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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2024, RV/2100619/2023

Zurücknahme eines Antrages auf Veranlagung gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

In seiner am im Wege von FinanzOnline eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 machte der Beschwerdeführer (Bf) ua den Familienbonus Plus für seine beiden Kinder geltend.

Mit Bescheid vom wurde der Bf erklärungskonform zur Einkommensteuer 2019 veranlagt. Daraus ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 535,00 Euro.

In seiner Beschwerde vom begehrte der Bf abermals die Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seine beiden Kinder.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab.

In seiner am im Wege von FinanzOnline eingebrachten, als "Beschwerde" bezeichneten Eingabe, die als Vorlageantrag iSd § 264 BAO zu werten ist, führte der Bf wie folgt aus: Mit dem angefochtenen Bescheid sei eine Nachzahlung in Höhe von 535,00 Euro festgesetzt worden. In seinem Fall lägen die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs 1 EStG 1988 nicht vor. Er ziehe daher seinen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung zurück. Er beantrage die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

In der Folge legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom führte es aus, der Bf sei seit dem FinanzOnline-Teilnehmer und habe die elektronische Form der Zustellung aktiviert. Die Zustimmung zur elektronischen Form der Zustellung sei nicht widerrufen worden. Die Beschwerdevorentscheidung sei dem Bf am in die FinanzOnline-Databox zugestellt worden. Die einmonatige Rechtsmittelfrist habe gemäß § 108 Abs 2 BAO am geendet, woraus folge, dass der Vorlageantrag vom nicht rechtzeitig eingebracht worden sei. Das Finanzamt beantrage daher die Zurückweisung des Vorlageantrages durch das Bundesfinanzgericht.

Mit Schreiben vom hielt das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt Folgendes vor:

"Zu Ihren Ausführungen im Vorlagebericht vom : Ausgehend davon, dass die Beschwerdevorentscheidung dem Beschwerdeführer am zugestellt wurde und der ein Sonntag war, endete die Vorlageantragsfrist erst am (vgl § 108 Abs 3 BAO). Der vom Beschwerdeführer am im Wege von FinanzOnline eingebrachte Vorlageantrag war daher aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes rechtzeitig.

Zur Zurücknahme des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung im Vorlageantrag: Ein Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung (§ 41 Abs 2 EStG 1988) kann bis zur Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung zurückgezogen werden (). Eine Zurücknahme ist dann nicht möglich, wenn ein Pflichtveranlagungstatbestand (§ 41 Abs 1 EStG 1988) erfüllt ist (vgl zB Peyerl in Jakom EStG16 § 41 Rz 30, mwN). Das Bundesfinanzgericht geht nach Durchsicht der Lohnzetteldaten sowie auf der Grundlage der vorliegenden Akten davon aus, dass im gegenständlichen Fall ein Pflichtveranlagungsgrund nicht vorliegt."

Mit E-Mail vom äußerte sich das Finanzamt dazu wie folgt: Dem Finanzamt sei bei der Beurteilung der Rechtsmittelfrist ein Fehler unterlaufen. Das Finanzamt teile die formell- und materiellrechtliche Beurteilung des Vorlageantrages durch das Bundesfinanzgericht. Einer ersatzlosen Aufhebung der Arbeitnehmerveranlagung 2019 stünden keine Bedenken entgegen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Die mit datierte Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2019 langte am in der FinanzOnline-Databox des Bf ein.

Am Montag, den , brachte der Bf über FinanzOnline einen Vorlageantrag ein. Dabei zog er seinen am über FinanzOnline in Form einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 (Formular L 1) gestellten Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung 2019 zurück.

Im Streitjahr 2019 stellten sich die Verhältnisse wie folgt dar:

Der Bf erzielte ausschließlich lohnsteuerpflichtige Einkünfte. Er stand ganzjährig in einem Dienstverhältnis zur ***X AG***. Dienstverhältnisse zu anderen Arbeitgebern bestanden nicht. Die ***X AG*** berücksichtigte im Rahmen der Lohnverrechnung weder Freibeträge noch ein Pendlerpauschale. An Absetzbeträgen wurden seitens der ***X AG*** im Rahmen der Lohnverrechnung (nur) der "normale" (dh nicht erhöhte) Verkehrsabsetzbetrag und der Familienbonus Plus (für 12 Monate betreffend den im Jahr 2014 geborenen Sohn des Bf sowie für 5 Monate betreffend die im August 2019 geborene Tochter des Bf) berücksichtigt. Der Bf erhielt von der ***X AG*** keinen Kinderbetreuungszuschuss iSd § 3 Abs 1 Z 13 lit b EStG 1988.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Verhältnissen des Streitjahres 2019 (Einkünfte, Freibeträge, Pendlerpauschale, Absetzbeträge, etc) beruhen auf den im angefochtenen Bescheid ausgewiesenen Daten sowie auf den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Lohnzetteldaten. Anderslautendes wurde vom Finanzamt nicht vorgebracht (zum diesbezüglichen Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom siehe oben unter Punkt I "Verfahrensgang").

