Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2023, RV/7102667/2015

Vermittlung oder Durchführung von Sportwetten?

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0008.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri***, den Richter ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR1*** und
***LR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KWT Klagenfurter Wth & Stb KG, Kempfstraße 23, 9020 Klagenfurt am Wörthersee,

über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Umsatzsteuer 2008, Umsatzsteuer 2009, Umsatzsteuer 2010, Umsatzsteuer 2011 und Umsatzsteuer 2012 zu Steuernummer **** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2008 und 2009 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2010, 2011 und 2012 werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, die ***Bf3*** (im Folgenden: ***Bf1*** bzw. Bf.) erbringt Leistungen in Zusammenhang mit Wetten sowie Glückspiel an die maltesischen Wettanbieter ***1***. (im Folgenden: ***1***) und ***2***. (im Folgenden: ***2***). Die Bf. erhält für ihre Leistungen eine prozentmäßige Beteiligung am Wetteinsatz.

Im Zuge einer Außenprüfung hat das Finanzamt festgestellt, dass die Bf. dabei folgende Leistungen erbringt (wörtliche Wiedergabe aus dem Außenprüfungsbericht vom ):

"Sie ist im Wesentlichen verantwortlich für die Bewerbung und Zugänglichmachung der Informationen, auf welche Veranstaltungen Wetttipps bei den Wettanbietern durch den Endkunden abgegeben werden können (dh. diverses (Wett-) Programm und diesbezügliche Informationen sowie Informationen über die Wettanbieter), die Entgegennahme von Wetttipps der Endkunden und die Weiterleitung an die Wettanbieter, die zur Verfügung Stellung von Wetttickets an Endkunden sowie die Vornahme von treuhändigen Ein- und Auszahlung und wirkt in seiner "Vermittlerfunktion" aktiv auf die Wettkunden ein. Weiters erfüllt sie die personellen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen, um die "Vermittlung" vertragskonform abwickeln zu können, sodass es zu einem Abschluss einer Wette zwischen den Wettanbietern und dem Endkunden kommen kann.

Hinsichtlich der "Vermittlung" in Wettlokalen hat die ***Bf1*** in ihren Geschäftslokalen in Bezug auf die ***1*** auf ihre eigenen Kosten Anlagen (dh. Wettterminals bzw. Counterterminals, Computeranlagen, sowie für die Wettvermittlung typische Infrastruktur) und bezüglich der ***2*** auf ihre eigenen Kosten Anlagen für die "Wettvermittlung" typische Infrastruktur angeschafft, mittels derer die "Vermittlungsleistung" an die Wettanbieter erfolgte und über die die Endkunden im elektronischen Wege Wetten abschließen konnten. Im Fall der ***2*** werden Computeranlagen leihweise von der Firma ***2*** & Service IT zur Verfügung gestellt.

Bezüglich der Beschädigung oder des Verlustes (Diebstahl) dieser Anlagen trägt die ***Bf1*** das Risiko. Die Angebote wurden an die Wettanbieter weitergeleitet, mittels eines maltesischen Servers verarbeitet und die Wettannahme/-ablehnung an den Kunden auf elektronischen Weg übermittelt. Auf Basis der seitens der Wettanbieter mit den Endkunden abgeschlossen Wetten, die vom der ***Bf1*** "vermittelt" wurden, erhielt die ***Bf1*** eine branchenübliche "Vermittlungsprovision ".

Speisen und Getränke wurden den Endkunden von der ***Bf1*** teilweise verkauft. Das Gastronomieangebot wurde mit einer eigenen gewerberechtlichen Konzession, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung angeboten.

