Verspätete Behebung von Mängeln in der Beschwerde
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***1***, vertreten durch Mag. Stephan Kerstof, Talgasse 28, 2380 Perchtoldsdorf, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Einkommensteuer 2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 85 Absatz 2 iVm § 250 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als zurückgenommen erklärt.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG
Verfahrensgang:
Die Abgabenbehörde setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2011 nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung im wiederaufgenommenen Verfahren mit Bescheid vom mit € 3.835,00 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 0,00) fest.
Von Seiten der (vormaligen) steuerlichen Vertretung wurde mit Schriftsatz vom mit der Begründung, dass die Vertretung der Bf erst kürzlich übernommen worden sei, ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 bis zum gestellt.
Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom Folge gegeben und die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 bis zum verlängert.
Bei der Abgabenbehörde einlangend mit wurde seitens der Bf folgender Schriftsatz vom eingebracht:
"…Wie bereits mit unseren Steuerberater und ihrer Finanzbehörde besprochen beeinspruche ich die Forderung zur Gänze.
Begründung meine Einzelfirma hatte niemals bis zur Stilllegung des Gewerbes weder Umsätze Einnahmen und daraus resultierend keine Steuerpflicht!"
Mit Bescheid vom erging der folgende Mängelbehebungsauftrag an die Bf:
"Ihre Bescheidbeschwerde vom gegen ---vom ---weist hinsichtlich der Form (§ 85 Abs. 2 BAO) und dem Fehlen eines Inhaltserfordernisses (§ 250 ff BAO) die nachfolgenden Mängel auf:
°Fehlen der Inhaltserfordernisse gem. § 250 (1) BAO:
- Die Bezeichnung des/der Bescheide(s), gegen den/die sich die Beschwerde richtet;
- Die Erklärung, in welchen Punkten der/die Bescheide angefochten wird/werden;
- Die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
- Eine Begründung;
°Fehlen der Unterschrift gemäß § 85 Abs. 2 BAO
- Lt. Aktenlage entspricht die Unterschrift nicht jener der Abgabepflichtigen noch jener eines beim ho. Finanzamt legitimierten Vertreters.
Die angeführten Mängel sind beim Finanzamt Waldviertel gemäß § 85 Abs. 2 BAO bis zum zu beheben.
Bei Versäumung dieser Frist gilt die Beschwerde als zurückgenommen.
Rechtsmittelbelehrung: Gegen diese Anordnung ist gemäß § 244 Bundesabgabenordnung (BAO) ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. …"
In Beantwortung des Mängelvorhalts wurde der Schriftsatz vom als Beschwerde ua gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom eingebracht (Eingangsvermerk der Abgabenbehörde: "Von Dr. .../***1*** erhalten am "):
"…erheben wir als steuerlicher Vertreter der ***Bf1*** (StNr.: ***2***) innerhalb offener Frist Bescheidbeschwerde gem. § 243 ff BAO.
Sachverhalt:
Seit dem Jahr 2009 hat Frau ***2*** versucht, im Bereich der Sportanimation Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erwirtschaften. Es konnten allerdings in diesem Zusammenhang keine Umsätze erzielt werden und es wurden in den Jahren 2009 - 2010 ausschließlich Ausgaben geltend gemacht. Aufgrund der mangelnden Vorlage der Belege von unserer Klientin wurden die Betriebsausgaben nicht anerkannt. Der aktuelle Einkommensteuerbescheid 2010 vom beinhaltet fälschlicherweise Einnahmen iHv € 8.255. Hierbei handelte es sich allerdings ausschließlich um den Privatanteil der Betriebsausgaben.
2. Begründung:
Gegen diese Bescheide richtet sich nunmehr die Beschwerde wie folgt: Wir übermitteln Ihnen anbei die von ***5*** WP & STB GmbH erzeugte Saldenliste für das Jahr 2010. Zusätzlich übermitteln wir Ihnen anbei alle Belege, die wir von Frau ***2*** erhalten haben.
3. Antrag:
Wir beantragen daher die betrieblich veranlassten Betriebsausgaben in den Steuerbescheiden 2009 und 2010 zu berücksichtigen.
