Kontaktrecht nach einer einvernehmlichen Ehescheidung als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Ri 1***, den Richter ***Ri 2***, sowie die fachkundigen Laienrichter ***LRi 1*** und ***LRi 2*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Mag. Julia Hackenberger, Elisabethstraße 5, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 zu Steuernummer ***Bf-StNr*** in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am brachte der Beschwerdeführer seine Einkommensteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2020 elektronisch ein. Darin beantragte er ua die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Kontaktrechtes mit seinen Kindern als außergewöhnliche Belastung für insgesamt 25.696 KM und in einer Höhe von € 10.792,32. Das Finanzamt erließ am einen Einkommensteuerbescheid für das Beschwerdejahr 2020, wobei diese Fahrtkosten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wurden. Der Einkommensteuerbescheid 2020 wurde ohne Zustellnachweis versendet und entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers am zugestellt. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 wurde am fristgerecht Beschwerde erhoben. Das Finanzamt erließ am eine die Beschwerde als unbegründet abweisende Beschwerdevorentscheidung und begründete diese Entscheidung in einer gesonderten Begründung vom . Am wurde ein Fristverlängerungsantrag zur Einbringung eines Vorlageantrages bis zum gestellt. Diesem Fristverlängerungsantrag wurde seitens des Finanzamtes konkludent zugestimmt und der Beschwerdeführer brachte in weiterer Folge durch seine steuerliche Vertreterin am fristgerecht einen Vorlageantrag ein, mit welchem er die Entscheidung des BFG über die Beschwerde vom beantragte und einen Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat gem § 272 Abs 2 Z 1 BAO einbrachte. Ein Antrag auf eine mündliche Verhandlung gem § 274 Abs 1 BAO wurde nicht eingebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war mit Frau ***NN*** verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die beiden minderjährigen Kinder ***Kind 1***, geboren am ***Datum 1***, und ***Kind 2***, geboren am ***Datum 2***. Die Ehe des Beschwerdeführers wurde im Jahr 2015 einvernehmlich geschieden und am schlossen die beiden Ehepartner einen Vergleich vor dem BG Graz-Ost, mit welchem ua die Obsorge und die Kontaktausübung geregelt wurden. Die Obsorge über die beiden Kinder ist entsprechend diesem Vergleich bei beiden Kindeseltern verblieben. Hinsichtlich des Kontaktrechtes hat sich der Beschwerdeführer mit der Kindesmutter darauf geeinigt, dass der Beschwerdeführer die Kinder an jedem zweiten Wochenende (also 14-tägig) am Freitag um 14 Uhr vom Wohnort der Kindesmutter abholt und am darauffolgenden Sonntag um 18 Uhr zum Wohnort der Kindesmutter zurückbringt (vgl BFG-Akt OZ 10, Scheidungsvergleich vom ).
Die Kindesmutter hat im Zuge der einvernehmlichen Scheidung ihren Wohnsitz und den Wohnsitz ihrer beiden Kinder nach Salzburg verlegt.
Im Beschwerdejahr machte der Beschwerdeführer in seiner Einkommensteuererklärung Fahrtkosten für die Fahrten Graz - Salzburg - Graz zur Abholung der Kinder am Wochenende und für die Fahrten Graz - Salzburg - Graz für die Rückführung der Kinder nach Salzburg geltend. Entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers verbrachten die Kinder die jeweiligen Wochenenden an ihrem ehemaligen Wohnort in Graz, zumal lt Beschwerdeführer diese in seiner Wohnung noch eigene Zimmer haben sollen. Eine Fahrtstrecke zwischen dem Wohnort des Beschwerdeführers in Graz und dem Wohnort der Kinder in Salzburg beträgt 292 KM. Pro Wochenende legte der Beschwerdeführer somit eine Fahrtstrecke von insgesamt 1.168 KM zurück. Der Beschwerdeführer gab an, im Beschwerdejahr insgesamt 22 mal seine Kinder in Salzburg abgeholt und zurückgeführt zu haben und legte eine diesbezügliche Aufzeichnung über die einzelnen Fahrten vor. Insgesamt soll der Beschwerdeführer somit eine Fahrtstrecke von 25.696 KM zur Aufrechterhaltung des Kontaktrechtes mit seinen Kindern zurückgelegt haben. Diese Gesamtkilometerleistung multiplizierte der Beschwerdeführer mit dem amtlichen Kilometergeld von € 0,42 und errechnete so Fahrtkosten in der Höhe von € 10.792,32.
