Ansässigkeit in Österreich oder Deutschland bei einem befristeten Dienst- und Ausbildungsverhältnis in Deutschland
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durchdie Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., ***Bf1-Adr***, vertreten durch Audit Partner Austria Wirtschafts- prüfer GmbH, Wagramer Straße 19 Tür 8. Stock, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Steuernummer Bf.-StNr. zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist, ob der Bf. ab aufgrund seines Anstellungsverhältnisses in Deutschland weiterhin in Österreich "ansässig" ist und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Bei Bejahen dieser Frage ist die Höhe der Progressionseinkünfte zu klären.
A. Ansässigkeit des Bf.
Der Beschwerdeführer (Bf.) war bis einschließlich Mai 2017 bei einer österreichischen Dienstgeberin (DG 1-Ö) in Ort 1-Ö ("Ort 1-Ö") tätig.
Vom bis hatte er im Ort 1-Ö den Hauptwohnsitz an der Adresse einer angemieteten Wohnung gemeldet. Die Mietwohnung im Ort 1-Ö hat der Bf. mit gekündigt.
Seit stand der Bf. in einem bis befristeten Arbeits- und Ausbildungsverhältnis zum Experten zur DG 1-D ("Dienstgeberin (DG) 1-D"). Er hatte in Deutschland vorerst in Ort 1-D ("Ort 1-D") und sodann in Ort 2-D ("Ort 2-D") eine Wohnung gemietet.
Vom bis meldete er seinen Hauptwohnsitz im Haus seiner Eltern in Ort 2-Ö ("Ort 2-Ö") an, danach als Nebenwohnsitz.
Sein Kfz hat er in Österreich abgemeldet und in Deutschland angemeldet (unstrittig).
Einkommensteuerbescheid 2017
Das Finanzamt erfasste die Bezüge aus Österreich im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 und zog gemäß Art 15 iVm Art 23 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002 ("DBA Ö-D") die Bezüge aus Deutschland (€ 34.906,27) zum Progressionsvorbehalt heran.
Beschwerde
Die Beschwerde richtet sich gegen die Feststellung der Ansässigkeit des Bf. in Österreich ab . Er habe seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Deutschland verlegt. Er habe auch die Mitgliedschaft bei der Standesvertretung in Österreich beendet, sein Kfz und Versicherungen umgemeldet.
Der Zeitraum der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht sei separat zu erfassen, wenn ein Steuerpflichtiger während des Jahres seinen Wohnsitz ins Ausland verlege und damit beschränkt steuerpflichtig werde. Sowohl hinsichtlich der Erfassung und Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage, als auch hinsichtlich ihrer Besteuerung seien jeweils unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen vorgesehen. Es könnten sich nur jene Auslandseinkünfte in Österreich progressionserhöhend auswirken, die im Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht zugeflossen seien (vgl. Salzburger Steuerdialog 2016).
Die österreichischen Einkünfte 2017 seien bis zum Zeitpunkt des Wegzuges aus Österreich unstrittig der österreichischen Einkommensteuer zu unterziehen. Nur bei Bejahen der Ansässigkeit in Österreich wären die ausländischen Einkünfte progressionserhöhend zu erfassen. Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. b DBA Österreich-Deutschland gelte eine in beiden Staaten ansässige Person nur in dem Staat als ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Mit habe er seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Deutschland verlegt, dies schon wegen der Dauer der Expertenausbildung von rd. fünf Jahren. Ab sei er somit in Österreich nur beschränkt steuerpflichtig. Darüberhinaus sei keine Rückkehr nach Österreich geplant.
Auch die Freizeit werde im Wesentlichen in Deutschland verbracht und es habe sich ein entsprechender Freundeskreis in Deutschland gebildet.
Die Erfassung der ausländischen Einkünfte sei rechtswidrig, der Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Die vorliegenden Beweise seien in nicht nachvollziehbarer Weise und damit rechtswidrig gewürdigt worden.
Abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE)
Laut Finanzamt erfolge bei einer zeitlich begrenzten Auslandstätigkeit zwischen zwei und fünf Jahren die Beurteilung nach der Sachlage des Einzelfalles. Zentraler Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich sei der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt. Hierfür reiche die Innehabung einer Wohnung, wenn die Wohnung beibehalten und benutzt wird.
Der Bf. sei bis am Ort 1-Ö mit dem Hauptwohnsitz gemeldet gewesen, danach mit Hauptwohnsitz in Ort 2-Ö, wo auch seine Familie lebe. Die sogenannte "polizeiliche Meldung" laut Zentralem Melderegister sei zwar weder eine notwendige Voraussetzung noch ein hinreichender Beweis für die Innehabung einer Wohnung, welche auf ein Beibehalten und Benutzen der Wohnung schließen lässt, jedoch ein Indiz für das Erfüllen des Tatbestandes für einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO. Weitere Elemente würden für einen Wohnsitz gemäß § 26 Abs. 1 BAO sprechen:
Der Bf. sei durchgängig in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet, wo seine Familie lebe.
Er bezahle weiterhin den Kirchenbeitrag, was sehr wohl auf eine Heimatverbundenheit hindeute.
Die Post sei an den Hauptwohnsitz im Ort 2-Ö zugestellt worden, wo er sie dann regelmäßig abgeholt habe.
Der Arbeitsvertrag sei bis Ende seiner Expertenausbildung mit befristet.
Die zusammenfassende Wertung aller Umstände ergebe, dass im Kalenderjahr 2017 Österreich jedenfalls der bedeutungsvollere Staat und damit der Mittelpunkt der Lebensinteressen gewesen sei.
