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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.12.2023, RV/7103387/2023

Kein Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103387/2023-RS1
Das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes betreffend Körperschaftsteuer gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist stets aus Sicht der juristischen Person als Partei des Abgabeverfahrens - also der Antragstellerin - zu beurteilen. Das Handeln der Organe der juristischen Person - deren Vertreter:innen - ist ihr zuzurechnen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina Deutsch LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LMG Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Sochorgasse 3, 2512 Tribuswinkel, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO / KSt 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt der Beschwerdeführerin Körperschaftsteuer für das Jahr 2017 iHv. EUR 327.954,- fest. In der Begründung führte das Finanzamt Folgendes aus: "Da Sie trotz Ergänzungsersuchen vom keine Erklärungen für das Kalenderjahr 2017 abgegeben haben wurden die Besteuerungsgrundlagen gern. § 184 BA0 im Schätzungswege ermittelt. Als Grundlage dafür dienten die Ergebnisse der veranlagten Jahre 2013 - 2016 samt Mieteinnahmen zum Objekt ***1*** und dem Liegenschaftsverkauf mit der ***2*** (Kaufvertrag vom )."

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin, steuerlich vertreten die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2017 und führte aus wie folgt: "Das Jahr 2017 wurde mangels Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen gem. § 184 BAO im Schätzungswege erlassen! Laut Bescheidbegründung diente als Schätzungsgrundlage die Ergebnisse der Jahre 2013-2016 sowie die Mieteinnahmen zum Objekt ***1*** und dem Liegenschaftsverkauf mit der ***2*** (Kaufvertrag vom )! Unser Klient hat uns nun ersucht, die Wiederaufnahme der Veranlagung 2017 zu beantragen. Begründet wird dies damit, dass die Schätzungsbescheide nicht den wahren Tatsachen entsprechen. Leider ist es nicht möglich, eine vollständige Buchhaltung des Jahres 2017 zu erstellen. Die entsprechenden Unterlagen werden nach wie vor von der damaligen steuerlichen Vertretung zurückbehalten. Ein Versuch, diese zu organisieren, war bis dato leider nicht erfolgreich. Letztmalig wurde dies bei einem Gerichtstermin am urgiert. Wir hoffen, diese Unterlagen in naher Zukunft zu bekommen und würden diese dann selbstverständlich unverzüglich der Behörde übermitteln. Unser Klient hat jedoch sämtliche Bankauszüge des Kalenderjahres 2017 organisieren können, die wir der Behörde im Anhang übermitteln. Wie daraus ersichtlich ist, sind keine nennenswerten Eingänge erfolgt. Laut Geschäftsleitung gab es folgende Bankverbindungen:
BAWAG
Auszüge anbei
***3***
Auszüge anbei
***4***
Erste Bank
Auszüge anbei
***5***
Bank Austria

Auszüge anbei
***6***
Auszüge anbei
***7***
Aus den Bankauszügen ist ersichtlich, dass im Jahr 2017 keine wesentliche Geschäftstätigkeit entfaltet wurde. Die, im Schätzungsbescheid angeführten Einnahmen 2017, welche als Schätzungsgrundlage gedient haben, stellten sich wie folgt dar: Mieteinnahmen
***1***: Laut Klient Leerstand 2017 - keine Mieteinnahmen! Dieser Umstand wäre also bei der Schätzung zu berücksichtigen gewesen. Verkauf ***10***: Aus dem Verkauf der Liegenschaft verblieben der Firma ***8*** letztendlich € 647.197,46! Da die Buchhaltung 2017 rechtswidrig zurückbehalten wird, kann aktuell jedoch nicht genau nachvollzogen werden, wohin der Restbetrag geflossen ist. Laut dem aktuellen Geschäftsführer betrug der Veräußerungsgewinn aber keinesfalls € 1.311.817,87 wie von der Behörde angenommen. Eine Schätzung birgt selbstverständlich immer das Risiko einer Ungenauigkeit, hat aber den Anspruch, den tatsächlichen Geschehnissen möglichst nahe zu kommen. Das ist im gegenständlichen Sachverhalt nicht der Fall. Im Sinne der Abgabengerechtigkeit und im Hinblick auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit, möchten wir Sie ersuchen, die Veranlagungen des oben erwähnten Veranlagungsjahres 2017 entsprechend anzupassen."

