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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.10.2023, RV/5100461/2022

Ständiger Aufenthalt des Kindes in einem Drittland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff: ***OB***, über die Abweisung eines Antrags auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für das Kind ***K.***, geb. ***Geb.Dat.***, für die Zeiträume April 2019 bis März 2021 zu Recht erkannt:

I. Soweit der angefochtene Bescheid über die Zeiträume April 2019 bis August 2020 abspricht, wird die Beschwerde gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
Soweit der angefochtene Bescheid über die Zeiträume September 2020 bis März 2021 abspricht, wird der Beschwerde gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird insoweit aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem mit datierten und am beim Finanzamt eingelangten Vordruck "Beih 100-PDF" beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) die Zuerkennung der Familienbeihilfe für seinen am ***Geb.Dat.*** geborenen Sohn ***K.***.

Daraufhin ersuchte das Finanzamt den Bf. mit Schreiben vom um die Vorlage weiterer Unterlagen (Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt der Kindesmutter, Anmeldebescheinigung des Kindes, Bestätigung über die Abmeldung der Familienleistungen im letzten Wohnsitzstaat) sowie um eine Stellungnahme zu dem Umstand, dass die Familienbeihilfe ab April 2019 beantragt wurde, obwohl das Kind und die Kindesmutter erst seit September bzw. Oktober 2020 in Österreich meldebehördlich registriert sind.

Der Bf. äußerte sich dazu im Wesentlichen wie folgt:
Er habe die Familienbeihilfe ab dem beantragt, weil zu diesem Zeitpunkt auch seine Elternkarenz begonnen habe. Beruflich sei er noch bis Mitte März in einem Projekt gebunden gewesen und sein Sohn und seine Partnerin hätten die Wintermonate in ihrem Heimatland Indien verbracht. Ursprünglich sei geplant gewesen, die beiden Mitte März zurück nach Österreich zu bringen und dann alle nötigen Behördengänge zu machen. Unglücklicherweise habe sich Covid-19 genau zu dieser Zeit zu einer globalen Pandemie entwickelt und Indien habe alle internationalen Flüge ausgesetzt. In den folgenden Monaten sei die Familie dadurch getrennt gewesen, weil weder die Einreise nach noch die Ausreise aus Indien möglich gewesen seien.
Das Kinderbetreuungsgeld, welches ihm während seiner Karenz zustehe, sei allerdings an die Familienbeihilfe gekoppelt. Nur wenn die Familienbeihilfe ab dem 1. April zuerkannt werde, könne er auch ab April Kinderbetreuungsgeld beziehen. Da er auch während der räumlichen Trennung der Familie Fixkosten habe und außerdem letztlich die Ausreise seiner Familie aus Indien unter Covid-Bedingungen deutlich kostspieliger gewesen sei als zu normalen Zeiten, benötige er das Kinderbetreuungsgeld ab dem 1. April. Während der Elternkarenz habe das Kinderbetreuungsgeld sein einziges Einkommen sein sollen, daher würde seine Familie nun schon seit einiger Zeit von seinem Ersparten leben, welches mittlerweile aber ebenfalls schon fast aufgebraucht sei.

In Deutschland habe er eine Familienleistung nie beantragt, daher habe er auch keine Abmeldebestätigung.

Zu einem weiteren Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom nahm der Bf. wie folgt Stellung (auszugsweise):
"Sie haben um eine schriftliche Stellungnahme zu folgenden Ergänzungspunkten gebeten:
1. Nachweis über rechtmäßigen Aufenthalt der Mutter
2. Anmeldebescheinigung
***K.***
3. Bestätigung, dass die Familienleistung im letzten Wohnsitzstaat abgemeldet wurde
4. Meldeamtsbestätigung über die Abmeldung des Wohnsitzes in Deutschland
5. Nachweis bezüglich Beschäftigung der Kindsmutter
6. Nachweis bezüglich Beschäftigung der Kindsmutter in Deutschland