Im Vorlageantrag führte der Bf. ergänzend aus:
Der Arbeitsvertrag und die damit verbundene Ausbildung zum Experten sei eine Vereinbarung für einen Zeitraum von viereinhalb Jahren. Die Vertragsdauer befinde sich damit per se bereits am äußeren Ende des von der Behörde angeführten Beobachtungszeitraumes.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum gerade der befristete Arbeitsvertrag für das Vorliegen einer vorübergehenden Auslandstätigkeit spreche, als für das vorliegende Arbeitsverhältnis kein unbefristeter Anstellungsvertrag bei der Dienstgeberin 1-D vorgesehen sei. Nach der Bestellung zum Experten sei mit dem Fortsetzten der Tätigkeit in Deutschland zu rechnen.
Aus dem deutschen Einkommensteuerbescheid 2017 vom gehe hervor, dass die deutsche Finanzverwaltung von einer unbeschränkten Steuerpflicht ausgeht und anderseits, dass das in Deutschland zu besteuernde Einkommen € 26.847,00 beträgt und nicht € 34.906,27, wie vom Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom angeführt. Er beantrage in eventu die Berichtigung der Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz.
Die deutsche Kirchensteuer 2017 sei im Anschluss an das Veranlagungsverfahren gesondert festgesetzt worden (Anlage 2). Von einer Rückforderung des Beitrages in Österreich werde wegen des geringfügigen Betrages (€ 90,00) abgesehen. Die in Österreich für 2018 bezahlte Kirchensteuer werde noch zurückgefordert werden, sobald der Bescheid vom Kirchensteueramt in Deutschland für 2018 vorliege. Es erscheine unschlüssig, warum gerade das Bezahlen eines Kirchenbeitrags ein entscheidendes Kriterium für die Heimatverbundenheit und die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen darstellen soll.
Die Anmeldung des Hauptwohnsitzes im Ort 2-Ö habe er insbesondere auf Ersuchen und Wunsch der Gemeinde Ort 2-Ö und umgehend nach dem Arbeitgeberwechsel vorgenommen.
Die Anmeldung des Wohnsitzes im Ort 1-D und anschließend im Ort 2-D sei jeweils bei Bezug der Wohnung erfolgt.
Meist habe sein Vater die eingehende Post geöffnet und den Bf. über den Inhalt informiert. Sofern erforderlich, sei die Post nachgesendet worden bzw. habe der Bf. die Unterlagen in größeren Abständen abgeholt. Eine regelmäßige Abholung sei weder erforderlich gewesen, noch habe diese stattgefunden.
Beim Mittelpunkt der Lebensinteressen sei auf die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen abzustellen. Da neben der Arbeitgeberin keine weiteren Einkunftsquellen nach dem Wegzug im Jahr 2017 vorgelegen seien, sei unzweifelhaft von einem engeren wirtschaftlichen Interesse in Deutschland auszugehen.
Für die Prüfung der persönlichen Beziehung sei auf die gesamte private Lebensführung einer Person abzustellen. Nicht überzeugend sei, dass bei einer volljährigen Person, welche seit dem 19. Lebensjahr einen eigenen Wohnsitz (in Ort 3-Ö, Ort 1-Ö, Ort 1-D und Ort 2-D) hatte, gerade ein Burschenzimmer am Wohnsitz der Eltern eine große Rolle spiele.
Aufgrund der Arbeit (Wochenarbeitszeit zum Teil mehr als 60 Stunden) sei ihm nur wenig Freizeit verblieben. Eine Beziehung zu einer Partnerin aus dem Bundesland 1-Ö sei aufgrund des Arbeitsplatzwechsels, der Verschiebung der Interessen und der Entfernung im Jahr 2018 in Brüche gegangen. In Deutschland habe er eine Fitnessstudiomitgliedschaft abgeschlossen, welche weiterhin bestehe.
Verfahren vor dem BFG
Das vor dem BFG ergänzend durchgeführte Vorhalteverfahren hat Folgendes ergeben:
Der Bf. hat laut seinen Angaben über seinen Wegzug folgende Stellen informiert:
Kündigung der Wohnung, Ummeldung des Kfz und Abmeldung im Fitnessstudio im Ort 1-Ö. Die Verständigung des Finanzamtes, der Kirchenbeitragsstelle, der Bank, der Versicherungsanstalten und der Krankenkasse hat der Bf. nicht behauptet.
Beigelegt ist ein Schreiben betreffend die Kraftfahrversicherung in Deutschland, ein Einzahlungsbeleg sowie ein Prüfnachweis über eine "Hauptuntersuchung gemäß § 29 StVZO, Abgasverhalten" vom , durchgeführt in Ort 1-D.
Angemerkt wird, dass ein Nachweis über die Abmeldung im Fitnessstudio in Österreich nicht vorliegt, wohl aber eine Mitgliedschaftsvereinbarung betreffend ein Fitnessstudio in Ort 1-D.
Im Juni 2017 hat der Bf. in Deutschland ein Bankkonto eröffnet, auf das sein Gehalt überwiesen wurde, des Weiteren ein Wertpapierkonto und nahm über dieses die weitere Vermögensvorsorge vor. Beigelegt war ein Kontoauszug mit dem ersten Gehalt vom .
Das Konto in Österreich blieb aufrecht,begründet mit günstigen Konditionen und der Risikodiversifikation und Sicherung der Einlagen. Es diente nicht mehr als Gehaltskonto.
Ab bestand eine Krankenversicherung bei der Versicherung D1. Mit März 2018 wurde die Krankenversicherung zur Versicherung D2 gewechselt. Auf der Lohnsteuerbescheinigung ist der Arbeitnehmerbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zu entnehmen. Beigelegt war die Krankenversicherung für 2017-2018 Versicherung D1 sowie die Krankenversicherung Versicherung D2 .