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2017 als unbegründet ab. Sie begründete wie folgt: "Die Antragstellerin hat für das Kalenderjahr 2017 keine Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuererklärung eingebracht, obwohl sie mit Schreiben vom , , und zur Abgabe der entsprechenden Abgabenerklärungen ersucht wurde.In weiterer Folge wurden vom Finanzamt Wien ***9*** die Besteuerungsgrundlagen für die Körperschafts- und Umsatzsteuer 2017 im Schätzungswege gern § 184 BAO ermittelt und am entsprechende Bescheide erlassen. Beim gegenständlichen Körperschaftsteuerbescheid 2017 vom wurden die Einkünfte aus Gewerbetrieb mit€ 1.311.817,87 festgesetzt:

Erlöse ohne § 109a 9040106.361,70
Erlöse Anlagevermögen 9060
1.800.000,00
AfA Anlagevermögen 9210
7.213,00
BW abgegangener Anlagen 9130
530.278,00
übrige Aufw./Betriebsausg. 9230
57.052,83

Die Begründung lautet folgendermaßen: "Da Sie trotz Ergänzungsersuchen vom keine Erklärungen für das Kalenderjahr 2017 abgegeben haben wurden die Besteuerungsgrundlagen gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt. Als Grundlage dafür dienten die Ergebnisse der veranlagten Jahre 2013 - 2016 samt Mieteinnahmen zum Objekt ***1*** und dem Liegenschaftsverkauf mit der ***2*** (Kaufvertrag vom )." Mit Schreiben vom wurde nunmehr ein Antrag auf Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahren 2017 gem. § 303 BAO gestellt. Begründet wurde dies damit, dass die Schätzungsbescheide nicht den wahren Tatsachen entsprechen. Leider sei es nicht möglich gewesen, eine vollständige Buchhaltung des Jahres 2017 zu erstellen. Die entsprechenden Unterlagen werden nach wie vor von der damaligen steuerlichen Vertretung zurückbehalten. Ein Versuch, diese zu organisieren, sei bis dato leider nicht erfolgreich gewesen. Letztmalig sei dies bei einem Gerichtstermin am urgiert worden. Die Antragstellerin hoffe, diese Unterlagen in naher Zukunft zu bekommen und sie würde diese dann selbstverständlich unverzüglich der Behörde übermitteln. Die Antragstellerin habe jedoch sämtliche Bankauszüge des Kalenderjahres 2017 organisieren können, die sie der Behörde im Anhang übermittle. Wie daraus ersichtlich sei, seien keine nennenswerten Eingänge erfolgt. Laut Geschäftsleitung habe es folgende Bankverbindungen gegeben:

BAWAG
Auszüge anbei
***3***
Auszüge anbei
***4***

Erste Bank
Auszüge anbei
***5***

Bank Austria
Auszüge anbei
***6***
Auszüge anbei
***7***

Aus den Bankauszügen sei ersichtlich, dass im Jahr 2017 keine wesentliche Geschäftstätigkeit entfaltet worden sei. Die im Schätzungsbescheid angeführten Einnahmen 2017, welche als Schätzungsgrundlage gedient haben, stellen sich wie folgt dar: Mieteinnahmen ***1***: Laut Antragstellerin Leerstand 2017 - keine Mieteinnahmen! Dieser Umstand wäre also bei der Schätzung zu berücksichtigen gewesen. Verkauf ***10***: Aus dem Verkauf der Liegenschaft seien der Firma ***8*** letztendlich € 647.197,46 verblieben. Da die Buchhaltung 2017 rechtswidrig zurückbehalten worden sei, kann aktuell jedoch nicht genau nachvollzogen werden, wohin der Restbetrag geflossen sei. Laut dem aktuellen Geschäftsführer habe der Veräußerungsgewinn aber keinesfalls € 1.311.817,87 wie von der Behörde angenommen, betragen. Eine Schätzung berge selbstverständlich immer das Risiko einer Ungenauigkeit, habe aber den Anspruch, den tatsächlichen Geschehnissen möglich nahe zu kommen. Das sei im gegenständlichen Sachverhalt nicht der Fall. Im Sinne der Abgabengerechtigkeit und im Hinblick auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit, ersuche die Antragstellerin, die Veranlagungen des oben erwähnten Veranlagungsjahres 2017 entsprechend anzupassen.

