den Fall, dass die Mieterin ihrer Verpflichtung zur gesetzmäßigen Entrichtung nicht nachkommt, eine zukünftige Haftung zu begrenzen bzw. auszuschließen. Es bestand somit iSd der Rechtsansicht des VwGH im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Dispositionsmöglichkeit bei der Vertragsgestaltung in Hinblick auf eine allfällige Haftung für die Glücksspielabgabe ab .Die Haftung ist somit im gegenständliche Fall zu bejahen."

  • Mit Vorhalt vom brachte das BFG der steuerlichen Vertretung der Bf. die Stellungnahme des Finanzamtes zur Kenntnis, welche hiezu mit Schriftsatz vom eine Stellungnahme abgegeben hat.

  • Die Bf führt im Wesentlichen aus, der VwGH erkenne in den genannten Erkenntnissen somit ausdrücklich an, dass die Haftung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG aufgrund einer notwendigen verfassungskonformen Interpretation auf bloße Vermieter von Räumlichkeiten nicht anwendbar sei. Selbst wenn man eine Haftung dem Grunde nach annehmen würde, wäre diese aufgrund des unbegrenzten Haftungsumfanges verfassungswidrig, sofern nicht eine Partizipation am Unternehmensertrag des Abgabenschuldners gegeben sei und/oder die

  • haftende Partei ihr Risiko durch adäquate Maßnahmen kontrollieren könne. Im gegenständlichen Fall liege - wie in der Beschwerde gezeigt - eine bloße Vermietung

  • von Räumlichkeiten zu einem fixen Mietzins vor. Es habe daher weder eine Partizipation am

  • Unternehmenserfolg der Abgabenschuldnerin gegeben, noch habe die Vermieterin konkrete

  • Einflussmöglichkeiten innerhalb des Mietgegenstandes gehabt. Schon aus diesem Grund müsse

  • auch nach der aktuellen VwGH-Rechtsprechung eine Haftung dem Grunde nach entfallen.

  • Gehe man hypothetisch entgegen der VwGH-Rechtsprechung und der darin angewandten

  • verfassungskonformen Interpretation des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG davon aus, dass

  • § 59 Abs. 4 lit. a GSpG eine Haftung für bloße Vermieter vorsehen würde, wäre die Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben. Die Bf. sei am Unternehmenserfolg der Abgabenschuldnerin nicht beteiligt gewesen, vielmehr sei der an die Bf. zu entrichtende Mietzins im Vertrag pauschaliert. Letztlich sei die gegenständliche Haftung nach dem Gesetzeswortlaut betraglich unlimitiert. Betraglich unlimitierte Haftungen seien auch dann verfassungswidrig, wenn eine Mäßigung im Ermessensweg möglich sei und im Einzelfall auch geübt werde (VfSIg. 12.764/1991, 12.844/1991). Für den gegenständlichen Fall folge daraus, dass eine Anwendung des § 59 Abs 4 lit a GSpG diesem einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellen würde und damit denkunmöglich sei.

II. Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes.

III. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Gegenständliche Liegenschaft steht im Eigentum der ***9***, diese ist jedoch nicht Eigentümerin der darauf befindlichen Objekte. Diese Objekte befinden sich im Eigentum der Baurechtsnehmerin, der ***10***. Diese wiederum hat das gesamte Gebäude am Standort ***11***, an die ***Bf1*** (Bf) verpachtet, welche ihrerseits Räumlichkeiten an die ***1*** in Unterpacht vergeben hat. Der Unterpachtvertrag datiert vom und umfasst die sich im Untergeschoss des Gebäudes befindlichen Einheiten, nämlich die Bar im Ausmaß von ca.193,85 m2 sowie einen Kühlraum und einem Teilbereich des ursprünglichen Schwimmbades samt Nebenräumen im Ausmaß von ca. 200m2.

Die wesentlichen Vertragsbestimmungen lauten weiters:

"…1. Unterpachtgegenstand

….

Der Unterpachtgegenstand wird ausschließlich zu Geschäftszwecken insbesondere zum Betrieb eines Card Casinos verpachtet. Der Unterverpächter hat ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Betriebes.

Der Unterpachtgegenstand ad a) Bar ist möbliert und derzeit mit Geschäftseinrichtung Bar / Lounge ausgestattet. Der Pächter wird die vorhandenen Verbauten abbauen und als Kartencasino (Pokerspiel) ausstatten (Computer, Überwachungsanlage /Videoanlage, Pokertische,...).

