Familienbeihilfe nur bei ernsthaft und zielstrebig betriebener Berufsausbildung und nur maximal fünf Jahre rückwirkend ab Antragstellung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Steyrergasse 103 Tür 2, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, SVNR ***1***, zu Recht erkannt, betreffend
1. Zurückweisung des Antrages vom auf Zuerkennung Familienbeihilfe für 9/2014-9/2016
2. Zurückweisung des Antrages vom auf Zuerkennung Familienbeihilfe für 10/2016-7/2017
3. Abweisung des Antrages vom auf Zuerkennung Familienbeihilfe für 8/2017-8/2019
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang / Vorlagebericht:
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist bosnische Staatsbürgerin, geb. am ***2*** und befindet sich laut eigenen Angaben seit 09/2014 in Österreich.
Laut ZMR war sie erstmalig am in Österreich gemeldet. Ihre Eltern leben in Bosnien, von ihnen bekommt sie nach ihren Angaben keine finanzielle Unterstützung. Ihren Unterhalt finanziert sie durch geringfügige Beschäftigungen selbst.
Folgende Aufenthaltstitel wurden (lt. Abfrage im Fremdenregister) erteilt:
NAG-Schüler gültig ab bis (jährliche Verlängerung), Aufenthaltsberechtigung - Plus gem. § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG von bis ;
Am wurde ein FBH-Antrag gestellt, dieser wurde am für den Zeitraum 10/2016 - 07/2017 mit der Begründung, dass die Ausbildung an der Abendschule keine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt, rechtswirksam abgewiesen.
Dagegen wurde lt. Angaben der Bf wegen fehlender Deutschkenntnisse keine Beschwerde eingebracht.
Am wurde ein neuerlicher FBH-Antrag ab 09/2014 eingebracht.
Als Beilage wurde das Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau B1 vom , das Semesterzeugnis vom mit 12 Wochenstunden, vom mit 6 Pflichtgegenständen, alle mit "Nicht Genügend" beurteilt, vom mit 11 Wochenstunden und 5 nicht beurteilten Pflichtgegenständen, vom mit 4 Wochenstunden und 7 nicht beurteilten Pflichtgegenständen, vom mit 13 Wochenstunden und 3 Pflichtgegenständen mit "Nicht Genügend" beurteilt, vom mit 3 Wochenstunden und 3 Pflichtgegenständen mit "Nicht Genügend" beurteilt, vom mit 7 Wochenstunden und 2 Pflichtgegenständen mit "Nicht Genügend" beurteilt sowie eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2019/20 für den Zeitraum von bis beigefügt, voraussichtliches Ende der Schulausbildung ist mit 2022 angegeben.
Folgende Bescheide wurden am erlassen:
1. Zurückweisung für den Zeitraum 09/2014 bis 09/2016 wegen Verjährung ( 5-Jahresfrist)
2. Zurückweisung für den Zeitraum 10/2016 bis 07/2017 wegen entschiedener Sache auf Grund des rechtskräftigen Abweisungsbescheid vom ,
3. Abweisung für den Zeitraum 08/2017 bis 08/2019 (24. Lj. im 08/2019) mangels Zielstrebig- und Ernsthaftigkeit der Berufsausbildung und keine Inanspruchnahme der überwiegenden Zeit für die Ausbildung.
Am wurde vom Vertreter innerhalb offener Frist eine Beschwerde gegen "sämtliche zurückweisenden und abweisenden Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit" eingebracht, mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin von 2016 bis 2021 Anspruch auf Familienbeihilfe habe, da sie 2016 einen Deutschkurs gemacht habe und von 2017 bis 2021 die Schule besucht habe und aufgrund des ausreichenden Erfolges der Aufenthaltstitel Schüler laut NAG immer wieder verlängert worden sei. Was sonst rechtlich nicht möglich gewesen wäre, was Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit indiziere und die Vorfrage positiv zu ihren Gunsten beantwortet sei, weshalb für diese fünf Jahre die Familienbeihilfe zu gewähren sei.
Der Beschwerde lagen keine weiteren Unterlagen bei.
Die Beschwerde wurde am - Versand der Beschwerdevorentscheidung am - als unbegründet wie folgt abgewiesen:
"Am haben Sie einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab September 2014 mit dem Grund "Ausbildungskosten" gestellt.
Der Antrag wurde für den Zeitraum von September 2014 bis September 2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass gemäß § 10 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 Familienbeihilfe höchstens fünf Jahre rückwirkend ab Beginn des Monats der Antragstellung ausgezahlt wird.
Der Antrag wurde für den Zeitraum von Oktober 2016 bis Juli 2017 ebenfalls zurückgewiesen, da für diesen Zeitraum bereits ein rechtskräftiger Abweisungsbescheid vom vorliegt.