Rechtliche Beurteilung:

§ 303 BAO lautet: (1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten: a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird; b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird. (3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, wobei das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl Ro 2014/15/0035). Wiederaufnahmegründe sind nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente. Dies sind solche, die im neuen Sachbescheid zu berücksichtigen und somit seinen Spruch zu beeinflussen geeignet sind. Das setzt voraus, dass die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (Ritz/Koran, BAO7, § 303 Tz 43 f unter Hinweis auf 97/15/0078; 96/14/0176; und Sto/I, BAO, 2917). Das Sachverhaltselement, dass keine Mieteinnahmen im Jahr 2017 erzielt worden seien bzw. der Veräußerungsgewinn für den Verkauf der Liegenschaft "***10***" geringer ausgefallen sei, würde im Spruch anders lautende Bescheide herbeiführen. Insofern handelt es sich bei diesem Vorbringen um entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente. Wie vom Verwaltungsgerichtshof geklärt ( Ra 2014/15/0058), muss die als Wiederaufnahmegrund herangezogene Tatsache bei einer beantragten Wiederaufnahme für den Antragsteller neu hervorgekommen sein. Tatsachen, die diesem schon immer bekannt waren, reichen nicht aus (vgl dazu Zorn, RdW 2016, 857). Um eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, muss der taugliche Wiederaufnahmegrund somit für die Partei neu hervorgekommen sein. Damit das hier der Fall wäre, müsste also die Kenntnis der Tatsache, dass die Bemessungsgrundlagen im Jahr 2017 geringer als die geschätzten Bemessungsgrundlagen waren, für die Antragstellerin neu hervorgekommen sein. Das ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Vielmehr geht das Finanzamt davon aus, dass die Antragstellerin die Tatsache, welche Umsätze bzw. Erlöse sie im Jahr 2017 erzielt hat, mit dem Ablauf der Veranlagungsperiode bekannt waren. Es liegt somit keine neue (in der Bedeutung einer neu hervorgekommenen) Tatsache im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO und der hierzu ergangenen Judikatur vor. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag der Antragsteller (vgl 90/14/0262). Die Antragstellerin nannte hier als Wiederaufnahmegrund ausschließlich die Tatsache, dass aufgrund eines Leerstandes keine Mieteinnahmen erzielt worden seien und dass (laut dem aktuellen Geschäftsführer) der Veräußerungsgewinn keinesfalls € 1.311.817,87 betragen habe. Wie bereits oben ausgeführt, war diese Tatsache für die Antragstellerin nicht neu, sondern ihr bereits bei Erlassung des Erstbescheides () bekannt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag sind somit nicht erfüllt. Umstände, die einer Partei im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt sind, jedoch etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei. Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, die Versäumnisse der Antragstellerin im Abgabenverfahren zu sanieren (siehe dazu RV/6100229/2020). Nur wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme erfüllt sind, erfolgt die Entscheidung darüber, ob die Wiederaufnahme verfügt wird, im Rahmen des Ermessens. Nur im Zuge der Ermessensübung sind die Grundsätze der Rechtsrichtigkeit und allenfalls der Grundsatz nach Treu und Glauben zu anzuwenden. Mangels Erfüllung eines Wiederaufnahmetatbestandes war der Antrag daher abzuweisen."

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin nach zwei Fristverlängerungsansuchen, denen vom Finanzamt stattgegeben wurde, rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

