Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2023, RV/6100288/2020

Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Zwilling in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner & Mag. Franz Lochbichler Rechtsanwälte-Strafverteidiger OG, Marktplatz 2, 5620 Schwarzach/Pongau, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See vom betreffend Aufhebung gem. § 299 BAO der Einkommensteuer 2016 und Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 nach § 299 BAO vom wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Kaufvertrag vom veräußerte die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Bf) die Liegenschaft EZ ***1***, ***2*** um einen Kaufpreis von € 1.100.000,00. Am wurden die für die Berechnung der ImmoESt relevanten Daten an das Finanzamt übermittelt; aufgrund der Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG wurde jedoch keine ImmoESt abgeführt.

Im Jahr 2018 fand bei der Bf eine abgabenrechtliche Außenprüfung hinsichtlich Einkommens- und Umsatzsteuer der Jahre 2014-2016 statt. Im Bericht über die Betriebsprüfung wird unter dem Punkt "Tz 1 - Immobilienertragsteuer" festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung für den privaten Grundstücksverkauf im Jahr 2016 mangels Vorliegen eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung nicht erfüllt seien. Dieser Feststellung Rechnung tragend wurde der Einkommensteuerbescheid 2016 vom mit Bescheid vom nach § 299 BAO aufgehoben und gleichzeitig ein neuer Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 erlassen, in welchem die Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung iHv € 1.100.000,00 erfasst und der Immobilienertragsbesteuerung unterzogen wurde.

Mit Schriftsatz vom erhob die Bf durch ihre steuerliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 sowie gegen den Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO, jeweils vom und beantragte deren ersatzlose Aufhebung. In eventu beantragte die Bf die Abänderung des ersetzenden Einkommensteuerbescheides unter Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG [Anm: gemeint war wohl lit b] auf jenen Teil des Veräußerungserlöses, der auf die von der Bf als Hauptwohnsitz genutzten Räumlichkeiten entfällt. Als Beschwerdegründe werden die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Verfassungswidrigkeit der angewendeten Gesetze geltend gemacht. Die belangte Behörde habe unrichtigerweise ausgesprochen, dass eine Hauptwohnsitzbefreiung rechtlich nicht richtig gewesen wäre, da die Grundbedingungen für diesen Befreiungstatbestand nicht vorgelegen hätten. Da die belangte Behörde nähere Ausführungen dazu schuldig geblieben wäre, seien die Bescheide nicht ordnungsgemäß und für den Normadressaten nicht nachvollziehbar begründet. Aufgrund der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften sei die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben. Als sekundären Feststellungsmangel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung wird gerügt, dass die belangte Behörde Feststellungen dahingehend gänzlich unterlassen habe, um welches Objekt es sich bei streitgegenständlicher Liegenschaft gehandelt habe, wie groß die Grundfläche sei sowie in welcher Form und über welchen Zeitraum die Beschwerdeführerin die Liegenschaft genutzt habe.

Tatsächlich habe die Bf die Liegenschaft in den letzten 10 Jahren vor der Veräußerung überwiegend und sohin zu mehr als 2/3 zu privaten Wohnzwecken und als Hauptwohnsitz genutzt. Neben einem im Parterre des Hauses gelegenen Geschäftslokal habe sich darin lediglich die Privatwohnung der Beschwerdeführerin befunden. Somit seien im streitgegenständlichen Objekt lediglich zwei selbständige Einheiten vorhanden - der Verkaufsraum und die Privatwohnung. Die Privatwohnung inkl. der als Zubehörflächen genutzten ehemaligen Zimmer, welche mangels Küche, Koch-, Bade- oder Waschgelegenheiten, Toilettenanlagen und selbständigen Heizmöglichkeiten keine selbständigen Eigenheimräume darstellen würden, erreiche zumindest 2/3 der gesamten Nutzfläche des Gebäudes. Folglich seien sämtliche Grundbedingungen für den Hauptwohnsitzbefreiungstatbestand gegeben.