Der Antrag wurde für den Zeitraum von August 2017 bis August 2019 abgewiesen, da keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes vorlag.
Die Beschwerdeführerin vollendete im August 2019 ihr 24. Lebensjahr.
Gegen sämtliche zurückweisenden und abweisenden Bescheide wurde am vom Vertreter eine Beschwerde eingebracht, und zwar "wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, da ihr (der Beschwerdeführerin) seit 2016 bis Sommer 2021 Familienbeihilfe zusteht, da sie 2016 vorbereitend für die Schule nicht selbsterhaltungsfähig einen Deutschkurs machte, dann 2017 bis 2021 die Schule besuchte, und ihr aufgrund des ausreichenden Erfolgs bis zuletzt der Schüler Aufenthaltstitel laut NAG verlängert wurde, was sonst nicht möglich gewesen wäre, rechtlich, was Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit indiziert und die Vorfrage positiv zu ihren Gunsten beantwortet ist, weshalb für diese 5 Jahre die Familienbeihilfe zu gewähren ist und ich den Antrag auf Beschwerdestattgebung und Zuerkennung der Familienbeihilfe wiederhole".
Die Verlängerung eines NAG-Titels auf Grund eines Besuches der Abendschule ist kein hinreichender Hinweis darauf, dass eine Berufsausbildung in Sinne des FLAG vorliegt. Die Berufsausbildung ist daher nach den Kriterien des FLAG zu prüfen. Ein Sprachkurs erfüllt diese Kriterien nicht.
Die Abendschule kann eine Berufsausbildung darstellen, wenn es ernsthaft und zielstrebig betrieben wird und die volle Zeit in Anspruch nimmt.
Es wurden vorgelegt:
Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau Bl vom ;
Schulbesuchsbestätigung vom ***Schule*** aktuelles Schuljahr bis - voraussichtliches Ende 2022;
Semesterzeugnis vom - Kolleg für Berufstätige für Bautechnik
12 Wochenstunden beurteilt, 4 Wochenstunden nicht beurteilt;
Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik
18 Wochenstunden mit Nicht genügend beurteilt, 2 Wochenstunden nicht beurteilt;
Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik
14 Wochenstunden beurteilt, 11 Wochenstunden nicht beurteilt;
Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik
6 Wochenstunden beurteilt, 16 Wochenstunden nicht beurteilt;
Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik
22 Wochenstunden beurteilt;
Semesterzeugnis vom - 6-semestriges Kolleg für Berufstätige für Bautechnik
13 Wochenstunden beurteilt;
Semesterzeugnis vom - 6-semestriges Kolleg für Berufstätige für Bautechnik
14 Wochenstunden beurteilt;
Gegenstände mit negativer Beurteilung zählen zur Wochenstundenanzahl, nicht beurteilte Gegenstände sind mangels Anwesenheit und fehlender Zielstrebigkeit nicht mitzuzählen.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in der ab gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.
Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. Dazu ist es auch erforderlich, die vorgesehenen Lehrveranstaltungen regelmäßig zu besuchen und zu den erforderlichen Prüfungen anzutreten. Jede Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Nach der Meinung im Kommentar zum FLAG 1967 (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage, § 2 Rz 39 ff) liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS oder BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt. Auch das Bundesfinanzgericht nimmt in ständiger Rechtsprechung bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen.
Auf Grund der vorliegenden Zeugnisse und im Hinblick darauf, dass ein Deutschkurs die Kriterien einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 nicht erfüllt, ist in freier Beweiswürdigung jedenfalls davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im beantragten Zeitraum ihre Ausbildung am Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik, ab WS 2019/20 6-semestriges Kolleg für Berufstätige für Bautechnik, nicht ernsthaft im Sinne der o.a. Rechtsprechung betrieben hat.
Dem Begehren, alle abweisenden und zurückweisenden Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, wie in der Beschwerde gefordert, kann nicht entsprochen werden.
Ein Bescheid ist aufzuheben, wenn an Hand des Sachverhalts bzw. der Beweise festgestellt wird, dass der Spruch des Bescheides rechtswidrig war und doch (teilweise) ein Familienbeihilfenanspruch bestand. Der Einwand, dass ursprünglich wegen fehlender Deutschkenntnisse keine Beschwerde erhoben worden sei, ist kein ausreichender Grund für eine Aufhebung.
Da im gegenständlichen Fall keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 vorliegt, sind dieergangenen Zurückweisungsbescheide und der Abweisungsbescheid nicht rechtswidrig."
Am wurde ein Vorlageantrag ohne weiteres Vorbringen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit eingebracht.
Mit Vorlagebericht vom wurde das Rechtsmittel dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist bosnische Staatsbürgerin.