Es habe zunächst eine gesetzliche Rentenversicherung bestanden, für welche jedoch aufgrund der Pflichtmitgliedschaft in einer Berufskammer und dem berufsständigen Vorsorgewerk (A-Expertenversorgung) eine Befreiung auszustellen gewesen sei. Der Lohnsteuerbescheinigung sei daher nur der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zum berufständigen Vorsorgewerk zu entnehmen. Beigelegt waren Unterlagen zur gesetzlichen Rentenversicherung, Rentenversicherung Expertenversorgung. Weitere Pensionsversicherungen hat es nicht gegeben.
Die vom Bf. aus Deutschland vorgelegten Pensions- und Krankenversicherungsdokumente sind an die Adressen des Bf. in Deutschland adressiert.
Zur Frage bezüglich eines allfälligen Nachsendeauftrages der Post gab der Bf. an, dass der Mietvertrag per gekündigt worden sei. Im Zeitpunkt des Wegzuges hätten kaum Dauervertragsverhältnisse bestanden, die es erforderlich machten, einen Nachsendeauftrag einzurichten. Es sei der Adresswechsel - sofern überhaupt notwendig - direkt bekannt gegeben worden. Unterlagen zu diesen Vorbringen liegen nicht vor.
Für 2018 hat er zunächst fälschlicherweise in Österreich Kirchensteuer bezahlt, diese sei in voller Höhe zurückgefordert und zurückbezahlt worden. Die diese Angaben dokumentierenden Unterlagen liegen nicht bei.
Leistungen aus einer österreichischen Krankenversicherung oder Krankenzusatzversicherung hat der Bf. 2017 bis 2021 nicht in Anspruch genommen. Es hätte - so der Bf. - auch kein aufrechtes Versicherungsverhältnis bestanden, aus dem Leistungen hätten in Anspruch genommen werden können.
2017 bis 2021 haben am Ort 2-Ö die Eltern des Bf. gewohnt. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Wohnhaus mit Dachboden. Das Erdgeschoss wird dauerhaft vermietet, dass Obergeschoss von den Eltern bewohnt. Das im Dachboden befindliche Jugendzimmer hat der Bf. bei einem Aufenthalt bewohnt. Für den Bf. gibt es keine separaten Räumlichkeiten mit einem separaten Eingang. Eine Mitbenützungsmöglichkeit der Küche und des Badezimmers in den Räumlichkeiten der Eltern war möglich.
Zur Frage, wann er sich von Mitte 2017 bis 2021 am Ort 2-Ö aufgehalten habe, gab er an, es habe am Ort 2-Ö nur ein melderechtlicher Hauptwohnsitz bestanden. Der Bf. hat sich im Zeitraum 2017 bis 2021 gelegentlich bei seinen Eltern aufgehalten. Über die Besuche hat er nicht Buch geführt. Laut Bf. sei jedenfalls von keinem überwiegenden Freizeitaufenthalt auszugehen, da er die (wenig vorhandene) Freizeit sehr vielfältig genutzt und Urlaube im weiter entfernten Ausland verbracht. Er war 2018 für zwei Wochen auf Fuerteventura, 2018/2019 für zwei Wochen in Japan, sowie 2019 für zwei Wochen in Portugal. Aufgrund der Covid 19-Reisebeschränkungen und der Vorbereitung auf die Experten-Prüfung kam es 2020 und 2021 zu keinem längeren Urlaub. Die Entscheidung, wo ein freier Tag verbracht wurde, richtete sich in der Regel nach dem Wetter und aktuellen Verhältnissen für Freizeitsport. Die Orte wurden spontan angesteuert. Über diese Tagesausflüge wurde nicht Buch geführt.
Zur Frage, warum er dem Wunsch der Gemeinde gefolgt sei, trotz der Anstellung in Deutschland den Hauptwohnsitz am Ort2-Ö beizubehalten und bekanntzugeben, wer diesen Wunsch ihm gegenüber geäußert habe (Bekanntgabe von Namen und Adresse), teilte der Bf. mit, dass es sich um ein kurzes telefonisch geführtes Gespräch gehandelt habe. Der Name des Gesprächspartners/der Gesprächspartnerin wurde nicht notiert und ist nicht bekannt. Dem Bf. sei nicht bekannt gewesen, dass ein melderechtlicher Hauptwohnsitz im Ausland eine entsprechende Meldung in Österreich ausschließt.
Die Expertenausbildung wurde mit abgeschlossen ("Anerkennung" als Experten für yyy und xxx). Weiters hat der Bf. mit "Anerkennung" vom das Recht erhalten, die Zusatzbezeichnung "Spezialfach" zu führen.
Er habe nach Ende der Expertenausbildung eine Ausbildung zum speziellen xxx in Ort 2-D in Betracht gezogen und deshalb einen neuen Arbeitsvertrag befristet bis zum mit der Schwerpunktbezeichnung (spezielle xxx) abgeschlossen. Es handelt sich um eine weiterführende vertiefende Ausbildung für einen Experten für yyy und xxx. In Deutschland ist eine solche Vertiefung üblich, in Österreich so nicht vorgesehen. Dieses Dienstverhältnis wurde mit beendet. Die Wohnung wurde ebenso mit gekündigt (Anlage: Befristeter Arbeitsvertrag).
Seit besteht eine Anstellung in Österreich, Dienstgeberin ist die DB 2-Ö.
Seit ist der Bf. wieder ordentliches Mitglied der Standesvertretung in Österreich. Erforderliche Unterlagen für die Experten-Anerkennung wurden mit der österreichischen Standesvertretung geklärt. (Anlage: Wiederanmeldung Standesvertretung in Österreich).