Des Weiteren rügt die Bf einen verfassungswidrigen Eingriff des Gesetzgebers in ihre Rechtsposition sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne der Art 2 StGG, Art 7 B-VG und Art 14 EMRK. Durch § 18 Abs 1 lit b EStG sowie § 30 Abs 2 Z 1 EStG werde sachlich nicht gerechtfertigt zwischen Eigentümern von parifizierten Wohnungseinheiten und Eigentümern von nicht parifizierten Wohnungen unterschieden.

Zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung wurde die Bf mit Niederschrift vom vor der belangten Behörde persönlich befragt.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden gegen den Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 2016, jeweils vom , als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründet die Nichtanwendbarkeit der geltend gemachten Hauptwohnsitzbefreiung unter Verweis auf die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen sowie die dazu ergangene Judikatur im Wesentlichen folgendermaßen: Aus dem Gesetzestext gehe hervor, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff "Eigenheim" ein klassisches Wohnhaus iS eines Einfamilienhauses, maximal eines Zweifamilienhauses, verstanden habe. Das streitgegenständliche Gebäude stelle weder nach den vorhandenen Bauplänen, der Baugestaltung und der jahrelangen Nutzung der Räumlichkeiten als Gasthof/Hotel noch nach der Verkehrsauffassung ein Wohnhaus und somit ein vom Gesetz gefordertes "Eigenheim" dar. Dementsprechend könne die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 EStG bereits dem Grunde nach nicht zur Anwendung kommen.

Da sich im Gebäude neben der Privatwohnung der Bf und der vermieteten Verkaufsfläche noch eine weitere, von der Schwiegermutter bzw später vom Schwager der Bf genutzte, Wohnung befinde, könne ohnehin davon ausgegangen werden, dass es sich insgesamt um zumindest drei selbständige Einheiten gehandelt habe.

Gegen die Anwendbarkeit der Hauptwohnsitzbefreiung spreche außerdem das betriebliche Nutzungsausmaß, welches ein Drittel der Gesamtnutzfläche übersteige und somit befreiungsschädlich sei.

Hinsichtlich des Vorliegens einer Eigentumswohnung iSd § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG, welche einer Befreiung ebenso zugänglich wäre, führt die belangte Behörde folgendes aus: Der Begriff sei nach allgemeinem, - auch juristischen - Sprachgebrauch dahin auszulegen, dass es sich um eine Wohnung handeln müsse, an der Wohnungseigentum iSd WEG 2002 begründet wurde. Eine nicht parifizierte Wohnung könne aus diesem Grund nicht Gegenstand einer Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG sein. Einen verfassungswidrigen Eingriff in die Rechtsposition des Einzelnen und die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte habe der VfGH in einem gleichgelagerten Fall verneint. Diesbezügliche Bedenken bestünden sohin nicht.

Mit Schriftsatz vom , eingelangt am , beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerden gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 und den Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO, jeweils vom , zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht geht in vorliegendem Fall von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Die Bf war bis zum Verkauf im Jahr 2016 grundbücherliche Eigentümerin der im Grundbuchstand ***2*** unter der EZ ***1*** erfassten Liegenschaft ***3*** (GSt.Nr. ***4***). Diese wurde mit Notariatsakt vom an die Bf übergeben.

Bei der streitgegenständlichen Liegenschaft handelt es sich um ein ehemaliges Betriebsgrundstück mit dem Betriebsgebäude des ehemaligen Hotels "AB" im Zentrum von Ort. Aufgrund von (baulichen Mängeln geschuldeten) Finanzierungsschwierigkeiten und gesundheitlichen Problemen wurde die betriebliche Tätigkeit mit eingestellt und die gesamte Liegenschaft unter Inanspruchnahme der Gebäudebegünstigung nach § 24 Abs 6 EStG ins Privatvermögen überführt.