Der Unterpachtgegenstand ad b) wird baulich an der im Plan Beilage .11 eingetragenen Stelle durch eine Mauer abgetrennt. Der linke verbleibende Teil wird vom Unterverpächter als Wellnessbereich mit einem neuen Eingang genutzt werden. Der restliche Teil wird vom Unterpächter auf seine Kosten in ein Kartencasino (Pokerspiel) umgebaut und ausgestattet (siehe oben).

Bei den Umbauarbeiten ist darauf zu achten, dass das Schwimmbad nur überdeckt und nicht zugeschüttet wird, damit eine spätere Nachnutzung nach Ende der Unterpachtzeit wieder möglich ist. Sämtliche Zu- und Ableitungen, insbesondere die Wasser-, Abwasser- und Elektroleitungen sowie die Lüftungsanlage befinden sich im einwandfreien und funktionstüchtigen Zustand. Unterverpachtet ist nur das Innere des Unterpachtgegenstandes, nicht jedoch dessen Außenfläche oder sonstige Teile des Hauses; der Wintergarten kann benützt werden.

Als Haupteingang zum Unterpachtgegenstand dient ausschließlich der straßenseitige Zugang von der Seite des ***12*** durch den Wintergarten. Der Wintergarten selbst muss als Durchgang zur Garage und zum ***13*** stets (24 Stunden) offen sein. Die sich im Untergeschoss neben der Bar befindlichen Hotel-Toiletten können vom Unterpächter und seinen Gästen mitbenützt werden. Der Unterpächter übernimmt die tägliche Reinigung dieser Toiletten in der Zeit von 22.00 - 07.00 Uhr in Eigenverantwortung und auf eigene Kosten, während das Hotel die Reinigung in der restlichen Zeit übernimmt.

Der Unterpächter ist verpflichtet, das an der Außenfassade angebrachte Leuchtschild durch ein eigenes Leuchtschild zu ersetzen.

2. Unterpachtdauer

Das Unterpachtverhältnis beginnt am und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Der Unterpächter verzichtet auf die Dauer von zwei Jahren auf das Recht der ordentlichen Kündigung….

3. Gebrauchsrecht und Betriebspflicht des Unterpächters

Der Unterpachtgegenstand darf ausschließlich zu Geschäftszwecken, und zwar zum Betrieb eines Card Casinos verwendet werden,…

4. Pauschal-Unterpacht

Als Unterpachtzins inklusive Betriebskosten und öffentliche Abgaben wird eine Pauschal-Unterpacht von netto € 7.000,-- (in Worten: Euro siebentausend) zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer, derzeit 20 %, vereinbart….

Jede widmungswidrige Verwendung des Unterpachtgegenstandes im Sinne der obigen Regelung sowie fehlende Genehmigungen oder Beanstandungen durch die Behörde berechtigt den Unterverpächter ausdrücklich zur sofortigen Vertragsaufhebung. Jede Änderung des Verwendungszweckes bedarf der vorigen einzuholenden schriftlichen Zustimmung des Unterverpächters.

…"

Die laufenden Mietzahlungen werden seit mit schuldbefreiender Wirkung für die ***14*** von der ***15*** an die ***Bf1*** als Vermieterin bezahlt und dementsprechend fakturiert.

Bei der ***1*** wurden ab 2011 laufend Einbringungsmaßnahmen gesetzt. Für die bescheidgegenständlichen Zeiträume 05/2013 - 02/2015 wurden abgabenbehördliche Prüfungen durchgeführt. Für die am gegenständlichen Standort von der ***2*** veranstalteten Pokerspiele im Zeitraum 05/2013 - 06/2015 errechnet sich eine Glücksspielabgabe idHv. 8.089.035,41 Euro. Die Einbringlichkeit ist insbesondere unwahrscheinlich, da die ***2*** inzwischen infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst ist. Im Ermittlungsverfahren, beginnend im Juli 2016, wurden die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin erhoben. Mit Ersuchen um Auskunft vom und Ergänzungen der Auskunft vom und wurde die Bf. von der geplanten Haftungsinanspruchnahme in Kenntnis gesetzt und um Stellungnahme betreffend die Haftungsinanspruchnahme für die Glücksspielabgabe der ***16***, sowie Bekanntgabe ihrer Vermögenslage und ob und inwieweit die ***Bf1*** von der aktuellen Coronasituation betroffen ist, sowie Beibringung entsprechender Unterlagen ersucht.

