Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.12.2023, RV/3100008/2023

Keine Rückzahlung eines Steuerguthabens auf einem Abgabenkonto an den Sozialhilfeträger nach § 239 BAO mangels Aktivlegitimation

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch die ***V***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Innsbruck, vom , betreffend Zurückweisung eines Rückzahlungsantrages, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Eingabe vom (beim Finanzamt eingelangt am ) beantragte das ***Bf1*** unter Berufung auf die Legalzession gemäß § 324 Abs. 3 ASVG die Überweisung von 80% des Steuerguthabens auf dem Steuerkonto der Verlassenschaft nach ***Verst.*** in Höhe von € 2.017,60 auf ein näher bezeichnetes Bankkonto und bezog sich dabei auf den Beschluss des Bezirksgerichtes vom , Zl. ***3***.

Das Finanzamt wertete das Anbringen als Antrag nach § 239 BAO und wies den Antrag mit dem an das ***1*** adressierten Bescheid vom (zugestellt am ) wegen fehlender Antragslegitimation als unzulässig zurück.

Dagegen erhob das ***Bf1***, vertreten durch ***1*** mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde.

Begründend wurde vorgebracht, dass für ***Verst.*** die ungedeckten Kosten für die Unterbringung im Seniorenheim in der Zeit vom bis vom ***Bf1*** aus Mitteln der Mindestsicherung getragen worden seien. Mit gesonderter Ausfertigung des Einantwortungsbeschlusses des Bezirkgerichtes vom sei festgehalten worden, dass der Betrag von € 2.017,60 gemäß § 324 Abs. 3 ASVG im Wege der Legalzession auf das ***1*** übergegangen und sohin nicht nachlassgegenständlich sei. Die vom zuständigen Finanzamt festgestellte Steuergutschrift sei gemäß § 18 Abs. 6 Tiroler Heim- und Pflegeleistungsgesetz (THPG) dem Einkommensbegriff zuzuordnen. Da nach der am in Kraft getretenen Verfassungsbestimmung hinsichtlich des Verbotes des Pflegeregresses (§ 330a ASVG) unberührt zu bleiben habe, seien 80 % des festgestellten Einkommensteuerguthabens für die geleistete Mindestsicherung heranzuziehen.

Gemäß § 324 Abs. 3 ASVG gehe für die Zeit der Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe in einem Altenheim verpflegt werde. Dies gelte nach der Rechtsprechung des OGH auch für ein nachträglich hervorgekommenes, zeitlich kongruentes Einkommensteuerguthaben Demnach sei der Anspruch auf das Einkommensteuerguthaben bereits zu Lebzeiten im Rahmen der Legalzession nach § 324 Abs. 3 ASVG auf das ***Bf1*** als Träger der Mindestsicherung übergegangen. Die Anwendung des § 19 BAO sei als verfehlt zu erachten.

Der OGH habe in der ausführlich begründeten Entscheidung vom , 2 Ob 161/18t, ausgesprochen, dass ein Einkommensteuerguthaben grundsätzlich nicht als Vermögen iSd § 330a ASVG, sondern als Einkommen (dort iSd § 6 Abs 2 K-MSG) zu qualifizieren sei und der Anspruchsübergang nach der in § 324 Abs. 3 ASVG statuierten Legalzession zugunsten jenes Trägers, auf dessen Kosten der betreffende Pensions- oder Rentenberechtigte in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung "verpflegt" werde, unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erfolge. Er finde grundsätzlich für jeden Monat, in dem die Unterbringung bzw. Pflege erfolgt sei, statt, weil die Leistung pro Kalendermonat gebühre, und zeitlich kongruente Leistungen betreffe, also solche, die von einem Träger für einen Zeitraum erbracht wurden, für den der Leistungsbezieher einen Anspruch auf Renten- oder Pensionsleistungen gehabt habe. Dem Pensionsberechtigten stehe für diese Zeit nur mehr der nicht vom Forderungsübergang erfasste Teil seines Anspruchs zu.

Da im gegenständlichen Fall für den Verstorbenen die ungedeckten Heimkosten vom ***Bf1*** als Träger der Mindestsicherung getragen worden seien, sei der Anspruch auf 80% des Einkommensteuerguthabens nach der in § 324 Abs. 3 ASVG statuierten Legalzession ex lege auf das ***Bf1*** übergegangen.