Mit Kaufvertrag vom wurde die Liegenschaft um einen Gesamtpreis von
€ 1.100.000,00 veräußert. Da es sich bei der streitgegenständlichen Liegenschaft um Altvermögen handelt, wurden die Einkünfte nach § 30 Abs 4 EStG pauschal ermittelt. Der Veräußerungserlös wurde mit 14 % des Verkaufspreises angesetzt. Unter Anwendung des 30%igen Fixsteuersatzes wurde die Immobilienertragssteuer mit € 46.200,00 festgesetzt.

Zum Zeitpunkt der Veräußerung befand sich auf der Liegenschaft im Gesamtausmaß von 674 m² das ehemalige Hotelgebäude, bestehend aus einem fünfstöckigen Haupthaus aus dem Jahr 1955 und einem im Jahr 1974 errichteten Zubau. Neben den ehemaligen Betriebsräumen und Fremdenzimmern befanden sich darin auch die privat genutzten Räumlichkeiten der Familie der Bf. Lt ZMR vom war die Bf von 1957 bis 2015 mit Hauptwohnsitz an der Adresse der streitgegenständlichen Liegenschaft gemeldet.

Mit Ausnahme von unbedingt notwendigen Reparaturen (zB Rohrbruch) wurden seit der Betriebsaufgabe keine Sanierungsmaßnahmen mehr durchgeführt. Die Räumlichkeiten blieben unverändert.

Die Nutzung der Räumlichkeiten stellte sich seit der Betriebsaufgabe und Überführung der Liegenschaft ins Privatvermögen folgendermaßen dar:

Das Kellergeschoß des Hauptgebäudes sowie der 5. Stock desselben waren zum Zeitpunkt der Veräußerung bzw bereits zuvor keiner Nutzung mehr zugänglich. Im Erdgeschoß befand sich neben einem bis Februar 2016 vermieteten Geschäftslokal ein vormals ebenfalls vermietetes Imbisslokal, welches jedoch aufgrund von fehlenden Sanitäranlagen und Baumängeln nicht mehr vermietbar war. Im 1. Stock des Hauptgebäudes befanden sich ein Büro, ein Archiv und ein Lagerraum, welche allesamt an den Sohn der Bf vermietet wurden, sowie der ehemalige Frühstücksraum, welcher nach Beendigung des Hotelbetriebes für Familienfeiern genutzt wurde. Der 2., 3. und 4. Stock des Hauptgebäudes bestanden jeweils aus sieben ehemaligen Hotelzimmern, einem Bad und einem WC. Während pro Geschoß drei Zimmer weiterhin als Gästezimmer für gelegentliche Verwandtschaftsbesuche dienten, handelte es sich bei den übrigen Zimmern um Lagerräume etwa für Möbel, Deko, Schachteln, Kleidung, Pflanzen und Werkzeuge, einen Vorratsraum, ein Spielzimmer für den Enkel sowie Abstellräume, in welchen beispielsweise eine Modelleisenbahn, Bücher und ein Klavier gelagert wurden. Das Hotelgebäude wurde jedenfalls ab dem Jahr 2010 nicht mehr mit der Zentralheizung beheizt; benötigte Zimmer wurden bei Bedarf mit elektrischen Strahlern versorgt.

Der Zubau war nicht unterkellert, das Erdgeschoß war Teil des vermieteten Geschäftslokals. Im 1. Obergeschoß des Zubaus befand sich die ehemalige Wohnung der Schwiegermutter - bestehend aus Schlafzimmer, Wohnraum, Bad und WC - welche der Schwager der Bf unentgeltlich als Nebenwohnsitz nutzte. Die im 2. Obergeschoß befindlichen Wasch- und Trockenräume samt Archiv wurden von der Bf als Zusatzfläche für ihre im 3. Obergeschoß des Zubaus befindliche Privatwohnung - bestehend aus Kinderzimmer, Schlafzimmer, Wohnraum, Küche, Hobbyraum, WC, Bad und Diele - genutzt.