4. Gleichzeitig beantragen wir gem. § 272 (2) BAO die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie gem. § 274 BAO die mündliche Verhandlung.
Wie beantragen gem. § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung…."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als zurückgenommen erklärt, weil dem Auftrag, die Mängel der Eingabe zu beheben, nicht fristgerecht entsprochen worden sei.
Mit Eingabe vom (eingelangt am ) wurde seitens des neu eingeschrittenen Vertreters, ***6***, um Verlängerung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde - vorliegend gewertet zur Einbringung eines Vorlageantrags gegen die Beschwerdevorentscheidung vom - wie folgt ersucht:
"Ich habe die steuerliche Vertretung obiger Mandantin kürzlich übernommen. In der Zeit vom 25.7. bis habe ich folgende Steuerbescheide erhalten. 1. Einkommensteuerbescheide für 2009, 2010, 2011 und 2012; 2. Umsatzsteuerbescheide für 2010.
Die Steuerbescheide sind aufgrund einer Betriebsprüfung ergangen, bei der ich nicht mitgewirkt habe. Da ich in der kurzen Zeit den Sachverhalt nicht umfangend erarbeiten kann, stelle ich das höfliche Ansuchen um die Verlängerung der Rechtsmittelfrist, vorläufig bis .
…"
Mit Bescheid vom wurde dem Antrag stattgegeben und die Frist zur Einbringung der Beschwerde (vorliegend gewertet als Vorlageantrag) bis zum verlängert.
Mit Schriftsatz vom (eingelangt am ) wurde ua die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2011, vorliegend gewertet als Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2011 vom , eingebracht (hier auszugsweise):
"…Beschwerde gegen folgende Bescheide:
1. Einkommensteuerbescheide 2009, 2010 vom
2. Umsatzsteuerbescheid 2009, 2010 vom
3. Einkommensteuerbescheid 2011 vom
4. Einkommensteuerbescheid 2012 vom
Das Finanzamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Betriebsausgaben) nicht anerkannt, mit der Begründung, dass keine Dokumentation von konkreten Handlungen der gewerblichen Tätigkeit vorgelegt wurde.
Ich beantrage die Aufhebung obiger Bescheide und der Herausgabe von Bescheiden entsprechend der abgegebenen Steuererklärungen, da ein Gewerbebetrieb vorlag, als Beginn in der Form einer werbenden Tätigkeit. …Demnach habe ich ihre Dokumentation über die gewerbliche Tätigkeit noch nicht erhalten. Ich stelle das höfliche Ersuchen um eine Fristverlängerung zum Nachreichen dieser Dokumentation als Nachweis der gewerblichen Tätigkeit bis . …"
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Rechtsgrundlagen:
§ 85 Bundesabgabenordnung (BAO):
(1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
(3) Die Abgabenbehörde hat mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen, wenn…
(1) Die Bescheidbeschwerde hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen die sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) eine Begründung.
Erwägungen und rechtliche Beurteilung:
In der nicht ausdrücklich als Beschwerde bezeichneten Eingabe vom ist/sind das/die Anfechtungsobjekte nicht bezeichnet. Angaben zu einem bestimmten Bescheid/bestimmten Bescheiden bzw zur Abgabenart, Jahr oder Datum der bekämpften behördlichen Erledigung fehlen. Ohne Bezugnahme darauf, gegen welche(n) abgabenbehördlichen Verwaltungsakt(e) die Eingabe nach dem Parteiwillen gerichtet war, wurde eine nicht konkret angegebene Finanzamtsforderung "zur Gänze" bestritten und dabei bloß allgemein auf eine Besprechung zwischen Steuerberatung und Abgabenbehörde hingewiesen.