Das in Deutschland geleaste Kfz (Leasingvertrag vom 04/2020 hat der Bf. aus dem Vertrag herausgekauft und in Österreich angemeldet. Da im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Leasingvertrages keine Rückkehr nach Österreich geplant gewesen sei, gestaltete sich die Abwicklung mit vorzeitiger Übernahme sowie Anmeldung in Österreich als sehr schwierig.
Vor der Anstellung in Deutschland war er mit Frau S aus dem Ort 1-Ö in Beziehung, es besteht kein Kontakt mehr. Die aktuelle Adresse ist nicht bekannt.
Über Vorhalt, dass seit in der nach der Rückkehr aus Deutschland angemieteten Wohnung im Ort 1-Ö er den Hauptwohnsitz und am Ort 2-Ö den Nebenwohnsitz gemeldet habe und er an seinem Hauptwohnsitz in Lebensgemeinschaft leben soll, gab er an, alleinstehend in dieser Wohnung zu leben. Seit dem Zuzug nach Österreich gebe es keine Beziehung in Österreich.
Vor dem Wegzug aus Österreich gab es nur die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Daneben gab es keine privaten Mitgliedschaften in Vereinen oder sonstigen Gemeinschaften, die (regelmäßige Treffen bzw. Aktivitäten vorsehen (Anlage Anmeldung Fitnessstudio Ort 1-D).
Momentan besteht aufgrund von beruflichen Überlegungen eine Probemitgliedschaft bei der Bergrettung, um Erfahrung für eine geplante Zusatzarbeit als Spezialist für xxx zu sammeln.
Gefragt nach dem ins Treffen geführten Freundeskreis gab der Bf. die Namen von zwei Frauen (aus Ort 3-D bzw. Ort 4-D) sowie den Namen eines Herren an, zu dem jedoch kein Kontakt mehr besteht. Mit ihnen hätte er insbesondere gemeinsam Sport gemacht. Der Bf. gab nicht bekannt, in welchem Umfeld (Arbeit, Freizeit, Nachbarschaft, etc.) er diese Personen kennengelernt hat.
Stellungnahme des Finanzamtes vom
Das Finanzamt führte - auszugsweise festgehalten - aus:
"Nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. Erk. v. , 2011/15/0193) ist für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt.
Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen (vgl. das Erkenntnis vom , 2005/15/0135), aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements.
Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus.
Bei gleichgewichtigen persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat und wirtschaftlichen Beziehungen zum anderen Vertragsstaat ist nach der Rechtsprechung (vgl. zB ; ; Ra 2016/15/0057) im Zweifel den näheren persönlichen Beziehungen und dabei wiederumder Gestaltung des Familienlebens der Vorrang zu geben ().
Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind nur in besonders gelagerten Einzelfällenausschlaggebend, insbesondere bei gleichgewichtigen persönlichen Verhältnissen (UFS, RV/2235-W/08). Entscheidend ist aber letztlich, welcher Vertragsstaat für diePerson der bedeutungsvollere ist ().
Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf dieVerhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen(vgl ; ).
Bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten, wenn also der Auslandsaufenthalt zwei Jahre nichtübersteigt, wird in der Regel davon auszugehen sein, dass keine Verlagerung desMittelpunktes der Lebensinteressen stattgefunden hat. Erst bei länger als fünf Jahreandauernden (im Wesentlichen durchgehenden) Auslandsaufenthalten spricht die äußereVermutung für die Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ins Ausland (BFGvom , RV/4100611/2014)."
Das Finanzamt ging im Wesentlichen von den Angaben des Bf. in seiner Vorhaltsbeantwortung aus.
"Der Bf. ist im Zeitraum seiner Expertenausbildung in der gesetzlichenKrankenversicherung in Deutschland krankenversichert gewesen. Die Rentenversicherung ist verpflichtend bei der Expertenversicherung erfolgt. Diese Umstände sind jedoch derberuflichen Tätigkeit des Bf. in Deutschland geschuldet und fallen unter diewirtschaftlichen Beziehungen, denen bei der Beurteilung des Mittelpunkts derLebensinteressen geringere Bedeutung beizumessen sind.
Demgegenüber fällt für Österreich ins Gewicht, dass hier die Eltern des Bf. leben, in derenHaus ihm ein Zimmer zur Benützung zur Verfügung steht bzw. im gegenständlichenZeitraum gestanden hat und an dessen Adresse er nahezu durchgängig (bis auf denZeitraum bis ) gemeldet gewesen ist, und zwar überwiegend inForm einer Hauptwohnsitzmeldung. Dazu wird festgehalten, dass der VwGH der Hauptwohnsitzmeldung entscheidende Bedeutung beimisst(vgl. Erkenntnis 2011/15/0193). Dass der Bf. in seinem Elternhaus keine eigene Wohnunghatte bzw. hat, spielt dabei keine Rolle. Das Vorbringen, wonach dieHauptwohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister auf Wunsch der Gemeinde erfolgt sei,erscheint aufgrund des Vorbringens des Bf., wonach er nur ein kurzes Telefonatgeführt habe und ihm der Gesprächspartner/in nicht bekannt sei, nicht glaubwürdig.