Mit Antwortschreiben vom , und ist die Bf den jeweiligen Ersuchen nachgekommen. Im Schreiben vom hat die Bf unter anderem bekannt gegeben, dass das ***17*** seit geraumer Zeit geschlossen ist und der Mietgegenstand an die ***Bf1*** zurückgegeben worden ist.

Am wurde der streitgegenständliche Haftungsbescheid erlassen und die Bf. zur Haftung gem. § 59 GSpG in der Höhe von € 218.403,96 (d.s. 2,7 % der gesamten Abgabenschuldigkeiten) herangezogen. Die Niederschriften über die Schlussbesprechung bzw. Nachschau betreffend die Zeiträume 05/2013 - 02/2015 sowie die Bescheidbegründung für den Zeitraum 03 - 06/2015 wurden dem Bescheid angeschlossen. Die Aufschlüsselung auf die einzelnen Zeiträume ist dem Haftungsbescheid zu entnehmen. Es wurden wiederholte Zahlungserleichterungen gewährt.

2. Beweiswürdigung

Die sachverhaltsrelevanten Feststellungen wurden seitens des Bundesfinanzgerichts im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angenommen. Das Bundesfinanzgericht konnte sich dabei auf die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten und das Ergebnis des Vorhalteverfahrens stützen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Rechtsgrundlagen

§ 59 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 76/2011, lautet:

"§ 59. (1) Die Abgabenschuld entsteht in den Fällen der §§ 57 und 58:

1. in Fällen des § 58 im Zeitpunkt des Zustandekommens des Spielvertrages in Fällen des § 58 Abs. 3 mit Ende des Kalenderjahres der Veröffentlichung des Gewinnspiels;

2. bei allen anderen Ausspielungen mit der Vornahme der Handlung, die den Abgabentatbestand verwirklicht. Bei Sofortlotterien entsteht die Abgabenschuld in dem Zeitpunkt, in dem im Verhältnis zwischen Konzessionär und Vertriebsstelle die Abrechenbarkeit der geleisteten Spieleinsätze eingetreten ist. Bei elektronischen Lotterien entsteht die Abgabenschuld mit Erhalt der Einsätze und Auszahlung der Gewinne.

(2) Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 sind

1. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 57:

- der Konzessionär (§ 17 Abs. 6) oder der Bewilligungsinhaber (§ 5);

- bei Fehlen eines Berechtigungsverhältnisses der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung sowie der Vermittler (Abs. 5) sowie im Falle von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten zur ungeteilten Hand.

2. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 58 der Vertragspartner des Spielteilnehmers sowie die Veranstalter, die die in § 58 genannten Ausspielungen anbieten oder organisieren.

(3) Die Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 haben diese jeweils für ein Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Die Schuldner der Abgaben nach § 58 Abs. 3 haben diese jeweils für ein Kalenderjahr selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie eine Abrechnung über die abzuführenden Beträge in elektronischem Weg vorzulegen. Der Bundesminister für Finanzen kann dabei im Verordnungsweg nähere Details der elektronischen Übermittlung regeln. Dieser Abrechnung sind Unterlagen anzuschließen, die eine Überprüfung der Einsätze und Gewinne der Glücksspiele während des Abrechnungszeitraumes gewährleisten. Die Abrechnung gilt als Anzeige. § 29 Abs. 3 über die Überwachung der Abgaben gilt sinngemäß. Trifft die Verpflichtung zur Entrichtung zwei oder mehr Personen, so sind sie zur ungeteilten Hand verpflichtet.

(4) Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand

a) derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;

b) bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer sowie ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (Abs. 5).

(5) Als Vermittlung gelten jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise.

(6) Für die Bewertung von Waren und geldwerten Leistungen in den Fällen der §§ 57 und 58 gelten die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955 mit der Maßgabe, dass bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind und dass bei wiederkehrenden Leistungen die Anwendung der Bestimmungen des § 15 Abs. 1 über den Abzug der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen und des § 16 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes 1955 ausgeschlossen ist.

