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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.12.2023, RV/7101404/2020

Heranziehung zur Haftung gem. § 59 Abs. 4 GSpG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101404/2020-RS1
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Abgabenkontonummer ***1***, betreffend Haftungsinanspruchnahme für Glücksspielabgaben zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
Der im angefochtene Bescheid genannte Haftungsbetrag in der Höhe von € 298.864,97 wird um zwei Drittel reduziert auf € 99.621,66.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom , Abgabenkontonummer ***1***, nahm das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf***, im Grunde des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***NN*** GmbH im Ausmaß von € 298.864,97 in Anspruch.

U.a. gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Bf. vom .

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Abgabenkontonummer ***1***, als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag.

Am fand in Wien die vom Bf. begehrte mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf., damals Inhaber das Casino ***2***, schloss am mit Frau ***3***, wohnhaft in Wien einen Mietvertrag ab. Darin heißt es u.a. (auszugsweise Wiedergabe):

"Mietvertrag - Verlängerung"

I. Mietobjekt

Frau ***3***, im folgenden kurz "Vermieterin" genannt, vermietet hiermit an Herrn **Bf.**, im folgenden kurz "Mieter" genannt, das in ihrem Hause in ***2***, ***Adr.*** im Erdgeschoss gelegene Geschäftslokal, Top 2, bestehend aus zwei Geschäftsräumen, einem Lagerraum, einer Küche sowie Damen - und Herren WC im Gesamtausmaß von 97 m².

II. Beginn und Dauer des Mietverhältnisses

Das Mietverhältnis beginnt am und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist jeweils zum 30.6. und 31.12. eines jeden Jahres aufgekündigt werden.

Sollte der Fall eintreten, dass private Casinos vom Gesetzgeber verboten werden und der Mieter somit gezwungen sein, das Mietverhältnis vorzeitig aufzulösen, wird für diesen Fall eine Kündigungsfrist von 3 Monaten vereinbart.

Das Recht der Vermieterin zur vorzeitigen Vertragsauflösung gemäß § 1118 ABGB bleibt unberührt.

V.

Die weiteren Vereinbarungen, wie sie im ursprünglichen Mietvertrag vom unter den Punkten V bis VII festgelegt wurden, bleiben unverändert bestehen.

VI.

Schlussbestimmungen

Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform, mündliche Nebenabreden sind nicht wirksam.

…"

Im eben erwähnten Mietvertrag vom , der das selbe Mietobjekt und die selbe Vermieterin betrifft, heißt es unter Punkt VI.:

"Weitergabe, Veräußerung

Dem Mieter ist es nicht gestattet, ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Vermieterin das Mietobjekt entgeltlich oder unentgeltlich, ganz oder teilweise dritten Personen weiterzugeben oder die Rechte aus diesem Vertrag in sonstiger Weise an dritte Personen zu überlassen. Dem Mieter ist jedoch eine Untervermietung an solche Unternehmen gestattet, an denen der Mieter mit mehr als 50 % beteiligt ist."

Der Bf. war Hauptmieter des eben erwähnten Lokals in ***2***, betrieb an diesem Standort als selbständiger Unternehmer ein Casino und hatte zunächst keinen Untermieter. Laut Angaben des Bf. lief das Geschäft allerdings nicht gut und er gab im Laufe des Jahres 2009 die selbständige Erwerbstätigkeit auf und entschloss sich ab diesem Zeitpunkt das Lokal an die ***NN*** GmbH weiterzugeben. Dieses Unternehmen, an dem der Bf. nach der Aktenlage nicht beteiligt war, setzte von 2009 bis 2014 den Betrieb des Casinos fort und beschäftigte den Bf. als Kartendealer. Unbeschadet der Weitergabe des Lokals im Jahr 2009 war der Bf. laut seinen ersten Angaben (siehe Protokoll vom ) zumindest im Zeitraum zwischen 2005 bis 2018 Hauptmieter laut o.a. Mietvertrag vom .

Mit Schreiben vom teilte die ***NN*** GmbH durch ihre steuerliche Vertreterin dem Finanzamt mit, dass u.a. im Jahr 2011 Glücksspielabgaben verkürzt worden seien.

In der Folge nahm das Finanzamt bei der ***NN*** GmbH eine Außenprüfung gem. § 147 BAO vor. Gegenstand dieser Prüfung waren u.a. die Glücksspielabgaben für den Zeitraum bis . Dazu fand die Schlussbesprechung gem. § 149 Abs. 1 BAO am statt. Die diesbezügliche Niederschrift wurde am gleichen Tag von Herrn ***4*** als Masseverwalter der ***NN*** GmbH unterfertigt.

