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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.12.2023, RV/1200042/2017

Gewöhnlicher Wohnsitz

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Schweiz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl ***GZ-B***, betreffend Eingangsabgaben und Verzugszinsen, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid vom ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom (zugestellt am ), Zahl ***GZ-B***, teilte das Zollamt der Beschwerdeführerin die buchmäßige Erfassung der für das Kraftfahrzeug der Marke Mercedes Benz GLE 350d, amtliches Kennzeichen ***Kz***, ***FIN***, entstandenen Eingangsabgaben in Höhe von € 16.971,77 (Zoll: € 5.303,68 und Einfuhrumsatzsteuer: € 11.668,09) mit und setzte gleichzeitig Verzugszinsen in Höhe von € 231,56 fest, weil das Beförderungsmittelt im November 2016 vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht worden sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt ***V***, mit Eingabe vom frist- und formgerecht den Rechtsbehelf der Beschwerde.

Begründend wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin nach der Definition der BAO zu keinem Zeitpunkt ihren normalen oder gewöhnlichen Wohnsitz in ***1*** gehabt habe. Hier habe sie zwar wegen Problemen mit ihrem Ehegatten in der Absicht sich und ihrem Mann durch eine Auszeit, verbunden mit einer räumlichen Trennung, Klarheit darüber zu verschaffen, ob sie wieder zu einer dem Wesen einer Ehe entsprechenden Beziehung finden können oder nicht, vorübergehend eine Wohnung angemietet. Sie sei aber weiterhin an ihrer normalen Schweizer Wohnadresse in ***3*** gemeldet gewesen. Dort habe sie täglich mehrere Stunden verbracht und die anfallenden Hausarbeiten verrichtet. Sie sei auch über Nacht geblieben, wenn ihr Ehemann Nachtdienst gehabt habe. Die Wohnung in Österreich habe ausschließlich dazu gedient, während der Zeit der ehelichen Irritationen eine räumliche Trennung zwischen ihr und ihrem Gatten zu schaffen. Der Grund für die ehelichen Irritationen sei zwar ein ehewidriges Verhältnis zu einem anderen Mann gewesen, das sei aber schon im November von ihrer Seite aus beendet worden.

Der gewöhnliche Wohnort befinde sich nach der Definition des § 4 Abs. 1 Z 8 ZollR-DG dort, wo die natürliche Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe. Sie habe ihr berufliches Umfeld aber nie aufgegeben, sei nach wie vor in der Schweiz als diplomierte Sozialpädagogin tätig und mit ***2*** verheiratet. Sie habe während der gesamten Zeit den Haushalt in der Schweiz vollständig geführt und auch den persönlichen Kontakt zu ihrem Ehemann stets aufrechterhalten. Sie habe dadurch, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann während der Zeit der Irritationen und räumlichen Trennung Rat bei Ehetherapeuten suchte, gezeigt, dass sie die persönlichen Bindungen zu ihrem Ehemann noch nicht aufgegeben habe. Immer dann, wenn ihr Ehemann Nachtdienst gehabt habe, also mindestens 3mal pro Woche, habe sie in ihrer Wohnung in ***3*** gewohnt und auch dort übernachtet.

Alle diese Fakten würden zeigen, dass der Mittelpunkt ihrer persönlichen und beruflichen Bindungen zu ihrem Wohnort in der Schweiz bestehen geblieben sei. Daran könne die Tatsache, dass ein anderer Mann, der eine Mitursache für die ehelichen Probleme gewesen sei und zwischenzeitlich bei ihr auch übernachtet habe, nichts zu ändern. Dass sie ihre angeschlagene Beziehung zu ihrem Ehemann nicht abbrechen habe wollen, zeige auch der Umstand, dass sie jenen Mann, der sich gegenüber der Behörde als ihr Lebensgefährte bezeichnet habe, bereits im November, als sie ihm eröffnet habe, dass ihr das alles zu schnell gehen würde und er sie verprügelt habe, aus der Wohnung geworfen habe, er aber immer wieder zurückgekommen sei, sie belästigt und bedroht habe, sie zwischenzeitlich wieder in die Schweiz zurückgekehrt und diese zum Alptraum gewordene Beziehung beendet habe.