Die übrigen Feststellungen sind allesamt unstrittig und ergeben sich aus den aktenkundigen Unterlagen sowie einer Einsicht in den elektronischen Finanzamtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides):

Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages:

Gemäß § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Der Zeitpunkt, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu welcher der Empfänger Zugang hat (vgl ).

Gemäß § 108 Abs 2 Satz 1 BAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht.

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist gemäß § 108 Abs 3 Satz 2 BAO der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdevorentscheidung dem Bf am zugestellt (Tag des Einlangens in der FinanzOnline-Databox). Die einmonatige Vorlageantragsfrist begann daher an diesem Tag zu laufen. Sie endete - da der ein Sonntag war - mit Ablauf des . Der vom Bf am im Wege von FinanzOnline eingebrachte Vorlageantrag war somit rechtzeitig.

Zurücknahme des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung:

Gemäß § 39 Abs 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 EStG 1988 vorliegen.

§ 41 Abs 1 EStG 1988, der eine taxative Aufzählung von Tatbeständen enthält, die zu einer amtswegigen Veranlagung führen (Pflichtveranlagung) (vgl Atzmüller in Doralt et al EStG21a § 41 Rz 7), lautet in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl I 62/2018 wie folgt:

"§ 41 (1) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn

1. er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt,

2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

3. im Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5, 6, 7, 8 oder 9 zugeflossen sind,

4. ein Freibetragsbescheid für das Kalenderjahr gemäß § 63 Abs. 1 oder ein Freibetrag gemäß § 103 Abs. 1a bei der Lohnverrechnung berücksichtigt wurde,

5. der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Alleinerzieherabsetzbetrag, der erhöhte Pensionistenabsetzbetrag, der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag oder Freibeträge nach § 62 Z 10 und Z 11 berücksichtigt wurden, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.

6. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 nicht nachgekommen ist.

7. der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b 5. Teilstrich abgegeben hat oder seiner Verpflichtung, Änderungen der Verhältnisse zu melden, nicht nachgekommen ist.

8. er Einkünfte im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 32 bezogen hat.

9. er Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27a Abs. 1 oder entsprechende betriebliche Einkünfte erzielt, die keinem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen.

10. er Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 erzielt, für die keine Immobilienertragsteuer gemäß § 30c Abs. 2 entrichtet wurde, oder wenn keine Abgeltung gemäß § 30b Abs. 2 gegeben ist.

11. der Arbeitnehmer nach § 83 Abs. 3 unmittelbar in Anspruch genommen wird.

12. ein Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen oder wenn sich ergibt, dass ein nicht zustehender Betrag berücksichtigt wurde."

Gemäß § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 hat das Finanzamt, wenn die Voraussetzungen des Abs 1 leg cit nicht vorliegen, auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung).

Nach der Rechtsprechung des VwGH kann ein Antrag gemäß § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 bis zur Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung - somit auch noch im Beschwerdeverfahren - zurückgezogen werden (vgl ; ). Eine Zurücknahme ist dann nicht möglich, wenn ein Pflichtveranlagungstatbestand iSd § 41 Abs 1 EStG 1988 erfüllt ist (vgl zB Peyerl in Jakom EStG16 § 41 Rz 30; Atzmüller in Doralt et al EStG21a § 41 Rz 8, 35).

Wie den unter Punkt II.1. dieses Erkenntnisses getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen ist und auch vom Finanzamt bestätigt wurde, liegt im gegenständlichen Fall kein Pflichtveranlagungsgrund iSd § 41 Abs 1 EStG 1988 vor.

Bei der vom Bf am über FinanzOnline eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 (Formular L 1) handelt es sich um einen Antrag auf Veranlagung gemäß § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 (vgl etwa Atzmüller in Doralt et al EStG21a § 41 Rz 33; Peyerl in Jakom EStG16 § 41 Rz 28; siehe auch ; ).

Da dieser Antrag auf Veranlagung gemäß § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 im Vorlageantrag vom - und somit vor Eintritt der Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung 2019 - zurückgezogen wurde, war der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben. Die Nachforderung entfällt damit.

Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung sind demnach nicht erfüllt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 Z 13 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 39 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 Satz 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 Satz 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 3 Satz 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100619.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at