Des Weiteren hat der Bf. laut seinen Angaben während seiner Ausbildung zum Experten inDeutschland (neben einer deutschen Bankverbindung) sein österreichisches Bankkontozur Risikodiversifizierung und Sicherung seiner Einlagen beibehalten. Daraus ist derSchluss zu ziehen, dass der Bf. während der Zeit seiner Ausbildung in Deutschland seineVermögenswerte in Österreich belassen hat. Letztlich hatte er demnach bis zum Jahr 2018auch seine Partnerin in Österreich.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts ist davon auszugehen, dass der Bf. nur zu Zweckeder Absolvierung seiner Expertenausbildung für rd. 4 1/2 Jahre in Deutschland wohnhaftwar und seine persönlichen Beziehungen zu Österreich bis zu seiner Rückkehr nichtaufgeben wollte. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Hauptwohnsitzmeldung, die aufeine gewisse Heimatverbundenheit des Bf. schließen lässt und der Rückkehr nachÖsterreich wider. Dass sich der Bf. nicht regelmäßig bei seinen Eltern aufgehalten hat,kann in Anbetracht der zeitlichen Einschränkungen aufgrund der Vorbereitung auf die Expertenprüfung des Bf. keine Rolle spielen.
Bei Abwägung der Gesamtheit der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Bf.zu den beiden Staaten Österreich und Deutschland ergibt sich daher, dass imStreitzeitraum Österreich der bedeutungsvollere für den Bf. gewesen ist und er imBeschwerdezeitraum in Österreich ansässig war."
B. Höhe der Progressionseinkünfte (Berücksichtigung von Werbungskosten)
Das Finanzamt brachte im Erstbescheid und in der BVE die Progressionseinkünfte in Höhe von € 34.906,27 in Ansatz.
Der Bf. wandte im Vorlageantrag ein, dass die ausländischen Einkünfte € 26.847,00 betragen würden.
In der zum Ergänzungsansuchen vom übermittelten Aufstellung gab der Bf. steuerpflichtige ausländische Einkünfte von € 27.102,37 an, darin unstrittige Werbungskosten für Arbeitsmittel und Fortbildungen, des Weiteren Umzugskosten von Österreich nach Deutschland (€ 1.128,81) und Umzugskosten von Ort 1-D nach Ort 2-D (€ 686,88) enthalten.
Nach Ansicht des Finanzamtes im Vorlagebericht sind die letztgenannten Umzugskosten von € 686,88 nicht abzugsfähig, die Progressionseinkünfte daher mit € 27.789,25 festzusetzen. Umzugskosten seien nur dann Werbungskosten, wenn der Umzug beruflich veranlasst sei. Eine berufliche Veranlassung könne beim erstmaligen Antritt eines Dienstverhältnisses, beim Wechsel des Dienstgebers oder im Falle einer dauernden Versetzung durch den gegenwärtigen Dienstgeber (im Falle der Arbeitskräfteüberlassung durch das überlassende Unternehmen) vorliegen. Umzugskosten ohne Wechsel des Dienstortes und ohne Verpflichtung, eine Dienstwohnung zu beziehen, sein nicht absetzbar. Im gegenständlichen Fall habe der Bf. die Wohnung aus Zeitersparnisgründen näher an den Arbeitsplatz verlegt.
Diesen Ausführungen hat der Bf. keine Einwendungen entgegengehalten.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
A. Ansässigkeit des Bf.
1. Sachverhalt
Strittig ist, ob der Bf. ab weiterhin in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und "ansässig" war oder ob er ab diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Deutschland verlegte und er in Deutschland "ansässig" war.
Die Vorgänge und Abläufe im Zusammenhang mit der Expertenausbildung in Deutschland, wie etwa die Meldungen der Wohnsitze, Kranken- und Pensionsversicherung in Deutschland, bankmäßige Geschehnisse, Kfz-An- bzw. Abmeldungen, (Bezahlung /Rückforderung bezahlter) Kirchensteuer, An- bzw. Abmeldungen bei Fitnesstudios, Verbringen von Urlauben, Beendigung einer Beziehung im Jahr 2018, sind im Verfahrensgang festgehalten. Von der geschilderten Abwicklung und den diesbezüglich dargelegten Abläufen geht auch das BFG aus.
Es ist nicht nachgewiesen, dass der Bf. auf Wunsch der Gemeinde am Ort 2-Ö ab seinen Hauptwohnsitz meldete. Die Frage, warum er dem Wunsch der Gemeinde gefolgt sei, trotz seiner Anstellung in Deutschland seinen Hauptwohnsitz im Ort 2-Ö beizubehalten, beantwortete der Bf. nicht.
Der Bf. hat für den Zeitraum Mitte 2017 bis 2021 nicht einmal ansatzweise Angaben zu seinen Aufenthalt(stag)en am Ort 2-Ö gemacht. Dass der Bf. am Wohnsitz im Ort 2-Ö nicht eine dauernde und uneingeschränkte (Mit-)benützungsmöglichkeit der von ihm genannten Räumlichkeiten hatte, hat er nicht behauptet.
Auch nach Ansicht des Bf. sind im Falle des Bejahens der Ansässigkeit in Österreich die ausländischen Einkünfte für den Progressionsvorbehalt heranzuziehen. Das Finanzamt stellte die Höhe der deutschen Einkünfte laut Bf. (€ 27.102,37) mit Ausnahme der Nichtanerkennung von Umzugskosten in Höhe von € 686,88 außer Streit.
Eine Abfrage der Richterin am Finanzamtskonto hat ergeben, dass folgende Erledigungen an den Bf. an die Adresse im Ort 2-Ö adressiert sind:
Freibetragsbescheid 2018 und Mitteilung zur Vorlage beim Arbeitgeber, beide vom
Freibetragsbescheid 2019 und Mitteilung zur Vorlage beim Arbeitgeber, beide vom
2. Beweiswürdigung
Die Entscheidung basiert auf dem vorgelegten Akteninhalt und den Vorbringen der Parteien.