(…)

Die ***Bf1*** (Lokalinhaber) erbringt an die ausländischen Wettanbieter eine Vielzahl von Leistungen. Dazu gehört nicht nur das zur Verfügung stellen des für das Anbieten der elektronischen Lotterie unmittelbar notwendigen Equipments und Leistungen (bspw. VLT Automaten, Breitbandinternetanschluss, Strom, Verwalten der Ein- und Auszahlungen), sondern auch das zur Verfügung stellen der gesamten Geschäftsräumlichkeiten und Annehmlichkeiten (z.B. sanitäre Anlagen, Tische und Sitzmöglichkeiten, Essen und Trinken). ***Bf1*** stellt nicht nur den Platz, wo diese Automaten aufgestellt werden und teilweise die Hardware zur Verfügung, sondern den Kunden der ausländischen Wettanbieter auch entsprechende Sitzmöglichkeiten, Essen und Trinken sowie auch Toiletten usw. bereit. Aus der Sicht der ausländischen Wettanbieter liegt hier eine einheitliche Leistung vor. Den ausländischen Wettanbietern kommt es lediglich darauf an, dass es ihnen ermöglicht wird, ihre Leistungen den Kunden (Spielteilnehmern) entsprechend anbieten zu können. Im gegenständlichen Fall ist die geforderte enge wirtschaftliche Verknüpfung der einzelnen Leistungen wohl gegeben, wären die ausländischen Wettanbieter nämlich sonst gar nicht in der Lage ihre Leistungen den Kunden überhaupt - und schon gar nicht in einem entsprechend angenehmen Umfeld - anbieten zu können."

Nach Ansicht des Finanzamtes handelt es sich bei der gesamten Tätigkeit der Bf. für ihre maltesischen Auftraggeber um eine einheitliche Leistung vor, bei der die "Vermittlung von Spielaufträgen" nur von untergeordneter Bedeutung ist. Der Leistungsort bestimme sich nach § 3a Abs 9 UStG 1994 nach dem Ort, an dem das Grundstück der Bf. gelegen ist. Die Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 1 6 UStG 1994 könne nicht zur Anwendung kommen.

Als Folge dieser Feststellungen wurden die hier angefochtenen Bescheide vom (zugestellt am ) betreffend Umsatzsteuer 2008 - 2012 erlassen, in denen die Provisionen der 20%igen Umsatzsteuer unterworfen wurden.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom , in der auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet wurde, vertrat die Bf. mit Hinweisen auf das Unionsrecht die Auffassung, dass die Leistungen einerseits einheitlich Vermittlungsleistungen darstellen würden und im Übrigen steuerfrei zu behandeln seien.

Der Sachverhalt stelle sich wie folgt dar (wörtliche Wiedergabe der Ausführungen in der Beschwerde):

"Demnach wird der ***Bf1*** das Recht eingeräumt, Wetten an die ***1*** zu vermitteln, indem die ***Bf1*** die von den Endkunden in Österreich abgegebenen Wettangebote (Wetttipps) an die ***1*** weiterleitet. Die ***Bf1*** handelt stets im fremden Namen und auf fremde Rechnung für die ***1***. Die ***Bf1*** ist im Wesentlichen verantwortlich für die Bewerbung und Zugänglichmachung der Informationen, auf welche Veranstaltungen bei der ***1*** Wetttipps durch den Endkunden abgegeben werden können (diverse(Wett-)Programme und diesbezügliche weiterführende Details sowie Informationen über die ***1***), die Entgegennahme von Wetttipps der Endkunden und die Weiterleitung an die ***1***, die Zurverfügungstellung von Wetttickets an Endkunden sowie die treuhändige Vornahme von Ein-und Auszahlungen und die ***Bf1*** wirkt in ihrer Vermittlerfunktion aktiv auf die Wettkunden ein. Weiters erfüllt die ***Bf1*** die personellen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen, um die Vermittlung vertragskonform abwickeln zu können, sodass es zu einem Abschluss einer Wette zwischen der ***1***/***2*** und dem Endkunden kommen kann. Wie die Vermittlung durch die ***Bf1*** zu erfolgen hat, ist vertraglich nicht bestimmt.

