Progressionsvorbehalt - deutsche Rente
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Einkommensteuer wird für das Jahr 2021 festgesetzt mit 1.883,00 €.
(Bisher war vorgeschrieben 1.903,00 €.)
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Das Finanzamt hat mit Bescheid vom den Einkommensteuerbescheid 2021 vom gemäß § 299 BAO aufgehoben und mit gleichen Datum einen neuen Einkommensteuerbescheid 2021 erlassen und die Einkommensteuer mit einem Betrag von 1.903,00 € festgesetzt (bisher war ein Betrag von 1.468,00 € festgesetzt gewesen).
Begründend wurde ausgeführt, dass die von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd bezogene Rente in Österreich als Ansässigkeitsstaat zur Berechnung des Progressionssteuersatzes heranzuziehen sei.
Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 erhoben und ausgeführt, dass für die ausländische Rente bereits in Deutschland Steuern bezahlt wurden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die gegenständliche Beschwerde abgewiesen.
Begründend führte das Finanzamt aus, dass die Pension der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Österreich in Deutschland zu versteuern sei. Österreich ermittle einen Durchschnittssteuersatz, der auf das österreichische Einkommen angewendet werde. Die Einkünfte werden zusammengerechnet, der Steuersatz ermittelt und nur das österreichische Einkommen damit versteuert.
Mit Eingabe vom wurde eine Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Die Beschwerdeführerin könne die Vorgangsweise des Finanzamtes nicht nachvollziehen, da die in Deutschland bezahlte Steuer (197,00 €) und die im Inland geleistete Sozialversicherung (99,60 €) bisher nicht berücksichtigt worden seien.
Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat den Wohnsitz auch in Österreich. Sie ist somit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.
Aufgrund der von der deutschen Finanzverwaltung übermittelten Kontrollmitteilung wurde bekannt, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2021 von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd eine Rente in Höhe von 1.954,92 € bezogen hat.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt geht aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen hervor.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 sind nur natürliche Personen einkommensteuerpflichtig. Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Somit unterliegen also natürliche Personen, die im Inland über einen Wohnsitz verfügen, der unbeschränkten Steuerpflicht, die sich auf das gesamte Welteinkommen bezieht (vgl. auch ).
§ 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988 besagt: "Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, gilt Folgendes: Für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend."
Bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes ist daher das (Gesamt)einkommen nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes zu ermitteln (vgl. ). Besonderheiten des ausländischen Steuerrechtes (wie zB nur im ausländischen Steuerrecht vorgesehene Steuerbefreiungen) sind dabei nicht zu berücksichtigen (vgl. Doralt, EStG14, § 2 Tz 193, mwN).
Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 gehören Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Art. 18 DBA-D lautet auszugweise:
(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.
(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.
(3)…
(4) Der Begriff "Rente" bedeutet bestimmte Beträge, die regelmäßig zu festgesetzten Zeitpunkten lebenslänglich oder während eines bestimmten oder bestimmbaren Zeitabschnitts auf Grund einer Verpflichtung zahlbar sind, die diese Zahlungen als Gegenleistung für in Geld oder Geldeswert bewirkte angemessene Leistung vorsieht.
(5) …
Art. 23 DBA-D lautet auszugweise:
(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:
a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.
b) …
c) …
d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.
Gemäß diesen vertraglichen Bestimmungen dürfen Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, nur in diesem anderen Staat besteuert werden.
Gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA Deutschland nimmt Österreich Einkünfte von der Besteuerung aus, die nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden dürfen. Gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA Deutschland dürfen diese Einkünfte gleichwohl in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbezogen werden.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 sind auch Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Versicherung Werbungskosten.
Die Bestimmung des § 73a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in der Fassung des BGBl. I Nr. 102/2010 ordnet an, dass auch von ausländischen Renten ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 und 1a in Österreich zu entrichten ist, wenn ein Anspruch des Beziehers der ausländischen Rente auf Leistungen der Krankenversicherung (im Inland) besteht.
Pflichtbeiträge liegen auch dann vor, wenn bei Bezug einer ausländischen Rente der für diese Rente nach § 73a ASVG zu entrichtende Krankenversicherungsbeitrag von der inländischen Pension einbehalten oder gesondert vorgeschrieben wird. Diese Werbungskosten gelten nach einhelliger Judikatur des Bundesfinanzgerichtes als durch die Auslandsrente veranlasst und sind demnach bei dieser (im Wege des Progressionsvorbehaltes zu erfassenden) in Abzug zu bringen (vgl. mwN).
Aufwendungen, die mit Einkünften im Zusammenhang stehen, die auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Besteuerung im Inland ausgenommen sind (Befreiungsmethode), sind daher von den ausländischen und nicht von den im Inland steuerpflichtigen Einnahmen abzuziehen (vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 48. Lfg., § 16 Tz 3). Demnach vermindern die einbehaltenen Krankenversicherungsbeiträge die ausländischen Progressionseinkünfte.
Die Beschwerdeführerin hat im Vorlageantrag die Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 99,60 € begehrt. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes handelt es sich dabei zweifelsfrei um Pflichtbeiträge nach § 73a ASVG (5,1% von 1.954,92 €).
Die deutschen Einkünfte der Beschwerdeführerin sind damit zwar in Österreich nicht zu besteuern, wohl aber bei der Ermittlung des Steuersatzes für das übrige inländische Einkommen zu berücksichtigen (Progressionsvorbehalt). Dabei wird das Einkommen (Gesamteinkommen) nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes ermittelt, die auf dieses Einkommen entfallende österreichische Einkommensteuer eruiert, und sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser wird auf jenen Einkommensteil angewandt, welcher von Österreich besteuert werden darf (vgl. unter Hinweis auf Hofstätter/Reichel, § 33 EStG 1988 Tz 18 und Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich, Art. 15 Rz 51).
Dieser Progressionsvorbehalt ist bei Vorliegen entsprechender inländischer Einkünfte im Wege einer Steuerveranlagung durch das Wohnsitzfinanzamt zwingend vorzunehmen und liegt nicht im Ermessen der Behörde. Unbestritten liegt das "Welteinkommen" der Beschwerdeführerin über 11.000 € und ist der Durchschnittssteuersatz somit nach § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berechnen.
Die österreichische Rechtslage ist somit eindeutig und wirft keine Zweifelsfragen auf. Die deutschen Rentenbezüge sind ohne Abzug von steuerfreien Rententeilen ("Rentenfreibetrag") in Ansatz zu bringen. Der in Deutschland bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens im Streitjahr steuerfrei belassene Teil der Rente kann somit in Österreich für Zwecke des Progressionsvorbehaltes nicht abgezogen werden.
Ebenso ist die in Deutschland bezahlte Einkommensteuer nicht zu berücksichtigen. Diese Steuer wäre nur dann zu berücksichtigen, wenn im Doppelbesteuerungsabkommen die sogenannte "Anrechnungsmethode" bestimmt worden wäre.
Die ausländischen Einkünfte zur Ermittlung des Progressionsvorbehaltes ermitteln sich wie folgt:
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Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd | 1.132,44 € |
Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd | 822,48 € |
Abzüglich Krankenversicherungsbeitrag § 73a ASVG | -99,60 € |
Summe | 1.855,32 € |
Aus den angeführten Gründen konnte der Beschwerde nur ein teilweiser Erfolg beschieden sein.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz und der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, diese schlichte Rechtsanwendung berührt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: Berechnungsblatt Einkommensteuer 2021
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 23 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 73a ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100346.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at