Vermietung eines Grundstückes zur Errichtung eines Wohnlagers: Qualifizierung als Bestandvertrag oder als Dienstbarkeitsvertrag?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , Erf. Nr. ***1***, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr (gem. § 33 TP 9 GebG), Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der Grundstücksmietvertrag vom , abgeschlossen zwischen ***A*** als Grundstückseigentümer und der ***Bf1***, wurde am unter der Erfassungsnummer ***1*** beim Finanzamt angezeigt. Gegenstand des Mietvertrages bilden Grundstücke der EZ ***123***, in einem Gesamtausmaß von 12.210 m².
Die Dauer des Mietvertrages wurde angesetzt vom bis . Nach Vertragspunkt IV. ist die Mieterin berechtigt, den Mietgegenstand an ihre Auftragnehmer im Rahmen der Ausführung des Bauvorhabens ***B*** ***C*** zur Nutzung als Wohnlager und für Verwaltungszwecke zu überlassen. Die auf dem Mietgegenstand für die Errichtung der Anlagen und Einrichtungen vorgenommenen Veränderungen sind laut Punkt VIII. vor Rekultivierung rückgängig zu machen.
Die Rekultivierung hat in Übereinstimmung mit den behördlichen Vorschreibungen aus dem UVP-Verfahren so zu erfolgen, dass der bisherige Bodenaufbau (Oberboden, Humus) in Stärke und Qualität wiederhergestellt wird.
2. Am erging der Gebührenbescheid, in dem das Rechtsgeschäft als Dienstbarkeitsvertrag qualifiziert und die Gebühr gem. § 33 TP 9 GebG 1957 mit 2% der Bemessungsgrundlage ermittelt wurde. Die Bemessungsgrundlage beträgt 246.153,60 Euro und die Gebühr daher 4.923,07 Euro.
3. In der Beschwerde vom gegen den Gebührenbescheid wurde vorgebracht, dass es sich beim gegenständlichen Rechtsgeschäft um einen Mietvertrag handle und daher eine Gebühr von 1% gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG vorzuschreiben sei.
Auch die Regelungen hinsichtlich der Rechtsnachfolge in Punkt IX. 2. ("Die Rechtswirkung dieses Vertrages erstreckt sich jeweils auch auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger der übereingekommenen Vertragsteile.") würden für das Vorliegen eines Mietvertrages sprechen. Bei einer offensichtlichen Dienstbarkeit würde es keiner vertraglichen Überbindung auf einen allfälligen Rechtsnachfolger bedürfen (vgl. ).
4. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde damit begründet, dass im vorliegenden Vertrag die Hauptpflicht des Eigentümers des Grundstückes in einer Duldung oder Unterlassen zur Rohbauausführung des ***B*** ***C*** bestehe und daher ein Dienstbarkeitsvertrag gemäß § 33 TP 9 GebG vorliege.
5. Im Vorlageantrag vom wurde ausgeführt, die Benützung einer bestimmten Grundfläche nur zu einem bestimmten, im Vertrag genau definierten Zweck, sei durchaus typisch für einen Bestandvertrag.
6. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung. Begründend wurde angeführt, dass sich aus der Art des Rechtsgeschäftes und seines spezifischen Regelungsinhaltes ergebe, dass der Vertragswille auf die Erzielung eines Erfolges gerichtet ist, der auch sonst typischerweise mit Verträgen über Dienstbarkeiten verbunden ist. Die Vorschreibung der Gebühr nach § 33 TP 9 GebG sei deshalb zu Recht erfolgt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
1.1. Rechtslage
Nach § 17 Abs. 1 GebG 1957 ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend (Urkundenprinzip).
Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG 1957 idgF. unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im Allgemeinen einer Rechtsgebühr von 1 v. H.
Nach § 33 TP 9 GebG 1957 idgF. unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Rechtsgeschäftsgebühr von 2 v. H. von dem Werte des bedungenen Entgeltes.
1.2.Rechtliche Beurteilung
Strittig ist, ob das gegenständliche Rechtsgeschäft der Gebühr für die Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 33 TP 9 GebG oder der Rechtsgeschäftsgebühr für die Vereinbarung eines Bestandverhältnisses nach § 33 TP 5 GebG unterliegt.
Die Gebührentatbestände des § 33 GebG verwenden im Allgemeinen die Begriffe des Zivilrechts. Für die Abgrenzung unterschiedlich geregelter gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte voneinander ist daher deren zivilrechtliche Einordnung maßgebend. Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (, mwN).
Ergibt sich der Charakter eines Vertrages als Mischvertrag, so ist, wenn ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente enthält - dieser gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Zuordnung eines Rechtsgeschäftes zu einem Gebührentatbestand ist das Gesamtbild und nicht einzelne Sachverhaltselemente maßgebend (vgl. Zl. 51/79, Slg. 5505/F)
Charakteristisches Merkmal des Bestandsvertrags ist die entgeltliche Überlassung einer unverbrauchbaren Sache zum Gebrauch auf eine bestimmte Zeit.
Im Rahmen eines Mietvertrags wird die in Bestand gegebene Sache im Regelfall ohne weitere Bearbeitung zum Gebrauch, beim Pachtvertrag zur Benützung "durch Fleiß und Mühe" überlassen ().