Die Vermittlungsleistungen der ***Bf1*** hinsichtlich der von der ***1***/***2*** an die Endkunden angebotenen Dienstleistungen wurden von der ***Bf1*** über Wettterminals bzw. Counterterminals in Wettlokalen der ***Bf1*** und über Kundenkarten (geeignet auch für die Vermittlung im Internet und über Mobile Devices) zugänglich gemacht. Hinsichtlich der Vermittlung in Wettlokalen für ***1*** hat die ***Bf1*** in ihren Geschäftslokalen auf eigene Kosten Anlagen (Wettterminals bzw. Counterterminals, Computeranlagen, sowie die für die Wettvermittlung typische Infrastruktur) angeschafft, mittels derer die Vermittlungsleistung an die ***1*** erfolgte und über die die Endkunden auf elektronischem Weg oder persönlich Wetten abschließen konnten. Hinsichtlich der Beschädigung oder des Verlustes (Diebstahl) dieser Anlagen trägt die ***Bf1*** das Risiko. Die Anlagen können grundsätzlich zur Vermittlung an verschiedene Wettanbieter genutzt werden und gehören zur Grundausstattung eines Wettvermittlers. Hinsichtlich der Vermittlung in Wettlokalen hat ***2*** Computeranlagen von der ***2*** & Service IT zur Verfügung gestellt.

Die Angebote wurden an die ***1***/***2*** weitergeleitet, mittels eines maltesischen Servers verarbeitet und die Wettannahme/-ablehnung an den Endkunden auf elektronischem Weg oder persönlich übermittelt. Auf Basis der seitens der ***1***/***2*** mit den Endkunden abgeschlossenen Wetten (wo und über welches Medium auch immer diese von der ***Bf1*** vermittelt wurden) erhielt die ***Bf1*** eine branchenübliche Vermittlungsprovision.

Speisen und Getränke wurden den Endkunden von ***Bf1*** nur teilweise verkauft. Falls ein Gastronomieangebot in manchen Filialen bestand wurde dies mit einer eigenen gewerberechtlichen Konzession, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unabhängig von der Wettvermittlung der ***Bf1*** angeboten."

In einer Stellungnahme ergänzte die damalige Großbetriebsprüfung den Sachverhalt wörtlich um folgendes:

"Hinsichtlich der "Vermittlung" in Lokalen hat die Beschwerdeführerin in ihren Geschäftslokalen bzgl. der Leistungen an die ***1*** auf ihre eigenen Kosten Anlagen (dh. Wettterminals bzw. Counterterminals, Computeranlagen, sowie für die Wettvermittlung typische Infrastruktur) angeschafft. Im Fall der Leistungen an die ***2*** werden die erforderlichen Computeranlagen leihweise von der Firma ***2*** & Service U zur Verfügung gestellt.

Die Beschwerdeführerin (Lokalinhaberin) erbringt an die ausländischen Wettanbieter eine Vielzahl von Leistungen. Dazu gehört nicht nur das zur Verfügung stellen des für das Anbieten der elektronischen Lotterie unmittelbar notwendigen Equipments und Leistungen, sondern auch das zur Verfügung stellen der gesamten Geschäftsräumlichkeiten und Annehmlichkeiten (zB sanitäre Anlagen, Tische und Sitzmöglichkeiten, Essen und Trinken)."

Mit Schreiben vom erklärte die Bf., dass sich aufgrund des zwischenzeitig ergangenen Erkenntnisses des nunmehr andere Rechtsfragen stellten, da der VwGH das Vorliegen einer Grundstücksleistung verneint habe:

Für die Streitjahre ab 2010 gelte, dass der Leistungsort gem. § 3a Abs 6 UStG 1994 idF ab 2010 (BGBl I Nr. 52/2009) jedenfalls in Malta liege.

Nur für die Streitjahre 2008 und 2009 sei zu prüfen, ob eine Vermittlungsleistung iSd § 3a Abs 4 UStG 1994 idF vor 2010 vorliege. Dies sei aus folgenden Gründen der Fall (wörtlich):

"• Wettkunden werden durch die extra dafür geschulten Mitarbeiter des Wettbüros laufend auf das aktuellen Wettprogramm, Produktaktualisierungen (neue Features, Updates, erweitertes Wettangebot des Wettanbieters) oder auf besonders attraktiver Quoten hingewiesen.

• Gespräche mit den Wettkunden wurden - insbesondere im Vorfeld großer Sportveranstaltungen (zB Fußballwelt- und Europameisterschaften; Champions League-Spiele; Topspiele in internationalen Fußball-Ligen) geführt, um solcherart die Bereitschaft zur Abgabe von Wettanboten zu erhöhen.

