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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.12.2023, RV/5100670/2022

Progressionsvorbehalt bei deutschen Pensionseinkünften

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0009.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Am brachte der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) seine Erklärung zurArbeitnehmerveranlagung 2020 ein und erklärte dabei u.a. im Jahr 2020 einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt und unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 5.056,14 (davon ausländische Pensionseinkünfte: € 4.804,68) abzüglich damit zusammenhängenden Werbungskosten in Höhe von € 251,46 bezogen zu haben. Neben diesen Angaben findet sich die handschriftliche Anmerkung: "In Deutschland schon versteuert; € 440 Steuern schon bezahlt".

Mit Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde die Einkommensteuer mit € 1.476,00 (Einkommensteuer: € 3.164,85 abzüglich anrechenbarer Lohnsteuer in Höhe von € 1.688,70) festgesetzt. Dabei wurden die ausländischen Pensionseinkünfte in Höhe von € 4.804,68 zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes, der auf die inländischen Einkünfte angewendet wurde, herangezogen.

Am brachte der Bf. Beschwerde gegen den o.a. Bescheid ein und führte dazu aus, dass er aus Deutschland eine kleine Rente von € 4.804,68 jährlich beziehe, wobei er € 440,00 zurücküberweisen müsse. Die Rente sei bereits in Deutschland zweimal versteuert worden (Rentenbeiträge seien in Deutschland schon während des Berufslebens das erste Mal versteuert worden), in Österreich passiere dies zum dritten Mal. Außerdem würden in Deutschland seine österreichischen Einkünfte dazugerechnet und deswegen komme er auch in Deutschland, so wie in Österreich, in eine höhere Progression. Dies sei eine Mehrfachbesteuerung der gleichen Einkünfte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Natürliche Personen mit dem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich sind gem § 1 (2) EStG 1988 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasst das gesamte Welteinkommen.

1) Nach Artikel 4 DBA Deutschland ist eine in einem Vertragsstaat ansässige Person eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes steuerpflichtig ist. Aufgrund der Aktenlage liegt nur ein Wohnsitz in Österreich vor. Die Ansässigkeit ist somit in Österreich gegeben.

Artikel 18 DBA Deutschland Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich wohnhaft und unbeschränkt steuerpflichtig. Neben einer inländischen Rente (Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) und Einkünften aus einem Angestelltenverhältnis bei der Fa. ***1*** bezog er im Beschwerdejahr eine Rente der "Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd". Diese Zahlungen sind unbestritten als "Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung" Deutschlands anzusehen und dürfen folglich nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Österreich in der anzuwendenden Fassung in Deutschland besteuert werden.

Artikel 23 DBA Deutschland:

2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person dürfen Einkünfte, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbezogen werden (Progressionsvorbehalt).

Entsprechend dargelegter gesetzlicher Bestimmung war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Daraufhin brachte der Bf. am fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in welchem er die Ausführungen der Beschwerde wiederholte und ergänzend vorbrachte, dass diese Praxis gegen EU-Recht verstoße, da österreichische Arbeitnehmer, die nur in Österreich gearbeitet hätten gegenüber jenen Arbeitnehmern, die neben den österreichischen Tätigkeiten auch in Deutschland ein Dienstverhältnis gehabt hätten, bevorzugt würden.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und regte an, die Beschwerde abzuweisen, verwies dazu auf die einschlägige Entscheidung des , die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG 1988, die Ansässigkeit nach Artikel 4 DBA Deutschland, das Besteuerungsrecht des Kassenstaats nach Artikel 18 Abs. 2 DBA Deutschland und den Progressionsvorbehalt gemäß Art 23 Abs. 2 DBA Deutschland und führte aus, dass der Bf. gemäß Aktenlage lediglich einen Wohnsitz in Österreich habe und er somit in Österreich ansässig sei, weshalb die Bezüge der "Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd" in Höhe von € 4.804,68 folgerichtig bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2020 für das (Welt-) Einkommen in die Veranlagung einbezogen worden seien.

In einer Ergänzung zur Beschwerdevorlage vom verweis der Bf. auf die "Rechtsvorschrift für Doppelbesteuerung - Einkommen - und Vermögenssteuern (Österreich-Deutschland) Fassung vom in der im Artikel 18 Absatz 1 und 2 und auf das Gesetz zu dem Abkommen vom zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen" und wies darauf hin, dass nur in einem Staat versteuert werden dürfe. Die belangte Behörde halte sich nicht an diese Regelung und umgehe diese mit dem sogenannten Progressionsvorbehalt und fordere auf diesem Weg nochmals Steuern von Beträgen, die schon in Deutschland versteuert worden seien. In Deutschland würden die österreichischen Einkünfte für den dortigen Progressionsvorbehalt herangezogen, was auch sehr umstritten sei. Durch diese Praxis der Finanzämter müsse er in Deutschland und in Österreich jeweils mehr als eine Monatsrente wieder als Steuer zurückbezahlen.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. bezog im Jahr 2020 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit für die ***1*** in Höhe von € 2.409,33 sowie inländische Pensionseinkünfte in Höhe von € 19.590,72. Abzüglich Werbungskosten und Sonderausgaben ergab sich daraus ein Einkommen in Höhe von € 21.251,50.

Zusätzlich bezog der Bf. ausländische Pensionseinkünfte von der "Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd" (abzüglich Werbungskosten) in Höhe von € 4.804,68, für welche in Deutschland € 440,00 an Einkommensteuer zu entrichten waren.

Der Bf. hatte im Jahr 2020 seinen (einzigen) Wohnsitz in Österreich.