Der Beschwerdeführer beantragte diese Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 unter Anrechnung eines Selbstbehaltes gem § 34 Abs 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.
Das Finanzamt begründete im hier angefochtenen Erstbescheid die Nichtberücksichtigung der Fahrtkosten zu den Kindern als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 damit, dass diese Besuchsfahrten weder aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen wären und daher keine außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 darstellen würden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte darin aus, dass die Außergewöhnlichkeit nicht darin bestünde, dass es unüblich sei seine Kinder abzuholen, sondern in diesem Fall in den außergewöhnlich hohen Aufwendungen. Üblich sei das Abholen und Zurückbringen der Kinder im näheren Umkreis. Die hohen Fahrtkosten seien deutlich mehr als durchschnittlich. Es sei objektiv durch die Sittenordnung geboten, dass sich ein Vater um die Gewährung ausreichender und umfangmäßig üblicher Kontaktrechte zu seinen Kindern bemühe und diese auch wahrnehme. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auch auf das Judikat des . Der Beschwerdeführer führte weiter aus:
"Laut älterer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt dieser zwar aus der Wortgruppe ´nicht entziehen kann`, dass Aufwendungen in Folge einer einvernehmlichen Ehescheidung dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig erwachsen, sondern auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (). Dies mag auf eine Trennung/Scheidung jeglicher Art zutreffen, kann aber wohl nicht ausschlaggebend dafür sein, ob es eine sittliche Verpflichtung ist das Kontaktrecht der Kinder wahrzunehmen. Es steht wohl außer Frage, dass es die sittliche Verpflichtung eines Vaters ist den persönlichen Kontakt zu seinen Kindern aufrecht zu halten.
Eine sittliche Verpflichtung seine Kinder zu sehen und das Kontaktrecht auszuüben, kann wohl nur auf die Elternschaft und nicht auf die Art der Trennung der Eltern zurückzuführen sein - das Wohl der Kinder und der damit zusammenhängenden Verpflichtungen steht im Vordergrund."
Das Finanzamt fasste in der ergänzenden Begründung zur Beschwerdevorentscheidung den bisherigen Verfahrensstand und die Argumentation des Beschwerdeführers zusammen und führte in seiner rechtlichen Beurteilung weiter aus:
"[…]
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Schon aus der Wortfolge des Gesetzes ´nicht entziehen kann` ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG 1988 keine Berücksichtigung finden können. Die Zwangsläufigkeit ist jedenfalls nicht gegeben, wenn die Aufwendungen auf Tatsachen zurückzuführen sind, die Folge eines freiwilligen Verhaltens des Steuerpflichtigen sind. Unter Hinweis darauf hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen, dass Aufwendungen, die in Folge einer einvernehmlichen Ehescheidung nach § 55a EheG anfallen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988 sein können, da sie in jedem Fall auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Ehepartner aus freien Stücken entschlossen hat. Die Ausübung des Kontaktrechts (früher: Besuchsrecht) durch den Beschwerdeführer ist daher die Folge der von ihm freiwillig herbeigeführten Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz (zB ).
Der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung des , lag mangels Ehe keine einvernehmliche Scheidung zugrunde, weshalb diese Entscheidung im gegenständlichen Verfahren nicht einschlägig ist.