• Das vom Wettanbieter zur Verfügung gestellte Werbematerial wurde bestmöglich im Wettbüro platziert. Insbesondere im Vorfeld großer Sportveranstaltungen wurde zum Teil auch selbst erstelltes Werbematerial eingesetzt bzw. gezielte Promotionaktivitäten gesetzt, um in Perioden grundsätzlich erhöhter Sportbegeisterung und Wettbereitschaft die Wettumsätze und somit die Wettvermittlungsprovision zu steigern.

• Den Wettkunden wurde von den Mitarbeitern des Wettbüros auf die Funktionsweise und konkreten Schritte zur Abgabe von Wettanboten erklärt und beraten. Die Mitarbeiter des Wettbüros waren in diesem Zusammenhang angewiesen, stets im Auge zu behalten, ob Wettkunden Unterstützung bei der Abgabe von Wettanboten benötigen würden, und diese Unterstützung erforderlichenfalls unaufgefordert anzubieten.

• Die Mitarbeiter des Wettbüros nahmen aktiv von den Wettkunden Wettangebote entgegen.

• Dabei wurde, soweit landesrechtliche Vorschriften des Jugendschutzes zur Anwendung gelangten, Jugendlichen der Zugang zum Wettlokal verwehrt bzw. diese an der Wettabgabe gehindert.

• Die Mitarbeiter des Wettbüros waren angewiesen die Wettschalter funktionstüchtig und wettbereit zu halten.

Insgesamt wurde von unserer Mandantin daher durch eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, bei den Wettkunden die Bereitschaft zur Abgabe von Wettanboten an den Wettanbieter zu erhöhen und damit den Vertragsabschluss zwischen den Kunden und dem maltesischen Wettanbieter zu fördern und herbeizuführen. Aus unserer Sicht stellen die gesetzten Maßnahmen in jedem Falle eine ausreichend starke Mitwirkung unserer Mandantin am Vertragsabschluss zwischen den Wettkunden im Wettbüro einerseits und dem maltesischen Wettanbieter andererseits dar, damit die Leistungen unserer Mandantin insgesamt als Vermittlungsleistungen iSd § 3a Abs 4 UStG aF zu qualifizieren sind."

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am wurde nochmals die Tätigkeit der Bf. beleuchtet. Ergänzend legte die Bf. Bilder der Geschäftslokale in ***3*** und ***4*** beispielhaft gemeinsam mit dem Auszug aus dem Gewerberegister und dem Mietvertrag vor, die verdeutlichen sollten, wie die Geschäfte zustande kamen:
Der Kunde hat das Wettlokal, in dem sich Fernseher und Quotenwände befanden, betreten und konnte zu den Mitarbeitern gehen, die ihn beraten haben und die Wetten entgegengenommen haben. Je engagierter der Mitarbeiter war, desto mehr Wetten wurden abgeschlossen.
Die Lokale waren unter "***W***" gebrandet und die Bf. sei ähnlich wie bei ***Franchiseunternehmen*** unter dieser Marke aufgetreten, sei aber immer in fremdem Namen tätig geworden.

Zu beachten sei weiters, dass der UFS am , RV/0290-S/09 entschieden hat, dass bei einem vergleichbaren Sachverhalt Vermittlungsleistungen vorliegen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Die Bf. betreibt im Beschwerdezeitraum Wettlokale unter dem Namen ***W*** (mündliche Verhandlung). In ihren Geschäftslokalen hat sie Wettterminals bzw. Counterterminals aufgestellt, die in ihrem Eigentum stehen bzw. ihr leihweise von der Firma ***2*** & Service IT zur Verfügung gestellt werden. Zum Betrieb der Anlagen verwendet die Bf. u.a. einen Breitbandinternetanschluss bzw. Strom. Das Risiko für Beschädigung oder Verlust (Diebstahl) dieser Anlagen trägt die Bf. (AP Bericht, Beschwerde).

In den Geschäftsräumlichkeiten befinden sich auch entsprechende Tische und Sitzmöglichkeiten sowie Toiletten (AP Bericht, Stellungnahme der Groß BP). Speisen und Getränke werden teilweise verkauft (AP Bericht, Stellungnahme der Groß BP), wobei diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Bf. angeboten werden (Beschwerde).

