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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.12.2023, RV/1100028/2023

Zuordnung des Besteuerungsrechtes bezüglich einer schweizerischen AHV-Rente nach Maßgabe der Art. 18 und 19 DBA-Schweiz oder des Art. 21 DBA-Schweiz

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/15/0010.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Mag. ***B***, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015, ***StNr***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom wird gemäß § 299 BAO aufgehoben

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Im nach Wiederaufnahme des Verfahrens ergangenen Einkommensteuerbescheid 2015 vom unterzog das Finanzamt den auf das Jahr 2015 entfallenden Anteil an einer von der Eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) aufgrund einer der Beschwerdeführerin nachträglich zuerkannten Witwenrente für den Zeitraum von September 2015 bis Februar 2019 geleisteten Nachzahlung zur Gänze der inländischen Besteuerung.

2. Mit Schriftsatz vom beantragte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 299 BAO. Die Witwenrente resultiere zu 32,35 % aus einer vormaligen Tätigkeit im öffentlichen Dienst und komme das Besteuerungsrecht nach Art. 19 DBA-Schweiz insoweit der Schweiz zu. In Österreich sei dieser Teil der Rente hingegen nach Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz von der Besteuerung auszunehmen und im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen.

3. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 ab. Da das Bundesfinanzgericht über die strittige Frage der anzuwendenden Zuteilungsregel des DBA-Schweiz und damit des Besteuerungsrechtes hinsichtlich der Witwenrente noch nicht entschieden habe, könne keine Gewissheit bezüglich der Unrichtigkeit des Einkommensteuerbescheides 2015 bestehen und komme eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO daher nicht in Betracht.

4. Dagegen wandte sich der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin mit Beschwerde und nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung mit Vorlageantrag.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und rechtliche Beurteilung

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Nach § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

Die Aufhebung eines Bescheides nach § 299 BAO setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes voraus, dass der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht, dh. der Inhalt des Bescheides nicht richtig ist (vgl. , mwN, sowie Ritz/Koran, BAO7, § 299 Tz 10 ff, mwN).

Das Bundesfinanzgericht hat im Einkommensteuer 2016 betreffenden Erkenntnis vom , RV/1100132/2019, ausgesprochen, dass die von der AHV ausbezahlte Witwenrente nach Maßgabe der Beitragszahlungen anteilig unter Art. 18 und Art. 19 DBA-Schweiz zu subsumieren sei und der auf eine Tätigkeit für einen öffentlich-rechtlichen Dienstgeber entfallende und sohin nach Artikel 19 Abs. 1 DBA-Schweiz dem Besteuerungsrecht der Schweiz unterliegende Anteil der Rente (32,35 %) in Österreich gemäß Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz (unter Progressionsvorbehalt) von der Besteuerung auszunehmen sei.

Im Einkommensteuer 2020 betreffenden Erkenntnis vom , RV/1100347/2022, hat das Bundesfinanzgericht zudem darauf hingewiesen, dass der in der Revision gegen das Erkenntnis vom , RV/1100132/2019, vorgebrachte Einwand, dass die Einkünfte in der Schweiz nach gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz unter Rückgriff auf das nationale Recht erfolgter Auslegung des Abkommens nicht besteuert werden dürften und den Ansässigkeitsstaat (Österreich) daher keine Verpflichtung zur Steuerfreistellung gemäß Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz treffe, an dieser Beurteilung nichts ändere.

Der Beschwerdefall gleicht hinsichtlich Sachverhalt und zu beurteilender Rechtsfrage insoweit dem dem Erkenntnis vom , RV/1100132/2019, bzw. dem Erkenntnis vom , RV/1100347/2022, zugrundeliegenden Fall und erweist sich der Spruch des Einkommensteuerbescheides 2015, in dem die Witwenrente zur Gänze der inländischen Besteuerung unterzogen wurde, somit als nicht richtig.

Eine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO ist eine Ermessensentscheidung (vgl. ). Nachdem im Bereich des § 299 BAO dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zukommt (vgl. , mwN) und eine bloß geringfügige Auswirkung der Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid hinsichtlich des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 Folge zu geben und der Einkommensteuerbescheid 2015 somit gemäß § 299 BAO aufzuheben. Der neue Bescheid ist demgegenüber vom Finanzamt zu erlassen (vgl. , mwN).

2. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der im Beschwerdefall strittigen Frage, ob eine AHV-Rente nach dem Rechtsgrund des Anspruchserwerbes den Zuteilungsregelungen der Art. 18 und 19 DBA-Schweiz zuzuordnen ist oder ob, der im Erlasswege veröffentlichten Konsultationsvereinbarung der zuständigen Behörden Österreichs und der Schweiz folgend, aufgrund der ansonsten (teilweise) eintretenden Doppelnichtbesteuerung Art. 21 DBA-Schweiz zur Anwendung kommt, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bisher noch nicht befasst. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob die Nichtbesteuerung der Bezüge im Quellenstaat (Schweiz) bei der gegebenen Sachlage den Ansässigkeitsstaat (Österreich) von der ihn nach Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweiz treffenden Freistellungsverpflichtung entbindet. Eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 18 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 19 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 21 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Verweise



Anmerkung
Gegen das Einkommensteuer 2016 betreffende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100132/2019, wurde eine beim VwGH unter der Zahl Ro 2023/15/0023 anhängige Amtsrevision erhoben.
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100028.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at