Sie führte Folgendes aus: "1. Sachverhaltsdarstellung: Mit Schreiben vom wurde die Wiederaufnahme der Veranlagung 2017 beantragt. Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass im gegenständlichen Fall keine neuen Tatsachen hervorgekommen wären. 2. Begehrte Änderungen: o Es wird beantragt entsprechend den folgenden Begründungen die bekämpften Bescheide aufzuheben bzw. die Wiederaufnahme zu bewilligen. 3. Begründung: Der Behauptung, dass im gegenständlichen Fall keine neuen Tatsachen hervorgekommen sind, kann nicht gefolgt werden. Wie bereits im Wiederaufnahmeschreiben dargelegt, behielt der frühere GF, Hr. ***11*** rechtswidrig sämtliche Geschäftsunterlagen zurück. Mit wurde Hr. ***12*** zum neuen Geschäftsführer bestellt. Dieser hatte jedoch keinerlei Kenntnis von dem Ergänzungsersuchen vom . Dieses und auch etwaige vorangegangene Schreiben wurden dem Geschäftsführer nie zugestellt. Ebensowenige hat. Hr. ***12*** bis dato Buchhaltungsunterlagen bzw. Auswertungen daraus erhalten. Alle, nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung erlangten Schriftstücke, Bescheide, Unterlagen, etc. sind aus Sicht des GF, Hr. ***12***, neu hervor gekommene Tatsachen. Speziell sei hier auf die Umsatzlisten der Bank Austria verwiesen, die dem Wiederaufnahmeantrag beigelegt wurden. Diese wurden erst kürzlich aufgrund eines anwaltlichen Aufforderungsschreibens dem Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt. Dies stellt jedenfalls, sowohl für die Abgabenbehörde, als auch für den Steuerpflichtigen selbst, einen Neuerungstatbestand dar und wäre entsprechend zu würdigen."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie führte weiters Folgendes aus: "(…) Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. vom betreffend Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 2017 gem. § 303 BAO als unbegründet abgewiesen. Nach Abbildung der gesetzlichen Bestimmung wurde von der Abgabenbehörde ausgeführt, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei. Um eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, müsse der taugliche Wiederaufnahmsgrund für die Partei neu hervorgekommen sein. Damit das hier der Fälle wäre, müsse also die Kenntnis der Tatsache, dass die Bemessungsgrundlagen im Jahr 2017 geringer als die geschätzten Bemessungsgrundlagen wären, für die Bf. neu hervorgekommen sein. Das sei im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Vielmehr gehe das Finanzamt davon aus, dass die Bf. die Tatsache, welche Umsätze bzw. welche Erlöse sie im Jahr 2017 erzielt habe, mit dem Ablauf der Veranlagungsperiode bekannt gewesen seien. Es liege somit keine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO und der hierzu ergangenen Judikatur vor. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklich angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimme bei der Wiederaufnahme auf Antrag der Antragsteller. Die Bf. habe hier als Wiederaufnahmsgrund ausschließlich die Tatsache genannt, dass aufgrund eines Leerstandes keine Mieteinnahmen erzielt worden seien und dass (laut dem aktuellen Geschäftsführer) der Veräußerungsgewinn keinesfalls € 1.311.817,87 betragen habe. Diese Tatsache sei für die Bf. nicht neu, sondern ihr bereits bei Erlassung des Erstbescheides () bekannt gewesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag seien somit nicht erfüllt. Auch habe das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, die Versäumnisse der Bf. im Abgabenverfahren zu sanieren. Der Abweisungsbescheid wurde laut RSb-Rückschein der Bf. am zugestellt. Am wurde via FinanzOnline ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis gestellt. Am wurde via FinanzOnline ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis gestellt. Mit Schreiben vom , eingelangt per Post am , wurde eine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid über den Antrag auf Wiederaufnahme vom fristgerecht gestellt. In der Begründung wurde festgehalten, dass der Behauptung, dass im gegenständlichen Fall keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, nicht gefolgt werden könne. Wie bereits im Wiederaufnahmeschreiben dargelegt worden ist, habe der frühere Geschäftsführer, Herr ***11***, sämtliche Geschäftsunterlagen rechtswidrig zurückbehalten. Mit sei Herr ***12*** zum neuen Geschäftsführer bestellt worden. Diese habe jedoch keinerlei Kenntnis von dem Ergänzungsersuchen vom gehabt. Dieses und auch etwaige vorangegangene Schreiben seien dem Geschäftsführer nie zugestellt worden. Ebensowenig habe Herr ***12*** bis dato Buchhaltungsunterlagen bzw. Auswertungen daraus erhalten. Alle, nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung erlangten Schriftstücke, Bescheide, Unterlagen, etc. seien aus Sicht des Geschäftsführers, Herr ***12***, neu hervorgekommene Tatsachen. Speziell sei hier auf die Umsatzlisten der Bank Austria zu verwiesen, die dem Wiederaufnahmeantrag beigelegt worden seien. Diese seien erst kürzlich aufgrund eines anwaltlichen Aufforderungsschreiben dem Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt worden. Dies stelle jedenfalls, sowohl für die Abgabenbehörde, als auch für den Steuerpflichtigen selbst, einen Neuerungstatbestand dar und wäre entsprechend zu würdigen.

