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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.12.2023, RV/4100628/2022

Außergewöhnliche Belastung für ein behindertes Kind: Anschaffungskosten für PKW und Berücksichtigung von geschätzten Umbaukosten sowie Aufwendungen für Wärmekissen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/4100628/2022-RS1
Nur der mit der Behinderung in Zusammenhang stehende Mehraufwand ist abzugsfähig (siehe ). Ein handelsübliches, in einem „üblichen“ Geschäft erworbenes Wärmekissen ist mangels eines Mehraufwandes nicht als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt abzugsfähig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Bf.Adr, vertreten durch Auxiliaris Steuerberatung GmbH, Bahnhofstraße 16, 8480 Mureck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Klagenfurt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 Steuernummer Bf.-StNr. zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat ein 1998 geborenes Kind. Das Kind hat eine festgestellte Behinderung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100%. Das Kind leidet seit seinem zweiten Lebensjahr an einer Spinalen Muskelatrophie Typ II. Diese Krankheit ist gekennzeichnet durch einen permanenten, progressiven Verlust der Muskelkraft, der sich auf den gesamten Bewegungsapparat erstreckt. Das Kind ist auf die Benützung eines elektrischen Rollstuhles angewiesen.

In der Einkommensteuererklärung2010 machte der Bf. diverse Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung seines Kindes als außergewöhnliche Belastung (ag Bel) mit und ohne Selbstbehalt (SB) geltend.

Das Finanzamt hatte im Einkommensteuerbescheid 2010 vom dem Begehren teilweise Folge gegeben, wogegen der Bf. eine Berufung - nunmehr Beschwerde - erhob. Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) brachte der Bf. den Vorlageantrag ein.

Im Erkenntnis des RV/4100090/2013, wurde über die Beschwerdepunkte entschieden (teilweise Stattgabe).

Mit Erkenntnis des Ra 2021/15/0029, wurde der Amtsrevision Folge gegeben und das Erkenntnis des BFG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Demzufolge ist die Beschwerdesache im fortgesetzten Verfahren einer Erledigung zuzuführen.

Nunmehr darf auf die einzelnen Beschwerdepunkte eingegangen werden:

Außergewöhnliche Belastung

1. Kosten für einen PKW, Kosten für den Rückbau des PKW und Merkantiler Minderwert

In der Einkommensteuererklärung 2010 machte der Bf. eine ag Bel in Höhe von € 23.385,05 geltend. Ausgehend von dem Kaufpreis inklusive Mehrwertsteuer für einen PKW der Marke 1 ("Marke 1") in Höhe von € 35.119,00 abzüglich Rückerstattung NOVA (€ 2.488,41, Bescheid des Bundessozialamtes vom laut Ansuchen vom ) sowie abzüglich des vom Bf. ermittelten Selbstbehalts (€ 2.498,54) und abzüglich des Verkaufspreises des alten PKW (€ 6.750,00) gelangte er zu einer außergewöhnlichen Belastung i.H.v. € 23.382,05. Beigelegt war ein Kaufvertrag vom , mit dem Frau A einen PKW der Marke 2 um € 6.750,00 verkaufte.

Im Einkommensteuerbescheid 2010 sowie der BVE ließ das Finanzamt die Aufwendungen für den PKW nicht zum Abzug zu. Dem geltend gemachten Aufwand stehe der Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes gegenüber, sodass es zu keinem Vermögensabfluss und zu keiner steuerlich zu berücksichtigenden Belastung iSd § 34 EStG 1988 gekommen sei.

Anlässlich des Erörterungstermins beim BFG im Erstverfahren wurden die Umbauarbeiten wie folgt beschrieben.