3. Rechtliche Grundlagen
Unbeschränkt steuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Beschränkt steuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.
Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand gemäß § 26 Abs. 1 BAO dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Damit Räumlichkeiten nach der Verkehrsauffassung als Wohnung geeignet sind, müssen sie so ausgestattet sein, dass sie es erlauben, sich nicht nur ganz kurzfristig dort aufzuhalten: Die Möglichkeiten zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände muss gewährleistet sein ( ).
Die polizeiliche Ab- und Anmeldung (§ 1 Abs 1 MeldeG) ist nicht entscheidend ( ; , 95/13/0150; , 99/15/0104; , Ra 2015/15/0066), kann aber in Zweifelsfällen einen Begründungsanhalt bieten ( ; , 2004/16/0001). Ebenso Indizwirkung haben etwa die Abmeldung des Telefons und die Tatsache, dass die Wohnung außer einigen Einbaumöbeln leer ist ( ; Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 7).
Nach (ebenso , Ra 2021/13/0080), ist es nicht entscheidend, in welchem zeitlichen Ausmaß eine Wohnung tatsächlich genutzt wird. Insbesondere treffe es nicht zu, dass nach der Rechtsprechung des VwGH eine bestimmte Mindestanzahl von jährlichen Nächtigungen Voraussetzung dafür ist, eine Wohnung als Wohnsitz iSd § 26 zu qualifizieren (siehe (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 26, Rz. 1, 7 und 9).
Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benutzen zu können ( Zl. 90/13/0299). Die polizeiliche An- und Abmeldung (§ 1 Abs. 1 Meldegesetz) ist nicht entscheidend ( Zl. 91/14/0041).
Voraussetzung für einen Wohnsitz ist also zum einen das "Innehaben" einer Wohnung. Dieses "Innehaben" muss zum anderen unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend sind dabei jeweils die tatsächlichen Verhältnisse (vgl. ).
Aus einer fallweisen Benützung einer Wohnung kann allenfalls abgeleitet werden, dass die Wohnung unter Umständen innegehabt wird, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benützt wird (vgl. , VwSlg. 3947/F; , 0310/69; vgl. auch ) [ Ra 2021/13/0080].
In den für den gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen desDBA Ö-D in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung heißt es wie folgt.
"Artikel 4
Ansässige Person
(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat, seine Gebietskörperschaften und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes:
a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);…".
Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu alspersönlichen Beziehungen. Unter persönlichen Beziehungen sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements (vgl. zu alldem , mwN).
Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. ).
Die Beurteilung der Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seinerpersönlichenund wirtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. Ro 2017/13/0014, mwN) [ Ra 2022/15/0067].
4. Erwägungen
Der Bf. hatte unzweifelhaft in der angemieteten Wohnung am Ort 1-D bzw. Ort 2-D einen "Wohnsitz".
In Österreich vermeint der Bf., am Ort 2-Ö nur einen "melderechtlichen Wohnsitz" gehabt zu haben. Angesichts der "zurückhaltenden" Angaben des Bf., "gelegentlich" bzw. "in größeren Abständen" bei den Eltern gewesen zu sein, lässt sich keine (jährliche) Aufenthaltsdauer ableiten, es werden jedoch tatsächliche wiederholte Aufenthalte im Elternhaus bestätigt.
Hält man sich vor Augen, dass er die Wohnmöglichkeit in seinem Elternhaus jederzeit nutzen konnte und seinen Ausführungen nach bei seinen Aufenthalten auch genutzt hat, kann dem bloß melderechtlichen Wohnsitz nicht gefolgt werden. Dass es an einem "Innehaben" der Wohnung bzw. der dort durchgehend nutzbaren Räumlichkeiten gefehlt hätte oder die Nutzung mit Einschränkungen verbunden gewesen wäre, hat der Bf. nicht behauptet. Seinen Schilderungen ist vielmehr zu entnehmen, dass er im Elternhaus unzweifelhaft "die Möglichkeiten zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände" hatte.
Dass der Bf. die Absicht hatte, diese Wohnung auch weiterhin zu nutzen, kommt durch seine Angaben, sich bei den Eltern aufgehalten zu haben, zum Ausdruck. Weiters hat die Adresse am Ort 2-Ö auch durchgehend als Zustelladresse gedient. Auf die an den Bf. gerichteten, an die Adresse im Ort 2-Ö adressierten Freibetragsbescheide 2018 und 2019 darf hingewiesen werden. Dies spiegelt wider, dass der Bf. das Finanzamt und vermutlich auch sonstige Behörden, seine Bank und sonstige Stellen von seinem "Wegzug" nach Deutschland nicht verständigt hat. Für sie alle war nicht erkennbar, dass der Bf. nach Deutschland verzogen ist. Wem er im Bedarfsfall eine Adressänderung tatsächlich bekannt gegeben hat, hat er nicht dargetan.
Demnach geht das BFG davon aus, dass der Bf. ab - ungeachtet der erst am durchgeführten polizeilichen Meldung - in Österreich am Ort 2-Ö und in Deutschland am Ort 1-D bzw. Ort 2-D in seiner Mietwohnung einen "Wohnsitz" hatte. Dass diese Wohnsitze des Bf. in Deutschland und in Österreich nicht auch das Erfordernis einer "ständigen Wohnstätte" erfüllt hätten, behauptet selbst der Bf. nicht.