(7) Bloße entgeltliche Veröffentlichungen ( § 26 Mediengesetz) im Zusammenhang mit Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung (§ 58 Abs. 3) gelten weder als Veranstaltung einer Ausspielung durch den Medieninhaber (Abs. 2 Z 1) noch als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a), wenn der Medieninhaber nicht selbst als (Mit-) Veranstalter auftritt."

3.2. Judikatur

Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst in den Erkenntnissen Ro 2021/17/0005 bzw. Ro 2021/17/0006, je vom , ausgeführt:

"[…§ 59 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 54/2010, lautet (auszugsweise):

" ...

Entstehung und Entrichtung der Abgabenschuld
§ 59.
(1) ...
...
(4) Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand
a) derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;
b) bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer sowie ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (Abs. 5).
(5) Als Vermittlung gelten jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise.
(6) ..."

Durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 wurde folgender Abs. 7 angefügt:

"(7) Bloße entgeltliche Veröffentlichungen (§ 26 Mediengesetz) im Zusammenhang mit Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung (§ 58 Abs. 3) gelten weder als Veranstaltung einer Ausspielung durch den Medieninhaber (Abs. 2 Z 1) noch als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a), wenn der Medieninhaber nicht selbst als (Mit-) Veranstalter auftritt."

Nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG haftet für die korrekte Entrichtung der (Glücksspiel-)Abgaben derjenige zur ungeteilten Hand, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt. Die Begriffe "Verfügungsbereich" und "erlaubt" definiert das Gesetz nicht näher; auch die Materialien zur GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 9) enthalten dazu keine näheren Erläuterungen.

Im GSpG verwendet der Gesetzgeber den Begriff "Verfügungsbereich" allerdings nicht nur in § 59 Abs. 4 lit. a, sondern auch in dessen lit. b, wonach bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten unter anderen derjenige für die korrekte Entrichtung der Abgaben haftet, "der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt". Ferner gelten gemäß § 59 Abs. 7 GSpG entgeltliche Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen ohne vermögenswerte Leistung unter weiteren Voraussetzungen "nicht als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a)". Dieser systematische Zusammenhang, insbesondere der Verweis auf § 59 Abs. 4 lit. a in (dem durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 eingefügten) Abs. 7 leg. cit. zeigt, dass der Gesetzgeber mit "Verfügungsbereich" nicht alleine (potentiell Haftenden zuzuordnende) Örtlichkeiten bezeichnet, wo Ausspielungen stattfinden oder Glücksspielautomaten aufgestellt werden können, sondern es für die Qualifikation als "Verfügungsbereich" darauf ankommt, dass dieser in einer solchen Einflusssphäre des potentiell Haftenden steht, dass diesem die Befugnis zukommt, die Durchführung der Ausspielung auch zu untersagen. Bestätigt wird dieses Verständnis von "Verfügungsbereich" dadurch, dass nach § 59 Abs. 4 lit. a wie lit. b GSpG derjenige haften soll, der - im Fall der lit. a die Ausspielung oder im Fall der lit. b die Aufstellung eines Glücksspielautomaten - "erlaubt", daher diese Vorgänge nicht nur nicht untersagt, sondern ihnen sogar seine Zustimmung erteilt.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses hat die zur Haftung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG herangezogene mitbeteiligte Partei den Mietvertrag zwischen der früheren Grundeigentümerin und der Betreiberin des Pokercasinos beim Ankauf der Liegenschaft vorgefunden. Sie ist durch den Kauf in die Rechtsposition der früheren Vermieterin eingetreten, ohne dass sie das Mietverhältnis ohne wichtigen Grund (vgl. oben Rn. 8) hätte beenden und die Zurückstellung des Mietobjekts verlangen können. Daher stand ihr nicht die Befugnis zu, die im Betrieb des Pokercasinos liegende Durchführung von Ausspielungen zu untersagen. Schon dieser Umstand spricht gegen die Ansicht des Finanzamts, die mitbeteiligte Partei habe mit der vermieteten Räumlichkeit, in der das Pokercasino betrieben wurde, iSd § 59 Abs. 4 lit. a GSpG einen Verfügungsbereich innegehabt und dort die Durchführung der Ausspielung erlaubt.

Somit ist im Revisionsfall § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in Bezug auf die mitbeteiligte Partei als bloße Vermieterin der Räumlichkeit nicht anzuwenden, sodass sie nicht zur Haftung für die Glücksspielabgabenschuld ihrer Mieterin C GmbH herangezogen werden darf.