Mit den an Herrn ***4*** als Masseverwalter der ***NN*** GmbH gerichteten 11 verschiedenen Glücksspielabgabebescheiden vom setzte das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel für die Monate Jänner bis November 2011 die Glücksspielabgaben fest, weil das genannte Unternehmen in diesem Zeitraum im oben erwähnten Geschäftslokal in ***2*** Pokerturniere, Poker "Cash-Games" und Ausspielungen mit Glücksspielautomaten angeboten hatte. Diese 11 Bescheide sind nach der Aktenlage unbeeinsprucht in Rechtskraft erwachsen.

Infolge Nichtentrichtung dieser Abgaben nahm das Finanzamt den Bf. mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid zur Haftung in Anspruch.

2. Beweiswürdigung

Die sachverhaltsrelevanten Feststellungen wurden seitens des Bundesfinanzgerichts im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen angenommen. Das Bundesfinanzgericht konnte sich dabei auf die durch Einsichtnahme in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte und auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen Erkenntnisse stützen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtslage:

§ 59 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 54/2010, lautet:

(4) Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand

a) derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;

b)

bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer sowie ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (Abs. 5).

(5) Als Vermittlung gelten jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise.

(6) ..."

Erwägungen:

Zur Klarstellung wird festgehalten, dass ausschließlich die Beschwerde gegen den o.a. Haftungsbescheid vom den Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens bildet. Über die Beschwerden gegen die diesem Haftungsbescheid zugrundeliegenden oben erwähnten 11 Abgabenbescheide vom wird gesondert zu entscheiden sein.

Zur Verjährungseinrede:

Die Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen zur Haftung stellt eine Einhebungsmaßnahme dar.

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruchs unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Nach ständiger Rechtsprechung wirken Unterbrechungshandlungen im Sinn des § 238 Abs 2 BAO anspruchsbezogen. Somit entfalten derartige Unterbrechungshandlungen nicht nur gegenüber dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfällig Haftungspflichtigen Wirkung (vgl. zB. ).

Im vorliegenden Fall entstand der Abgabenanspruch im Jahr 2011 und wurde im gleichen Jahr auch fällig. Das Finanzamt erließ innerhalb der fünfjährigen Frist des § 207 Abs. 2 BAO (Festsetzungsverjährung) die oben erwähnten 11 Abgabenbescheide vom an den Primärschuldner. Diese Abgabenbescheide stellen Unterbrechungshandlungen iSd § 238 Abs. 2 BAO dar und bewirkten, dass die fünfjährige Einhebungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2016 neu zu laufen begann. Das Finanzamt nahm den Bf. daher mittels des angefochtenen Haftungsbescheids vom innerhalb der Verjährungsfrist in Anspruch.

Zur Frage der Tatbestandsverwirklichung:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Bf. laut seinen eigenen Angaben (siehe Protokoll vom ) im Jahr 2009 Pächter des in Rede stehenden Casinos in ***2*** war und dass er es anschließend an die ***NN*** GmbH weitergab.

Der Unterschied zwischen Pacht und Miete besteht im Allgemeinen darin, dass der Mieter bloß die Räumlichkeiten (allenfalls plus Inventar) für ein Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommt, wohingegen bei der Pacht ein am Markt bereits etabliertes funktionierendes Unternehmen (oft inkl. Kundenstock, Personal und Marke etc.) zur Benutzung und Fortführung überlassen wird.

Die Weitergabe des Casinos an die ***NN*** GmbH durch den Bf. hatte nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts für beide Partner große Vorteile:

Der Bf. konnte damit sowohl eine Fortführung des von ihm als Pächter betriebenen Casinos erreichen als auch die Grundlage für die Finanzierung seines Lebensunterhalts schaffen, ohne unmittelbar das unternehmerische Risiko und die abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines Glücksspielbetreibers tragen zu müssen.

Die ***NN*** GmbH hatte den Vorteil, ein am Markt bereits eingeführtes Casino übernehmen zu können. Darüber hinaus war sie in der Lage, die Expertise und die bestehenden Kundenkontakte des Bf. nutzen zu können, indem sie ihn als Kartendealer anstellte. Angesichts dieser Umstände ist auch verständlich, warum die ***NN*** GmbH nicht selbst einen Mietvertrag mit der Vermieterin abschloss, sondern bereit war, dem Bf. für die Überlassung des Lokals das Doppelte jenes Betrages zu vergüten, den er selbst an Miete zu zahlen hatte.

Nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG haftet für die korrekte Entrichtung der (Glücksspiel-)Abgaben derjenige zur ungeteilten Hand, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt. Die Begriffe "Verfügungsbereich" und "erlaubt" definiert das Gesetz nicht näher; auch die Materialien zur GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 9) enthalten dazu keine näheren Erläuterungen.

Im GSpG verwendet der Gesetzgeber den Begriff "Verfügungsbereich" allerdings nicht nur in § 59 Abs. 4 lit. a, sondern auch in dessen lit. b, wonach bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten unter anderen derjenige für die korrekte Entrichtung der Abgaben haftet, "der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt". Ferner gelten gemäß § 59 Abs. 7 GSpG entgeltliche Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen ohne vermögenswerte Leistung unter weiteren Voraussetzungen "nicht als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a)". Dieser systematische Zusammenhang, insbesondere der Verweis auf § 59 Abs. 4 lit. a in (dem durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 eingefügten) Abs. 7 leg. cit. zeigt, dass der Gesetzgeber mit "Verfügungsbereich" nicht alleine (potentiell Haftenden zuzuordnende) Örtlichkeiten bezeichnet, wo Ausspielungen stattfinden oder Glücksspielautomaten aufgestellt werden können, sondern es für die Qualifikation als "Verfügungsbereich" darauf ankommt, dass dieser in einer solchen Einflusssphäre des potentiell Haftenden steht, dass diesem die Befugnis zukommt, die Durchführung der Ausspielung auch zu untersagen. Bestätigt wird dieses Verständnis von "Verfügungsbereich" dadurch, dass nach § 59 Abs. 4 lit. a wie lit. b GSpG derjenige haften soll, der - im Fall der lit. a die Ausspielung oder im Fall der lit. b die Aufstellung eines Glücksspielautomaten - "erlaubt", daher diese Vorgänge nicht nur nicht untersagt, sondern ihnen sogar seine Zustimmung erteilt (vgl. ).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im eben zitierten Erkenntnis ausgesprochen, dass die Möglichkeit, Haftungsrisiken durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarungen o.ä) zu begrenzen oder ganz auszuschließen, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine wesentliche Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden darstelle. In jenem Revisionsfall bestand nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes diese Möglichkeit der Risikobegrenzung für den Vermieter nicht. Da der maßgebliche Mietvertrag bei Auftreten des durch den neu erlassenen § 59 Abs. 4 lit. a GSpG ausgelösten Haftungsrisikos bereits abgeschlossen und nicht mehr einseitig änderbar gewesen sei, werde der Haftungsbestimmung bei Anwendung auf diese Konstellation ein sachlich nicht gerechtfertigter und somit gleichheitswidriger Inhalt unterstellt.

Es ist daher auch im Streitfall zu prüfen, ob für den Bf. die Möglichkeit der Risikobegrenzung bestand.

Betrachtet man die Umstände, die im vorliegenden Fall zur Inanspruchnahme des Bf. als Haftenden geführt haben, wird schnell deutlich, dass sie sich ganz wesentlich von jenen unterscheiden, die dem eben beschriebenen Revisionsfall zugrunde lagen.

Im hier zu betrachtenden Fall war der Bf. selbst Hauptmieter des Casinolokals. Es stand ihm laut Punkt II des o.a. Mietvertrags vom unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist jeweils zum 30.6. und 31.12. eines jeden Jahres das Recht auf Kündigung zu.

Zur Weitergabe seines Lokals an die ***NN*** GmbH sagte der Bf. am wörtlich aus: "Es ist nicht vermietet worden (im klassischen Sinn), es gab keinen Mietvertrag und auch keine schriftliche Vereinbarung."

Der Bf. gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekannt, dass die Bestimmungen des Mietvertrags vom auch für den Mietvertrag (Verlängerungsvertrag) vom gelten.

Diese Aussage findet ihre Deckung in den Festlegungen unter Punkt V des Mietvertrags vom , der bestimmt:

"Die weiteren Vereinbarungen, wie sie im ursprünglichen Mietvertrag vom unter den Punkten V bis VII festgelegt wurden, bleiben unverändert bestehen."