Für die Warmwasserversorgung des Zubaus wurde ein zusätzlicher Boiler aufgestellt. Die Stromversorgung war bis zuletzt für das gesamte Gebäude aufrecht. Es gab zwei Stromzähler, wobei einer das vermietete Geschäftslokal betroffen hat und der andere das restliche Gebäude.

Die Aufteilung der Gesamtfläche auf die einzelnen Geschoße und Räumlichkeiten gestaltete sich wie folgt:

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten.

Die entscheidungsrelevanten Fakten sind unbestritten. Strittig ist lediglich die Frage, ob das ehemals als Hotel genutzte Gebäude ein Eigenheim bzw ob die Privatwohnung der Bf eine Eigentumswohnung iSd § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 darstellt, welche/s einer Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 zugänglich ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem § 30 Abs 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

Von der Besteuerung ausgenommen sind nach Abs 2 Z 1 die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden, wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

Die Definition der Begriffe "Eigenheim" und "Eigentumswohnung" richtet sich nach § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988. Während der Nutzung als Hauptwohnsitz darf das Eigenheim bzw die Eigentumswohnung die Eigenschaft als solche/s nicht verlieren (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG16 2023, § 30 Rz 27).

Ein Eigenheim ist gem § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Das Eigenheim kann demnach ein Einfamilienhaus oder ein Haus mit höchstens zwei Wohnungen sein. Sind mehr als zwei Wohnungen vorhanden, so liegt jedenfalls kein Eigenheim vor, unabhängig davon, wie sich die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse gestalten (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 § 30). Dies gilt auch dann, wenn zwei Wohnungen für Wohnzwecke gewidmet sind und eine dritte Wohnung in der gleichen Größe vermietet wird (vgl. Peyerl in Jakom, EStG12 2019, § 18 Rz 57; ). Die Beurteilung der Anzahl der Wohneinheiten hat anhand der Baupläne, der ursprünglichen Zweckbestimmung und der tatsächlichen Bauausführung zu erfolgen (; ). Grundvoraussetzung für das Vorliegen eines Eigenheims ist, dass es sich bei dem Gebäude um ein Wohnhaus handelt. Als Eigenheim kann nur ein Wohnhaus angesehen werden, welches dazu geeignet ist, ganzjährige Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Die Eignung zu diesem Zweck ist nach den tatsächlichen Verhältnissen unter Heranziehung der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Weiters kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Wohnhaus vorliegt, auf dessen bauliche Gestaltung und die aufgrund seiner Ausstattung bestehende objektive Eignung, dieses dauernd zu bewohnen, und nicht auf die den einzelnen Gebäudeteilen zukommende Funktion oder eine vollständige Einrichtung an. Ein ehemaliges Hotel - auch wenn es teilweise als Hauptwohnsitz benutzt wurde - stellt daher kein Eigenheim dar (vgl Gaedke/Huber-Wurzinger, Die Immobilienertragsteuer3, 2023; Kanduth-Kristen in Jakom, EStG16 2023, § 30 Rz 27; Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Rz 136; ; , 579/77; , 1243/77; , 88/14/0179).

Bei streitgegenständlicher Liegenschaft handelt es sich um ein ehemaliges Hotel samt privat genutzten Zubau. Die Raumaufteilung sowie auch die Räumlichkeiten an sich wurden nach Beendigung des Hotelbetriebes kaum bis gar nicht verändert. Auch wenn die Bf dort über Jahrzehnte ihren Hauptwohnsitz hatte, stellt das ehemalige Hotel kein Gebäude dar, das nach seiner baulichen Gestaltung und der Verkehrsauffassung als Wohnhaus angesehen werden kann. Aus dem Gesetzestext geht hervor, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff des "Eigenheimes" ein klassisches Wohnhaus im Sinne eines Einfamilienhauses, maximal eines Zweifamilienhauses, verstanden hat. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen zum Wohnbauförderungsgesetz 1984, dessen Terminologie sich das EStG bedient (vgl. Peyerl in Jakom, EStG12 2019, § 18 Rz 56; Erl zu WFG 1984, RV 246 BlgNr. GP XVI, 22). Unter Beachtung der vorhandenen Baupläne, der Baugestaltung und der jahrelangen Nutzung der Räumlichkeiten als Hotel stellt das Gebäude kein "Eigenheim" iSd Gesetzes dar, sodass bereits dem Grunde nach die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 nicht zur Anwendung kommen kann.