Zur Ansicht des Beschwerdeführers, dass die vorliegende sittliche Verpflichtung nicht auf die Art der Trennung der Eltern zurückzuführen sei, sondern nur auf die Elternschaft, wird auf eine Entscheidung des BFG im Hinblick auf einen nicht obsorgeberechtigten Elternteil verwiesen ():
´Häufig wird im Zuge einer Ehescheidung für den nicht obsorgeberechtigten Elternteil ein Besuchsrecht vereinbart, so ist dies üblicherweise mit einem erhöhten Aufwand (zB. zusätzliche Fahrtkosten) verbunden, der bewusst für das Kindeswohl in Kauf genommen wird, dessen tatsächliche Höhe sich jedoch letztlich niemals exakt abschätzen lässt. Die Ansicht des Beschwerdeführers, dass die Freiwilligkeit der Trennung für den hier strittigen Aufwand unmaßgeblich sei, hätte nur dann Berechtigung, wenn nach dem Urteil vernünftig denkender Menschen ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Ursache (hier: Trennung) und Folge nicht mehr gegeben ist. Wenn Ehegatten beschließen, sich zu trennen und nicht mehr im gemeinsamen Haushalt zu leben, so ist auf Grund der nunmehr getrennten Lebensplanung der früheren Partner jede Art der Wohnsitzverlegung denkbar und logische Folge. Damit sind Aufwendungen für die Besuche bei seinen Kindern in Stadt nach Ansicht der Richterin Folgen der Trennung`
Für das Vorliegen sittlicher Gründe wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab angelegt (zB ). Danach liegen solche Gründe nur dann vor, wenn die vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen einem nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung geboten erscheinen. Es reicht nicht aus, dass das Handeln menschlich verständlich, wünschens- oder lobenswert ist, es kommt darauf an, dass sich der Steuerpflichtige der Leistung ohne öffentliche Missbilligung nicht entziehen kann. Es besteht auch grundsätzlich keine sittliche Verpflichtung zur Übernahme unverhältnismäßiger Belastungen. Unter diesen Gesichtspunkten muss auch eine sittliche Verpflichtung zu den 14-tägigen Fahrten Graz-Salzburg-Graz-Salzburg-Graz verneint werden. Daran, dass diese Fahrten bzw der mit den Fahrten zusammenhängenden Kontakt für das Kindeswohl förderlich gewesen ist, zweifelt die Abgabenbehörde nicht, doch ist die Zwangsläufigkeit iSd § 34 EStG aus einer rein (steuer)rechtlichen Sicht zu beurteilen.
[…]"
Der Beschwerdeführer brachte durch seine steuerliche Vertretung im Vorlageantrag ergänzend noch Folgendes vor:
"[…]
In der Beschwerdevorentscheidung wird hinsichtlich der Argumentation, dass die Wahrnehmung des Kontaktrechtes zu den Kindern auf die Elternschaft und nicht die einvernehmliche Scheidung (oder sonstige Art der Trennung der Eltern) zurückzuführen sei, die Entscheidung des , zitiert, welche aber als nicht einschlägig anzusehen ist, da im dortigen Sachverhalt eine Trennung der Eltern und keine einvernehmliche Scheidung vorlag.
Gleichzeitig wird in diesem Erkenntnis auf das VwGH Judikat vom , 2001/14/0218 verwiesen, in welchem der Rechtsanspruch von Kindern auf persönlichen Verkehr mit Eltern aufgrund mangelnder Durchsetzbarkeit als rechtlich nicht zwangsläufig beurteilt wird.
Zur rechtlichen Zwangsläufigkeit möchten wir aber ergänzend ausführen, dass der Gesetzgeber mit dem KindNamRÄG 2013 einen Paradigmenwechsel vollzogen hat und somit die rechtliche Verpflichtung von Eltern besteht das Kontaktrecht auszuüben. Die zitierten Erkenntnisse sind dieser Gesetzesänderung vorgelagert ergangen und berücksichtigen das aktuell geltende Gesetz somit nicht.
§ 186 ABGB lautet: ´Jeder Elternteil eines minderjährigen Kindes hat mit dem Kind eine persönliche Beziehung einschließlich der persönlichen Kontakte (§ 187) zu pflegen.` und normiert hiermit ein Recht zwischen Eltern und Kindern - ganz unabhängig davon, ob Eltern getrennt, geschieden oder in einem gemeinsamen Haushalt leben.
Des Weiteren sei angeführt, dass nach dem KindNamRÄG 2013 die Scheidungsfolgenvereinbarung bei einvernehmlicher Scheidung zwingend eine Regelung über die Ausübung der persönlichen Kontakte zu enthalten hat (§ 55a Abs 2 EheG). Den scheidungswilligen Eltern ist es somit nicht mehr gestattet, sich die Regelung der Kontakte auf einen späteren Zeitpunkt nach der Scheidung vorzubehalten (§ 55a Abs 2 letzter S EheG idF KindRÄG 2001) - sie sind gesetzlich verpflichtet die Kontaktrechte der Kinder zu regeln.