Der von der Behörde daraus gezogene Schluss, dass sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach Österreich verlagert habe und sie wegen dieser Beziehung regelmäßig dorthin zurückkehre, sei von den Beweisergebnissen her nicht nur nicht gedeckt, sondern völlig verfehlt und falsch.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***GZ-BVE***, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Das Zollamt begründete dies zusammengefasst damit, dass die Abwägung aller Umstände darauf schließen lasse, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin zumindest im Zeitpunkt der Zollschuldentstehung in Österreich gelegen gewesen sei und sie das Fahrzeug mithin erstmalig am widerrechtlich in das Zollgebiet der Union verbracht habe. Die gemeinsame Wohnsitznahme mit ihrem damaligen Lebensgefährten im November 2016 spreche unabhängig von eventuellen späteren Zerwürfnissen jedenfalls für das Vorliegen einer maßgeblichen persönlichen Bindung nach Österreich. Die Beschwerdeführerin habe sich auch regelmäßig in Österreich aufgehalten. Die wiederholt und auch vom Ehemann der Beschwerdeführerin zweifelsfrei eingestandene faktisch vollzogene Trennung von Tisch und Bett stehe im Widerspruch zu den zuletzt in der Beschwerde getätigten Angaben der Beschwerdeführerin, wonach sie den persönlichen Kontakt zu ihrem Ehemann weiterhin gepflegt und die persönliche Bindung noch nicht aufgegeben habe. Dass die Ehe bis heute auf dem Papier weiterbestehe und die Beschwerdeführerin die eheliche Wohnung in Abwesenheit ihres Mannes weiterhin benutzt habe, vermöge an dieser Tatsache nichts zu ändern. Darüber hinaus habe sich die Verantwortung der Beschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens geändert, was die Annahme von Schutzbehauptungen nahelege.

Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

In der auf Antrag der Beschwerdeführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung am gab der Vertreter an, die Beschwerdeführerin nur bei der Verhandlung zu vertreten, ansonsten das Vollmachtverhältnis aber beendet worden sei. In der Sache wiederholten die Parteien im Wesentlichen ihre bisherigen Standpunkte.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist schweizerische Staatsbürgerin und in der Schweiz berufstätig. Im November 2016 mietete sie unter Beibehaltung ihrer schweizerischen Ehewohnung in ***3*** eine Wohnung in ***1***/Österreich und meldete sich hier mit Nebenwohnsitz an. Die persönlichen und beruflichen Bindungen zum Schweizer Wohnort blieben bestehen.

Die Anmietung der Wohnung in Österreich erfolgte aufgrund von Eheproblemen, die zu einer Vereinbarung über eine räumliche Trennung führten, um mit Hilfe einer Eheberatung herauszufinden, ob die Ehe noch eine Chance hat. Die Beschwerdeführerin hielt sich deshalb in der schweizerischen Wohnung nur mehr zu Zeiten auf, in denen ihr Ehemann aus beruflichen oder anderen Gründen nicht anwesend war. Sie besorgte weiterhin den Haushalt und nächtigte, wenn ihr Ehemann aus beruflichen Gründen (Nachtdienste) nicht anwesend war, auch drei- bis viermal in der Woche dort.

In Österreich hatte die Beschwerdeführerin mit Ausnahme einer kurzzeitigen Beziehung zu einem Freund keine weiteren persönlichen Bindungen. Der Freund war anfangs rund zwei Monate an der Adresse ihres österreichischen Wohnsitzes mit Nebenwohnsitz gemeldet und hielt sich auch danach immer wieder in der Wohnung auf. Mit wurde der Nebenwohnsitz in Österreich wieder aufgeben.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem von der Abgabenbehörde vorgelegten Akt.

Rechtslage:

Gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (Zollkodex der Union - UZK) entsteht für einfuhrabgabenpflichtige Waren eine Einfuhrzollschuld, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Ver-bringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorüber-gehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet nicht erfüllt ist.