Rechtslage:

§ 303 BAO lautet:(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. (2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten: a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird; b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird. (3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.Erwägungen:Ob eine Tatsache bzw. ein Beweismittel "neu hervorgekommen" ist, muss bei der Wiederaufnahme auf Antrag aus der Perspektive des Antragstellers (hier also: der Bf. - der ***Bf1***) beurteilt werden ( Ra 2014/15/0058; , Ro 2016/15/0036; , Ra 2016/15/0071; , Ra 2020/15/0105). Es kommen daher nur solche Umstände als Wiederaufnahmegrund in Betracht, die für die Bf. "neu" sind, ihr also im Zeitpunkt der ursprünglichen Bescheiderlassung nicht bekannt waren. Umstände, die ihr bekannt waren und im seinerzeitigen Verfahren nicht geltend gemacht wurden, sei es, dass sie der Behörde nicht bekannt gegeben wurden oder dass sie von der Behörde trotz Bekanntgabe nicht berücksichtigt wurden und ein Rechtsmittel dagegen unterlassen wurde, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund. Im gegenständlichen Fall wurden von der Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Abgabenerklärungen im Schätzungsweg ermittelt und (Jahre) später das Vorbringen erstattet, dass beim Mietobjekt in ***1*** aufgrund eines Leerstandes keine Mieteinnahmen erzielt worden seien und der Veräußerungsgewinn der Liegenschaft in ***10*** "keinesfalls € 1.311.817,87 wie von der Behörde angenommen" betragen habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts beruhen die Grundlagen im Falle von verspäteten Abgabenerklärungen auf Tatsachen oder Beweismitteln, die im Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen Bescheide bereits existierten und dem Antragsteller bekannt sein mussten. Das sind insbesondere die jeweiligen Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge bzw. das diesen zugrundeliegende Belegmaterial ( RV/6100229/2020, unter Verweis auf zB RV/7101489/2011; RV/7101214/2011, ua.). Am Ende eines Veranlagungsjahres sind im Allgemeinen sämtliche Tatsachen bekannt oder Beweismittel vorhanden, die für die steuerliche Veranlagung maßgeblich sind. Wenn ein Abgabepflichtiger sich nicht dazu im Stande fühlte, die Abgabenerklärungen fristgerecht oder gar nicht einzureichen, so ändert dies nichts daran, dass ihm mit Jahresende des jeweiligen Veranlagungsjahres sämtliche abgabenrechtlichen bedeutsamen Umstände und Beweismittel für die Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses bekannt waren (siehe dazu nochmals RV/7102409/2022, RV/6100229/2020, mit Judikaturverweis). Der Umstand, dass die Bf. (Anm. der ***Bf1*** und nicht dem GF Herrn ***12***) beim Mietobjekt in ***1*** im Jahr 2017 aufgrund eines Leerstandes offenbar keine Mieteinnahmen bezogen habe, war ihr im Zeitpunkt der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides 2017 () bekannt. Auch die genaue Höhe des Gewinns bezüglich der Veräußerung der Liegenschaft in ***10*** war der Bf. im Zeitpunkt der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides 2017 bekannt, wurde doch der Kaufvertrag von der Bf. mit der ***13*** GmbH bereits am abgeschlossen. Diese Umstände (keine Mieteinnahmen, Höhe des Veräußerungsgewinnes) hätten daher bereits im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2017 geltend gemacht werden können und sind daher nicht "neu hervorgekommen" im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO. Sie stellen daher keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund dar. Umstände, die einer Partei im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt sind, jedoch etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei. Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, die Versäumnisse der Bf. im Abgabenverfahren zu sanieren (siehe dazu nochmals RV/6100229/2020; RV/7102409/2022). Mangels Erfüllung eines Wiederaufnahmetatbestandes war die Beschwerde abzuweisen."

Mit Schreiben vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Sie begründete in ihrer Stellungnahme wie folgt: "Sachverhalt/Verfahrensablauf: Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Bf. genannt) hat für das Kalenderjahr 2017 keine Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuererklärung eingebracht, obwohl sie mit Schreiben vom , , und zur Abgabe der entsprechenden Abgabenerklärungen ersucht wurde. In weiterer Folge wurden vom Finanzamt Wien ***9*** die Besteuerungsgrundlagen für die Körperschafts- und Umsatzsteuer 2017 im Schätzungswege gem. § 184 BAO ermittelt und am entsprechende Bescheide erlassen. Beim gegenständlichen Körperschaftsteuerbescheid 2017 vom wurden die Einkünfte aus Gewerbetrieb mit € 1.311.817,87 festgesetzt:

Erlöse ohne § 109a 9040106.361,70
Erlöse Anlagevermögen
90601.800.000,00
AfA Anlagevermögen
91307.213,00
BW abgegangener Anlagen 9210
530.278,00
übrige Aufw./Betriebsausg.
923057.052,83

Die Begründung lautet folgendermaßen: "Da Sie trotz Ergänzungsersuchen vom keine Erklärungen für das Kalenderjahr 2017 abgegeben haben wurden die Besteuerungsgrundlagen gem. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt. Als Grundlage dafür dienten die Ergebnisse der veranlagten Jahre 2013 - 2016 samt Mieteinnahmen zum Objekt ***1*** und dem Liegenschaftsverkauf mit der ***2*** (Kaufvertrag vom )." Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahren 2017 gem. § 303 BAO gestellt. Begründet wurde dies damit, dass die Schätzungsbescheide nicht den wahren Tatsachen entsprechen. Leider sei es nicht möglich gewesen, eine vollständige Buchhaltung des Jahres 2017 zu erstellen. Die entsprechenden Unterlagen werden nach wie vor von der damaligen steuerlichen Vertretung zurückbehalten. Ein Versuch, diese zu organisieren, sei bis dato leider nicht erfolgreich gewesen. Letztmalig sei dies bei einem Gerichtstermin am urgiert worden. Die Bf. hoffe, diese Unterlagen in naher Zukunft zu bekommen und sie würde diese dann selbstverständlich unverzüglich der Behörde übermitteln. Die Bf. habe jedoch sämtliche Bankauszüge des Kalenderjahres 2017 organisieren können, die sie der Behörde im Anhang übermittle. Wie daraus ersichtlich sei, seien keine nennenswerten Eingänge erfolgt. Laut Geschäftsleitung habe es folgende Bankverbindungen gegeben:

BAWAG
***3*** Auszüge anbei
***4*** Auszüge anbei

Erste Bank
***5*** Auszüge anbei

Bank Austria
***6*** Auszüge anbei
***7*** Auszüge anbei

Aus den Bankauszügen sei ersichtlich, dass im Jahr 2017 keine wesentliche Geschäftstätigkeit entfaltet worden sei. Die im Schätzungsbescheid angeführten Einnahmen 2017, welche als Schätzungsgrundlage gedient haben, stellen sich wie folgt dar: Mieteinnahmen ***1***: Laut Bf. Leerstand 2017 - keine Mieteinnahmen! Dieser Umstand wäre also bei der Schätzung zu berücksichtigen gewesen. Verkauf ***10***: Aus dem Verkauf der Liegenschaft seien der Firma ***8*** letztendlich € 647.197,46 verblieben. Da die Buchhaltung 2017 rechtswidrig zurückbehalten worden sei, kann aktuell jedoch nicht genau nachvollzogen werden, wohin der Restbetrag geflossen sei. Laut dem aktuellen Geschäftsführer habe der Veräußerungsgewinn aber keinesfalls € 1.311.817,87 wie von der Behörde angenommen, betragen. Eine Schätzung berge selbstverständlich immer das Risiko einer Ungenauigkeit, habe aber den Anspruch, den tatsächlichen Geschehnissen möglich nahe zu kommen. Das sei im gegenständlichen Sachverhalt nicht der Fall. Im Sinne der Abgabengerechtigkeit und Im Hinblick auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit, ersuche die Bf., die Veranlagungen des oben erwähnten Veranlagungsjahres 2017 entsprechend anzupassen. Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. vom betreffend Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 2017 gem. § 303 BAO als unbegründet abgewiesen. Nach Abbildung der gesetzlichen Bestimmung wurde von der Abgabenbehörde ausgeführt, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei. Um eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, müsse der taugliche Wiederaufnahmsgrund für die Partei neu hervorgekommen sein. Damit das hier der Fälle wäre, müsse also die Kenntnis der Tatsache, dass die Bemessungsgrundlagen im Jahr 2017 geringer als die geschätzten Bemessungsgrundlagen wären, für die Bf. neu hervorgekommen sein. Das sei im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Vielmehr gehe das Finanzamt davon aus, dass die Bf. die Tatsache, welche Umsätze bzw. welche Erlöse sie im Jahr 2017 erzielt habe, mit dem Ablauf der Veranlagungsperiode bekannt gewesen seien. Es liege somit keine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO und der hierzu ergangenen Judikatur vor. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklich angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimme bei der Wiederaufnahme auf Antrag der Antragsteller. Die Bf. habe hier als Wiederaufnahmsgrund ausschließlich die Tatsache genannt, dass aufgrund eines Leerstandes keine Mieteinnahmen erzielt worden seien und dass (laut dem aktuellen Geschäftsführer) der Veräußerungsgewinn keinesfalls € 1.311.817,87 betragen habe. Diese Tatsache sei für die Bf. nicht neu, sondern ihr bereits bei Erlassung des Erstbescheides () bekannt gewesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag seien somit nicht erfüllt. Auch habe das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, die Versäumnisse der Bf. im Abgabenverfahren zu sanieren. Der Abweisungsbescheid wurde laut RSb-Rückschein der Bf. am zugestellt. Am wurde via FinanzOnline ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis gestellt. Am wurde via FinanzOnline ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis gestellt. Mit Schreiben vom , eingelangt per Post am , wurde eine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid über den Antrag auf Wiederaufnahme vom fristgerecht gestellt. In der Begründung wurde festgehalten, dass der Behauptung, dass im gegenständlichen Fall keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, nicht gefolgt werden könne. Wie bereits im Wiederaufnahmeschreiben dargelegt worden ist, habe der frühere Geschäftsführer, Herr ***11***, sämtliche Geschäftsunterlagen rechtswidrig zurückbehalten. Mit sei Herr ***12*** zum neuen Geschäftsführer bestellt worden. Diese habe jedoch keinerlei Kenntnis von dem Ergänzungsersuchen vom gehabt. Dieses und auch etwaige vorangegangene Schreiben seien dem Geschäftsführer nie zugestellt worden. Ebensowenig habe Herr ***12*** bis dato Buchhaltungsunterlagen bzw. Auswertungen daraus erhalten. Alle, nach dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung erlangten Schriftstücke, Bescheide, Unterlagen, etc. seien aus Sicht des Geschäftsführers, Herr ***12***, neu hervorgekommene Tatsachen. Speziell sei hier auf die Umsatzlisten der Bank Austria zu verwiesen, die dem Wiederaufnahmeantrag beigelegt worden seien. Diese seien erst kürzlich aufgrund eines anwaltlichen Aufforderungsschreiben dem Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt worden. Dies stelle jedenfalls, sowohl für die Abgabenbehörde, als auch für den Steuerpflichtigen selbst, einen Neuerungstatbestand dar und wäre entsprechend zu würdigen. Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend Antrag auf Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 2017 gem. § 303 BAO vom als unbegründet abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Umstand, dass die Bf. (Anm. der ***Bf1*** und nicht dem Geschäftsführer Herrn ***12***) beim Mietobjekt in ***1*** im Jahr 2017 aufgrund eines Leerstandes offenbar keine Mieteinnahmen bezogen habe, ihr im Zeitpunkt der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides 2017 am bekannt gewesen sei. Auch die genaue Höhe des Gewinns bezüglich der Veräußerung der Liegenschaft in ***10*** sei der Bf. im Zeitpunkt der Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides 2017 bekannt gewesen, wurde doch der Kaufvertrag von der Bf. mit der ***13*** GmbH bereits am abgeschlossen worden. Diese Umstände (keine Mieteinnahmen, Höhe des Veräußerungsgewinnes) hätten daher bereits im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2017 geltend gemacht werden können und sind daher nicht "neu hervorgekommen" im Sinne des § 303 Abs 1 lit. b BAO. Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt. Beweismittel: - Kaufvertrag vom - Köst-Bescheid 2017 vom Stellungnahme: Da von der Bf. im Rahmen des Vorlageantrages vom kein ergänzendes Vorbringen erstattet wurde, darf auf die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen werden. Seitens des Finanzamtes Österreich wird beantragt, die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid über den Antrag auf Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 2017 gem. § 303 BAO vom als unbegründet abzuweisen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine inländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin im Beschwerdezeitraum ***11*** hat sämtliche Geschäftsunterlagen der Beschwerdeführerin rechtswidrig zurückbehalten und unterlassen, Abgabenerklärungen trotz mehrmaliger Aufforderung durch das Finanzamt abzugeben. Der mit zum Geschäftsführer bestellte ***12*** hatte durch das Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers keine Kenntnis des Ergänzungsersuchens der belangten Behörde vom . Die Erstellung einer Buchhaltung der Beschwerdeführerin lässt sich aufgrund des sorgfaltswidrigen Verhaltens wegen Nichtvorlage von Geschäftsunterlagen des im Beschwerdezeitraum tätigen Geschäftsführers ***11*** nicht ermöglichen.