§ 55a Abs. 2 EheG lautet: ´(2) Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über die Betreuung ihrer Kinder oder die Obsorge, die Ausübung des Rechtes auf persönliche Kontakte und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung vor Gericht schließen.`.
Sohin ist die Art der Trennung hinsichtlich der rechtlichen Zwangsläufigkeit Kontaktrechte zu pflegen unerheblich, da es zwar möglich ist sich freiwillig zur Vermeidung einer langwierigeren oder belastenden strittigen Scheidung auf eine einvernehmliche Scheidung zu einigen, aber eben nicht sich der Verpflichtung Kontaktrechte zu regeln entziehen kann. Kontaktrechte sind rechtlich zwangsläufig bei einer strittigen als auch einvernehmlichen Scheidung zu vereinbaren.
Im vorliegenden Sachverhalt wurde der Vater zum Abholen und Bringen der Kinder durch den aufrechten Kontaktrechtsbeschluss verpflichtet und nicht die Mutter.
§110 Abs 2 AußStrG bekräftigt ebenfalls das Kontaktrechts als elterliche Pflicht und bewirkt, dass persönliche Kontakte sogar gegen den Willen des kontaktberechtigten Elternteils durchsetzbar sind.
Dass nach neuer Rechtslage dem Kontaktberechtigten nicht bloß ein Recht auf persönliche Kontakte zukommt, mit welchem allerdings keinerlei Pflichten einhergehen, sondern ganz im Gegenteil gerade ausdrücklich eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausübung des Kontaktrechts gesetzlich festgelegt ist, macht einen großen Unterschied.
Kinderrechte sind des Weiteren in Österreich seit dem Jahr 2011 sogar mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern in der Verfassung verankert und räumen in Artikel 2 dem Kind das Recht auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen ein. Eine rechtliche Zwangsläufigkeit.
Zusätzlich stellt sich selbst bei Verneinung einer rechtlichen Zwangsläufigkeit - die unserer Rechtsauffassung ganz offensichtlich besteht - ganz drängend die Frage, wie der Gesetzgeber eine sittliche Zwangsläufigkeit verneinen könnte, wenn dies bedeutet sich geltendem Recht zu widersetzen. Einen solch strengen Maßstab an die sittliche Zwangsläufigkeit iSd § 34 EStG zu legen, dass es als sittlich nicht zwangsläufig zu erachten ist sich an die Gesetze - sogar unsere Verfassung - zu halten und davon auszugehen, dass die Einhaltung dieser Gesetze nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung nicht geboten erscheint, kann unseres Rechtsverständnisses nach wohl nicht die Intention des Gesetzgebers sein.
Wenn außergewöhnliche Belastungen im steuerlichen Sinne nur anerkannt werden, wenn Eltern außergewöhnliche Belastungen für ihre Kinder erzeugen (strittige Scheidung), so ist diese rechtliche Auslegung wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers, der eindeutig den Fokus auf einvernehmliche Lösungen legt, um langwierige rechtliche Streitigkeiten im Sinne des Kindeswohls zu vermeiden.
Weiters stellen wir den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat gem. § 272 Abs 2 Z 1 BAO."
2. Beweiswürdigung
Aus dem einvernehmlichen Scheidungsvergleich vom (vgl BFG-Akt OZ 10) erschließt sich, dass der Beschwerdeführer mit der Kindsmutter hinsichtlich der ehelichen Kinder eine gemeinsame Obsorge vereinbart hat. Hinsichtlich des Kontaktrechtes wurde unter "3. Kontaktausübung" im gegenständlichen Scheidungsvergleich vereinbart, dass der Beschwerdeführer "an jedem zweiten Wochenende (also 14-tägig) von Freitag 14.00 Uhr abgeholt vom Wohnort der Kindesmutter bis zu darauffolgenden Sonntag 18.00 Uhr zurückgebracht zum Wohnort der Kindesmutter, ein Wochenendkontaktrecht haben" soll.