"Zur Anschaffung des Pkw Marke 1 (kurze Version) gibt der steuerliche Vertreter an, dass zwar die angeschaffte Grundversion einem normalen Pkw dieses Modells ähnlich ist. Allerdings mussten mit Rücksicht auf die Behinderung des Kindes umfangreiche Umgestaltungen und Modifizierungen vorgenommen werden. So war zunächst die zweite Sitzreihe auszubauen, die Karosserie im hinteren Bereich an bestimmten Stellen durch Einschweißungen zu adaptieren. In der Folge war dann der Hebekran für den Rollstuhl, welcher 140 kg zuzüglich des Körpergewichts des Kindes wiegt, zu montieren. Nach dem Hineinheben in den Pkw wird der Rollstuhl auf speziell angefertigten und montierten Führungsschienen befestigt, wofür u.a. auch die Bodenplatte im hinteren Teil des Kfz speziell verstärkt und angepasst werden musste. Aus all diesen Gründen müssten bei einem allfälligen Wiederverkauf oder Eintausch die genannten speziellen Adaptierungen, sofern dies überhaupt noch möglich ist (Einschweißungen), wieder beseitigt und durch normale Ausstattungen ersetzt werden, was naturgemäß zu zusätzlichen Kosten führen würde."

Der Bf. legte noch das Schriftstück "Befund und Gutachten über die zu erwartende merkantile Wertminderung eines Kraftfahrzeuges nach Rückbau eines Personenhebeliftes auf Serienausstattung" einer XXX-Gesellschaft vor, das an Frau A adressiert war und dem ein PKW der Marke 1 mit Erstzulassung vom zugrunde lag.

Das BFG berücksichtigte in seinem Erkenntnis GZ. RV/4100090/2013 nicht die Kosten für das Kfz, wohl aber geschätzte "Kosten Rückbau PKW" von € 3.000,00 sowie einen "Merkantilen Minderwert PKW" in Höhe von € 2.750,00, zusammen somit € 5.750,00.

Im Erkenntnis des VwGHvom , Ra 2021/15/0029, heißt es diesbezüglich wie folgt:

"Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind grundsätzlich nurvermögensmindernde Ausgaben zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind daher in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, weil in diesem Fall zumeist ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, also eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. z.B. ; und , 2011/15/0145, mwN).

Eine andere Beurteilung kann allerdings geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle, spezielle Elektromobile) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl. ; , Ra 2017/15/0006, mwN).

Wenn realistischerweise davon ausgegangen werden muss, dass der behindertengerechte Umbau eines Wirtschaftsgutes bei einer unterstellten Verwertung dieses Wirtschaftsgutes nicht abgegolten wird, kann nicht von der Schaffung eines Gegenwertes ausgegangen werden. Unter nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen fallen etwa auch behinderungsbedingte Ein- und Umbauten (vgl. dazu auch , sowie ; undA.3.2009. 2008/15/0292).

Die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des KFZ wurden von der mitbeteiligten Partei bisher nicht geltend gemacht und nachgewiesen. Geltend gemacht und durch ein Gutachten (das ausgehend von der darin angeführten Fahrgestellnummer und dem Datum der Erstzulassung des befundeten Fahrzeuges allerdings nicht jenes Fahrzeug betreffen könnte, fürwelches die mitbeteiligte Partei im gegenständlichen Verfahren Kosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will) unterlegt wurden die Aufwendungen für einen allfälligen Rückbau des KFZ und der merkantile Minderwert, der sich im Falle einer Veräußerung des KFZ ergeben würde.

27 Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach § 34 EStG 1988 setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen tatsächlichen aus dem Einkommen des betroffenen Jahres geleisteten Aufwand und dessen Zwangsläufigkeit voraus (vgl. ).

Diese Voraussetzungen treffen auf den im Schätzungswege ermittelten, noch nicht geleisteten, also erst künftigen Aufwand nicht zu, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet erweist."

Im fortgesetzten Verfahren vor dem BFG wurde der Bf. aufgefordert, bekanntzugeben, welche Umbaumaßnahmen er durchführen ließ. Er sollte sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem behinderungsgerechten Umbau des 2010 erworbenen Pkw der Marke 1 anhand entsprechender Unterlagen (Rechnung, etc.) nachweisen.

Weiters wurde ihm mitgeteilt, dass im Bescheid betreffend die Rückerstattung der NOVA unter Bezugnahme auf sein Ansuchen vom an das Bundessozialamt angeführt sei, dass der "Rechnungsbetrag € 35.119,50" ausgemacht habe. Der Bf. sollte alle Unterlagen vorlegen, die er dem Ansuchen vom beigelegt hatte, insbesondere jene, aus denen der unter diesem Punkt angeführte Rechnungsbetrag und die in diesem Betrag erfassten Leistungen hervorgehen. Beim BFG sei nur der Kaufvertrag vom mit einem Rechnungsbetrag von € 30.750,00 aufliegend.

