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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.11.2023, RV/7101719/2022

Kapitalertragsteuer: Aufhebung der Haftungsbescheide, wenn Schein- oder Deckungsrechnungen (vA) nicht festzustellen sind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101719/2022-RS1
Zu den Bezügen nach § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 gehören auch verdeckte Ausschüttungen ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerde der ***Bf-GmbH***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39, vom gegen den (Sammel-)Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für 2014 und 2015 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zum Sachverhalt, zum Verfahrensablauf und zum Parteienvorbringen wird auf das Erkenntnis vom , RV/7101412/2022, verwiesen.

Mit dem hier angefochtenen (Sammel-)Bescheid vom (OZ 1) zog die Abgabenbehörde die Beschwerdeführerin zur Haftung für Kapitalertragsteuer für 2014 und 2015 heran (Beträge in €):


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2011
2012
2013
2014
2015
KESt-Haftungsbetrag
-
-
-
38.080,77
27.709,64

Zur Begründung verwies die Abgabenbehörde diesmal auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung und die Textziffern 2, 3 und 4 des Berichts über das Ergebnis der Außenprüfung.

Mit Schreiben ihres steuerlichen Vertreters vom (OZ 3) erhob die Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen den KESt-Haftungsbescheid und beantragte deren Aufhebung. Zur Begründung wird ausgeführt, der Hinweis in der Bescheidbegründung auf die "Niederschrift bzw. den BP-Bericht" sei durch das - auch die KESt 2011 bis 2015 ersatzlos aufhebende - Erkenntnis des , überholt. Auf die dortige Begründung zur KESt-Haftung sei verwiesen (ab Seite 3 ganz unten). Demnach seien die Voraussetzungen für deren Geltendmachung auf Basis der Niederschrift/des BP-Berichts nicht vorgelegen. Wenn sich nun die hiesige "Begründung" in einem lapidaren Verweis auf eben dieses - vom Gericht als völlig unzureichend bewertete - Material des Finanzamtes erschöpfe, sei eine neuerliche (wiederum ersatzlose) Aufhebung vorprogrammiert (Seite 3). Doch beginne das Dilemma auf Behördenseite bereits eine Stufe zuvor: Der fundamentale Grundsatz der entschiedenen Sache (res iudicata) sei auch in Abgabensachen zu beachten. Dazu sei auf die Erkenntnisse des , und vom , 2006/16/0129, verwiesen (jeweils: sog Wiederholungsverbot). Dagegen sei hier evident verstoßen worden. Solcherart sei der angefochtene Sammelbescheid schon aus diesem Grund ersatzlos aufhebungsreif (Seite 3).

Mit (Sammel-)Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 4) wies die Abgabenbehörde die Beschwerde gegen die KESt-Haftungsbescheide als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Abgabenbehörde aus, die nunmehr bekämpften Haftungsbescheide seien ebenfalls auf Basis der Prüfungsfeststellungen ergangen, jedoch sei in den Bescheiden direkt auf die korrekten Textziffern 2, 4 und 6 verwiesen worden (Seite 2). Der steuerliche Vertreter wende in der Beschwerde zunächst ein, aufgrund des Erkenntnisses des BFG könne die Behörde die KESt-Haftung nicht mehr auf Basis des Prüfberichts geltend machen. Er übersehe dabei jedoch, dass das BFG sich darin nicht mit den Feststellungen befasse, sondern lediglich ausgesprochen habe, dass wegen der Durchbrechung der Verweiskette durch Verweis auf die keinen Wiederaufnahmegrund enthaltende Tz. 5 die Wiederaufnahmen mangels Nennung eines Wiederaufnahmegrundes aufzuheben waren. In dem neu erlassenen Bescheid werde jedoch direkt auf die die Wiederaufnahmegründe enthaltenden Textziffern verwiesen, womit die Wiederaufnahmen zu Recht erfolgt seien. Insoweit die Beschwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz der entschiedenen Sache zu erkennen vermeine, werde entgegnet, dass es sich hierbei um einen Rechtsgrundsatz des Strafrechts handle, die zitierte VwGH-Entscheidung betreffe ein Finanzstrafverfahren. Das Abgabenrecht kenne diesen Grundsatz nicht (Seite 2).