Zumal in beiden Staaten ein "Wohnsitz" bzw. eine "ständige Wohnstätte vorliegt, gilt es nach dem DBA Ö-D die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen(für den Zeitraum ab ) zu prüfen:
Persönliche Beziehungen
Nach Ansicht des BFG sprechen zumindest für das hier zu beurteilende Jahr 2017 folgende Umstände für die engeren persönlichen Beziehungen des Bf. zu Österreich als zu Deutschland:
Ungeachtet der durch die berufliche Ausbildung bedingten Wohnsitznahme in Deutschland, hat der Bf. im Juli 2017 seinen Hauptwohnsitz von seiner bis dahin angemieteten und mit gekündigten Mietwohnung vom Ort 1-Ö in den Ort 2-Ö verlegt. Er hat diesen Wohnsitz auch nicht aufgegeben, sondern am als Nebenwohnsitz gemeldet. Dieser Nebenwohnsitz am Ort 2-Ö blieb es auch nach Meldung des Hauptwohnsitzes in einer Mietwohnung am Ort-1 Ö per (Daten dem ZMR entnommen). Auch nach Beginn des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hat er keine Änderung vorgenommen.
Das BFG geht nach all dem Gesagten davon aus, dass der Bf. mit Beginn des Ausbildungsverhältnisses in Deutschland bewusst seinen Hauptwohnsitz am Ort 2-Ö gemeldet haben und beibehalten wollte. Dass die Hauptwohnsitzmeldung "auf Wunsch" der Gemeinde erfolgte, ließ sich im Beschwerdeverfahren nicht verifizieren.
Für enge Beziehungen zu Österreich sprechen auch insbesondere der Kontakt zu den Eltern und die "gelegentlichen" Aufenthalte bei den Eltern. Ebenso die Beziehung zu einer in dem Bundesland 1-Ö lebenden Partnerin.
Bezüglich der vom Bf. als "Freundeskreis" namhaft gemachten Personen, von denen zu einer Person kein Kontakt mehr besteht, lässt sich nicht sagen, aus welchem Umfeld (Arbeit, etc.) sie stammen. Zumal der Bf. angegeben hat, er hätte mit ihnen insbesondere sportliche Aktivitäten unternommen, ist nach Ansicht des BFG nicht davon auszugehen, dass diese Personen beziehungsmäßig eine wichtigere Rolle spielten, als seine Eltern und die Partnerin in Österreich.
Mag der Bf. fälschlicherweise 2017 die Kirchensteuer in Österreich gezahlt und wegen des geringen Betrages nicht rückgefordert haben, so ist dies auch eine Facette zu den noch aufrechten Beziehungen zu Österreich. Dass er 2018 tatsächlich den Kirchenbeitrag in Österreich rückforderte, ist nicht nachgewiesen.
Nicht nur das Beibehalten des Kontos in Österreich, sondern auch der Umstand, dass nicht erwiesen ist, dass er bei Ämtern und seinen schon in Österreich abgeschlossenen Versicherungen (mit Ausnahme der Kfz-Versicherung) seinen Wegzug nach Deutschland und seine Adresse in Deutschland meldete, sind ebenso Facetten, die nicht zu untermauern vermögen, dass der Bf. in Österreich "seine Zelte abgebrochen" und ab seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Deutschland verlegt hat.
Die Abmeldung des Kfz in Österreich und Anmeldung in Deutschland sowie die Anmeldung in einem Fitnesstudio in Deutschland sind zweifellos Indizien für die Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen in Deutschland, wiegen aber die zuvor erörterten, für die Beibehaltung des Mittelpunktes in Österreich sprechenden Kriterien nicht auf.
Wirtschaftliche Beziehungen
Der Bf. hat zwar bis zum Ablauf des Monats Mai 2017 in Österreich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen, danach jedoch solche aus Deutschland. Ab bis zum Ablauf des Jahres 2022 bestanden aus Sicht der Einkünfteerzielung und im Hinblick darauf, dass er - bedingt durch die Anstellung - in Deutschland pensions- und krankenversichert war, die stärkeren wirtschaftlichen Beziehungen des Bf. zu Deutschland.
Anders verhält es sich bezüglich des Bankkontos. Da der Bf. in Deutschland ein Bankkonto für die Überweisung seines Gehalts und ein Wertpapierkonto zur - nicht näher erläuterten - Vermögensvorsorge eröffnet hat, jedoch in Österreich ebenso sein Konto aufrecht ließ, so liegen diesbezüglich Beziehungen zu beiden Staaten vor. Wenn auch der Bf. von keinem Sparkonto in Österreich spricht, so müssen dennoch Einlagen bestehen, hätte doch sonst kein Grund für die Beibehaltung des Kontos zur ins Treffen geführten Risikodiversifikation und Einlagensicherung bestanden. Aus Sicht der Bankkonten ist daher auch eine Tendenz des Bf. zur Beibehaltung der banktechnischen Beziehungen zu Österreich ersichtlich.
Die Beurteilung des Gesamtbildes der Verhältnisse ergibt:
Aus Sicht des BFG sind die persönlichen Beziehungen zu den Eltern und die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes am Ort 2-Ö sowie für 2017 auch die Beziehung zu seiner damaligen Partnerin maßgebliche Kriterien, von einer Beibehaltung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in Österreich auszugehen. Zwar schließt ein nur befristet abgeschlossenes Dienst- und Ausbildungsverhältnis per se nicht eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in einen anderen Staat aus. Wie aber oben aufgezeigt, hat der Bf. eben durch die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in Österreich, der fehlenden Bekanntgabe des Wegzugs gegenüber Ämtern und Versicherungen und durch das Fehlen eines Nachsendeauftrages sowie das Beibehalten des Bankkontos nicht nach außen hin dokumentiert, dass er in Österreich "seine Zelte abgebrochen" hat und der nunmehr maßgebliche zukünftige Lebensraum eben nur in Deutschland liegt.