Der Bf. brachte vor, dass es seinem Kind, das an spinaler Muskelatrophie (SMA) leide, nicht möglich sei, selbstständig wesentliche Muskelbewegungen auszuführen. Unter anderem führe dies dazu, dass es weder gehen noch ohne Stütze aufrecht sitzen kann. Daher sei der Pkw für den Transport des Kindes entsprechend zu adaptieren gewesen. Es sei bei diesem Fahrzeug eine Hebevorrichtung (Caro-Lifter) eingebaut worden, welcher das Hinein- und Herausheben des behinderten Kindes ermögliche.

Er legte die Rechnung vom der Reha-Firma ("Reha-Firma") vor, lautend auf Frau A. Darin war die Auftragsnummer XXX vom angeführt. Es wurde der Einbau eines Caro-Lifts inklusive Montagearbeiten und Anschlussvorrichtung sowie die Transportsicherung für den Rollstuhl, Einbau und Transportsicherung, Adaptierung Rollstuhl im Gesamtbetrag von € 5.293,67 verrechnet.

Betreffend NOVA-Rückerstattung könne der Bf. keine Kopie von Unterlagen mehr vorlegen. Es sei jedoch versucht worden, beim Sozialministeriumservice (SMS) diesbezüglich Unterlagen zu erlangen. Das SMS habe mitgeteilt, dass der bezughabende Akt beim SMS bereits skartiert worden sei. Die Landesstelle habe jedoch bestätigt, dass ein diesbezüglicher NOVA-Vorgang stattgefunden habe. Der Bf. verwies auf beigelegte Auszüge des SMS. In Ermangelung entsprechender Nachweise sei es nicht möglich, den Betrag von € 35.119,59 schriftlich zu belegen. Aufgrund der überlangen Verfahrensdauer werde um Verständnis ersucht und wird gebeten, den Betrag von € 35.119,59 im Wege der Glaubhaftmachung anzuerkennen.

In seiner Stellungnahme vertrat das Finanzamt folgende Ansicht:

Bereits im Verfahren vor der Abgabenbehörde sei der Bf. zeitnah dazu aufgefordert worden, den Nachweis der in der eingereichten Abgabenerklärung als agB ohne Selbstbehalt geltend gemachten Kosten iZm der Anschaffung des PKW (€ 35.119,59) zu erbringen und sei dies lediglich durch Vorlage des dem Gericht vorliegenden Kaufvertrages erfolgt. Dem Einwand der Unmöglichkeit der Vorlage des schriftlichen Beleges infolge der überlangen Verfahrensdauer könne nicht gefolgt werden.

Nach Ansicht des Finanzamtes handle es sich beim vorgenommenen Umbau/Einbau um keine iSd Judikatur geforderte speziell auf die Bedürfnisse des Kindes vorgenommene Adaptierung des Fahrzeuges, die es für andere unbenutzbar machte, durch die es keinen Marktwert mehr besaß oder es faktisch unverkäuflich machte und eine Anerkennung als außergewöhnliche Belastung begründen könnte, nachdem im vorgelegten Gutachten des Sachverständigen - zwar bezogen auf einen im Jahr 2013 angeschafften PKW Marke 1 - im Fall des Rückbaus auf den Serienzustand lediglich von Kosten bzw. einer Wertminderung bei Wiederverkauf iHv EUR 2.500 - 3.500 ausgegangen worden war.

Die Rechnung der Reha-Firma, lautend auf Frau A (€ 5.293,67), sei am gelegt worden. Sie könne im Verfahren des Bf. betreffend sein Verfahren für 2010 keine Berücksichtigung finden. Ein Zahlungsfluss bzw. eine Verausgabung im Jahr 2010 habe beim Bf. nicht stattgefunden.

2. Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung:

In der Einkommensteuererklärung 2010 machte der Bf. hiefür € 4.705,99 geltend, bestehend aus folgenden Teilpositionen (alle Beträge in €):


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Hilfsmittel/ Heilbehandlung
L. Er-
klärung:
Lt. Erst-
bescheid
FAHRTKOSTEN KURAUFENTHALT
230,12
230,12
KURKOSTEN
100,38
100,38
MEDIKAMENTE
438,35
438,35
Summe
768,85
768,85
HILFSMITTEL
Brille
399,00
399,00
Wärmekissen
27,98
Lähmungsschuh
72,68
72,68
Sicherheitsgurt
279,38
Sitz
739,10
Lift
2.137,00
2.137,00
Summe
3.655,14
2.608,68
FAHRTKOSTEN ARZT
282,00
282,00
Gesamtsumme
4.705,99
3.659,53

Vorerst verwehrte das Finanzamt im Erstbescheid den Abzug der Aufwendungen für den Recaro-Sitz (€ 739,10), das Sicherheitsgurtsystem (€ 279,38) sowie das Wärmekissen (€ 27,98), bejahte aber anlässlich des Erörterungstermins vor dem BFG den Abzug der beiden erstgenannten Positionen als ag Bel ohne SB.

Anlässlich des Erörterungstermins im Verfahren GZ. RV/4100090/2013 legte der Bf. zum Wärmekissen dar:

"Aufgrund der mangelnden Beweglichkeit während des Aufenthaltes im Rollstuhl kommt es, besonders in kühleren Jahreszeiten, leicht zu einer Unterkühlung des Körpers. Um dies und daraus allfällig resultierende Beschwerden im Unterleib (wie etwa Blasenentzündungen o.ä.) hintanzuhalten, hatte der Bf. im Streitjahr für das Kind ein handelsübliches Wärmekissen um einen Betrag von € 27,98 erworben, …" (Niederschrift über den ET).

Das BFG vertrat in seinem Erkenntnis RV/4100090/2013 zum Wärmekissen folgende Ansicht:

"Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass die Anschaffung des an sich für jedermann nutzbaren Wärmekissens eindeutig unmittelbar und ursächlich mit der Behinderung zusammenhing und nicht nur geeignet, sondern sogar absolut notwendig war und daher behindertenspezifisch eingesetzt wurde, um die mangels Bewegungsfähigkeit auftretenden Unterkühlungen zu lindern und ärgere Beeinträchtigungen, wie etwa Erkrankungen im Unterleib, hintanzuhalten.

Für das Gericht erweisen sich daher die Kosten für das Wärmekissen als allein durch die Behinderung des Kindes entstanden und sind diese mit einem Betrag von € 27,98 als zusätzliche außergewöhnliche Belastung beim Beschwerdeführer abzugsfähig."

Im Erkenntnis des Ra 2021/15/0029, führte der VwGH aus:

"Soweit das Bundesfinanzgericht Aufwendungen in Bezug auf ein Wärmekissen als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat, zeigt die Revision zutreffend auf, dass dem angefochtenen Erkenntnis eine Begründung für einen mit der Behinderung zusammenhängenden Mehraufwand fehlt."

Im fortgesetzten Verfahren erging ein Vorhalt. Der Bf. sollte bekanntgeben, aus welchem Grund und für welchen Zweck er das Wärmekissen für das Kind angeschafft habe.

Er führte hierzu aus, dass die Bezeichnung "Wärmekissen fachlich unrichtig und irreführend sei. Es handle sich um eine mobile Sitzheizung für einen Autositz. Diese Heizung werde deshalb benötigt, weil das gegenständliche Transportfahrzeug nicht in einer beheizbaren Garage, sondern in einem offenen Carport stehe. Dies bedeute, dass der Innenraum und auch der Sitz für das behinderte Kind in kalten Zeiten sehr kalt sei. Im Hinblick darauf, dass das behinderte Kind aufgrund seiner Muskelerkrankung de facto bewegungsunfähig sei, komme es nur zu schwacher Durchblutung der Muskulatur. Dadurch sei der natürliche Vorgang der eigenen Körpererwärmung sehr, sehr verzögert. Dies bedeute, dass das Sitzen auf kalten Sitzoberflächen für das behinderte Kind eine große Gefahr von Erkältungskrankheiten hin bis zu Gesundheitsgefährdungen des Unterleibs führe. Diese Heizung sei angeschafft worden, um eine rechtzeitige Erwärmung der Sitzfläche zu erreichen.