Gemäß Artikel 250 UZK können in der vorübergehenden Verwendung für die Wiederausfuhr bestimmte Nichtunionswaren im Zollgebiet der Union Gegenstand einer besonderen Verwen-dung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben sein ohne dass sie Folgendem unterliegen:

a) sonstigen Abgaben nach anderen geltenden Vorschriften oder
b) handelspolitischen Maßnahmen, soweit diese nicht das Verbringen oder den Ausgang von Waren in das oder aus dem Zollgebiet der Union untersagen.

Nach Abs. 2 der Bestimmung ist die vorübergehende Verwendung nur zulässig, wenn

"a) keine Veränderungen der Waren beabsichtigt ist, außer der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs,

b) die Nämlichkeit der in das Verfahren übergeführten Waren gewährleistet ist, außer wenn angesichts der Beschaffenheit der Waren oder der beabsichtigten Verwendung beim Verzicht auf Maßnahmen zur Nämlichkeitsmittel nicht mit einem Missbrauch des Verfahrens zu rech¬nen ist, oder im Falle des Art. 223, wenn nachgeprüft werden kann ob die für Ersatzwaren vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind,

c) der Inhaber des Verfahrens außerhalb des Zollgebietes der Union ansässig ist, es sei denn anderweitig ist etwas anderes vorgesehen,

d) die in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Anforderungen für die vollständige oder teilweise Befreiung von Abgaben erfüllt sind."

Gemäß Art. 212 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (UZK-DA) lautet:

"(3) Die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel gewährt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

a) Sie sind außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen oder gehören, falls sie nicht amtlich zugelassen sind, einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person;

b) sie werden unbeschadet der Artikel 214, 215 und 216 von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet.

Werden diese Beförderungsmittel von einer dritten, außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet, wird die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben gewährt, sofern diese Person durch den Bewilligungsinhaber schriftlich zur Verwendung des Beförderungsmittels ermächtigt wurde."

Gemäß Art. 5 Z 31 Buchst. a UZK ist eine "im Zollgebiet der Union ansässige Person, eine natürliche Person, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union hat.

Gemäß § 4 Abs. 2 Z 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) bedeutet im Zollrecht "norma-ler Wohnsitz" oder "gewöhnlicher Wohnsitz" jenen Wohnsitz (§ 26 BAO) einer natürlichen Per-son, an dem diese wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten inner-halb und außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt.

Gemäß Art. 139 Abs. 1 Buchst. a UZK sind die in das Zollgebiet der Union verbrachten Waren bei ihrer Ankunft bei der bezeichneten Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in der Freizone unverzüglich von der Person, die die Waren in das Zollgebiet der Union verbracht hat, zu gestellen.

Gemäß Art. 158 Abs. 1 UZK ist für alle Waren, die in ein Zollverfahren - mit Ausnahme des Freizonenverfahrens - übergeführt werden sollen, eine Zollanmeldung zu dem jeweiligen Verfahren erforderlich.

Gemäß Art. 136 Abs. 1 Buchst. a UZK-DA können für Paletten, Container und Beförderungsmit-tel sowie Ersatzteile, Zubehör und Ausrüstung für Paletten, Container und Beförderungsmittel gemäß den Art. 208 - 216 Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung mündlich abgegeben werden.

Gemäß Art. 139 UZK-DA gelten die in Art. 136 Abs. 1 Buchst. a) - d), Buchst. h) und i) genannten Waren gemäß Art. 141 als zur vorübergehenden Verwendung angemeldet, sofern sie nicht mit anderen Mitteln angemeldet werden.

Artikel 141 UZK-DA lautet auszugsweise:

"(1) Für die in Artikel 138 Buchstaben a bis d und h, Artikel 139 und Artikel 140 Absatz 1 genannten Waren gilt jede der folgenden Handlungen als Zollanmeldung:

a) …

b) …

c) ….

d) das einfache Überschreiten der Grenze des Zollgebiets der Union in einer der folgenden Situationen:

i) …

ii) …

iii …

iv) wenn Beförderungsmittel im Sinne des Artikels 212 gemäß Artikel 139 Absatz 1 dieser Verordnung als zur vorübergehenden Verwendung angemeldet gelten;

v) …"

Gemäß Art. 219 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. No-vember 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK-IA) gilt die Zollanmeldung für diese Waren als nicht abgegeben, wenn eine Kontrolle ergibt, dass eine Willensäußerung im Sinne des Art. 141 UZK-DA erfolgt ist, die verbrachten oder ausgeführten Waren aber nicht die Voraussetzungen der Art .138, 139 und 140 der Dele-gierten Verordnung erfüllen.