Die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Kilometer bzw die Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Graz und Salzburg im Rahmen seines Kontaktrechtes sind der Höhe nach nicht in Zweifel gezogen worden. Es ist somit festzustellen, dass der Beschwerdeführer seine Kinder im Beschwerdejahr 2020 insgesamt 22-mal in Salzburg abgeholt und wieder zur Kindsmutter zurückgeführt hat. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich unstrittigerweise 25.696 KM im Beschwerdejahr zurückgelegt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die Fahrtkosten des Beschwerdeführers zur Wahrnehmung seines Kontaktrechtes mit seinen Kindern als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG 1988 steuerlich Berücksichtigung finden können.
§ 34 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2019 lautet auszugsweise wie folgt:
"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7 300 Euro …………………………………………………………….…….6%.
mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro ………………………….……………………………8%.
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro …………………………...........................................10%.
mehr als 36 400 Euro ……………………………………………..………………………...12%.
Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt
- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt
- für jedes Kind (§ 106).
(5) […]"
Nach § 34 EStG 1988 kann somit jeder unbeschränkt Steuerpflichtige beantragen, dass bei Ermittlung des Einkommens nach Abzug von Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Die Belastung muss außergewöhnlich und zwangsläufig erwachsen sein, sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus.
Zur Zwangsläufigkeit hat der VwGH in seiner Judikatur (vgl ) wie folgt ausgeführt:
"Schon aus der Wortfolge `wenn er (der Steuerpflichtige) sich ihr . . . nicht entziehen kann´ ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 leg. cit. ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, § 34 EStG 1988, Rz 33 ff, hier 35; Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Rz 1 zu § 34 Abs. 3 EStG 1988 und die dort zitierte hg. Judikatur). Nach der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0088, mit weiteren Nachweisen) vertretenen Auffassung können Aufwendungen, die sich als Folge einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz darstellen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG sein, weil sie in jedem Fall auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Eheteil aus freien Stücken entschlossen haben muss.
[…]
Die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Beschwerdeführer ist daher die Folge der von ihm freiwillig herbeigeführten Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz. Die damit verbundenen Kosten können daher schon aus diesem Grund von vornherein nicht als zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 angesehen werden."
Die Gründe, aus denen sich der Steuerpflichtige zum Abschluss eines Vergleiches veranlasst sieht, ändern nichts an der Freiwilligkeit der eingegangenen Verpflichtung. (vgl dazu beispielsweise ; )
Es entspricht der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass Aufwendungen, die sich als Folge einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz darstellen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 sein können, weil sie auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Eheteil aus freien Stücken entschlossen haben muss. (vgl dazu ; )
Zu der Argumentation des Beschwerdeführers, dass der Gesetzgeber mit dem KindNamRÄG 2013 einen Paradigmenwechsel vollzogen habe und nunmehr eine rechtliche Verpflichtung von Eltern bestehe, dass Kontaktrecht auszuüben, ist Folgendes auszuführen:
Mit dem KindNamRÄG 2013 wurde eine "Kontaktpflicht" eingeführt. Der Gesetzgeber griff mit dem KindNamRÄG 2013 die Bedenken gegen die bisherige Rechtslage auf und beseitigte das "Vetorecht" des Elternteils in § 108 AußStrG. Gleichzeitig normierte er in § 110 Abs 2 AußStrG explizit die Durchsetzbarkeit einer gerichtlichen oder bei Gericht vereinbarten Kontaktregelung gegen einen Elternteil. Seit Inkrafttreten der §§ 108 und 110 AußStrG idF KindNamRÄG 2013 mit dem ist daher die Vollstreckung des vereinbarten persönlichen Kontaktrechtes auch gegen den Willen des Elternteils zulässig. Wenn nach sorgfältiger Prüfung aller konkreten Umstände des Einzelfalles bei Gegenüberstellung des Bedürfnisses eines Minderjährigen, beide Eltern kennenzulernen, und dem Interesse eines Elternteils, sein Kind nicht sehen zu wollen, persönliche Kontakte zwischen ihnen dem Kindeswohl dienen, sollen diese daher auch gegen den Willen des Elternteils bewirkt und erforderlichenfalls mit Zwangsmittel durchgesetzt werden. Hinsichtlich der zwangsweisen Durchsetzung von Regelungen der Obsorge oder des Rechts auf persönliche Kontakte verweist § 110 Abs 2 AußStrG auf angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG.