Zu 1.: Die Anmeldebescheinigung der Kindsmutter steht weiter aus und hängt sehr an meinem Einkommensnachweis. Als dieses war das Kinderbetreuungsgeld gedacht. Für das Kinderbetreuungsgeld wiederum brauche ich die Bewilligung der Familienbeihilfe (wofür ich dann wieder die Anmeldebescheinigung der Kindsmutter brauche). Sie sehen, wir drehen uns hier im Kreis. Glücklicherweise hatte die Abteilung Aufenthaltsrecht ein Einsehen und unser Antrag scheint bearbeitet zu werden. Auf Seite 2 und 3 habe ich diesem Dokument unsere E-Mail Korrespondenz mit der Abteilung Aufenthaltsrecht angehängt. Ich weiß nicht, wie bald wir einen Termin bekommen können. Sobald wir die Bescheinigung bekommen haben, werde ich dieses Dokument updaten.

Zu 2.: Bisher haben wir nur die "Bestätigung über die Antragsstellung zur Erlangen einer Anmeldebescheinigung" (vgl. Seite 4). In diesem Schreiben wird von der Abteilung Aufenthaltsrecht bestätigt, dass alle Voraussetzungen formal gegeben sind, allerdings muss dafür auch die Mutter gemeldet werden. Dieser Punkt hängt daher mit 1. zusammen und wird daher auch gemeinsam bearbeitet.

Zu 3.: Eine Familienleistung habe ich nie beantragt, da ich in Österreich meine Steuern und Sozialabgaben zahle. Daher habe ich leider auch keine Abmeldebestätigung. Ich werde ab Montag versuchen, eine Bescheinigung zu bekommen, dass wir nie irgendwelche Leistungen aus Deutschland bekommen haben. Ich weiß allerdings nicht, ob es eine Bescheinigung überhaupt gibt. Sollte ich eine Bescheinigung aus Deutschland bekommen, werde ich dieses Dokument ebenfalls updaten.

Zu 4.: Meine Frau ist Inderin und ihr EU Daueraufenthaltsrecht ist an unseren deutschen Sohn geknüpft, daher sollte alles von der Erstanmeldung bis zur späteren Einbürgerung alles über das deutsche Ausländeramt laufen. Dafür brauchen wir aber einen (Zweit-) Wohnsitz in Deutschland. Daher haben wir uns nie in Deutschland abgemeldet.

Zu 5.: Die Kindsmutter ist (in Europa) nie eine Beschäftigung nachgegangen.

Zu 6.: siehe zu 5.

"

Das Finanzamt wies in der Folge den Antrag des Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe für seinen Sohn mit dem hier angefochtenen Bescheid vom für die Zeiträume "April 2019 bis März 2021" ab.
Dies mit folgender Begründung:
"Für den Zeitraum bis lag in Österreich bezüglich des Kindes weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt vor. Ab Geburt des Kindes bis 8/2020 lag daher nach § 2 Absatz 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe vor.

Gemäß § 3 Absatz 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach § 5 (1) NAG sind EWR-Bürger zum Aufenthalt berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind und für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen. Da dies im Zeitraum von 4/2020-3/2021 nicht der Fall war, liegt ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum von 9/2020 bis 3/2021 nicht vor.

Zu ***K.***:

Ein Anspruch lag von 4/2019 bis 3/2021 nicht vor."