Erwägungen:

Zur Beurteilung der Frage, ob eine natürliche Person ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet der Union hat und somit eine im Zollgebiet der Union ansässige Person ist, ist auf das Gesamtbild seiner persönlichen und beruflichen Verhältnisse abzustellen.

Unter den gegebenen Umständen kann aus der bloßen Tatsache, dass ein Freund in der in Österreich im November 2016 angemieteten Wohnung immer wieder genächtigt hat bzw. etwa einen Monat lang dort auch einen Nebenwohnsitz angemeldet hatte, nicht schon der Schluss gezogen werden, dass damit bereits eine Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin von der Schweiz nach Österreich vorgenommen worden ist. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beschwerdeführerin bereits zu diesem Zeitpunkt die Absicht gehabt hat, sich auf Dauer in Österreich niederzulassen und gemeinsam mit ihrem Freund hier zu leben.

Aufgrund der gegebenen Lebenssituation und der Gestaltung der Dinge, insbesondere unter Berücksichtigung die Weiterführung des Haushaltes in der Schweiz, kann nicht davon gesprochen werden, dass die stärkeren persönlichen Beziehungen im vom Zollamt angenommenen Zollschuldentstehungszeitpunkt in Österreich bestanden haben (vgl. hierzu auch EuGH in der Rs. C-297/89 vom zu einem Fall, in dem eine Person mehr als ein Jahr lang unter Beibehaltung seiner Arbeit und Wohnung in einem Mitgliedstaat jede Nacht und jedes Wochenende bei der Freundin im anderen Mitgliedstaat verbracht hat).

Die Beschwerdeführerin hatte im hier maßgeblichen Zeitpunkt neben der angemieteten Wohnung in Österreich ihre beruflichen Bindungen aber auch starke persönliche Bindungen zum Wohnsitz in der Schweiz. Sie hat aber jedenfalls im Jahr 2016 nicht mindestens 185 Tage in Österreich gewohnt. Dies ist im Hinblick auf Aufgabe der Wohnung in Österreich im Juli 2017 und der Aufenthaltstage in der jeweiligen Wohnung nicht einmal für das Jahr 2017 anzunehmen.

Im Beschwerdefall hatte die Beschwerdeführerin persönlichen Bindungen sowohl in der Schweiz als auch in Österreich. Die hier gegebenen offensichtlich noch starken persönlichen Bindungen zum Wohnsitz in der Schweiz können nicht in einer Weise unberücksichtigt bleiben, dass von einem gewöhnlichen Wohnsitz in Österreich nach dem zweiten Satz des § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG ausgegangen wird, wonach als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen gilt, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt. Relevante persönliche Bindungen bestanden auch zum Wohnsitz in der Schweiz.

Der gewöhnliche Wohnsitz der Beschwerdeführerin befand sich im November 2016 somit immer noch in der Schweiz.

Die Voraussetzungen für die Überführung des Beförderungsmittels in das Verfahren der vorübergehende Verwendung nach Art. 250 UZK, insbesondere die Ansässigkeit in der Schweiz, wurden daher von der Beschwerdeführerin erfüllt. Sie konnte deshalb die Überführung in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung konkludent durch Passieren der Zollstelle im Sinne des Art. 141 UZK-DA vornehmen. Eine Eingangsabgabenschuld nach Art. 79 UZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG ist nicht entstanden. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

Die in der Schweiz wohnhafte Beschwerdeführerin hat trotz Aufforderung vom innerhalb der gesetzten Frist keinen Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht. Die Zustellung des Erkenntnisses erfolgt daher gemäß § 10 ZustG durch Zustellung ohne Zustellnachweis und gilt zwei Wochen nach Übergabe an den Zustelldienst als zugestellt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war vom Bundesfinanzgericht keine über den Einzelfall hinausgehende relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Tatsachenfragen sind einer Revision im Allgemeinen nicht zugänglich. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 250 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
§ 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1200042.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at