zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 14.12.2023, RS/2100030/2023

Nennung eines nicht mehr existenten Finanzamtes als säumige Abgabenbehörde (nach Ablauf des zeitlich befristeten § 323b Abs. 6 BAO) - Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Säumnisbeschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, über die Beschwerde vom , beim Bundesfinanzgericht am eingelangt, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Graz-Stadt betreffend den Antrag vom auf Wiederaufnahme des Haftungsverfahrens Lohnsteuer 2009 der ***X GmbH***, ***Adresse X GmbH***, beschlossen:

I. Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs 7 lit b BAO iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang/festgestellter Sachverhalt:

Bei der ***X GmbH***, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer (Bf) bis Anfang 2009 war, fand eine ua das Jahr 2009 umfassende gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) statt, im Zuge derer der Prüfer ua feststellte, dass die von der ***X GmbH*** im Jahr 2009 an den Bf anlässlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses ausbezahlte Abfertigung zum Teil zum laufenden Tarif (anstelle des begünstigten Steuersatzes von 6%) zu erfassen sei.

Mit Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt Graz-Stadt die ***X GmbH*** gemäß § 82 EStG 1988 zur Haftung für den Lohnsteuermehrbetrag 2009 heran.

Der von der ***X GmbH*** eingebrachten Beschwerde, welcher der Bf gemäß § 257 BAO beitrat, gab das Finanzamt Graz-Stadt mit Beschwerdevorentscheidung vom teilweise statt.

Das Bundesfinanzgericht, dem der Beschwerdeakt infolge Erhebung eines Vorlageantrages vorgelegt wurde, änderte den angefochtenen Haftungsbescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Graz-Stadt ab ().

Die in der Folge von der ***X GmbH*** und vom Bf gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes erhobenen Revisionen wurden vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen ().

Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht am eingelangt, erhob der Bf eine Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO. Begründend führte er aus, er habe den beiliegenden, mit datierten Antrag auf Wiederaufnahme (§ 303 BAO) des die ***X GmbH*** betreffenden Haftungsverfahrens Lohnsteuer 2009 beim Finanzamt Graz-Stadt eingereicht. Mit dem ebenfalls beiliegenden, an das Finanzamt Graz-Stadt gerichteten Schreiben vom habe er das Finanzamt Graz-Stadt an seinen Wiederaufnahmeantrag vom erinnert und um rasche Bearbeitung bzw schriftliche Benachrichtigung ersucht. Bedauerlicherweise habe das Finanzamt Graz-Stadt weder auf seinen Wiederaufnahmeantrag vom noch auf sein Erinnerungsschreiben vom geantwortet. Mit dem beiliegenden Schreiben vom habe er daher eine Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO eingebracht, gerichtet an das für ihn zuständige Finanzamt Graz-Stadt. Gleichzeitig habe er nochmals seinen Wiederaufnahmeantrag vom vorgelegt. Für den Fall, dass eventuell formalrechtliche Gründe für die Nichtbearbeitung seines Wiederaufnahmeantrages vom durch das Finanzamt Graz-Stadt ursächlich gewesen seien, habe er - auch aus Sicherheitsgründen - diesen Wiederaufnahmeantrag per erneut beim Finanzamt Graz-Stadt eingebracht. Das Finanzamt Graz-Stadt habe auf seine wiederholt gestellten Anträge - beginnend mit - nicht geantwortet. Er erlaube sich überdies, seinen Wiederaufnahmeantrag nunmehr auch beim Bundesfinanzgericht einzubringen.

Der Bf legte dem an das Bundesfinanzgericht gerichteten Säumnisbeschwerdeschreiben vom den an das Finanzamt Graz-Stadt gerichteten Wiederaufnahmeantrag vom (samt Beilagen), das an das Finanzamt Graz-Stadt gerichtete Erinnerungsschreiben vom sowie das an das Finanzamt Graz-Stadt gerichtete Säumnisbeschwerdeschreiben vom bei.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung):

Gemäß § 284 Abs 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97 BAO) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

§ 284 Abs 7 lit b BAO ordnet die sinngemäße Anwendbarkeit des § 260 Abs 1 lit a BAO (Unzulässigkeit) an.

Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 285 Abs 1 BAO hat die Säumnisbeschwerde ua die Bezeichnung der säumigen Abgabenbehörde zu enthalten (lit a leg cit).

In der hier gegenständlichen Säumnisbeschwerde vom ist das Finanzamt Graz-Stadt als säumige Abgabenbehörde genannt. Der Wiederaufnahmeantrag vom , dessen Erledigung der Bf mit der Säumnisbeschwerde durchsetzen möchte, ist ebenfalls an das Finanzamt Graz-Stadt gerichtet. Dazu ist Folgendes zu bemerken:

Mit wurde ua der Bereich der Finanzämter neu organisiert (Finanz-Organisationsreform).

Das Finanzamt Graz-Stadt ist seit dem nicht mehr existent (vgl § 33 AVOG 2010 idF BGBl I 23/2020, wonach das AVOG 2010 mit außer Kraft tritt; vgl weiters Art 34 FORG-Anpassungsverordnung, BGBl II 579/2020, wonach die AVOG 2010-DV mit außer Kraft tritt).