Laut ZMR war sie erstmalig am in Österreich gemeldet. Ihre Eltern leben in Bosnien, von ihnen bekommt sie laut ihren Angaben keine finanzielle Unterstützung. Ihren Unterhalt finanziert sie nach ihrem Vorbringen durch geringfügige Beschäftigungen.
Folgende Aufenthaltstitel wurden (lt. Abfrage im Fremdenregister) erteilt: NAG-Schüler gültig ab bis (jährliche Verlängerung), Aufenthaltsberechtigung - Plus gem. § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG von bis ;
Am wurde ein erster Eigenantrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gestellt, dieser wurde am für den Zeitraum 10/2016 - 07/2017 mit der Begründung, dass die Ausbildung an der Abendschule in der betriebenen eingeschränkten Form keine Berufsausbildung iSd FLAG darstelle, mit Bescheid rechtswirksam und rechtskräftigabgewiesen.
Das vorgelegte Zeugnis vom umfasste lediglich Gesamtbeurteilungen über 12 Wochenstunden, ein Ausmaß, das für die Annahme einer ernsthaft betriebenen Berufsausbildung nicht genügte.
Am folgte ein zweiter Eigenantrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab 9/2014.
Die Schulbesuchsbestätigung vom , ***Schule***, aktuelles Schuljahr bis - voraussichtliches Ende 2022, wurde vorgelegt;
a) Semesterzeugnis vom - Kolleg für Berufstätige für Bautechnik, 12 Wochenstunden beurteilt, 4 Wochenstunden nicht beurteilt;
b) Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik,
18 Wochenstunden mit Nicht genügend beurteilt, 2 Wochenstunden nicht beurteilt;
c) Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik,
14 Wochenstunden beurteilt, 11 Wochenstunden nicht beurteilt;
d) Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik,
6 Wochenstunden beurteilt, 16 Wochenstunden nicht beurteilt;
e) Semesterzeugnis vom - Kolleg/Aufbaulehrgang für Berufstätige für Bautechnik,
22 Wochenstunden beurteilt, 9 davon mit Nicht genügend;
f) Semesterzeugnis vom - 6-semestriges Kolleg für Berufstätige für Bautechnik,
13 Wochenstunden beurteilt, 10 davon mit Nicht genügend;
g) Semesterzeugnis vom - 6-semestriges Kolleg für Berufstätige für Bautechnik,
14 Wochenstunden beurteilt, 7 davon mit Nicht genügend.
Der Antrag vom wurde für den Zeitraum 9/2014 bis 9/2016 gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 zurückgewiesen (höchstens fünf Jahre rückwirkende Gewährung ab Antragstellung).
Für den Zeitraum 10/2016 bis 7/2017 wurde zurückgewiesen, da für diesen Zeitraum bereits ein rechtskräftiger Bescheid vorlag.
Für den Zeitraum 8/2017 bis 8/2019 (Erreichen des 24. Lebensjahres der Bf.) erfolgte eine Abweisung mangels an zielstrebiger und ernsthafter Berufsausbildung.
Sämtliche Bescheide wurden beeinsprucht.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
A.Für den Zeitraum 9/2014 bis 9/2016 besteht schon deshalb kein Familienbeihilfenanspruch, weil gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung (dieser ist 10/2021) gewährt wird.
Zudem wäre die Absolvierung eines bloßen Sprachkurses ohnehin noch keine Berufsausbildung.
Das erste Zeugnis vom zur Abendschule umfasst das Schuljahr 2016/2017 mit lediglich 12 beurteilten Stunden (siehe im Folgenden auch zu den erforderlichen Kriterien für eine Berufsausbildung).
B.Für den Zeitraum 10/2016 bis 7/2017 liegt ein rechtskräftiger und rechtswirksamer Abweisungsbescheid vor, der nach Würdigung der Sachlage vom Nichtvorliegen einer Berufsausbildung ausging.
Es ist ständige Rechtsprechung des VwGH, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. zu § 68 AVG; ).
Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt wird. Abgesehen von der Identität des Begehrens und der Partei (Parteien) muss Identität des anspruchserzeugenden Sachverhaltes gegeben sein, damit das Verfahrenshindernis der res iudicata vorliegt (, unter Hinweis auf Stoll, Bundesabgabenordnung, 944, Rz 1514 und 1515). Dies ist im beschwerdegegenständlichen Zeitraum der Fall.
Auf die Begründung des gegenständlichen und zu Recht ergangenen Zurückweisungsbescheides wird zusätzlich verwiesen.
C.Zum Zeitraum 8/2017 bis 8/2019 (Erreichen des 24. Lebensjahres der Bf):
Ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht für volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967).