Auch aus den unter dem Titel "Begründung" erstatteten Ausführungen, die "Einzelfirma hatte niemals bis zur Stilllegung des Gewerbes weder Umsätze Einnahmen und daraus resultierend keine Steuerpflicht!", geht nicht hervor, auf welche(s) Anfechtungsobjekt(e) sich die Eingabe bezieht. Anfechtungsgrund und Änderungsantrag sind daraus nicht ableitbar. Die bloße Behauptung der Bf ist widersprüchlich und lässt völlig offen, ob insbesondere im Jahr 2011 ein Gewinn/Überschuss erzielt oder ein Verlust erwirtschaftet wurde.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass Abgabenerklärungen für 2011 nicht abgegeben worden sind und im hier in Rede stehenden Schriftsatz auch nicht darauf verwiesen wurde (vgl. dazu auch die Ausführungen im Vorlagebericht und in der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010 vom ). Das am angemeldete Gewerbe (Planung sinnvoller Freizeitgestaltung/Animation, vgl. Gewerberegisterauszug) war mit ***2***. Februar 2011 ruhend gemeldet worden. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2011 waren wegen Nichtabgabe der Abgabenerklärungen im Schätzungswege mit 0,00 festgesetzt worden und betrifft die im Einkommensteuerbescheid 2011 vom vorgeschriebene Nachforderung die von der Bf bezogenen Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit (Lohnsteuer).
Im Übrigen kann die auf dem Schriftsatz vom angebrachte Unterschrift weder der Bf, noch einer Person zugeordnet werden, die gegenüber der Abgabenbehörde als vertretungsbefugt ausgewiesen war. Die vorliegend als Beschwerde behandelte Eingabe wurde nicht auf Kanzleipapier eines (steuerlichen) Vertreters geschrieben und ist aus dem Unterschriftszug der Name der Bf nicht erkennbar. Die Unterschrift weist keinerlei Ähnlichkeit mit jener Unterschrift auf, die auf dem im Veranlagungsakt aufliegenden Fragebogen von der Bf geleistet wurde.
Eine Unterschrift auf einer Eingabe muss ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug sein, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. Ritz, Kommentar zur BAO, Tz 14 bis 16 zu § 85 BAO).
Somit fehlen dem Schreiben vom Angaben darüber, gegen welche Festsetzung in Bezug auf welche(n) Bescheid(e) sich die nicht einmal als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe richtete, aus welchen Gründen die Anfechtung erfolgte und welche Änderungen beantragt wurden (vgl. zu den Anforderungen des § 250 BAO die Ausführungen in Ritz, Kommentar zur BAO, 6. Auflage, Tz 13 bis 16 zu § 250). Allgemeine und unbestimmte Ausführungen können Angaben über Anfechtungsgegenstand, Anfechtungspunkte und Änderungsantrag nicht ersetzen.
Zusammenfassung:
Das von der Abgabenbehörde als Beschwerde behandelte Schreiben enthält nicht die in § 250 BAO geforderten Angaben, weshalb die Behebung der Mängel zu Recht aufgetragen wurde (Mängelbehebungsbescheid vom ).
Die Einräumung einer Frist von rund 14 Tagen bis zum erscheint im Hinblick auf die Tatsache, dass bereits dem vorherigen Antrag vom auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdeerhebung bis zum Folge gegeben worden war, als ausreichend (vgl. Fristverlängerungsbescheid vom ).
Die in Beantwortung des Mängelvorhalts eingebrachte Eingabe vom (eingelangt am ) erfolgte im Hinblick auf die mit Freitag, den gesetzte Frist verspätet und enthält zudem entgegen dem diesbezüglichen Auftrag keinen Änderungsantrag hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für 2011.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Vorliegend sind die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst im ergänzenden Schriftsatz vom , dh in der Mängelbehebungsbeantwortung zur oa als Beschwerde behandelten Eingabe vom gestellt worden und waren daher verspätet.
Die Entscheidung über eine Beschwerde obliegt nach § 272 Abs. 2 Z 1 a bis d BAO dem gesamten Senat, wenn dies a) in der Beschwerde, b) im Vorlageantrag, c) in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1), oder d) wenn ein Bescheid gemäß § 253 an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides tritt, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe (§ 97) des späteren Bescheides, beantragt wird.
Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nach der analogen Bestimmung des § 274 Abs. 1 BAO wie in § 272 Abs. 2 Z 1 a bis d BAO einzubringen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann im Übrigen auch abgesehen werden, wenn die Beschwerde oder der Vorlageantrag als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260 iVm § 264 BAO), als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären ist (§ 274 Abs. 3 Z 1 und 2 iVm § 274 Abs. 5 BAO).
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gründe für eine Revision im angeführten Sinn liegen nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 272 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103584.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at