zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 20.12.2023, RS/2100032/2023

Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens, weil das Finanzamt den Bescheid rechtswirksam durch elektronische Zustellung erlassen hat

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Antrag auf Familienbeihilfe ab 12/2017, Ordnungsbegriff ***BF1StNr1***, SVNR ***1***, unterlassene Beschwerdevorentscheidung zur Beschwerde vom , beschlossen:

Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei hat gemäß § 284 Abs. 1 BAO Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde betreffend die Beschwerde vom zum Abweisungsbescheid vom betreffend Familienbeihilfe ab 12/2017 erhoben.

Die gegenständliche Säumnisbeschwerde langte beim Bundesfinanzgericht am ein.

Gemäß § 284 Abs. 2 BAO hat das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

Dem Finanzamt Österreich (FAÖ) wurde mit Beschluss vom gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, zur vorliegenden Säumnisbeschwerde binnen drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde (somit bis längstens ) die versäumte Entscheidung zu erlassen und eine Abschrift dieser Entscheidung (inklusive Zustellnachweis) vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Das FAÖ nahm dazu (mit Übermittlung der entsprechenden Nachweise) mit wie folgt Stellung:
"Betreffend die Säumnisbeschwerde, wird zur Zustellung der BVE vom über Finanzonline (FON) folgendes mitgeteilt:
Zur FON-Anmeldunq des BF Herr
***2***:
Im elektronischen Akt (Direktbearbeitung DIBE unter GA6+F10) des Beschwerdeführers zu Steuernummer 68-082/5932 ist ersichtlich: Herr …. hat am erstmals Zugangskennungen für Finanz Online beantragt und erhalten.
Der Steuerpflichtige hat offensichtlich bei der erstmaligen Beantragung von Finanzonline der elektronischen Zustellung zugestimmt und auch im folgenden Jahr nicht geändert.
Das ist auch daran ersichtlich, dass die Bescheide im Familienbeihilfenverfahren (BVE vom ) und in der Arbeitnehmerveranlagung (Einkommensteuer) für 2021 und 2022 elektronisch in die Databox zugestellt wurden.
Zur Zustellung der BVE vom : Der Bescheid wurde It. Elektronischem Akt (EDV-System FABIAN) am via FON versendet.
Dies ist auf der elektronischen Signatur der BVE vom ersichtlich (Hinweis BFG: vgl. dazu die Signatur der BVE vom ):
Auf dem Zeitstempel (Datum/Zeit) der elektronischen Signatur steht "2023-03-02T 07:20:14+01:00", was bedeutet, dass die Erledigung am , um 07:20:14 Ortszeit erstellt wurde. Von der koordinierten Weltzeit (englisch: Coordinated Universal Time, französisch: Temps universel coordonne), kurz UTC (Nachfolgerin der Greenwich-Meantime: GMT) sind zwei Stunden hinzuzuzählen, um auf die Mitteleuropäische Sommerzeit zu gelangen.
In der Regel dauert das Einstellen der behördlichen Erledigung in die Databox rund eine Stunde, sodass kein Datumssprung auf den nächsten Tag anzunehmen ist.
Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Gemäß § 245 BAO / 264 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat und beginnt mit Zustellung in die Databox. Nach herrschender Rechtsauffassung ist der Zeitpunkt, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat. Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an. Ein Teilnehmer in FinanzOnline kann jedoch auf die elektronische Form der Zustellung auch (jederzeit) verzichten (vgl. § 5b Abs. 3 FOnV 2006).
Die Zustellung über FON erfolgte daher am (Donnerstag).
Zur Ergänzung:
Allgemeines zur Finanzonline-Anmeldung:
§ 3 FONV besagt: (1) Die Anmeldung zu FinanzOnline ist persönlich beim Finanzamt Österreich
sowie elektronisch oder schriftlich (per Fax) zulässig. Ist der anzumeldende Teilnehmer keine natürliche Person, so ist ausschließlich die persönliche Anmeldung zulässig. Eine postalische Zustellung der Zugangsdaten hat zu eigenen Händen (§ 21 des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982) zu erfolgen; ist dies mangels einer inländischen Abgabestelle nicht möglich, so kommt eine postalische Zustellung der 1 Zugangsdaten nicht in Betracht. Die persönliche Anmeldung ist vom Teilnehmer (bzw. von seinem gesetzlichen Vertreter) vorzunehmen; soll die Anmeldung durch einen Bevollmächtigten erfolgen, so hat sich dieser durch eine beglaubigte Spezialvollmacht auszuweisen.
(2) Die Anmeldung zu FinanzOnline unter Verwendung der Funktion "Bürgerkarte" (§ 4 Abs. 1 E GovG) erfordert abweichend von Abs. 1 weder persönliche, noch elektronische oder schriftliche (per Fax) Anmeldung beim Finanzamt. Dies gilt nicht, wenn die eindeutige Identifikation des Bürgerkarteninhabers in den Daten beständen der Abgabenverwaltung des Bundes mittels des Namens und Geburtsdatums des Bürgerkarteninhabers an Hand der in der Bürgerkarte eingetragenen Personenbindung (§ 4 Abs. 2 E-GovG) nicht möglich ist. Elektronische Zustellung:
§ 5b. FONV besagt:
(1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.
(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E- Mailadresse nicht gehindert.
(3) .... Gemäß § 5 b FONV hat die Abgabenbehörde die Zustellungen primär elektronisch vorzunehmen.
Bei der Anmeldung für Finanzonline ist die elektronische Zustellung (=Zustellung in die Databox) vorgegeben. Der die Steuerpflichtige wird im Zuge der Anmeldung im System gefragt, ob er/sie dies möchte, oder ob die Zustellung per Post gewünscht wird.
Zusätzlich hat der/die Steuerpflichtige nach § 5b Abs 2 FONV in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er/sie über die elektronische Zustellung informiert werden möchte.
Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe nicht gehindert.
Je nachdem ob der/die Steuerpflichtige der elektronischen Zustellung zustimmt oder nicht, und ob er/sie bejahendenfalls dann eine E-Mail-Adresse zur Verständigung vom Post-Eingang in die Databox eingibt, bekommt er/sie die Zustellung in die Databox und zuvor eine E-Mail, oder es wird per Post zugestellt.
Was der/die Steuerpflichtige gewählt hat, ist für das Finanzamt im EDV-System nicht ersichtlich.
Erst bei der Zustellung des Bescheides oder anderer Erledigungen (zB Vorhalte) ist für das Finanzamt ersichtlich, welche Option der Zustellung der Steuerpflichtige gewählt hat. Die elektronische Zustellung kann daher ausschließlich vom Pflichtigen selbst im Finanz Online indiziert bzw. wieder herausgenommen werden. Die Zustimmung zur elektronischen Zustellung sieht der Pflichtige selbst im Finanz Online und kann diese nur im Finanz Online (unter "weitere Services" - Zustellung) ändern. Diesbezüglich kann das Finanzamt keinerlei Änderungen durchführen.
Die gewählte Art der Zustellung bleibt solange aktiv, bis der Steuerpflichtige selbst sie wieder ändert (Vergl. GZ. RV/2101151/2020, )."