Mit Erkenntnis vom , 87/14/0052, entschied der VwGH, dass es sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt, dass unter Eigenheim ein Gebäude zu verstehen ist, welches vom Besitzer (im Wesentlichen) selbst zu Wohnzwecken benützt wird, sei es durch eigenes Bewohnen allein, sei es mit nahen Angehörigen. Dafür, dass der Gesetzgeber von diesem Wortsinn abweichen wollte, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt (). Auch diese Entscheidung verdeutlicht, dass ein (ehemaliges) Hotel kein einer Hauptwohnsitzbefreiung zugängliches Eigenheim iSd § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 darstellt.

Den Angaben der Bf zufolge habe das Gebäude aus zwei selbständigen Einheiten bestanden, dem Verkaufsraum im Parterre und ihrer Privatwohnung. Nachdem sich im ersten Obergeschoß des Zubaus eine weitere Wohneinheit - die ehemalige Wohnung der Schwiegermutter der Bf, welche nach deren Tod dem Schwager der Bf zur Verfügung gestellt wurde - befand, kann angenommen werden, dass das Gebäude zumindest drei selbständige Einheiten umfasst hat. Ein Eigenheim iSd Gesetzes liegt somit auch aus diesem Grund nicht vor.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen müssen zumindest zwei Drittel der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dienen. Unschädlich für die Hauptwohnsitzbefreiung ist es, wenn mehr als ein Drittel der Gesamtnutzfläche von nahen Angehörigen oder fremden Dritten unentgeltlich für Wohnzwecke genutzt werden. Schädlich ist jedoch die Nutzung für anderweitige Zwecke (z.B. betriebliche Zwecke, häusliches Arbeitszimmer, Vermietung für fremde Wohnzwecke), wenn diese insgesamt mehr als ein Drittel der Nutzfläche umfasst. Dies gilt auch dann, wenn diesbezüglich aufgrund einer ertragsteuerlichen Beurteilung als Liebhaberei keine Einkunftsquelle vorliegt. Kommt es zu keiner Überschreitung der für sonstige Zwecke genutzten Nutzfläche, steht die Hauptwohnsitzbefreiung im vollen Umfang zu (vgl. Kanduth-Kristen in Jakom, EStG16 2023, § 30 Rz 27; Portele/Portele, Das 1 × 1 der Steuern bei Immobilien4, 2021; ; , RV/2100081/2017; Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Rz 139f; , , 87/14/0052, , 90/14/0240).

Zur Feststellung des zulässigen Nutzungsausmaßes ist die Gesamtnutzfläche im Verhältnis der für die beiden Nutzungsarten (Wohnzwecke und sonstige Zwecke) verwendeten Flächen aufzuteilen. Zur Gesamtnutzfläche zählen nur bewohnbare oder tatsächlich zur Einkünfteerzielung genutzte Räume. Nicht bewohnbare Räume, die nicht tatsächlich für Zwecke der Einkünfteerzielung genutzt werden (z.B. Keller-, Dachboden- und sonstige Abstellräume) und Gebäudeteile, die gemeinschaftlichen Zwecken dienen (z.B. Stiegenhaus, Gang, Heizraum) sind daher aus der Verhältnisrechnung auszuscheiden. Nicht zur Gesamtnutzfläche gehören weiters: Wandstärken, Treppen sowie offene Balkone und Terrassen, soweit diese nicht betrieblich genutzt werden oder bewohnbar ausgestattet sind (s ua Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch § 18 Rz 57 und 63). Bei der Beurteilung, ob das gesetzlich festgelegte Höchstmaß von zwei Dritteln erreicht ist, kommt es nicht auf die persönliche Verwendung von Räumen durch den Steuerpflichtigen, sondern auf die objektive Eignung - sei es zu Wohn- oder Betriebszwecken - an. Entscheidend hierfür ist wiederum die bauliche Gestaltung und nicht die den einzelnen Gebäudeteilen zukommende Funktion. Dabei wird auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes abgestellt. (, , 337/73, , 84/14/0120, , 85/14/0110, , 87/14/0052, , 91/14/0424; , 16/77; , ).

