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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.01.2024, RV/5100559/2023

Hochrechnung im Falle des Bezuges von Arbeitslosengeld durch eine Grenzgängerin iSd DBA Österreich-Deutschland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A. Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung, Einkommensteuerbescheid

Die Beschwerdeführerin hat am die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 eingereicht. Im Rahmen dieser Erklärung hat die Beschwerdeführerin auf ihre Eigenschaft als Grenzgängerin hingewiesen.

Mit Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin das von der Deutschen Rentenversicherung ***Vers*** ausgefüllte und unterzeichnete Formular "L 17" an das belangte Finanzamt übermittelt. Aus diesem Formular gehen sowohl die Höhe der Bruttobezüge wie auch die einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge hervor.

Der Einkommensteuerbescheid 2022 ist am ergangen. Da die Beschwerdeführerin im Jahr 2022 für 165 Tage Arbeitslosengeld bezogen hat, wurde in diesem Bescheid auch eine Berechnung des Durchschnittssatzes gemäß § 33 Abs. 10 EStG 1988 vorgenommen und auf Basis dieses Durchschnittssatzes die Einkommensteuer für das Jahr 2022 berechnet.


B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung

Mit Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Abzug der Absetzbeträge (Verkehrsabsetzbetrag, Pendlereuro, Teuerungsabsetzbetrag) von dem mit dem Durchschnittssteuersatz errechneten Einkommen erfolgen müsse. Stattdessen seien diese Absetzbeträge nur bei der Hilfsrechnung zur Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes abgezogen worden. Es werde um Abänderung des Bescheides ersucht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlich ausgeführt, dass die Veranlagung antragsgemäß erfolgt sei. Aufgrund des teilweisen Bezuges von Arbeitslosengeld im Jahr 2022 sei eine besondere Steuerberechnung erforderlich. Die Absetzbeträge seien bereits im Rahmen der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes berücksichtigt worden, ein nochmaliger Abzug von der resultierenden Einkommensteuer sei nicht möglich.

C. Vorlageantrag

Mit Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin eine erneute Beschwerde (gemeint: Vorlageantrag) erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Grenzgängerin - wie auch bereits in der ersten Beschwerde - die Berücksichtigung der Absetzbeträge gemäß der im § 33 Abs. 11 EStG 1988 normierten Berechnungsmethode beantrage.

D. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Zusätzlich zu den obig angeführten Dokumenten wurde vom belangten Finanzamt außerdem eine mit datierte Grenzgängerbescheinigung gemäß dem DBA Österreich-Deutschland übermittelt, in der ab Beschäftigungsbeginn beim derzeitigen Arbeitgeber () bestätigt wird, dass sowohl der Wohnort der Beschwerdeführerin in Österreich wie auch der Arbeitsort in Deutschland jeweils innerhalb einer Zone von 30 km dies- bzw. jenseits der Ländergrenze liegt und die von der Beschwerdeführerin erzielten Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in Österreich steuerlich erfasst werden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wohnt in Österreich und arbeitet - im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses - in Deutschland, wobei sowohl ihr Wohnort wie auch ihr Arbeitsort innerhalb von 30 Kilometern dies- bzw. jenseits der Ländergrenze Österreich-Deutschland liegen. Das gegenständliche Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin hat am begonnen und war bis Jahresende 2022 unverändert aufrecht. Im Zeitraum bis (165 Tage) hat die Beschwerdeführerin in Österreich Arbeitslosengeld ( bis ) bzw. Notstandshilfe () bezogen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Wohn- bzw. Arbeitsort und der jeweiligen Entfernung von weniger als 30 Kilometern zur Landesgrenze Österreich-Deutschland ergeben sich aus der Grenzgängerbescheinigung vom . Der Beginn bzw. das Andauern des Dienstverhältnisses ergeben sich aus dem von der Deutschen Rentenversicherung ***Vers*** ausgefüllten und unterzeichneten Formular "L 17". Die Feststellung betreffend den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe in Österreich im Zeitraum vom bis ergibt sich aus den im elektronischen Akt einliegenden Lohnzetteln des AMS.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

A. Rechtliche Grundlagen

§ 2 Abs. 1 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet:

Der Einkommensteuer ist das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

§ 3 Abs. 1 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet auszugweise:

Von der Einkommensteuer sind befreit:

[…]

5. a)das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen

[…]

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a […] so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

§ 33 Abs. 10 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet:

Ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz ist vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge gemäß Abs. 3a bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.

§ 33 Abs. 11 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet:

Ist bei der Berechnung der Steuer ein Progressionsvorbehalt aus der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen, gilt für die Steuerberechung [sic] Folgendes: Der Durchschnittssteuersatz ist zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge gemäß Abs. 3a bis 6 zu ermitteln. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer sind die Abzüge gemäß Abs. 3a bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) abzuziehen.