In seiner Stellungnahme blieb das Finanzamt bei seiner bisherigen Ansicht. Wie bereits in der Amtsrevision ausgeführt, handle es sich bei den beim Handelsunternehmen Geschäft 1 angeschafften Lava-Wärmekissen zum Einzelpreis von € 13,99 um einen handelsüblichen Gebrauchsgegenstand, der für jedermann und nicht nur - ausschließlich behindertenspezifisch - für das Kind des Bf. einsetzbar sei und damit um kein Hilfsmittel iSd § 4 der zu § 34 Abs 6 ergangenen Verordnung.

Die Bezeichnung "Wärmekissen" sei der vorliegenden Rechnung entnommen und angesichts der Kaufpreishöhe nicht von einer speziellen, mobilen Sitzheizung für einen Autositz auszugehen.

3. Fahrtkosten zu Therapien (€ 230,12)

In der Aufstellung des Bf. (siehe Pkt. I. Verfahrensgang, dort Pkt. 2) waren Fahrtkosten zum Kuraufenthalt in Höhe von € 230,12 ausgewiesen. Diese wurden im Einkommensteuerbescheid 2010 auch berücksichtigt.

In der Niederschrift über die Abhaltung des Erörterungstermins im Verfahren RV/4100090/2013 ist festgehalten:

"Abschließend führt der Richter noch aus, dass nach Ansicht des Gerichtes laut Aufstellung des Bf. bei den Fahrtkosten zu den Kuraufenthalten nach Ort 1 ein zusätzlicher Betrag in Höhe von 230,12 EUR in Ansatz zu bringen wäre, da dieser offenkundig bei derGeltendmachung der Aufwendungen vom Bf. vergessen worden ist.

Der Amtsvertreter sieht dies als zutreffend an."

Im fortgesetzten Verfahren teilte das BFG dem Bf. mit, dass das BFG in seinem Erkenntnis die Fahrtkosten zu Therapien (€ 230,12) doppelt berücksichtigt habe, und daher diese nur einmal zum Abzug kommen könnten.

Der Bf. nahm dies zur Kenntnis.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen sowie die vorgelegten Unterlagen sind im Verfahrensgang festgehalten.

Behindertenspezifische Umbauten am PKW Marke 1 für das Jahr 2010 sowie im Jahr 2010 hiefür getragene Aufwendungen hat der Bf. nicht nachgewiesen.

Aufwendungen für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung in Höhe von € 4.678,01 (4.705,99 lt. Erklärung abzgl. € 27,98 für Wärmekissen) stehen zwischen den Parteien außer Streit. Für das bei der Firma Geschäft 1 angeschaffte Wärmekissen ist ein Mehraufwand durch die Behinderung des Kindes nicht nachgewiesen.

An Fahrtkosten zum Kuraufenthalt hat der Bf. in der Erklärung zu Kurbeginn und -ende jeweils eine Hin- und Rückfahrt geltend gemacht (Gesamtbetrag € 230,12) und wurden diese Fahrtkosten im Einkommensteuerbescheid 2010 berücksichtigt. Er hat gegen die Mitteilung, dass - wie im Erkenntnis des BFG, GZ. RV/4100090/2013 geschehen - weitere € 230,12 nicht nochmals abgezogen werden könnten, keinen Einwand erhoben.

2. Beweiswürdigung

Die Entscheidung fußt auf dem zu GZ. RV/4100090/2013 vorgelegten Akteninhalt, den Vorbringen in dem im dortigen Verfahren durchgeführten Erörterungstermin sowie den Ergebnissen des ergänzend vorgelegten Schriftwechsels samt beigebrachten Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Außergewöhnlichen Belastung (Teilweise Stattgabe)

§ 34 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet auszugsweise:

"§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).-
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

[...]

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[…]

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetragoder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 in der für den Revisionsfall noch geltenden Fassung BGBl. II Nr. 430/2010, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

[…]

- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

[…]

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des FamilienlastenausgleichsgesetzesJ967..,erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

[...]

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Weiters darf auf die ebenfalls relevanten Ausführungen des VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0029, bereits festgehalten auf Seite 3 dieses Erkenntnisses "Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind… ), verwiesen werden.