Das vermietete Geschäftslokal im Ausmaß von 136,50m² im Erdgeschoß und das laut der Beschwerdeführerin vermietete Büro (18m²) mit Archiv (7m²) im ersten Stock des Haupthauses dienten jedenfalls betrieblichen Zwecken. Den zu Wohnzwecken genutzten, privaten Teilen des Hauses können sämtliche Räumlichkeiten des ostseitigen Zubaus - ausgenommen das zur vermieteten Verkaufsfläche gehörige Erdgeschoß - zugerechnet werden. Im Zubau befand sich die Privatwohnung der Beschwerdeführerin im Ausmaß von insgesamt 74,50 m², bestehend aus Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmern, Kinderzimmer, Hobbyraum, Diele, Bad und WC sowie die Wasch- und Trockenräume samt Archiv im Ausmaß von ca. 60 m². Die ehemalige Wohnung der Schwiegermutter (ca. 50m²), welche dem Schwager zur Verfügung gestellt wurde, kann ebenfalls den privaten Wohnzwecken zugeordnet werden. All diese Privaträume wurden beheizt. Außerdem gab es einen Warmwasserboiler.

Die Räumlichkeiten des Haupthauses, welche vormals als Hotelzimmer sowie als Gasträume genutzt wurden, haben der Bf hauptsächlich als Abstell- und Lagerräume gedient. Zeitweise wurden Gäste/Verwandte beherbergt. Außer unabdingbaren Reparaturen wurden keine Sanierungsarbeiten durchgeführt. Die Zentralheizung wurde entleert, sodass das Hotelgebäude ab 2010 nicht mehr mit der Zentralheizung beheizt wurde. Auch wurde seit der Betriebsaufgabe kein Warmwasser mehr für das Hotelgebäude benötigt. Lediglich die Stromversorgung war weiterhin für das gesamte Gebäude aufrecht. Der Erdkeller sowie der
5. Stock waren einer Nutzung nicht mehr zugänglich. Die im Erdgeschoß befindliche ehemalige Imbissstube war sanierungsbedürftig und verfügte über keine Sanitäranlagen und stand aus diesem Grund bereits seit längerer Zeit leer. Folglich waren sämtliche Räume nicht mehr für eine ganzjährige Bewohnbarkeit geeignet und somit aus der Verhältnisrechnung auszuscheiden.

Im Ergebnis dienten somit weniger als zwei Drittel der Gesamtnutzfläche privaten Wohnzwecken, was einer Hauptwohnsitzbefreiung entgegensteht. Da gegenständlich jedoch ohnehin kein "Eigenheim" vorliegt, würde auch eine gegenteilige Feststellung nicht zu einer Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung führen. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

Der Begriff "Eigentumswohnung" wird im Gesetz nicht definiert. Bis zum Budgetbegleitgesetz 2011 wurde eine Eigentumswohnung in § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 näher definiert, nämlich als eine Wohnung im Sinne des WEG 2002, die mindestens zu zwei Drittel der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dient. Der und den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz folgend, soll sich an dem bisherigen Begriffsverständnis bezogen auf österreichische Wohnungen nichts ändern; das Fehlen eines Verweises auf das WEG 2002 ändert nichts an dem Tatbestandsmerkmal "Eigentumswohnung". Trotz Streichung aus dem Gesetzestext bezieht sich die Hauptwohnsitzbefreiungsbestimmung demnach nur auf Eigentumswohnungen im Sinne des WEG 2002 (Tomas in SWK 3/2019, S 97f; ).