Darüber hinaus würde ein Verständnis, wonach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG erlauben würde, in einer Konstellation wie der vorliegenden die bloße Vermieterin von Räumlichkeiten, in denen Glücksspiele durchgeführt werden, zur Haftung für die dabei entstehenden Glücksspielabgabenschuldigkeiten heranzuziehen, dieser Bestimmung einen sachlich nicht gerechtfertigten und mithin verfassungswidrigen Inhalt unterstellen:

Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei der Umschreibung des für eine Steuer haftenden Personenkreises dem Gesetzgeber durch den insbesondere aus Art. 7 B -VG abzuleitenden Gleichheitsgrundsatz insofern eine Grenze gezogen ist, als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist (vgl. VfSlg. 2896/1955, 11.771/1988, 11.921/1988, 13.583/1993, 15.773/2000). Er hat die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen hergeleitet (vgl. VfSlg. 11.942/1988 sowie 15.773/2000, jeweils mwN) und allgemein ausgesprochen, dass es unsachlich erscheint, wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflusssphäre liegen (vgl. VfSlg. 5.318/1966, 15.773/2000). Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus auch wiederholt ausgesprochen, dass selbst bei Unbedenklichkeit einer Haftung dem Grunde nach eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges gegeben sein muss. Für die sachliche Rechtfertigung entscheidend ist, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (vgl. etwa VfSlg. 11.771/1988, 11.921/1988, 15.773/2000) bzw. ob der Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Haftenden am Unternehmensertrag des Primärschuldners beachtet wurde (vgl. etwa VfSlg. 11.921/1988, 12.572/1990, 15.773/2000).

In diesem Sinn geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass es der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber verwehrt, eine Haftung für fremde Abgaben in jedwedem Umfang vorzusehen. Grenzt der Gesetzgeber die Haftung unzureichend ein, sodass es dem in Anspruch Genommenen unmöglich gemacht wird, durch entsprechende Vertragsgestaltung eine Begrenzung des Risikos zu erreichen, so entbehrt eine derartige Regelung ebenso einer sachlichen Rechtfertigung wie eine ihrer Höhe nach nicht oder kaum begrenzte Haftung, die den ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung relevanten Zusammenhang der Haftung mit der Teilnahme des in Anspruch Genommenen am Unternehmensertrag des Primärschuldners völlig außer Acht lässt (vgl. VfSlg. 12.572/1990; ähnlich VfSlg. 14.263/1995).

Im Revisionsfall wurde der Mietvertrag mit der C GmbH im Jahr 2003 abgeschlossen. Mit Vertrag vom kaufte die mitbeteiligte Partei die Liegenschaft und trat in den geltenden Mietvertrag mit der C GmbH in die Rechtsposition als Vermieterin ein. Erst im Jahr 2010 wurden im Rahmen der GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, die Glücksspielabgaben der §§ 57 ff GSpG einschließlich der Haftungsbestimmung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in das GSpG aufgenommen. Diese abgabenrechtlichen Bestimmungen der §§ 57 bis 59 GSpG traten am in Kraft (§ 60 Abs. 22 zweiter Satz GSpG).

Damit bestand für die mitbeteiligte Partei aber keine Möglichkeit mehr, ihr Risiko, zur Haftung herangezogen zu werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung auszuschließen oder den Umfang ihrer Haftung zu begrenzen, zumal vor der genannten Novelle keine vergleichbare Haftungsbestimmung in Geltung stand. Denn weder im GSpG noch andernorts - insbesondere auch nicht im GebG, das die hier interessierenden Glücksspiele bis zum Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2008 der Gebührenpflicht unterwarf - war eine vergleichbare Haftung vorgesehen (vgl. zum Übergang von der Gebührenpflicht nach dem GebG zur Abgabenpflicht nach dem GSpG für die hier interessierenden Glücksspiele , Rn. 73 und 76). Die Möglichkeit, Haftungsrisiken durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung o.ä.; vgl. VfSlg. 11.921/1988) zu begrenzen oder ganz auszuschließen, stellt aber nach der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine wesentliche Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden dar. Da für die mitbeteiligte Partei diese Möglichkeit der Risikobegrenzung nicht bestand, weil der maßgebliche Mietvertrag bei Auftreten des durch den neu erlassenen § 59 Abs. 4 lit. a GSpG ausgelösten Haftungsrisikos bereits abgeschlossen und nicht mehr einseitig änderbar war, wird der Haftungsbestimmung bei Anwendung auf diese Konstellation ein sachlich nicht gerechtfertigter und somit gleichheitswidriger Inhalt unterstellt.