Unabhängig davon, ob nun ein Kontaktrecht auch gegen den Willen des Elternteils, welcher mit dem Kind nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden kann, ist dennoch festzustellen, dass Scheidungsvergleiche die im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung geschlossen werden, in der freien Disposition der beiden ehemaligen Ehepartner liegen. Werden somit im Rahmen eines Scheidungsvergleiches, auch die Kontaktrechte der beiden Kinder mit ihren Eltern verbindlich geregelt, so liegt diese Regelung in der freien Willensbildung der beiden Elternteile. Dass ein Elternteil in der weiteren Folge zur Einhaltung des von ihm in freier Willensbildung geschlossenen Kontaktrechtes mit Zwangsmaßnahmen gezwungen werden kann, ändert an dieser Sichtweise nichts.
Auch ein Verweis auf § 55a Abs 2 EheG, nach welchem die Ehe nur geschieden werden darf, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über die Betreuung ihrer Kinder oder die Obsorge, die Ausübung des Rechtes auf persönliche Kontakte und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung vor Gericht schließen, vermag daran nichts zu ändern. § 55a Abs 2 EheG verlangt nur, dass es im Rahmen einer einvernehmlichen Ehescheidung eine Regelung über die Ausübung des Rechtes auf persönliche Kontakte gibt. Diese gesetzliche Bestimmung setzt der freien Willensbildung der beiden Parteien hinsichtlich der Regelung des Kontaktrechtes jedoch keine Grenzen.
Das Kontaktrecht zwischen den Kindern und ihren Eltern geht somit auf ein Verhalten zurück, zu dem sich sowohl der eine, als auch der andere Elternteil aus freien Stücken entschlossen hat. Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht darzulegen, warum von der bisherigen ständigen Judikatur des VwGH, dass nämlich Aufwendungen, die sich als Folge einer einvernehmlichen Ehescheidung darstellen, keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 sind, weil sie auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Elternteil aus freien Stücken entschlossen hat, abgegangen werden soll. Vielmehr ist die ständige Judikatur des VwGH zu dieser Rechtsfrage auch nach dem KindNamRÄG 2013 weiterhin auf derartige Sachverhalte anzuwenden.
Ergänzend ist noch auszuführen, dass das Erkenntnis des , welches mit (noch offener) Amtsrevision unter der Zahl Ro 2021/13/0018 angefochten wurde, für das gegenständliche Verfahren als nicht einschlägig zu beurteilen war. Diesem Erkenntnis des BFG, auf welches durch den Beschwerdeführer in seiner Beschwerde verwiesen wurde, liegt keine einvernehmliche Scheidung zu Grunde. Das BFG führt in diesem Erkenntnis aus, dass keine einvernehmliche Scheidung vorlag, sodass die Erkenntnisse des und , welche infolge der Freiwilligkeit einer einvernehmlichen Scheidung die Zwangsläufigkeit verneinen, im dortigen Verfahren nicht einschlägig waren. Mangels Einschlägigkeit dieses Erkenntnisses war hier nicht weiter auf diese Entscheidung einzugehen.
Auf Grund des Umstandes, dass die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers im Vorlageantrag einen Antrag auf Entscheidung durch den Senat gem § 272 Abs 2 Z 1 BAO, aber keinen Antrag auf eine mündliche Verhandlung nach § 274 Abs 1 Z 1 BAO gestellt hat, war über diese Beschwerde im Senat ohne die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die Frage der steuerlichen Nichtabzugsfähigkeit von Fahrtkosten in Zusammenhang mit dem Kontaktrecht zu den Kindern nach einer einvernehmlich geschiedenen Ehe durch die ständige Judikatur des VwGH gelöst ist und sich an der Anwendbarkeit dieser einschlägigen Judikatur auch durch das KindNamRÄG 2013 nichts geändert hat, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 55a EheG, Ehegesetz, dRGBl. I S 807/1938 § 108 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 110 Abs. 2 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 79 Abs. 2 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100584.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at