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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2023, RV/7104115/2023

Rechtswidrigkeit der Zurückweisung eines Antrags auf Gewährung der Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Schweiz, über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind Ki ab Jänner 2022 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) stellte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihr Kind So SoNa (kurz: So) ab .

Das Finanzamt Österreich (kurz: FA) erließ am einen "Zurückweisungsbescheid" (mit dem Spruch: "Ihr/e Antrag auf Familienbeihilfe, eingebracht am , wird zurückgewiesen …") betreffend den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind So ab Jänner 2022 und führte dazu begründend aus:
"Der Antrag wird zurückgewiesen, da Sie derzeit postalisch nicht erreichbar sind."

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf dagegen Beschwerde ein und führte begründend ua aus, dass der gegenständliche Bescheid an der Adresse Adr2, zugestellt worden sei. Die Begründung, dass die Bf postalisch nicht erreichbar sei, sei daher nicht nachvollziehbar. Sie beantrage demnach die Aufhebung des Bescheides und die Gewährung der Familienbeihilfe für So ab Jänner 2022. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie seit März 2023 an der Adresse Adr1, wohnhaft sei.

Mit Vorhalt vom wendete sich das FA mit Fragen zum Wohnsitz des Kindesvaters und des Kindes an die Bf und wiederholte diese Fragen im Vorhalt vom .

Nachdem diese Vorhalte unbeantwortet geblieben waren, erließ das FA die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom und führte begründend aus, dass die Bf der Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen nicht nachgekommen sei und damit ihrer Mitwirkungspflicht gemäß § 119 BAO nicht entsprochen habe. Eine Familienleistung könne daher nicht ausgezahlt werden.

Die Bf stellte daraufhin mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag und hielt ergänzend fest, dass sie keinen Kontakt zum Kindesvater pflege und daher keine konkreten Angaben zu dessen Wohnsitz oder Beschäftigungsverhältnis machen könne. Zuletzt sei er in Deutschland wohnhaft gewesen. Hinsichtlich des Kindes wurden Unterlagen vorgelegt.

Mit Vorhalt vom richtete das FA weitere Fragen zur Abklärung des Bestehens eines Familienbeihilfenanspruches an die Bf, welchen die Bf am beantwortete.

Letztlich erfolgte mit Bericht vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und das FA hielt in der Stellungnahme fest, dass der Bf für die Monate Jänner 2022 bis Februar 2023 Familienbeihilfe zustehe. Ab März 2023 befinde sich das Kind in der Obhut der Großeltern.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der zu beurteilende Sachverhalt ergibt sich aus dem mit Hilfe der als unbedenklich einzustufenden, elektronisch vorgelegten Aktenteilen erstellten Verfahrensgang.

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine (ersatzlose) Aufhebung (als meritorische Beschwerdeerledigung) hat durch das Bundesfinanzgericht zu erfolgen, wenn ein verfahrensrechtlicher Bescheid (zB Zurückweisung eines Antrags, Zurücknahmebescheid gemäß § 85 Abs 2 BAO) zu Unrecht erlassen wurde. (Vgl Ritz/Koran, BAO7 § 279 Rz 6, )

Im Falle einer bescheidmäßigen Zurückweisung eines Antrages ist also Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, welche anhand des von der Abgabenbehörde herangezogenen Grundes zu beurteilen ist. Liegt der von der Abgabenbehörde angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Bundesfinanzgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Abgabenbehörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund erneut zu entscheiden hat. (Vgl , , )

Im gegenständlichen Fall ist die mittels Bescheid vom erfolgte Zurückweisung des Antrags der Bf auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind So ab Jänner 2002 wegen angeblicher postalischer Unerreichbarkeit Sache des Beschwerdeverfahrens (vgl Verfahrensgang).

Ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ist ein Anbringen im Sinne des § 85 Abs 1 BAO. Die Abgabenbehörden sind gemäß § 85a BAO verpflichtet, über derartige Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Unter Entscheidungspflicht wird dabei die Pflicht zum bescheidmäßigen Abspruch über ein Anbringen verstanden. Die Entscheidungspflicht besteht nicht nur, wenn das Anbringen meritorisch zu erledigen ist, sondern auch dann, wenn das Anbringen zurückzuweisen ist. (Vgl Ritz/Koran, BAO7, § 85a, Rz 4 und 10, sowie die unter Rz 10 zitierte Rechtsprechung wie zB u , zusätzlich ).

Ein Anbringen ist zurückzuweisen, wenn es unzulässig ist. Eine Unzulässigkeit liegt zB bei entschiedener Sache oder bei mangelnder Antragslegitimation vor. (Vgl Ritz/Koran, BAO7, § 85a, Rz 10, ).

Zurückzuweisen sind des Weiteren verspätete Anbringen sowie in der Regel zu früh eingebrachte Anbringen. (Vgl Ritz/Koran, BAO7, § 85a, Rz 10, ).

Im angefochtenen Zurückweisungsbescheid wird als Zurückweisungsgrund die postalische Unerreichbarkeit der Bf angeführt. Eine mangelnde Rechtzeitigkeit oder ein verfrühtes Einbringen des zurückgewiesenen Antrags wird somit vom FA zweifellos nicht als Zurückweisungsgrund herangezogen. Aber auch eine für seine Unzulässigkeit maßgebliche, fehlende Befugnis zur Stellung des Antrags auf Gewährung von Familienbeihilfe durch die Bf (oder das Vorliegen einer bereits entschiedenen Sache) wird damit nicht dargestellt. Ein Zurückweisungsgrund ist somit nicht feststellbar.

Die angebliche postalische Unerreichbarkeit der Bf kann aus der Sicht des BFG letztlich keinen Zurückweisungsgrund bilden. Sie kann aus der Sicht des BFG lediglich die in § 85a BAO normierte Entscheidungspflicht des FA, also den bescheidmäßigen Abspruch über den gestellten Antrag, dahingehend erschweren, als Sachverhaltsermittlungen und eine Zustellung der schriftlichen Erledigung verkompliziert werden. Diese Erschwernisse befreien das FA aber nicht von der Verpflichtung, den gegenständlichen Antrag meritorisch zu erledigen.

Ein Zurückweisungsgrund liegt somit im gegenständlichen Fall nicht vor. Der Zurückweisungsbescheid ist zu Unrecht erlassen worden. Der Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom ist dementsprechend gemäß § 279 Abs 1 BAO insoweit Folge zu geben, als die Bf die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides beantragte. Ob der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Sohn So ab Jänner 2022 inhaltlich zum Erfolg führt, ist vom Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG)

Eine Revision ist im gegenständlichen Fall nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104115.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at