Aus der Stellungnahme des FAÖ vom , auf welche hier verwiesen wird (Beilage für Bf. Nr. 1) und den dazu vorgelegten Unterlagen (Beilage für Bf. Nr. 2) ergibt sich, dass mit eine BVE (Beilage für Bf. Nr. 3) an den Beschwerdeführer (Bf.) erging, die ihm unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen mit rechtswirksam über Finanz-Online (Beilage für Bf. Nr. 4) zugestellt wurde.
Die verfahrensgegenständliche BVE wurde seitens des FAÖ somit rechtswirksam erlassen, eine Verletzung der Entscheidungspflicht liegt nicht vor.
Entscheidend für die Zustellung ist alleine der Zeitpunkt, in dem die Daten in der Databox einlangen. Die zusätzliche Verständigung des Empfängers per E-Mail ist eine reine Serviceleistung, an die keine Rechtsfolge geknüpft ist. Daher berührt das Ausbleiben einer Mitteilung auch an eine gültige E-Mailadresse des FinanzOnline-Teilnehmers nicht die Wirksamkeit einer Zustellung in die Databox (vgl. ).
(Zur Klarstellung wird hier darauf hingewiesen, dass die Übermittlung eines Ausdruckes der BVE als Beilage für den Bf., Nr. 3, zu diesem Beschluss, lediglich auf deren Ergehen hinweist, nicht aber zu einer die Rechtsmittelfrist neu auslösenden Zustellung führt.)

Ergänzender Hinweis:
Besteht grundsätzlich eine Zustimmung zur elektronischen Zustellung, hindert dies das Finanzamt aber nicht daran, für bestimmte Bescheide andere Formen der Zustellung (zB mit Rückscheinbrief) zu wählen (vgl. ).

Das Verfahren ist daher gemäß § 284 Abs. 2 BAO einzustellen, wenn/weil der Bescheid rechtswirksam erlassen wurde.
Die Zuständigkeit ging damit nicht auf das BFG über.
Es war spruchgemäß zu entscheiden und das Säumnisbeschwerdeverfahren einzustellen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RS.2100032.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at