Dagegen richtet sich die vorliegende über FinanzOnline eingebrachte Beschwerde. Zur Begründung wird darin Folgendes ausgeführt:
"Gemäß Ihrem Schreiben haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich rechtmäßig in Österreich aufhalten. Da ich seit 2015 in Österreich angestellt, berufstätig und krankenversichert bin, ist mein Aufenthalt eindeutig als rechtmäßig einzustufen. Das Angestelltenverhältnis besteht beim gleichen Arbeitgeber wie vor Beginn der Elternkarenz weiterhin fort. Die generelle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts meines Sohnes ***K.*** - inklusive des Vorhandenseins ausreichender Existenzmittel - hat die Abteilung Aufenthaltsrecht der Stadt ***X.*** bereits ordnungsgemäß festgestellt.
Seit meiner Freistellung von der Arbeit zum Zweck der Elternkarenz ab dem sorge ich - wie übrigens bereits in der Zeit davor - mit meinen vorhandenen Existenzmitteln für das physische und soziokulturelle Wohlergehen meines Sohnes und dessen Mutter, meiner Partnerin. Die Bedingung der Existenzsicherung ist somit ganz offensichtlich auch erfüllt - andernfalls würden wir ja nicht mehr existieren. Es ist daher völlig unklar, wie Sie zu einer anderen Beurteilung der Sachlage kommen konnten.
Nebenbei bemerkt empfinde ich es als äußerst zynisch, dass sie unseren Sohn mit der Begründung, dass Existenzmittel angeblich fehlten, ebensolche vorenthalten wollen.
In meinem früheren Anschreiben habe ich darüber hinaus die Gründe für die verspätete Anmeldung meines Sohnes bereits ausführlich dargestellt. Seit Monaten wird von mir seitens der Behörden immer wieder Verständnis verlangt, dass pandemiebedingt Bearbeitungen von Anträgen, Terminvergaben etc. länger dauern würden, weshalb ich diesbezüglich Ihrerseits ebenso auf etwas mehr Verständnis und Kulanz gehofft hatte.
Ich weise Sie darauf hin, dass eine Kopie dieses Schreibens meiner Anwältin vorliegt.
"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Sohn des Bf. am ***Geb.Dat.*** geboren sei und im Zeitraum von bis nach dem Väter-Karenzgesetz eine Karenzvereinbarung mit dem Dienstgeber vorgelegen sei. Insofern sei ein Anspruch auf Leistungen ab September 2020 vorgelegen und die Gewährung sei ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen.
Strittig sei jedoch der Zeitraum von April 2019 bis August 2020, da kein Wohnsitz des Kindes in Österreich vorgelegen sei.
Laut den zuvor näher angeführten Angaben und Nachweisen gehe das Finanzamt von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen in Indien aus. Im September 2020 sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich verlagert worden. Bezüglich des Zeitraumes bis August 2020 sei daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Bf. brachte in der Folge am über FinanzOnline einen Vorlageantrag ein, in dem er Folgendes vorbrachte:
"Laut Ihrem Schreiben vermuten sie meinen Mittelpunkt des Lebensinteresses bis August 2020 in Indien. Dies ist aus folgenden Gründen unzutreffend:
- Zeitgleich zum Beginn meiner Elternkarenz im April 2020 entwickelte sich Covid-19 zu einer globalen Pandemie. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich meinen Lebensmittelpunkt gar nicht verlagern können.
- Insbesondere Indien hat alle internationalen Flüge seit März 2020 verboten und alle Touristenvisa am aufgehoben. Vgl. z.B. https://reisetopia.de/news/coronavirus-das-sind-die-aktuellen-einreisebestimmungen-weltweit/ - Zitat: : Das indische Gesundheitsministerium gab am späten Mittwochabend (Ortszeit) bekannt, die Gültigkeit sämtlicher Touristenvisa mit sofortiger Wirkung aufzuheben.
- Wie bereits früher dargelegt, führte das dazu, dass meine Familie im Gegenzug nicht nach Österreich kommen konnte, da auch für sie das internationale Flugverbot galt. Vgl.: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/indiensicherheit/205998. Zitat: des seit März 2020 eingestellten kommerziellen Flugverkehrs
Ich bitte daher anzuerkennen, dass hier ein Fall höherer Gewalt vorliegt. Die Elternkarenz hatte ja einzig und allein den Grund, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Niemals hätte ich freiwillig diese Zeit von ihr getrennt verbracht! Davon konnte mich nur eine globale Pandemie, mit all ihren Auswüchsen, wie eben dem eingestellten kommerziellen Flugverkehr aus Indien abhalten.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In diesem auch dem Bf. zur Kenntnis gebrachten Vorlagebericht nahm die Behörde zur vorgelegten Beschwerdesache wie folgt Stellung:
"§ 5 Abs 3 FLAG 1967 lautet:
(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes i.S.d. § 5 Abs 3 FLAG 1967 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa ; ; ). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 5 Rz 9).
Das FLAG 1967 legt für den Bezug von Familienbeihilfe kumulative Anspruchsvoraussetzungen einerseits für die anspruchsberechtigte Person und andererseits für das anspruchsvermittelnde Kind fest. Fehlt eine dieser (kumulativen) Voraussetzungen, steht die Familienbeihilfe nicht zu (vgl. ).
Der Sohn des Bf. hielt sich von
***Geb.Dat.*** (Geburt in Aizawl/Indien) bis zur Einreise in Österreich am ständig im Ausland auf und lebte bei der Kindesmutter in Indien. Für den Zeitraum ***Geb.Dat.*** bis besteht daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Es wird beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde dem Bf. die Gelegenheit gegeben, sich zu den behördlichen Feststellungen, wonach sich sein Sohn seit der Geburt am ***Geb.Dat.*** bis zur Einreise nach Österreich am ständig bei der Kindesmutter in Indien aufgehalten habe, zu äußern und auch die Umstände und Gründe für den Aufenthalt des Kindes in Indien in der Zeit von der Geburt bis zum Beginn der Corona-Pandemie näher darzustellen.