Punkt VI des eben erwähnten Mietvertrags vom lautet:

"Dem Mieter ist es nicht gestattet, ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Vermieterin das Mietobjekt entgeltlich oder unentgeltlich, ganz oder teilweise dritten Personen weiterzugeben oder die Rechte aus diesem Vertrag in sonstiger Weise an dritte Personen zu überlassen. Dem Mieter ist jedoch eine Untervermietung an solche Unternehmen gestattet, an denen der Mieter mit mehr als 50 % beteiligt ist."

Daraus folgt, dass der Bf. zur Untervermietung nicht berechtigt war, denn eine ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Vermieterin liegt nach der Aktenlage nicht vor. Der vom Bf. geltend gemachte Umstand, er habe vor der "Untervermietung" den Mietvertrag nicht mehr durchgelesen, ändert daran nichts. Auch mit der (beweislos vorgetragenen) Behauptung, er habe mit der Hausverwaltung die Verlängerung und die Untervermietung vereinbart, kann der Bf. die Rechtmäßigkeit seines Handelns nicht nachweisen, zumal ausschließlich die Verlängerung vom schriftlich dokumentiert ist. Dort ist aber von einer Zustimmung der Vermieterin zur Untervermietung keine Rede. Es ist daher von einer vertragswidrigen Weitergabe des Bestandobjekts durch den Bf. an die ***NN*** GmbH auszugehen.

Der Bf., der im Mietvertrag vom als Casinoinhaber bezeichnet wird, war berechtigt, in den von ihm angemieteten Geschäftsräumlichkeiten und somit "in seinem eigenem Verfügungsbereich" seine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Während die Vermieterin Sachbesitzerin des vermieteten Lokals blieb, kam dem Bf. als Mieter der Rechtsbesitz zu.

Dass der Bf. unter Überschreitung der laut Mietvertrag ausbedungenen Befugnisse und im Widerspruch zu Punkt VI des Mietvertrages vom der ***NN*** GmbH (und somit einem außenstehenden Dritten) Rechte aus dem Mietvertrag überließ, ändert nichts daran, dass das Lokal "in seinem eigenen Verfügungsbereich" iSd § 59 Abs. 4 GSpG verblieb.

Dem Einwand des Bf., dieses Tatbestandsmerkmal sei nicht erfüllt, kommt somit keine Berechtigung zu.

Im diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die sich teilweise widersprechenden Aussagen des Bf. zu seiner Verfügungsberechtigung an dem in Rede stehenden Lokal von einer ständig wechselnden Verantwortung geprägt sind:

  1. Laut vorliegendem schriftlichen Mietvertrag vom war er der Hauptmieter des Lokals

  2. Am sagte der Bf. im Rahmen seiner Befragung durch das Finanzamt zur Weitergabe seines Lokals an die ***NN*** GmbH wörtlich aus: "Es ist nicht vermietet worden (im klassischen Sinn), es gab keinen Mietvertrag und auch keine schriftliche Vereinbarung."

  3. Nach den Angaben in der Beschwerdeschrift liegt eine Anmietung durch die ***NN*** GmbH vor. Dieses Unternehmen sei in den Mietvertrag eingetreten und habe auch die Mietzahlungen geleistet.

  4. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am gab der Bf. an, es habe einen schriftlichen (Unter-)Mietvertrag mit der ***NN*** GmbH gegeben.

Das Bundesfinanzgericht erachtet es im Rahmen der freien Beweiswürdigung als erwiesen, dass der Bf. im hier relevanten Jahr 2011 der Hauptmieter des gegenständlichen Glücksspiellokals war. Dafür spricht neben dem vorliegenden Mietvertrag die Tatsache, dass er unstrittig die entsprechenden Mietzahlungen an die Vermieterin leistete. Außerdem hat er am selbst eingeräumt, das Lokal nicht weitervermietet (im klassischen Sinn) zu haben.

Dem Einwand in der Beschwerdeschrift, die ***NN*** GmbH sei im Jahr 2009 in den Mietvertrag eingetreten, wird hingegen kein Glauben geschenkt. Gegen die Richtigkeit dieses Vorbringens spricht schon der Umstand, dass zutreffendenfalls die ***NN*** GmbH zur Hauptmieterin geworden wäre und selbst die Miete an die Vermieterin zu zahlen gehabt hätte. Beides ist unstrittig nicht geschehen. Außerdem bestätigte der Bf. im Rahmen seiner Befragung am den Organen des Finanzamtes ausdrücklich, dass der Mietvertrag vom weiterhin gültig (und er somit Hauptmieter) sei.