Nach § 2 Abs 2 WEG 2002 sind Wohnungseigentumsobjekte Wohnungen […], an denen Wohnungseigentum iSd § 3 Abs 1 WEG 2002 begründet wurde. Eine Wohnung ist ein baulich abgeschlossener, nach der Verkehrsauffassung selbständiger Teil eines Gebäudes, der nach seiner Art und Größe geeignet ist, der Befriedigung eines individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen.

Die Hauptwohnsitzbefreiung für die Veräußerung von Eigentumswohnungen nach § 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988 bezieht sich somit nur auf Wohnungen, an denen Wohnungseigentum begründet wurde. Für die Geltendmachung der Hauptwohnsitzbefreiung muss zumindest im Zeitpunkt der Veräußerung ein Wohnungseigentumsvertrag im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 WEG 2002 abgeschlossen sein. Wird mangels Abschlusses eines Wohnungseigentumsvertrages keine Eigentumswohnung veräußert, kann eine solche auch nicht in wirtschaftlicher Betrachtungsweise fingiert werden (Tomas in SWK 3/2019, S 98).

In gegenständlichem Fall liegt kein Wohnungseigentumsvertrag iSd § 3 Abs 1 Z 1 WEG 2002 und sohin auch keine Eigentumswohnung iSd § 18 Abs 1 Z 3 lit b EStG 1988 vor. Es kann dem Gesetzgeber, der auch bei Vorliegen eines "Eigenheims" Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen nicht von der Hauptwohnsitzbefreiung umfasst sehen will, nicht zugesonnen werden, einen Fall wie den vorliegenden nicht mitbedacht zu haben. Eine (allenfalls analoge) Anwendung der Befreiungsbestimmung auf diesen Sachverhalt ist somit nicht geboten (), weshalb auch der Eventualantrag auf Gewährung der Hauptwohnsitzbefreiung hinsichtlich der Privatwohnung der Bf als unbegründet abzuweisen war.

Bedenken hinsichtlich eines eventuell vorliegenden Verstoßes gegen den Gleichheitssatz sind dem BFG im Hinblick auf die Ausführung des Verfassungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom (E 3279/2016) zu einem gleichgelagerten Fall nicht entstanden. In diesem Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, die Beschwerde rüge die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Soweit diese Beschwerde verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde (§ 30 Abs 2 Z 1 EStG 1988), lasse das Vorbringen vor dem Hintergrund des gleichgelagerten Beschwerdefalles die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe ().

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Aufhebung nach § 299 BAO:

Gemäß § 299 iVm § 302 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde einen Bescheid bis zum Ablauf eines Jahres ab Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Berichtigungen gem § 299 BAO liegen im Ermessen der Abgabenbehörde, wobei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorzug gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen ist.

Die Erstveranlagung der Einkommensteuer 2016 erfolgte mit Bescheid vom erklärungsgemäß. Im Zuge der Außenprüfung wurde von der belangten Behörde festgestellt, dass die ursprünglich in Anspruch genommene Hauptwohnsitzbefreiung mangels Vorliegen eines Eigenheimes nicht zustehe, woraufhin der Einkommensteuerbescheid vom mit Bescheid vom nach § 299 BAO aufgehoben und gleichzeitig ein neuer Einkommensteuerbescheid erlassen wurde, in welchem Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen iHv € 1.100.000,00 angesetzt wurden. Aufgrund der Nichtberücksichtigung dieser Einkünfte im Erstbescheid vom erwies sich der Spruch als nicht richtig; die Auswirkungen waren nicht bloß geringfügig. Die Aufhebung nach § 299 BAO erfolgte innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist und somit zurecht.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 vom nach § 299 BAO war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht strittige Rechtsfrage ist durch die Rsp des VwGH geklärt. Von dieser wird im vorliegenden Erkenntnis nicht abgewichen. Die (ordentliche) Revision war somit nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100288.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at