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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.12.2023, RV/3100238/2023

Konkurrierende FB-Ansprüche: Maßgebend ist nicht der Monatserste, sondern bei wem das Kind überwiegend haushaltszugehörig war

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den (Sammel)Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff Nr1, betreffend ua. Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Tochter A für den Zeitraum Dezember 2021 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Rückforderung von Familienbeihilfe
und Kinderabsetzbetrag für die Tochter A, geb. xxx, für den Zeitraum
Dezember 2021 aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf:

1. Mit Schreiben vom teilte Herr ***Bf1*** (= Beschwerdeführer, Bf) dem Finanzamt mit, dass er lt. Beschluss des BG Ort1 v. wieder die Obsorge über seine beiden Kinder A, geb. 11/2019, und B, geb. 05/2018, übernommen habe und ersuchte um Auszahlung der Familienbeihilfe (FB) wiederum auf sein Konto.

2. Nachgereicht wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), wonach ua. die Tochter ab an der Wohnadresse des Bf in A-Ort1-XStr, mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.

3. Laut im Akt erliegenden Schriftverkehr des Finanzamtes hat sich die Tochter A vom bis bei der Pflegemutter C in Bereitschaftspflege befunden.

4. Nach Überprüfung durch das Finanzamt erfolgte die (geänderte) Mitteilung v. an den Bf, dass für die Tochter A der FB-Anspruch für die Zeiträume 11/2019 bis 08/2021 und für 01/2022 (anstelle zuvor 12/2021) bis zum Anspruchsende 08/2022 besteht.

5. Mit Bescheid vom , Ordnungsbegriff Nr1, hat das Finanzamt vom Bf die für beide Kinder bezogenen Beträge an Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) für die Zeiträume Dezember 2021 und September 2022 im Betrag von gesamt € 553,50 zurückge-fordert, dies unter Verweis auf §§ 10 Abs. 2 und 26 Abs. 1 FLAG 1967 mit folgender Begründung:
"… Da sich die Kinder A und B nicht mehr im gemeinsamen Haushalt befinden, ist der Anspruch auf Familienbeihilfe mit erloschen.
Ihre Tochter
A hat sich auch am nicht in Ihrem Haushalt befunden, daher lag für diesen Monat ebenfalls kein Anspruch auf Familienbeihilfe vor."

6. In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde "bezüglich der Rückforderung des KG für meine Tochter A … für den Zeitraum Dez. 2021" wendet der Bf ein:
Es entspreche nicht den Tatsachen, dass sich die Tochter im Dezember 2021 nicht im gemeinsamen Haushalt befunden habe. Sie sei bereits Anfang Dezember dort aufhältig gewesen, allerdings hätte sich feiertagsbedingt die Anmeldung etwas verzögert.

7. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde dahin begründet, dass nach § 10 Abs. 2 FLAG zur Beurteilung des FB-Anspruches das Verhältnis zu Beginn eines Monats entscheidend sei, weshalb nach vorliegenden Unterlagen für Dezember 2021 kein Anspruch für den Bf bestehe. Nach § 33 Abs. 3 EStG werde der Kinderabsetzbetrag (KG) gemeinsam mit der gewährten FB ausgezahlt.

8. Im Vorlageantrag wird vorgebracht, die Auslegung der Behörde könne dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 FLAG nicht entnommen werden. Nach Rückkehr der Tochter im Dezember 2021 seien die Voraussetzungen in diesem Monat erfüllt und sei daher ab Beginn des Monats Dezember die FB zu gewähren. Der Bf habe im Dezember 2021 - und auch bereits vorher in Vorbereitung der Rückkehr - die Kosten für die Tochter überwiegend getragen.

II. Sachverhalt:

Die mj. Tochter des Bf, A geb. 11/2019, war vom bis bei der Pflegemutter C in Bereitschaftspflege untergebracht (lt. Schriftverkehr des Finanzamtes).

Ab war sie wiederum beim Bf/Kindesvater im gemeinsamen Haushalt aufhältig und bei ihm an dessen Wohnadresse mit Hauptwohnsitz gemeldet (siehe ZMR-Auszug).

III. Beweiswürdigung:

Obige Sachverhaltsfeststellungen konnten aufgrund des eingangs dargelegten Akteninhaltes getroffen werden und sind - insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen im Vorlageantrag (arg. "Rückkehr im Dezember 2021") - unbestritten.

IV. Rechtslage:

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967, BGBl 1967/376 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
lit a) für minderjährige Kinder, ….

Steuerpflichtigen, denen nach dem FLAG 1967 die Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe auch der Kinderabsetzbetrag (KG) zu (§ 33 Abs. 3 EStG 1988).