Der Weg, das befristete Ausbildungsverhältnis in Deutschland einzugehen, könnte auch aus dem Grund gewählt worden sein, dass in Österreich oft lange Wartezeiten für solche Ausbildungsplätze bestehen.
Angemerkt werden darf noch, dass sich der Bf. - auch ohne genaue Daten über Besuche sagen zu können - mit präziseren Angaben sehr bedeckt hielt. Welche Hindernisse dem entgegengestanden sind, z. B. bekannt zu geben, ob er regelmäßig an Feiertagen, Geburtstagen oder Familienfesten, im Ort 2-Ö war, bzw. Angaben dazu zu machen, was "gelegentlich" bzw. "in größeren Abständen" bedeuten könnte, hat sich der Bf. auf "gelegentliche" Besuche bzw. Besuche "in größeren Abständen" beschränkt.
Für das BFG ist ebenfalls nicht erklärlich, warum der Bf. keinerlei Angaben zur Frage machte, wann und bei welchen Stellen er sich nach Beendigung der Expertenausbildung um eine Anstellung in Österreich beworben hat.
Beim vorliegenden Sachverhalt sind für das BFG keine Anhaltspunkte erkennbar, dass sich der Bf. schon Mitte des Jahres 2017 entschloss, dauerhaft nach Deutschland zu gehen und dort zu bleiben. Nach all dem Gesagten geht das BFG für das Jahr 2017 davon aus, dass es noch zu keiner Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen von Österreich nach Deutschland gekommen ist, sondern dieser nach wie vor in Österreich lag.
Den aufgezeigten Elementen der wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland vermag das BFG nicht die Kraft beizumessen, den Mittelpunkt der Lebensinteressen ab in Deutschland annehmen zu lassen, weil jedenfalls die Umstände hinsichtlich der persönlichen Beziehungen sowie die sonstigen, gegen die Verlegung des Mittelpunktes sprechenden Indizien im Jahr 2017 für eine Beibehaltung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in Österreich sprechen.
Die Beschwerde war daher in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen. Demzufolge sind die Bezüge aus Deutschland für den Progressionsvorbehalt heranzuziehen, deren Höhe aber noch zu erörtern ist.
B. Höhe der Progressionseinkünfte (Berücksichtigung von Werbungskosten)
1. Sachverhalt
Die Abläufe und Begehren sind im Pkt. B. des Verfahrensganges festgehalten und werden sie der Entscheidung zugrunde gelegt.
Bezüglich der Wohnsitzverlegung von Ort 1-D nach Ort 2-D ist die Entfernung laut Routenplaner, so z. B. Routenplaner in einer Fahrzeit von ca. 30 Minuten zurückzulegen.
Der Bf. behauptet nicht, dass ihm seitens des Dienstgebers der Wohnsitzwechsel auferlegt worden wäre. Er bestreitet nicht die Feststellung des Finanzamtes, dass er den Wohnsitzwechsel aus dem privaten Grund der Zeitersparnis durchgeführt hat.
2. Beweiswürdigung
Die Entscheidung hat ihre Grundlage im vorgelegten Akteninhalt und den Vorbringen der Parteien sowie insbesondere in der zum Vorhalt vom vorgelegten Aufstellung über die steuerpflichtigen deutschen Einkünfte.
3. Rechtliche Grundlagen
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Das Finanzamt hat im Vorlagebericht weitere rechtliche Grundlagen festgehalten; diese werden für die Beurteilung der hier zu klärenden Frage herangezogen werden.
4. Erwägungen
Vorauszuschicken ist, dass das BFG keinen Anhaltspunkt sieht, von dem vom Finanzamt außer Streit gestellten Betrag der ausländischen Einkünfte € 27.789,25 abzugehen.
Bezüglich der strittigen Umzugskosten für die Verlegung des Wohnsitzes vom Ort 1-D in den Ort 2-D (€ 686,88) zeigt sich folgendes Bild:
Zumal der Bf. nicht behauptet, dass ohne den Wohnsitzwechsel von Ort 1-D nach Ort 2-D die Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes bestanden hätte, bzw. die Fahrstrecke zur Arbeit aus Ort 1-D für ihn unzumutbar gewesen wäre, sondern er die Wahl nur aufgrund der Zeitersparnis getroffen hat, liegen bezüglich dieses Wohnsitzwechsels keine Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen - und somit keine Werbungskosten - vor.
Wie im Erkenntnis des RV/3100503/2020, festgehalten, endet mit Beziehen einer vorübergehenden "Zwischenwohnung" im Großraum des Dienstortes die berufliche Veranlassung eines Umzuges.
Nach dem zuvor Gesagten können die Umzugskosten in Höhe von € 686,88 nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Demnach sind für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes die Progressionseinkünfte in Höhe von € 27.789,25 (anstatt bisher € 34.906,27) in Ansatz zu bringen.
Der Beschwerde konnte in diesem Punkt teilweise Folge gegeben werden. Die steuerlichen Auswirkungen sind dem Berechnungsblatt zu entnehmen.
Zusammenfassend konnte daher der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 teilweise Folge gegeben werden.
C. Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat
Die vom Bf. in der Beschwerde gestellten Anträge, eine mündliche Verhandlung vor dem Senat durchzuführen, hat er im Vorlageantrag zurückgezogen.
Die Richterin hielt angesichts des ergänzenden Vorhalteverfahrens sowie des Umstandes, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich.
D. Zur Un/Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen.Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung betreffend die Ansässigkeit sowie die Nichtanerkennung der Umzugskosten war im Rahmen der Beweiswürdigung vorzunehmen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Beilagen:
1 Berechnungsblatt
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100757.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at