Dass die erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragene Behauptung des Bf., wonach er doch einen schriftlichen Untermietvertrag mit der ***NN*** GmbH abgeschlossen habe, der Wahrheit entspricht, ist ebenfalls auszuschließen. Denn der Bf. konnte weder diesen Vertrag noch die dafür notwendige schriftliche Zustimmung der Vermieterin vorlegen. Die (in Anwesenheit seines rechtsfreundlichen Vertreters) abgegebene ursprüngliche Erklärung des Bf. vom , er habe keinen Mietvertrag abgeschlossen und keine schriftliche Vereinbarung betreffend die Weitergabe des Lokals an die ***NN*** GmbH getroffen, wird daher als zutreffend erachtet.

Da bei Kündigung eines Mietvertrages durch den Hauptmieter der Untermietvertrag das Schicksal des Hauptmietvertrages bekanntlich teilt, hatte der Bf. damit ein Druckmittel in der Hand, um nach Kundmachung der neuen Haftungsbestimmung des § 59 GSpG im BGBl I Nr. 54/2010 am auf eine Vertragsgestaltung in einem zu erstellenden schriftlichen Untermietvertrag zu bestehen, die es ihm ermöglicht hätte, die zukünftige Haftung zu begrenzen bzw. auszuschließen.

Dies hätte er etwa durch das Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen oder Kautionsvereinbarungen bewerkstelligen können. Es kann als gegeben angenommen werden, dass der Bf. als ehemaliger Casinobetreiber genau über die in dieser Branche zu beachtenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen Bescheid wusste. Trotz dieser zweifellos bestehenden Expertise und obwohl er auf Grund seiner Tätigkeit als Kartendealer in dem von ihm angemieteten Lokal Kenntnis von den abgabenrechtlich bedeutsamen Umständen hatte, hat er nichts unternommen, um sich von der Steuerredlichkeit seines Untermieters zu überzeugen oder sein persönliches Haftungsrisiko durch andere geeignete Maßnahmen zu minimieren.

Der Bf. stellte vielmehr ohne jegliche finanzielle Absicherung das in seinem Verfügungsbereich iSd § 59 Abs. 4 GSpG gelegene Lokal der ***NN*** GmbH unter Missachtung des im Mietvertrag vereinbarten Untermietverbots zur Verfügung und erlaubte diesem Unternehmen nicht nur die Durchführung der Ausspielung bzw. die Aufstellung von Glücksspielautomaten, sondern war darüber hinaus auch noch am Pokertisch als Kartendealer tätig. Es kann daher kein berechtigter Zweifel an der Tatbestandsverwirklichung des "Erlaubens" iSd § 59 Abs. 4 GSpG bestehen.

Der Verfassungsgerichtshof leitet in ständiger Rechtsprechung die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen her (vgl. VfSlg. 11.942/1988 sowie 15.773/2000, jeweils mwN). Für die sachliche Rechtfertigung entscheidend ist, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (vgl. etwa VfSlg. 11.771/1988).

Letzteres lag durchaus in den Händen des Bf., der die ihm zustehenden und oben näher dargelegten Maßnahmen zur Risikominimierung nicht wahrnahm. Die Heranziehung des Bf. als Haftender scheint somit auf Grund der konkreten Umstände des hier zu betrachtenden Einzelfalles sachlich gerechtfertigt iSd zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung auch auf den Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Haftenden am Unternehmensertrag des Primärschuldner Bedacht zu nehmen ist (vg. etwa VfSlg. 11.921/1988, 12.572/1990, 15.773/2000).

Dazu wird ausgeführt:

Der Bf. war von 2009 bis 2014 bei der ***NN*** GmbH als Kartendealer beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab er bekannt, dass er im Jahr 2011 Einnahmen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Gehalt der ***NN*** GmbH), aus Trinkgeldern (Tronc) und aus Mieten (Unterschiedsbetrag zwischen der von ihm als Hauptmieter bezahlten und der von ihm als "Untervermieter" verrechneten Miete) erzielte, die es ihm in der Summe ermöglichten, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

Nimmt darauf Bedacht, dass sich laut den Angaben des Bf. das von der ***NN*** GmbH an ihn bezahlte monatliche Gehalt lediglich auf einen Betrag zwischen € 1.500,00 und € 1.600,00 brutto belief und die Mieteinnahmen nur € 500,00 betrugen, wird klar, dass der Bf. damals über beachtliche Trinkgeldeinnahmen verfügen musste, wenn es zusammen mit den eben genannten Einkünften(wie er selbst einräumte) zur Finanzierung seiner Kosten für Wohnung und Kfz sowie der sonstigen Ausgaben der Lebensführung reichte.