Der Bf. brachte daraufhin vor, dass er von November 2018 bis März 2020 beruflich auf Montage in Rumänien beschäftigt gewesen sei. Daher sei es für ihn und seine Partnerin das Sinnvollste und Sicherste gewesen, Mutter und Kind in Indien zu belassen. Die Schwangerschaft selbst sei nämlich eine Risikoschwangerschaft gewesen und seine Frau sei währenddessen engmaschig von den dortigen Fachärzten betreut worden, was auch nach der Geburt sowohl für die Mutter als auch für den Sohn des Bf. notwendig gewesen sei.
Dementsprechend habe die Familie nicht nach Rumänien wollen, weil die medizinische Versorgung unsicher gewesen sei, weder der Bf. noch seine Partnerin das Land gekannt oder die Sprache gesprochen hätten und der Bf. während seiner Montageeinsätze erfahrungsgemäß beruflich sehr ausgelastet sei. Gegen Österreich habe neben der fortlaufenden medizinischen Betreuung in Indien auch gesprochen, dass seine Frau während seiner Entsendung ganz alleine mit dem Kind gewesen wäre.
Weder seine Familie noch die seiner Frau wären in der Nähe gewesen, einen Freundeskreis aus anderen Familien hätten sie noch nicht gehabt und der Bf. sei den Großteil der Zeit beruflich in Rumänien gewesen. In Indien hingegen habe seine Frau zusätzlich die volle Unterstützung ihrer gesamten Familie gehabt, was insbesondere in den ersten vulnerablen Lebensmonaten eines Kindes ungemein wichtig gewesen sei. Seine Frau habe die dortigen Gegebenheiten gekannt, wie insbesondere die besten Kinderärzte, Krankenhäuser etc., und die behandelnden Ärzte wiederum ihre medizinische Vorgeschichte.
Die Übersiedlung im März sei dann aufgrund der globalen Covid-Epidemie geplatzt. Zuerst sei sein Visum annulliert worden, wodurch er seine Familie nicht habe "abholen" können. Dann habe Indien im März alle (internationalen) Flüge gänzlich ausgesetzt. Dadurch sei es nicht möglich gewesen, trotz der inzwischen stabilen medizinischen Situation seines Sohnes und seiner Frau, wie geplant im März 2020 die Familienzusammenführung zu realisieren. Dies habe erst geschehen können, als der internationale Flugverkehr nach Indien endlich wiederaufgenommen worden sei. All dies habe der Bf. bereits in der vorherigen Korrespondenz ausführlich erklärt und er könne bei Interesse gerne auch wieder Links und Nachweise, insbesondere zur Annullierung der Visa und dem Aussetzen internationaler Flüge beibringen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass sich das im angefochtenen Bescheid genannte Kind des Beschwerdeführers ab der Geburt im April 2019 bis einschließlich August 2020 ständig in Indien aufgehalten hat.