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakt. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 1 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 26/2009 lautet:

"Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte."

Der Bf. war daher aufgrund seines inländischen Wohnsitzes sowohl mit seinen inländischen als auch seinen ausländischen Einkünften steuerpflichtig. Dieses Besteuerungsrecht wird jedoch durch das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland; im Folgenden kurz: DBA Deutschland) eingeschränkt.

Gemäß Artikel 4 Abs. 1 DBA Deutschland bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" im Sinne dieses Abkommens eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.

Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen gemäß Artikel 18 Abs. 2 DBA Deutschland abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer gemäß Artikel 23 Abs. 2 lit d DBA Deutschland wie folgt festgesetzt:

"Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden."

Der Bf. hatte nur einen Wohnsitz in Österreich, sodass er nach Art 4 Abs. 1 DBA Deutschland als in Österreich ansässig galt. Die Bezüge von der "Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd" gelten als Bezüge aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung, sodass diese gemäß Artikel 18 Abs. 2 DBA Deutschland in Deutschland versteuert werden durften. Gemäß Artikel 23 Abs. 2 DBA Deutschland durfte Österreich diese Einkünfte jedoch bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen einbeziehen, wie es der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Einkommensteuer 2016 des Bf. bereits im Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0111 ausführte:

"11 Doppelbesteuerungsabkommen entfalten - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht hat - insofern eine Schrankenwirkung, als sie eine sich aus originär innerstaatlichem Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob ein Steueranspruch besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. zB , mwN).

12 Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuertarif nach § 33 EStG 1988 bemisst sich nach dem Gesamteinkommen, worin der Progressionsvorbehalt innerstaatlich - unbeschadet der Regelung des § 33 Abs. 11 EStG 1988 - seine Rechtsgrundlage findet (vgl. ).

13 Der Sinn und Zweck eines Doppelbesteuerungsabkommens erschöpft sich dabei im Anwendungsbereich der Freistellungsmethode darin, dass die Steuer lediglich von gewissen Einkommensteilen, hinsichtlich deren das Besteuerungsrecht wie hier Deutschland zusteht, nicht von Österreich erhoben werden darf. Es soll aber nicht dazu dienen, einen im Inland unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen von der Anwendung des progressiven Steuersatzes zu schützen. Durch Art. 23 Abs. 3 lit. d DBA Deutschland wird ausdrücklich verdeutlicht, dass dem Ansässigkeitsstaat (hier: Österreich) das Recht zugestanden wird, die Steuern von den ihm zur Besteuerung überlassenen Einkünften nach dem Satz zu erheben, der dem gesamten Einkommen des Steuerpflichtigen entspricht (vgl. bereits , zum früheren DBA Deutschland).

14 Die Wirkung des Progressionsvorbehalts liegt dabei darin, "bei einem Bezug steuerfreier Einkünfte die nicht steuerbefreiten Einkünfte nach einem Steuersatz zu besteuern, der der Leistungsfähigkeit der die Einkünfte erzielenden Person entspricht". Dem Steuerpflichtigen "soll durch den Bezug steuerfreier Einkünfte weder ein sonstiger Steuersatzvorteil noch ein Steuersatznachteil entstehen" (so Wassermeyer, Doppelbesteuerung Art 23 A MA Rz 121; vgl. ferner beispielsweise Widhalm, in Gassner/M Lang/Lechner, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 153 ff, 162, mwN).

15 Damit dient der Progressionsvorbehalt gerade der Gleichbehandlung von in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen mit grenzüberschreitenden Einkünften einerseits und mit bloß innerstaatlichen Einkünften andererseits und stellt - entgegen der Revisionsbehauptung - für sich keine Benachteiligung von Steuerpflichtigen dar, die auch in einem Mitgliedsstaat der EU Einkünfte erzielen.

16 Mit ihrem nicht näher substantiierten gegenteiligen Vorbringen hat die Revision vor diesem Hintergrund auch keine unionsrechtlich bedenkliche Benachteiligung des Revisionswerbers durch das angefochtene Erkenntnis aufzuzeigen vermocht."

Die behauptete Mehrfachbesteuerung der gleichen Einkünfte oder eine Bevorzugung von österreichischen Arbeitnehmer, die nur in Österreich gearbeitet haben, gegenüber jenen Arbeitnehmern, die neben den österreichischen Tätigkeiten auch in Deutschland ein Dienstverhältnis hatten, liegt nicht vor. Ganz im Gegenteil: Die Gesamtsteuerbelastung des Bf. belief sich auf € 3.605,00 (deutsche Einkommensteuer: € 440,00; österreichische Einkommensteuer: € 3.165,00). Wären sämtliche Pensionseinkünfte des Bf. in Österreich bezogen worden, würde die Einkommensteuer € 3.960,00 betragen und wäre somit um € 355,00 höher als durch die - unter Berücksichtigung der jeweiligen "Auslandseinkünfte" zur Ermittlung des Durchschnittsteuersatzes - erfolgte Veranlagung der österreichischen Pensionsbezüge in Österreich und der deutschen Pensionsbezüge in Deutschland.

Der Progressionsvorbehalt wurde zu Recht bei der Berechnung der Einkommensteuer berücksichtigt und die Steuer entsprechend § 33 Abs. 11 EStG 1988 ermittelt. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Anwendung eines Progressionsvorbehalts - wie im vorliegenden Fall - entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und wurde sogar hinsichtlich der deutschen Pensionseinkünfte des Bf. des Jahres 2016 im Erkenntnis explizit bestätigt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100670.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at