Daher wäre die Auslegung der Haftungsbestimmung, wonach der Vermieter der Räumlichkeit, in der abgabepflichtige Glücksspiele durchgeführt wurden, in jedem Fall zur Haftung herangezogen werden darf, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich (vgl. zur Notwendigkeit der zeitlichen Begrenzung der Anwendung auf nach dem Inkrafttreten von Haftungsbestimmungen eingegangene Vertragsverhältnisse im Interesse einer verfassungskonformen Interpretation auch , sowie VfSlg. 12.572/1990). Entgegen der Ansicht des Finanzamts vermag an diesem Ergebnis auch die Befugnis der Abgabenbehörde, das ihr bei der Heranziehung zur Haftung eingeräumte Ermessen gemäß § 20 BAO zugunsten des Haftenden auszuüben, nichts zu ändern. Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vermag die Möglichkeit der Mäßigung der Haftung im Ermessensweg deren grundsätzlich fehlende sachliche Rechtfertigung nicht zu ersetzen (vgl. VfSlg. 12.764/1991, 12.844/1991)….]"

3.3. Erwägungen

Vorab ist festzuhalten, dass ausschließlich die Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Haftungsbescheid Sache des gegenständlichen Verfahrens ist.

Vorliegender Fall unterscheidet sich grundlegend von den zitierten Erkenntnissen Ro 2021/17/0006 bzw. Ro 2021/17/0005 (ergangen zu dem von der Bf zitierten Erkenntnis des ).

Wie der VwGH (s.o.) ausführt, kommt es für die Qualifikation als "Verfügungsbereich" darauf an, dass dieser in einer solchen Einflusssphäre des potentiell Haftenden steht, dass diesem die Befugnis zukommt, die Durchführung der Ausspielung auch zu untersagen. Dieses Verständnis von "Verfügungsbereich" werde dadurch bestätigt, dass nach § 59 Abs. 4 lit. a wie lit. b GSpG derjenige haften soll, der - im Fall der lit. a die Ausspielung oder im Fall der lit. b die Aufstellung eines Glücksspielautomaten - "erlaubt", daher diese Vorgänge nicht nur nicht untersagt, sondern ihnen sogar seine Zustimmung erteilt.

Wie das Finanzamt in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, wurde im Pachtvertrag als Zweck der Vermietung insbesondere der Betrieb eines Casinos vereinbart - sohin eines Betriebes, in welchem Ausspielungen stattfinden. Darüber hinaus wurde mit der Unterpächterin der Umbau des gegenständlichen Pachtgegenstandes zu einem Pokercasino vertraglich vereinbart. Die Unterverpächterin hat dem ausdrücklich zugestimmt. Weiters wurde einvernehmlich vereinbart, dass jede Änderung des Verwendungszweckes einer vorherigen schriftlichen Zustimmung der Unterverpächterin bedarf.

Laut Punkt 1. des Vertrages wird der Unterpachtgegenstand ausschließlich zu Geschäftszwecken insbesondere zum Betrieb eines Card Casinos verpachtet. Der Unterverpächter hat ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Betriebes.

Das lässt den Schluss zu, dass der Betrieb eines Casinos und sohin die Durchführung von Ausspielungen nicht bloß geduldet, sondern ausdrücklich bedungen worden ist.

Im zitierten Revisionsfall wurde der Mietvertrag mit der C GmbH im Jahr 2003 abgeschlossen. Mit Vertrag vom hatte die mitbeteiligte Partei die Liegenschaft gekauft und war in den geltenden Mietvertrag mit der C GmbH in die Rechtsposition als Vermieterin eingetreten. Erst im Jahr 2010 wurden im Rahmen der GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, die Glücksspielabgaben der §§ 57 ff GSpG einschließlich der Haftungsbestimmung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in das GSpG aufgenommen. Diese abgabenrechtlichen Bestimmungen der §§ 57 bis 59 GSpG traten am in Kraft (§ 60 Abs. 22 zweiter Satz GSpG). Damit hat für die mitbeteiligte Partei aber keine Möglichkeit mehr bestanden, ihr Risiko, zur Haftung herangezogen zu werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung auszuschließen oder den Umfang ihrer Haftung zu begrenzen, zumal vor der genannten Novelle keine vergleichbare Haftungsbestimmung in Geltung stand.