Zunächst ist diejenige Person anspruchsberechtigt, zu deren Haushalt ihr Kind (§ 2 Abs. 3 FLAG 1967) gehört (§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967). Teilt keine Person die Wohnung mit ihrem Kind (das Kind führt einen eigenen Haushalt oder teilt die Wohnung mit einer Person, zu der keine Kindeseigenschaft nach § 2 Abs 3 FLAG 1967 besteht), ist die Person anspruchsberechtigt, die die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (§ 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG 1967; ). Trägt das Kind seine Unterhaltskosten überwiegend selbst, so besteht grundsätzlich ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe (§ 6 Abs 5 FLAG 1967).
Nach § 6 Abs. 2 lit a FLAG 1967 haben volljährige Kinder, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs 1 lit. b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 sind anzuwenden.
Strittig ist, ob die Bf. im gegenständlichen Zeitraum in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 stand.
Das FLAG enthält keine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung". Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. ; ; ; ; ua).
Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des im § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 Studienförderungsgesetz (welcher inländische Universitäten oder vergleichbare Einrichtungen umfasst) nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen (vgl. , , , ).
In quantitativer Hinsicht muss die Ausbildung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen, um überhaupt von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 ausgehen zu können, wobei nach Rechtsprechung und Literatur in zeitlicher Hinsicht eine solche nur vorliegt, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden auf Kurse und Vorbereitungen auf eine Prüfung entfällt (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2, Rz 36, 39f mwN zur Rechtsprechung).
Der VwGH geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum (im jeweiligen Monat) zu beantworten ist, dies ist auch auf die Berufsausbildung anzuwenden ().
Die oben angeführten Voraussetzungen einer Berufsausbildung iSd FLAG können vorliegen, wenn ein Kind erforderliche Prüfungen ablegen will und sich hierauf tatsächlich und zielstrebig vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (, zur Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung).
Grundsätzlich trifft die Beweislast die Behörde, doch wird in Verfahren, die die Gewährung von Begünstigungen zum Gegenstand haben und nur auf Antrag der interessierten Partei durchgeführt werden, und in deren Verlauf auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen ist, eine Beweislast des Antragstellers anzunehmen sein (vgl. VwGH zu § 39 Abs. 2 AVG vom , 96/19/0256; , 94/12/0298; zu § 236 BAO vom , 2004/15/0150). Die Beweislast für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe begründen, hat die Antragstellerin / Bf (vgl. ; ; ).
Für den beschwerdegegenständlichen Fall bedeuten diese Ausführungen:
Nach den Feststellungen zum Sachverhalt hat die Bf eine Abendschule besucht.
Grundsätzlich kann auch eine Abendschule Berufsausbildung sein, wenn diese die volle Zeit der Bf in Anspruch nimmt und ernsthaft, zielstrebig und mit nach außen erkennbarem Bemühen um einen Ausbildungserfolg betrieben wird.
Für den Zeitraum 8/2017 bis 8/2019 sind die Zeugnisse b) c) d) e) (siehe Sachverhaltsfeststellungen oben) relevant.
Aus diesen lässt sich in freier Beweiswürdigung nicht ableiten, dass die Ausbildung die volle Zeit der Bf von mindestens 30 Wochenstunden in Anspruch nahm bzw. mit dem erforderlichen ernstlichen und zielstrebigen Bemühen um einen entsprechenden Ausbildungserfolg betrieben wurde, wenn der Großteil der Fächer entweder gar nicht bzw. mit "Nicht genügend" beurteilt wurde. Bei dieser Sachlage ist nicht davon auszugehen, dass der Schulbesuch und die Vorbereitungszeiten die volle Zeit der Bf umfassten.
Nicht beurteilte Stunden indizieren fehlende Anwesenheiten bzw. mangelnde Prüfungsantritte; eine große Anzahl von "Nicht genügend" lässt auf mangelnde gewissenhafte Prüfungsvorbereitungen schließen.
Auch ein Sprachkurs für die Integrationsprüfung erfüllt die Kriterien der Berufsausbildung nicht.
Die Verlängerung des NAG-Titels ist kein Nachweis für das Vorliegen einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967. In beiden Verfahren bestehen unterschiedliche Voraussetzungen für die Zuerkennung.
Dies wurde auch in der Beschwerdevorentscheidung (BVE) zum Ausdruck gebracht (vgl. zum Vorhaltscharakter einer BVE beispielsweise mwN).
Dem Vorlagebericht kommt wie etwa einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zu (vgl. ; ; ; ). Hält die Beschwerdeführerin, der der Vorlagebericht zuzustellen ist (§ 265 Abs. 4 BAO), diesen für unzutreffend, wird sie sich zeitgerecht dazu zu äußern haben. Eine derartige Äußerung ist nicht erfolgt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen einer Berufsausbildung; ob wirklich eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung betrieben wurde, die die volle Zeit des Kindes in Anspruch nahm, ist eine Sachverhaltsfrage, die eine ordentliche Revision ausschließt.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 10 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100907.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at