Die Bf. erbringt in weiterer Folge folgende Leistungen: Bewerbung und Zugänglichmachung der Informationen, auf welche Veranstaltungen bei der ***1*** Wetttipps durch den Endkunden abgegeben werden können (diverse Wett-Programme und diesbezügliche weiterführende Details sowie Informationen über die ***1***), Entgegennahme von Wetttipps der Endkunden und die Weiterleitung an die ***1***, Zurverfügungstellung von Wetttickets an Endkunden sowie treuhändige Vornahme von Ein-und Auszahlungen und die ***Bf1*** wirkt in ihrer Vermittlerfunktion aktiv auf die Wettkunden ein (Beschwerde).
Das Engagement der Bf. besteht insbesondere im Hinweisen auf das Wettangebot, der Platzierung des entsprechenden Werbematerials, der Erklärung und Beratung, wie Wetten platziert werden können bzw. der Hilfestellung bei der Platzierung der Wetten, der Annahme von Wettangeboten und der Einhaltung von Vorschriften des Jugendschutzes sowie der Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit der Wettschalter (Beschwerdeergänzung).

Die Endkunden schlossen in den Geschäftsräumlichkeiten der Bf. auf elektronischem Weg oder persönlich Wetten ab. Die Wettangebote wurden an die ***1***/***2*** weitergeleitet, mittels eines maltesischen Servers verarbeitet und die Wettannahme/-ablehnung an den Endkunden auf elektronischem Weg oder persönlich übermittelt (Beschwerde).

Auf Basis der seitens der Wettanbieter mit den Endkunden abgeschlossenen Wetten erhielt die Bf. eine Provision (AP Bericht, Beschwerde).

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 3a UStG 1994 idF BGBl 24/2007 (gültig bis ) lautet auszugsweise:

(4) Besorgt ein Unternehmer eine sonstige Leistung, so sind die für die besorgte Leistung geltenden Rechtsvorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden. Eine Vermittlungsleistung wird an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird. Das gilt nicht für die unter Abs. 10 Z 11 fallenden Vermittlungsleistungen.

(12) In den übrigen Fällen wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung.

§ 3a UStG 1994 idF Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl 52/2009 (gültig ab ) lautet auszugsweise:

(6) Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.

2.2. Leistungsort

Im Beschwerdefall besteht Streit darüber, ob die Leistungen der Bf. als Vermittlungsleistung (Ansicht der Bf.) oder Leistung sui generis (Ansicht des Finanzamtes im Beschwerdeverfahren) anzusehen sind.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dazu zu entnehmen:

"Der Begriff "Vermittlung" bezieht sich auf eine Tätigkeit, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei des vermittelten Vertrags einnimmt und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien des vermittelten Vertrages erbracht werden. Die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u.a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat (vgl. , mwN).

Dagegen handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut, wie der Erteilung von Informationen an die andere Partei oder der Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Abschluss des vermittelten Vertrags. In einem solchen Fall nimmt der Subunternehmer denselben Platz ein wie der Anbieter und ist daher keine Mittelsperson; insoweit handelt es sich um eine Ausgliederung der Tätigkeiten des Anbieters (vgl. wiederum , mwN).

Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst. Eine Leistung ist als einheitlich anzusehen, wenn zwei oder mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile dagegen als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Eine einheitliche Leistung kann aber auch bei mehreren gleichrangigen Leistungen vorliegen (vgl. , mwN)."

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass es in den Lokalen der Bf. zum Abschluss von Wettverträgen zwischen Wettkunden und der ***1***. bzw. der ***2***. gekommen ist.