Artikel 15 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ("DBA Österreich-Deutschland") in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:

(1) Vorbehaltlich der Artikel 16 bis 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

[…]

(6) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Person

1. in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und

2. täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Grenzgänger).

[…]

Gemäß dem Protokoll zum DBA Österreich-Deutschland gilt als "Nähe der Grenze" die Lage in einer Zone von 30 Kilometern beiderseits der Grenze.

B. Erwägungen

Besteht die Steuerpflicht nur für einen Teil des Jahres, wird nur das während der Steuerpflicht bezogene Einkommen besteuert. Anderes gilt bei bestimmten nach § 3 EStG 1988 steuerbefreiten Einkünften, die nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 im Wege eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind (Toifl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 2, Rz 5/1 mit Verweis auf die Rechtsprechung des , wo die Verfassungskonformität der insoweit gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 3 Z 4 EStG 1972 bestätigt wurde).

Gemäß der obig zitierten Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 sind etwa im Falle des Bezuges von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe (§ 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988) die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte (d.h. im konkreten Fall die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen, wobei der Pauschbetrag für Werbungskosten bei dieser Berechnung noch nicht zu berücksichtigen ist. Die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte aus den Haupteinkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988) werden somit zur Aufrechterhaltung der vollen Steuerprogression auf ein fiktives Jahreseinkommen umgerechnet (Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 3, Rz 28 unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH).

Nach der Bestimmung des § 33 Abs. 10 EStG 1988 - auf die im § 3 Abs. 2 EStG verwiesen wird - ist der Durchschnittssteuersatz (außer in den Fällen des § 33 Abs. 11 EStG 1988) nach Berücksichtigung der Abzüge gemäß § 33 Abs. 3a bis 6 EStG 1988 zu ermitteln. Eine nochmalige Berücksichtigung dieser Abzüge von der unter Anwendung des Durchschnittssteuersatzes berechneten Einkommensteuer ist nicht möglich.

Gemäß dem festgestellten Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Jahr 2022 - neben den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit - auch Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen. Es ist somit - entsprechend der obigen Ausführungen - eine Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 vorzunehmen. Fraglich ist im gegenständlichen Fall lediglich, ob diese Hochrechnung gemäß der Berechnungsmethode des § 33 Abs. 10 oder jener des § 33 Abs. 11 EStG 1988 anzustellen ist.

Die Bestimmung des § 33 Abs. 11 EStG 1988 kann - laut dem expliziten Gesetzeswortlaut - nur dann zur Anwendung kommen, wenn "bei der Berechnung der Steuer ein Progressionsvorbehalt aus der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen" ist. Der Bezug von Einkünften nach § 3 Abs. 1 Z 10 und 11 EStG 1988 oder der Zufluss von Bezügen, die einen besonderen Progressionsvorbehalt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 auslösen (zB Arbeitslosengeld), führt alleine nicht zur Anwendung der Steuerberechnung nach § 33 Abs. 11 EStG 1988 (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, § 33, Rz 164).

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt in Zusammenschau mit den obig zitierten Passagen des DBA Österreich-Deutschland sowie der vorliegenden Grenzgängerbescheinigung (ausgestellt vom Finanzamt Österreich am ) ergibt, handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine sogenannte "Grenzgängerin".

Gemäß Artikel 15 Abs. 1 iVm Abs. 6 DBA Österreich-Deutschland hat Österreich das Besteuerungsrecht für das im Zusammenhang mit der in Deutschland ausgeübten unselbständigen Arbeit bezogene Gehalt. Ein aus dem DBA stammender Progressionsvorbehalt käme allerdings - aus österreichischer Sicht - nur dann in Betracht, wenn das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte bei Deutschland läge und diese Einkünfte in Österreich somit nicht der Besteuerung unterliegen würden. Gerade das ist aber nicht der Fall. Vielmehr liegt das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Beschwerdeführerin - aufgrund ihrer Eigenschaft als "Grenzgängerin" - ohnedies bei Österreich. Für die Anwendung eines aus dem DBA Österreich-Deutschland stammenden Progressionsvorbehaltes bleibt somit kein Raum. Entsprechend kann für die "Hochrechnung" gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 auch nur die vom belangten Finanzamt im Rahmen des angefochtenen Bescheides gewählte Berechnungsmethode des § 33 Abs. 10 EStG 1988 angewendet werden.

Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Im Übrigen folgt die Entscheidung der in den Erwägungen angeführten Rechtsprechung. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100559.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at