Das lässt sich nur damit erklären, dass der Bf. laut seinen eigenen Angaben das Trinkgeld (Tronc) - nicht wie in anderen Casinos üblich - an den Dienstgeber zwecks Aufteilung an alle Angestellte abzuführen hatte. Die Trinkgeldeinnahmen von dem von ihm betreuten Pokertisch waren vielmehr ausschließlich für ihn selbst bestimmt (siehe Antwort zu Frage 16 laut Niederschrift vom ). Eine derartige Vorgehensweise kommt einer Umsatzbeteiligung gleich. Denn je stärker der Pokertisch frequentiert wurde (und je mehr Umsätze für das Casino daraus resultierten) um so mehr Tronc war für den Bf. zu erwarten.

Daraus erhellt, dass der Bf. am wirtschaftlichen Erfolg des Casinobetreibers partizipieren konnte, sodass auch aus dieser Sicht unter Bedachtnahme auf die oben zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung für die Haftung zu bejahen ist.

Es ist daher als erstes Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Voraussetzungen dafür, den Bf. als Haftenden gem. § 59 Abs. 4 GSpG heranzuziehen, grundsätzlich vorliegen.

Zur Ermessensübung:

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Das Ermessen umfasst das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (, ).

Die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls stellt ein wesentliches Ermessenskriterium dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Erfüllung dieses Kriterium im Streitfall ist angesichts der amtswegigen Löschung der ***NN*** GmbH im Jahr 2015 offensichtlich und wird vom Bf. auch nicht bestritten.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung anderseits ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (. Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch läge dann vor, wenn ein solcher Umstand bei der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt würde (, mwN).

Im vorliegenden Fall wurde der Bf. im Jahr 2019 für im Jahr 2011 fällig gewordene Abgaben zur Haftung herangezogen, weshalb auch hier von einem solchen, im Zuge des Ermessens zu berücksichtigenden langen Zeitabstand auszugehen ist.

Unter Bedachtnahme auf diesen ermessensrelevanten Umstand des hier zu betrachtenden Einzelfalles und unter zusätzlicher Berücksichtigung der Tatsache, dass dem Bf. nach der Aktenlage kein Verschulden an der Nichterfüllung der Verpflichtung der Hauptschuldnerin zur Abgabenentrichtung im oben aufgezeigten Ausmaß anzulasten ist, erachtet es das Bundesfinanzgericht als sachgerecht, die Haftung auf € 99.621,66 (das ist rund ein Drittel des im angefochtenen Bescheid erwähnten Haftungsbetrages in der Höhe von € 298.864,97) einzuschränken.

Einer noch höheren Kürzung bzw. einer gänzlichen Abstandnahme von der Heranziehung des Bf. als Haftungspflichtigen steht die Vermeidung des sonst drohenden endgültigen Abgabenausfalles von Selbstbemessungsabgaben in beachtlicher Höhe entgegen. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass der Bf. der ***NN*** GmbH sein Lokal (noch dazu ohne entsprechende Befugnis) überließ und diesem Unternehme damit die abgabenschuldbegründenden Ausspielungen erst ermöglichte. Aber auch der Umstand, dass der Bf. - wie oben dargelegt - am Erfolg dieses Unternehmens partizipieren konnte, spricht gegen eine noch großzügigere Ermessensübung.

Zu den Aussagen des Bf. im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wonach er derzeit arbeitslos sei und im Laufe des kommenden Jahres seine Pension antreten werde, ist darauf hinzuweisen, dass derartige Umstände im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen sind (vgl. etwa ). Wohl im Hinblick auf diese Rechtsprechung hat der Bf. im gesamten Verfahren keinerlei persönliche Billigkeitsgründe geltend gemacht und nicht etwa behauptet, zur Entrichtung der streitgegenständlichen Abgabenschuld nicht in der Lage zu sein.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung kann sich auf die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes stützen, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
§ 59 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 59 Abs. 4 lit. a GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 59 Abs. 7 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 59 Abs. 4 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101404.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at