Wie die Bf. selbst vorbringt, hat sie dazu nicht nur ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, um den Kunden den Abschluss von Wetten zu ermöglichen, sondern darüber hinaus eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um bei den Wettkunden die Bereitschaft zur Abgabe von Wettanboten an den Wettanbieter zu erhöhen. So wurden die Wettkunden laufend auf das aktuelle Wettprogramm, auf Produktaktualisierungen (neue Features, Updates, erweitertes Wettangebot des Wettanbieters) oder auf besonders attraktive Quoten hingewiesen, das vom Wettanbieter zur Verfügung gestellte Werbematerial wurde bestmöglich im Wettbüro platziert bzw. wurde zum Teil auch selbst erstelltes Werbematerial eingesetzt und es wurden gezielte Promotionaktivitäten gesetzt. Die Mitarbeiter des Wettbüros nahmen aktiv von den Wettkunden Wettangebote entgegen oder sie erklärten den Wettkunden die Funktionsweise und konkreten Schritte zur Abgabe von Wettanboten, auch unaufgefordert. Dazu hielten sie die Wettschalter funktionstüchtig und wettbereit. Jugendlichen wurde - soweit landesrechtliche Vorschriften des Jugendschutzes zur Anwendung gelangten - der Zugang zum Wettlokal verwehrt bzw. diese wurden an der Wettabgabe gehindert.

Die Bf. erbrachte damit umfassende Leistungen, die sich nicht nur auf das Zustandekommen der Wettverträge bezogen, sondern erbrachte auch die wesentlichen Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung der Wettverträge. Die Leistungen der Bf. sind als einheitliche Leistung anzusehen, da die Einzelleistungen (Bereitstellung Geschäftslokal, Information der Wettkunden, Entgegennahme der Wettangebote, Aushändigen der Wettscheine usw.) so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl ).

Es handelt sich dabei nicht um eine bloße Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut, wie der Erteilung von Informationen an die andere Partei oder der Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Abschluss des vermittelten Vertrags. In einem solchen Fall nimmt der Subunternehmer (die Bf.) denselben Platz ein wie der Anbieter und ist daher keine Mittelsperson (vgl. CSC Financial Services, C-235/00, Rn 40); insoweit handelt es sich um eine Ausgliederung der Tätigkeiten des Anbieters (vgl. auch Aspiro, C-40/15, Rn. 42).

Auch der geht unter Hinweis auf Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Lfg. 163, Juli 2015, § 3a nF Tz 449 davon aus, dass im Falle der Erbringung umfassender "Supportleistungen" ("Service und Administration") wie wesentlicher Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wettverträgen ein Dominieren der bloß das Zustandekommen der Wettverträge vorbereitenden Tätigkeiten nicht vorliegt.

Soweit die Bf. auf verwiest ist ihr entgegen zu halten, dass in diesem Fall einerseits das Vorliegen von Vermittlungsleistungen nicht strittig war (siehe in der Berufungsentscheidung unter 2.) und dass andererseits der VwGH die Rechtsfrage in den hier angeführten Erkenntnissen weiter präzisiert hat.

Insgesamt erweist sich die Leistung der Bf. als "Leistungsbündel", bei dem sie die wesentlichen Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung der Wettverträge erbringt indem sie den Endkunden - so wie es ein Wettanbieter auch tun würde - die Möglichkeit bietet, Wetten zu platzieren, sich diesbezüglich beraten und unterstützen zu lassen und allenfalls Zeit zu verbringen.

Ein solches Leistungsbündel ist mangels anderer Ortsbestimmungen immer nach der sog. "Generalklausel" zu beurteilen.

Umsatzsteuerpflicht 2008 und 2009

In den Jahren 2008 und 2009 sah § 3a Abs 12 UStG 1994 vor, dass sonstige Leistung, für die keine Sonderregelung gilt, an dem Ort ausgeführt werden, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Damit wurden die Leistungen in Österreich ausgeführt und sind in Österreich steuerpflichtig.

Umsatzsteuerpflicht 2010 - 2012

Ab 2010 bestimmt § 3a Abs 6 UStG 1994, dass sonstige Leistungen an Unternehmer vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt werden, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt.

Im Beschwerdefall werden die Leistungen der Bf. daher in Malta ausgeführt und sind nicht steuerbar. Eine Besteuerung im Inland hat nicht stattzufinden. Die angefochtenen Bescheide werden daher aufgehoben und die ursprünglichen Bescheide vom (Umsatzsteuer 2010 und 2011) und vom (Umsatzsteuer 2012) treten automatisch wieder in Kraft.

2.3. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde der Rechtsprechung des VwGH zu Ra 2023/13/0003 bzw. Ro 2019/16/0017 gefolgt, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102667.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at