Wie oben ausgeführt, hat die Baurechtsnehmerin, die ***10***, in deren Eigentum sich u.a. das gegenständliche Objekt befindet, das gesamte Gebäude an die ***Bf1*** (Bf) verpachtet. Diese hat ihrerseits Räumlichkeiten an die ***1*** in Unterpacht vergeben. Die Haftungspflichtige hat also - im Gegensatz zum Revisionsfall - keine Liegenschaft erworben, mit welchem Erwerb der Eintritt in einen aufrechten Miet(Pacht)vertrag verbunden gewesen wäre. Vielmehr hat die Bf mit der Eigentümerin des Gebäudes einen (mündlichen) Pachtvertrag abgeschlossen und in weiterer Folge gegenständliche Räumlichkeiten selbständig in Unterpacht vergeben. Somit hatte sie sehr wohl eine Dispositionsmöglichkeit gehabt, den Vertrag zu gestalten, etwa durch eine Kautionsvereinbarung oder die Aufnahme eines Kündigungsgrundes für den Fall, dass die (Unter-)Pächterin ihrer Verpflichtung zur gesetzmäßigen Entrichtung der Glücksspielabgaben nicht nachkommt und Vorsorge für eine allfällige Haftungsinanspruchnahme zu treffen, d.h. durch entsprechende Vertragsgestaltung eine Haftung auszuschließen oder den Umfang ihrer Haftung zu begrenzen. Beispielsweise wurde Vorsorge getroffen für den Fall widmungswidriger Verwendung des Unterpachtgegenstandes sowie fehlender Genehmigungen oder Beanstandungen durch die Behörde, welche den Unterverpächter ausdrücklich zur sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen (Punkt 3. des Vertrages). Der Unterpachtvertrag datiert vom , also sowohl nach Kundmachung () als auch nach Inkrafttreten () der Haftungsbestimmung des GSpG.

Der Verfassungsgerichtshof leitet in ständiger Rechtsprechung die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen her. (VfSlg. 11.942/1988 sowie 15.773/2000 in ). Für die sachliche Rechtfertigung entscheidend ist, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen bzw. ob der Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Haftenden am Unternehmensertrag des Primärschuldners beachtet wurde (VfSlg. 11.921/1988, 12.572/1990, 15.773/2000 in ).

Insofern in gegenständlichem Fall der Betrieb eines Casinos im streitgegenständlichen Vertrag sogar bedungen worden ist, ist eine sachliche Rechtfertigung für die Haftung jedenfalls gegeben, zumal sowohl ausdrücklich ein Interesse der Haftenden am Betrieb des Casinos bestand, als auch deren Einflusssphäre gegeben war. Eine Verfassungswidrigkeit kann diesfalls nicht erkannt werden.

Wenn die Bf einwendet, es spiele Rolle, ob es sich um einen Miet- oder einen Pachtvertrag handle, da in beiden Fällen sowohl aufgrund des ABGB als auch nach dem Wortlaut des Vertrages sämtliche relevanten Verfügungsmöglichkeiten auf den Bestandnehmer übergingen und auf Grund der Tatsache, dass das BFG in der oben genannten Entscheidung über einen Mietvertrag zu entscheiden gehabt hatte, darauf hinzuweisen sei, dass es sich bei dem Vertrag zwischen der ***2*** und der Bf - entgegen der Bezeichnung am Dokument - um einen Mietvertrag handle, ist der Bf zu folgen, dass dies grundsätzlich nicht entscheidungsrelevant ist.

Der Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, heißt überhaupt Bestandvertrag (§1090 ABGB). Der Bestandvertrag wird, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen lässt, ein Mietvertrag (z.B. Miete einer Wohnung) wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag genannt (§1091 ABGB), (z.B. Landwirtschaft, Gastronomie). Der Pächter nutzt das Bestandsobjekt idR zur Erzielung von Erträgen (Fruchtgenuss).