Die Beschwerdepunkte sind nun wie folgt zu beurteilen:

1. Kosten für einen PKW, Kosten für den Rückbau des PKW und Merkantiler Minderwert

Der Bf. begehrt, die PKW-Kosten abzüglich der NOVA, eines Selbstbehalts und des Veräußerungserlöses des alten Autos als ag Bel in Abzug zu bringen.

Den Ausführungen des VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0029, folgend, kommt bezüglich des PKW die Gegenwerttheorie zum Tragen und sind die Anschaffungskosten des PKW keine ag Bel.

Trotz Aufforderung des BFG im fortgesetzten Verfahren hat der Bf. die behinderungsspezifischen Umbaukosten für den mit Kaufvertrag vom angeschafften PKW Marke 1 weder dem Grunde, noch der Höhe nach nachgewiesen. Der Auftrag zu den in der Rechnung der Reha-Firma vom ausgewiesenen Leistungen ist erst am erfolgt. Abgesehen davon ist die Rechnung nicht an den Bf. adressiert. Mangels entsprechender Nachweise sind daher 2010 beim Bf. keine behinderungsbedingten Umbaukosten am PKW in Abzug zu bringen.

Dem zuvor zitierten Erkenntnis des VwGH ist weiters zu entnehmen, dass "Kosten für den Rückbau des PKW" sowie ein "Merkantiler Minderwert" niemals im Jahr 2010, sondern allenfalls erst im Jahr der Veräußerung des PKW zum Tragen kommen könnten. Angemerkt werden darf noch, dass das vorgelegte Schätzungsgutachten einen erst 2013 erworbenen PKW betroffen hat.

Dem Begehren des Bf. konnte daher in diesem Beschwerdepunkt kein Erfolg beschieden sein.

2. Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung:

Bezüglich der außer Streit stehenden Aufwendungen für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung in Höhe von € 4.678,01 sieht das BFG keinen Anhaltspunkt, davon abzugehen.

Hinsichtlich des Wärmekissens wird nicht in Abrede gestellt, dass das Kind dieses gerade bei seiner Erkrankung dringend benötigt, damit die Muskulatur entsprechend versorgt wird. Dies wurde auch schon im Erkenntnis des BFG GZ. RV/4100090/2013 zum Ausdruck gebracht.

Dieses Wärmekissen wurde in einem" üblichen Geschäft" gekauft und wird auch von "jedermann" erworben und verwendet. Zumal nur ein "Mehraufwand" als ag Bel zum Abzug zuzulassen ist, ein solcher - laut VwGH in seinem Erkenntnis - fehlte und auch im fortgesetzten Verfahren nicht behauptet und nachgewiesen wurde, ist den € 27,98 der Abzug als ag Bel ohne SB zu versagen.

Bezüglich der zu Pkt. 2 geltend gemachten Aufwendungen konnte der Beschwerde teilweise Folge gegeben werden (Abzug von € 4.678,01 als ag Bel ohne SB).

3. Fahrtkosten zu Therapien (€ 230,12)

Klarstellend wird festgehalten, dass diese nicht doppelt abgezogen werden können. Die € 230,12 sind in den € 4.678,01 (siehe Pkt. 2 des Erkenntnisses) enthalten.

Zusammenfassend darf nun festgehalten werden:

Aufgrund der vorliegenden Entscheidung sind € 4.678,01 als ag Bel ohne SB (anstatt bisher im Einkommensteuerbescheid 2010 vom in Höhe von € 3.659,51) in Abzug zu bringen. Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 konnte daher teilweise Folge gegeben werden.

Bezüglich der Höhe der Bemessungsgrundlage sowie der Einkommensteuer 2010 darf auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen werden.

3.2. Zur Un/Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung betreffend die Versagung des Abzugs der Anschaffungskosten für den PKW und der Berücksichtigung von geschätzten Umbaukosten bzw. eines geschätzten merkantilen Minderwertes sowie der Aufwendungen für das Wärmekissen ist durch die Judikatur des VwGH () gedeckt. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass kein Aufwand für behinderungsbedingte Umbaukosten vorliegt.

Im Übrigen wurde dem Begehren des Bf. Rechnung getragen.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Beilagen:
1 Berechnungsblatt

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Umbaukosten für ein Kfz
Mehraufwand
ohne Selbstbehalt
Wärmekissen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100628.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at