Mit Schreiben vom (OZ 6) stellte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter gegen die Beschwerdevorentscheidung den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag) und brachte ergänzend vor, das Argument der entschiedenen Sache (res iudicata) sei unzutreffend. Die Erlassung der angefochtenen KESt-Haftungsbescheide als solche gehe in Ordnung. Dieser Umstand werde hiermit außer Streit gestellt, das gegenteilige Beschwerdevorbringen verworfen (Seite 2). Bei der objektiven Seite der angefochtenen KESt-Vorschreibung erscheine es sinnvoll und zweckmäßig, den Ausgang des VwGH-Verfahrens Ra 2020/13/0025, abzuwarten: Entweder, die die Amtsrevision bleibe erfolglos; dann hingen die beiden KESt-Bescheide auch ohne förmliche Bindungswirkung an die KöSt samt Wiederaufnahme in der Luft, weil sich der BP-Bericht in diesem Fall als für Besteuerungszwecke ungeeignet erweise und es solcherart an einer schlüssigen Begründung der angefochtenen KESt-Vorschreibung fehle (Seite 2). Oder die Amtsrevision bleibe - wider Erwarten - doch erfolgreich; dann sei im fortgesetzten Verfahren die inhaltliche Diskussion auf Basis der vorgelagerten KöSt zu führen und bliebe dessen Ausgang abzuwarten. Solcherart mache es auch bei dieser Variante wenig Sinn, hier und jetzt umfangreiches Sach- und Beweisvorbringen zu erstatten. Ungeachtet sei die KöSt-Vorschreibung angesichts der völlig unzureichenden Berücksichtigung der Lohnnebenkosten von jeweils 20 % (Lohn- und Sozialabgaben) zu hoch ausgefallen. Das strahle logischerweise auf die KESt aus, die sich aus diesem weiteren Grund als rechtswidrig erweise (Seite 2). Dazu komme noch die subjektive Seite der KESt, die in der gesamten bisherigen Arbeit des Finanzamtes nicht (zumindest nicht in einer erkennbaren Weise) vorgekommen sei (Seite 2).

Mit Vorlagebericht vom (OZ 8) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Der Stellungnahme der Abgabenbehörde ist zu entnehmen, dass die Wiederaufnahmen aufgrund der im Rahmen der Außenprüfung erfolgten und im Prüfbericht dargelegten neu hervorgekommenen Tatsachen erfolgt seien, welche darin bestanden hätten, dass es sich bei den geltend gemachten Betriebsausgaben um Scheinrechnungen handle und welche eben zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führten. Insoweit die Beschwerde geltend mache, dass neue Tatsachen bereits im abgeschlossenen Verfahren und nicht erst bei der Außenprüfung neu hervorgekommen hätten sein müssen, habe sie der geltenden Judikatur widersprochen.

Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf mündliche Verhandlung mit Schreiben ihres steuerlichen Vertreters vom (OZ 11) zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerdenentschieden:

Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988). Solche Einkünfte unterliegen, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (inländische Kapitalerträge), der Kapitalertragsteuer (§ 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988).

Zu den Bezügen nach § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 gehören auch verdeckte Ausschüttungen ().

Weder die Ermittlungsergebnisse noch die Begründungen der Abgabenbehörde vermögen die Feststellung einer verdeckten Ausschüttung zu tragen. Die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für Kapitalertragsteuer erfolgte daher zu Unrecht, weshalb der angefochtene (Sammel-)Bescheid aufzuheben war. Zur Begründung wird auf das Erkenntnis vom , RV/7101412/2022, verwiesen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101719.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at