Nach Rechtsprechung des OGH falle dieser im Wege der Legalzession an den Sozialhilfeträger übergegangene Teil des Steuerguthabens ebenso wie der entsprechende Anteil an den zugrundeliegenden Pensionsansprüchen selbst nicht in den Nachlass. Der Sozialhilfeträger habe vielmehr - in sinngemäßer Anwendung des § 44 IO - ein "Aussonderungsrecht". Da dieser Teil des Steuerguthabens von vornherein nicht in den Nachlass falle, könne er bei der Überlassung an Zahlungs statt nicht als Aktivum an die Gläubiger verteilt werden. Der OGH habe in seiner Entscheidung zu Zl. 2 Ob 128/19s ausgesprochen, dass Aussonderungsansprüche nicht vom Verlassenschaftsgericht zu befriedigen seien, sondern dass eine Einziehung der auf den Sozialhilfeträger übergangenen Steuerguthaben durch den Sozialhilfeträger selbst zu erfolgen habe. Die Aktivlegitimation des ***4*** habe in gegenständlicher Angelegenheit somit vorgelegen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugestellt am ) als unbegründet ab.

Dagegen wurde mit Eingabe vom (eingelangt am ) der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Im Beschwerdefall ist der an das ***1*** adressierte angefochtene Bescheid so zu deuten, dass dieser an das ***Bf1*** ergangen ist. Zweifelhafte Angaben beim Bescheidadressaten sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) durch Auslegung zu erschließen. Im Beschwerdefall wollte das Finanzamt zweifelslos die bescheidmäßige Erledigung des als Antrag auf Rückzahlung der Steuergutschrift gewerteten Anbringens vom an das ***Bf1*** als Träger der Sozialhilfe richten. Es ist daher bloß von einem Fehler in der Bezeichnung auszugehen, zumal das ***Bf1*** selber davon ausgegangen ist, Bescheidadressat zu sein und eine Beschwerde erhoben hat (vgl. hierzu auch ).

Der am verstorbene Erblasser wurde vom bis zum im Seniorenheim ***2*** verpflegt. Das ***Bf1*** hat nach seinem Vorbringen die nicht gedeckten Pflegekosten aus Mitteln der Mindestsicherung getragen.

Gemäß § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit diese nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen.

Gemäß § 239 Abs. 1 erster Satz BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Gemäß § 77 Abs. 1 BAO ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.

Ein nachträglich hervorgekommenes Steuerguthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung mag nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung des OGH Einkommen darstellen. Steuerrechtlich handelt es sich bei der Einkommensteuer um eine Geldleistung, die der Bund kraft öffentlichen Rechts erhebt. Der Einkommensteuer ist das Einkommen zu Grunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte (aus den im § 2 Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten) nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie der Freibeträge. Die Einkommensteuer setzt daher das Vorliegen von Einkünften voraus. Der Abgabenanspruch hat aber seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Es handelt sich um nichts anderes als um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen bzw. Pensionsanspruch, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (vgl. zB ). Der vergleichbaren Argumentation, wonach die Rückerstattung zu viel bezahlter Lohnsteuer im Ergebnis die Nettobezüge im betroffenen Zeitraum erhöhe und bei ursprünglicher Entrichtung der Lohnsteuer in der nachträglich festgesetzten Höhe ein höheres Nettoeinkommen bezogen worden wäre, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt.

Zur Stellung eines Antrages auf Rückzahlung ist nach § 239 BAO der Abgabepflichtige berechtigt, auf dessen Namen das Abgabenkonto lautet (vgl. ).

Im Beschwerdefall lautet das Abgabenkonto auf die Verlassenschaft nach ***Verst.***. Zur Antragstellung berechtigt sind daher grundsätzlich nur ein hierzu ermächtigter und bestellter Verlassenschaftskurator oder ein erbantrittserklärter Erbe. Das ***Bf1*** ist hingegen weder Gesamtrechtsnachfolger, noch Vertreter der Verlassenschaft und somit zur Stellung eines Rückzahlungsantrages nach § 239 BAO nicht aktivlegitimiert.

Die Berufung auf die in § 324 Abs. 3 ASVG normierte Legalzession vermag der Beschwerde auch nicht zum Erfolg zu verhelfen, da dadurch keine Antragslegitimation iSd § 239 BAO begründet wird.

Nur mit dem Hinweis im Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vom , wonach der verbleibende Teil des Steuerguthabens in Höhe von € 2.017,60 gemäß § 324 Abs. 3 ASVG im Wege der Legalzession auf das ***1*** übergegangen und somit nicht nachlassgegenständlich sei, liegt kein entsprechender Ausspruch des Bezirksgerichtes zu Gunsten des ***4*** als Sozialhilfeträger vor. Mit dem genannten Beschluss wurde lediglich der Tochter des Verstorbenen ein Betrag von € 504,40 zur unbeschränkten Verfügung überlassen.

Folglich war die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der Aktivlegitimation betreffend die Rückzahlung von Guthaben auf Abgabenkonten ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor. Die (ordentliche) Revision war deshalb als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 77 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100008.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at