Wenn die Bf einwendet, dass die Räumlichkeiten erst für den bestimmungsgemäßen Gebrauch adaptiert werden mussten, was einen Pachtvertrag per se ausschließe und auch kein Kundenstock oder behördliche Genehmigungen übertragen worden seien, so ist dazu zu sagen, dass gegenständlich Teile (Räumlichkeiten) eines (lebenden) Hotelbetriebes zum Zwecke des Betriebes eines Card Casinos übergeben wurden, wobei dem "Unterpachtvertrag" zu entnehmen ist, dass der Unterverpächter ein wirtschaftliches Interesse an der "Weiterführung" des Betriebes hat und der Unterpachtgegenstand ausschließlich zu Geschäftszwecken insbesondere zum Betrieb eines Card Casinos verpachtet wird. Synergien zwischen Hotel bzw. Gastronomie und Casino konnten wohl jedenfalls erzielt werden. Demensprechend hat die Verpächterin wohl mehr als nur den reinen Pachtzins lukriert.

Die Inanspruchnahme zur Haftung ist eine Ermessensentscheidung. Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO). In diesem Zusammenhang sind alle im gegenständlichen Fall in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen.

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit "das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" (vgl zB ; , 2003/17/0132; , 2009/15/0161; , Ro 2018/15/0025).

Die "Billigkeit" gebietet etwa die Berücksichtigung von Treu und Glauben (siehe § 114 Tz 6 ff) sowie des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei (vgl zB Stoll, BAO, 208). Zur "Zweckmäßigkeit" iSd § 20 gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (zB Ritz, ÖStZ 1996, 70); siehe Rz 9 (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 20, III. Kriterien [Rz 5 - 9]). Bei der Inanspruchnahme persönlich Haftender ist somit vor allem die Nachrangigkeit der Haftung zu berücksichtigen (vgl zB Ritz, ÖStZ 1991, 94; ).

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem, auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner tatsächlich uneinbringlich ist, was im Streitfall angesichts der Tatsache, dass die ***2*** inzwischen infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst ist, evident ist. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Ein Verschulden an der Nichterfüllung der Verpflichtung der Hauptschuldnerin zur Abgabenentrichtung im oben aufgezeigten Ausmaß kann der Bf nach der Aktenlage wohl nicht angelastet werden.

Weiters ist im gegenständlichen Fall bei der Bemessung der Haftungshöhe auf den Umstand des überaus langen Zeitablaufs Bedacht zu nehmen. Ein solcher Umstand kann lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind, wobei die Frage inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, vom Einzelfall abhängt (zB ; in ). Zwischen dem Entstehen des Abgabenanspruches (§ 59 Abs. 1 GSpG) im Jahr 2013 (und folgende) und der Erlassung des Haftungsbescheides im November 2021 liegt ein Zeitraum von über 8 Jahren, welcher jedenfalls zu berücksichtigen ist.

Unter Bedachtnahme auf die ermessensrelevanten Verhältnisse des hier zu betrachtenden Einzelfalles, nämlich der langen Zeitdauer bis zur Heranziehung zur Haftung, sowie des mangelnden Verschuldens an der Nichtentrichtung der Abgabe durch den Primärschuldner erachtet das Bundesfinanzgericht die vom Finanzamt - unter Berücksichtigung aller von der Bf vorgebrachten Umstände - vorgenommene Einschränkung der Haftung auf 2,7 % der gesamten Abgabenschuldigkeiten als sachgerecht.

Die grundsätzliche Heranziehung zur Haftung war auf Grund der Tatsache, dass die Bf Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen konnte, Vertragszweck der Betrieb eines Card Casinos war, sie selbst ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Betriebes bekundete und sie schließlich Vorsorge für eine allfällige Haftungsinanspruchnahme treffen hätte können, zu bejahen.

Da die betreffende Norm verfassungskonform ausgelegt werden konnte, verblieben auf Seiten des Bundesfinanzgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken iSd Art 89 Abs. 2 B-VG iVm Art 135 Abs. 4 B-VG gegen die Norm bestehen. Von einem Normenkontrollersuchen an den Verfassungsgerichtshof wurde daher Abstand genommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In gegenständlichem Fall ist eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht widerspricht (vgl. GZ Ro 2021/17/0005 unter Hinweis auf ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
§ 59 Abs. 4 lit. a GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 60 Abs. 22 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101501.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at