2. Beweiswürdigung

Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

3. Rechtliche Beurteilung

Soweit das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom der Beschwerde hinsichtlich der Streitzeiträume September 2020 bis März 2021 stattgegeben hat, wird auf die entsprechenden Ausführungen in der Begründung dieser Entscheidung verwiesen.

Hinsichtlich der Zeiträume April 2019 bis August 2020 vertritt das Finanzamt im Vorlagebericht vom sinngemäß die Auffassung, dass der Tatbestand des § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) verwirklicht sei und somit die Familienbeihilfe während dieser Monate nicht zustehe.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ist im Wesentlichen auf Aufenthalte in sogenannten "Drittstaaten" außerhalb des Gebietes der Europäischen Union eingeschränkt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) zu beurteilen (vgl. ; mwN)

Nach § 26 Abs. 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Diese nicht auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abstellende Beurteilung ist nach objektiven Kriterien zu treffen. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Die Frage des ständigen Aufenthaltes im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ist somit nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach dem objektiven Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (vgl ; ; ; ; ).

Der gewöhnliche Aufenthalt erfordert nicht, dass der Aufenthalt freiwillig genommen wird (z.B. kann der Aufenthalt im Gefängnis, in einer Krankenanstalt ober in der Kaserne zum gewöhnlichen Aufenthalt führen). Auch der Umstand, dass sich beispielsweise die Kinder gegen den Willen einer Person an einem Ort aufhalten, steht der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes nicht entgegen (vgl. ; Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 9; Ritz/Koran, BAO7, § 26 Rz 14).

Der im angefochtenen Bescheid genannte Sohn des Bf. kam in Aizawl/Indien im April 2019 zur Welt und lebte ab seiner Geburt mit seiner Mutter in Indien. Dieser Zustand änderte sich erst nach eineinhalb Jahren im September 2020 durch die Einreise der Mutter mit ihrem Kind nach Österreich, die mit der Absicht verbunden war, in Österreich nicht nur vorübergehend, sondern für einen längeren Zeitraum zu bleiben und gemeinsam mit dem Bf. hier zu leben. Der Sohn des Bf. hielt sich somit ab der Geburt bis zur Einreise nach Österreich im September 2020 mit seiner Mutter in Indien und damit im Ausland (außerhalb des Gebietes der Europäischen Union) auf. An deren (grundsätzlichen) körperlichen Anwesenheit über diesen langen Zeitraum und dem tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt in Indien während dieser Zeit besteht kein Streit.

Für den Bf. war - wie seinen Darstellungen im gegenständlichen Verfahren zu entnehmen ist - von der Geburt seines Sohnes an klar, dass die Kindesmutter und das gemeinsame Kind zunächst in Indien verbleiben werden und eine Übersiedlung nach Österreich erst Mitte März 2020 geplant war.
In diesem Zusammenhang brachte der Bf. auch vor, dass die vorgesehene Übersiedlung im März 2020 aufgrund der globalen Covid-Epidemie sodann nicht möglich war.

Wie den Rechtsausführungen zu entnehmen ist, steht allerdings der Umstand eines ab März 2020 bestehenden unfreiwilligen Aufenthalts des Kindes im Ausland der Annahme des ständigen Aufenthaltes im Ausland nicht entgegen. Es ändert nichts an der Tatsache, dass der Sohn des Bf. seit seiner Geburt bis Mitte September 2020 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (Drittland) hatte.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , B 2366/00, im Übrigen zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Vorschrift, die bewirkt, dass Personen, die im Ausland (Drittland) lebenden Kindern gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, keine Familienbeihilfe gewährt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Da im Beschwerdefall die Bestimmung des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 der Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Monate April 2019 bis einschließlich August 2020 entgegensteht, war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Weder die im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht.
Die Revision ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 26 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100461.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at