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind diejenige Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann (subsidiär) Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Nach § 7 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gebührt die Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG iVm § 26 FLAG).

Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum die FB zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten (vgl. u.a.). Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist zufolge § 10 Abs. 2 und Abs. 4 FLAG 1967 der Monat. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt der Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. u.a.).

Die Regelung des § 10 Abs. 2 FLAG 1967 nimmt keine Anspruchsreihung dahingehend vor, dass nach den Verhältnissen am Monatsbeginn zu entscheiden wäre, wem der Anspruch auf FB zusteht. Der erste Satz der genannten Bestimmung trifft eine Aussage darüber, dass, selbst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erst im Lauf des Monats eintreten (zB die Geburt oder die überwiegende Haushaltszugehörigkeit des Kindes), die FB trotzdem bereits ab dem 1. des Monats gebührt (vgl. ).

Der zweite Satz des § 10 Abs. 2 ist in Verbindung mit § 10 Abs. 4 und § 7 FLAG zu lesen. Da die FB für einen Monat nur einmal gebührt, ist im Fall des Wechsels des Anspruchsberechtigten, im Fall einer sogen. "Doppelresidenz", von Monat zu Monat zu entscheiden und nicht dem Elternteil (bzw. der Person), der im vorangegangenen Monat bezugsberechtigt war, sozusagen automatisch die FB noch zu gewähren. Die Konkurrenz von FB-Ansprüchen ist vielmehr so zu lösen, dass demjenigen Elternteil, bei dem das Kind im einzelnen Monat überwiegendhaushaltszugehörig ist, für dieses Monat die FB zusteht, und dem anderen Elternteil nicht
().

(siehe zu vor: Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., unter Rz 8 zu § 10 mit weiterer VwGH-Judikatur)

V. Erwägungen:

Da nach der Bestimmung des § 33 Abs. 3 EStG 1988 der Erhalt des Kinderabsetzbetrages (KG) unmittelbar abhängig ist von der Gewährung der Familienbeihilfe und gemeinsam mit dieser ausgezahlt wird, ist die Beschwerde - trotz dortiger Ausführungen bezogen nur auf den Kinderabsetzbetrag - nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts auch als gegen die Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Dezember 2021 zu werten.

Im Gegenstandsfall ist allein strittig, wem der Anspruch auf Familienbeihilfe (+ KG) im Monat Dezember 2021 für die Tochter des Bf zusteht, wenn diese - nach Betreuung bei einer Pflegemutter - ab 9.12. und nicht bereits am Monatsersten in den Haushalt des Bf zurückgekehrt ist bzw. erst ab 9. des Monats beim Bf haushaltszugehörig war.

Wie oben dargelegt ist - entgegen der Ansicht des Finanzamtes - aus § 10 Abs. 2 FLAG 1967 keine Anspruchsreihung dahingehend abzuleiten, dass bei konkurrierenden FB-Ansprüchen in ein und demselben Monat die Verhältnisse zum Monatsersten maßgebend wären. Vielmehr ist nach geltender Rechtslage bei einem Wechsel der Anspruchsberechtigten ("Doppelresidenz") ausschlaggebend, bei wem das Kind im einzelnen Monat tatsächlich überwiegend haushaltszugehörig ist (gem. § 10 Abs. 2 2. Satz iVm § 10 Abs. 4 und § 7 FLAG 1967).

Gegenständlich kann kein Zweifel daran bestehen, dass im strittigen Monat Dezember 2021 eine überwiegende Haushaltszugehörigkeit des Kindes zum Bf bestanden hat, der damit wohl auch die anfallenden Kosten für das Kind überwiegend getragen hat. Aus diesem Grund steht ihm eindeutig der FB-Anspruch für die Tochter, dieser verbunden mit der Gewährung des Kinderabsetzbetrages, zu.

In Anbetracht der gegebenen Sach- und Rechtslage war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur strittigen Frage, ob bei konkurrierenden FB-Ansprüchen in einem Monat die Verhältnisse am Monatsbeginn ausschlaggebend sind oder aber das Überwiegen der Haushaltszugehörig-keit, liegt neben obgenannter BFG-RSpr ua. das VwGH-Erk. v. , 2007/15/0058, vor, demnach aus § 10 Abs. 2 FLAG 1967 keine Anspruchsreihung nach den Verhältnissen am Monatsbeginn abzuleiten ist. Im Übrigen ergibt sich die Beurteilung des Überwiegens anhand der Würdigung der vorliegenden Sachverhaltsmomente, sohin aus der Lösung einer Tatfrage. Es liegt damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at