Im Rahmen eines Bestandvertrags bestehen grundsätzlich die folgenden dispositiv ausgestalteten Pflichten eines Bestandgebers: Dieser hat das Bestandobjekt auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und das übergebene Bestandobjekt während der gesamten Dauer des Bestandverhältnisses in diesem Zustand zu erhalten. Der Bestandgeber hat eine positive Leistungspflicht, indem er alle erforderlichen Maßnahmen zu setzen hat, die dem Bestandnehmer den vertragsgemäßen Gebrauch des Mietgegenstands ermöglichen. Die Erhaltungspflicht der Bestandsache trifft demnach grundsätzlich den Bestandgeber. Es wird ein positives Tun des Bestandgebers vorausgesetzt (Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar Band 7, Auflage 5, § 1096 Rz 1).
Nach ständiger Judikatur des VwGH erfasst TP 5 des § 33 GebG nicht nur die sogenannten "lupenreinen" Bestandverträge iSd § 1090 ABGB, sondern darüber hinaus auch Verträge, die sich ihrem Wesen nach als eine "Art Bestandvertrag" darstellen; das sind Verträge, die zwar (in einzelnen Bestimmungen) von den Regeln der §§ 1090 ff ABGB abweichen, die aber aufgrund von für Bestandverträge charakteristischen Merkmalen noch als Bestandverträge im weiteren Sinn angesehen werden können ().
Gemäß § 472 ABGB wird durch das Recht der Dienstbarkeit ein Eigentümer (in der Regel einer Liegenschaft) verbunden, zum Vorteil eines anderen, nämlich des Berechtigten, in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.
Dienstbarkeiten (Servituten) sind dingliche, auf Privatrechtstitel beruhende oder durch Richterspruch oder Enteignung eingeräumte, idR durch Verbücherung erworbene (§ 481 ABGB) Rechte auf beschränkte Nutzung einer fremden Sache, denen die Pflicht ihres jeweiligen Eigentümers zur Duldung dieser Nutzung (bejahende Servitut) oder Unterlassung eigener Nutzung (verneinende Servitut) gegenübersteht.
Die den Eigentümer der dienenden Grundstücke betreffenden Duldungs- und Unterlassungsverpflichtungen, wie etwa die Duldung der Errichtung, des Bestandes, des Betriebes und der Instandhaltung von Leitungsanlagen, des Begehens und Befahrens des dienstbar gemachten Grundstreifens, des Entfernens von Boden- und Pflanzenhindernissen, des Freihaltens von Bewuchs sowie die dafür zugestandene Art der Entschädigung sind als typischer Inhalt von Leitungsdienstbarkeiten anzusehen (vgl. ).
Für eine Qualifizierung des gegenständlichen Vertrages als Bestandvertrag anstelle eines Dienstbarkeitsvertrags spricht nach Ansicht des Bundesfinanzgericht Folgendes:
a) Nach dem Gesamtbild ist der erkennbare Zweck des Vertragsabschlusses primär in einer Flächenüberlassung für die zeitweise Errichtung eines Wohnlagers gelegen;
b) Es wurde ein an der Nutzungsdauer orientiertes Benützungsentgelt vereinbart;
c) Es bestehen beiderseitige Kündigungsmöglichkeiten;
d) Eine Erstreckung der Rechtswirkung des Vertrages auf die beiderseitigen Rechtsnachfolger der Vertragspartner wurde ausdrücklich vereinbart. Wegen der dinglichen Wirkung einer Dienstbarkeit wäre eine solche Vereinbarung nicht erforderlich;
e) Für die Realisierung des Bauvorhabens Brennerbasistunnel war die gegenständliche Grundbeanspruchung nicht zwingend erforderlich. Ein solches Wohnlager hätte auch an einer anderen Stelle errichtet werden können. Dementsprechend wurde im Vertrag auch kein Enteignungsverfahren in den Raum gestellt.
Im Gegensatz dazu beurteilte das Bundesfinanzgericht einen Vertrag desselben Beschwerdeführers mit einem Grundeigentümer als Dienstbarkeit, weil der erkennbare Zweck des Vertragsabschlusses primär nicht in einem bloßen Gebrauch des Grundstückes, sondern vielmehr darin gelegen war, die Zustimmung der Grundeigentümer zur für die Realisierung des Bauvorhabenszwingend erforderlichen Grundbeanspruchung zu erlangen (). In jenem Fall wurde der Grundeigentümer - nach Androhung eines Enteignungsverfahrens- dazu veranlasst, zum Vorteil der Beschwerdeführerin die Grundinanspruchnahme zu dulden ("Der ***Bf1*** steht für den Bau gemäß §§ 2ff EisbEG zur Durchsetzung des gegenständlichen Rechtserwerbes die Möglichkeit der Enteignung offen. Durch diesen Vertrag wird die Durchführung von Enteignungsverfahren vermieden.").
Nach dem Gesamtbild der getroffenen Vereinbarungen des Vertrages ist daher dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu folgen, dass kein Dienstbarkeitsvertrag iSd § 33 TP 9 GebG, sondern ein Bestandvertrag vorliegt. Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Einordnung des gegenständlichen Übereinkommens als Bestand- oder Dienstbarkeitsvertrag stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 TP 9 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.3100260.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at