Gemäß § 323b Abs 1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

Die in § 323b Abs 6 BAO enthaltene Übergangsbestimmung sieht vor, das Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, bis zum auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 AVOG 2010-DV, BGBl II 165/2010 idF BGBl II 375/2016 (dh der "alten" Finanzamtsbezeichnungen), sowie unter Verwendung der zum kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden können.

Den Erläuternden Bemerkungen zum 2. Finanz-Organisationsreformgesetz (2. FORG), BGBl I 99/2020, ErlRV 110 BlgNR XXVII. GP 4 ist zur Vorschrift des § 323b Abs 6 BAO Folgendes zu entnehmen:

"Diese Regelung soll sicherstellen, dass eine Verwendung der alten Finanzamts- und Zollamtsbezeichnungen anstelle der neu eingeführten Bezeichnungen nicht schädlich ist. Da die richtige Bezeichnung der korrekten Behörde grundsätzlich ein wesentliches Erfordernis für jedes Anbringen ist, wird diese übergangsbedingte Sonderregelung befristet mit dem Jahresende 2021 eingeführt."

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Beschluss vom , Fr 2014/16/0001 auszugsweise wie folgt aus:

"Nach der ständigen hg. Rechtsprechung führt die Bezeichnung einer Behörde, welche die Entscheidungspflicht nicht trifft, deren Verletzung mit der Säumnisbeschwerde geltend gemacht wird, zur Zurückweisung der Säumnisbeschwerde (vgl. die Beschlüsse vom , 2010/16/0208, vom , 2009/16/0174, und vom , 2008/16/0116, sowie betreffend die Bezeichnung "Finanzlandesdirektion" als belangte Behörde, nachdem durch das AbgRmRefG die Zuständigkeit zur Erledigung von Berufungen auf den unabhängigen Finanzsenat übergegangen war, den Beschluss vom , 2007/13/0074). Eine Säumnisbeschwerde, welche als belangte Behörde den aufgelösten unabhängigen Finanzsenat anführt, wäre daher bereits deshalb als unzulässig zurückzuweisen."

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet die Nennung eines bis zum bestandenen (und seit dem nicht mehr existenten) Finanzamtes als säumige Abgabenbehörde in der Säumnisbeschwerde ausnahmsweise dann als nicht schädlich, wenn die Säumnisbeschwerde innerhalb des durch die oben zitierte Bestimmung des § 323b Abs 6 BAO vorgegebenen Zeitraumes (also bis spätestens ) beim Bundesfinanzgericht eingebracht oder an dieses weitergeleitet wurde (vgl betreffend eine am vom Finanzamt Österreich an das Bundesfinanzgericht weitergeleitete Säumnisbeschwerde, in welcher ein seit dem nicht mehr existentes Finanzamt als säumige Abgabenbehörde bezeichnet ist).

Im vorliegenden Fall langte die mit datierte Säumnisbeschwerde, in welcher das seit dem nicht mehr existente Finanzamt Graz-Stadt als säumige Abgabenbehörde genannt ist, am beim Bundesfinanzgericht ein. Zu diesem Zeitpunkt war - anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall - der zeitlich befristete Anwendungsbereich des § 323b Abs 6 BAO (bis ) längst abgelaufen, sodass die Nennung des seit dem nicht mehr existenten Finanzamtes Graz-Stadt als säumige Abgabenbehörde schädlich ist.

Die Säumnisbeschwerde war somit, wie im Spruch ersichtlich, schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, ob der Wiederaufnahmeantrag des Bf vom , der an das seit dem nicht mehr existente Finanzamt Graz-Stadt gerichtet ist und dessen Erledigung der Bf mit der hier gegenständlichen Säumnisbeschwerde durchsetzen möchte, vor dem Hintergrund der zeitlich befristeten Bestimmung des § 323b Abs 6 BAO (bis ) überhaupt als wirksam eingebracht angesehen werden kann.

Wenn der Bf in der Säumnisbeschwerde überdies ausführt, dass er seinen Wiederaufnahmeantrag nunmehr auch beim Bundesfinanzgericht einbringe, so erachtet sich das Bundesfinanzgericht diesbezüglich als nicht zuständig. Dem Bundesfinanzgericht obliegen gemäß § 1 BFGG (nur) Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 bis 3 B-VG (Bescheid-, Maßnahmen- und Säumnisbeschwerden) in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden. Die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag des Bf ist daher Finanzamtssache. Da der Wiederaufnahmeantrag des Bf die Wiederaufnahme des die ***X GmbH*** betreffenden Haftungsverfahrens Lohnsteuer 2009 betrifft, wird der Bf an das für die ***X GmbH*** zuständige Finanzamt verwiesen. Dabei handelt es sich - bei Vorliegen der Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 61 Abs 1 BAO - um das Finanzamt für Großbetriebe, ansonsten um das Finanzamt Österreich.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 61 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 7 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 285 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323b Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323b Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010
§ 1 BFGG, Bundesfinanzgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 14/2013
Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RS.2100030.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at