2. Beweiswürdigung

Die Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vom und im Vorlageantrag vom sind glaubhaft und dementsprechend als erwiesen anzusehen. Die Herausgabe der Unterlagen der Beschwerdeführerin durch den Geschäftsführer ***11*** wurde zivilgerichtlich mit Termin vom geltend gemacht. Durch das sorgfaltswidrige Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin ist ein Mehrbetrag iHv insgesamt EUR 192.745,- an Körperschaftsteuer im Bescheid Körperschaftsteuer für das Jahr 2017 zugeschätzt worden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 303 Abs. 1 lit. b BAO lautet: "Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind"

***9*** lautet: "Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten: a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird; b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird."

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sämtliche Unterlagen aus Sicht des aktuellen Geschäftsführers, ***12***, neu hervorgekommene Tatsachen seien, ist dem zu entgegnen, dass eine neu hervorgekommene Tatsache nicht rein aus Sicht der Geschäftsführung, sondern aus Sicht der Beschwerdeführerin selbst zu beurteilen ist.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Vertreter iSd § 80 Abs. 1 BAO zur Vertretung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - wie es im konkreten Fall bei der Beschwerdeführerin zutrifft - stellt gemäß §§ 18 ff GmbHG der/die Geschäftsführer/in dar.

Denn bei der Geschäftsführung handelt es sich handelsrechtlich um das Organ der Beschwerdeführerin und nicht um ein gesondertes Rechts- und somit Körperschaftsteuersubjekt. Insofern ist das - im konkreten Fall sorgfaltswidrige - Handeln des Organs und ehemaligen Geschäftsführers ***11*** der Beschwerdeführerin zuzurechnen, da diese durch ihr bestelltes und im Firmenbuch eingetragenes Organ handlungsfähig ist.

Zur Vertretung juristischer Personen Berufene haben auch abgabenrechtlich die Rechte und Pflichten des Vertretenen. Dazu gehört die Pflicht zur Abgabenentrichtung aus den verwalteten Mitteln und die zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie die zur pünktlichen Einreichung von Abgabenerklärungen ().

Ob eine Tatsache bzw. ein Beweismittel "neu hervorgekommen" ist, muss daher bei der Wiederaufnahme auf Antrag aus der Perspektive des Antragstellers - der Beschwerdeführerin - beurteilt werden (; , Ro 2016/15/0036; , Ra 2016/15/0071; , Ra 2020/15/0105).

Auch die Lehre ist der Rechtsmeinung, dass "der Wiederaufnahme (…) konzeptiv eine Antragsteller-Perspektive inne" -wohnt und "nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war" ein solcher Antrag zulässig ist. "Das ""Zurückhalten" von Informationen ermöglicht somit bspw keine spätere Wiederaufnahme.

Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Antrag dient nämlich nicht der Verlängerung von Abgabenverfahren und der Aushöhlung der Rechtskraft, sondern soll ausschließlich die Berücksichtigung von Tatsachen ermöglichen, deren Geltendmachung im Abgabenverfahren mangels Kenntnis nicht möglich war. Ob diese mangelnde Kenntnis verschuldet war, ist (…) nicht relevant." (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 303 (Stand , rdb.at)).

Es kommen daher nur solche Umstände als Wiederaufnahmegründe in Betracht, die für die Beschwerdeführerin neu sind, ihr daher im Zeitpunkt der ursprünglichen Bescheiderlassung nicht bekannt waren. Aus diesem Grund kann es sich - aus Sicht der Beschwerdeführerin - bei den der Beschwerde vom beigelegten Kontoauszügen aus dem Beschwerdezeitraum, die dem ehemaligen Geschäftsführer ***11*** bekannt waren, nicht um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweise gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO handeln.

Umstände, die der Beschwerdeführerin bekannt waren und Verfahren betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2017 nicht geltend gemacht wurden, wie im konkreten Fall, dass sie der belangten Behörde nicht bekannt gegeben wurden bzw. ein Rechtsmittel gegen den Bescheid vom unterlassen wurde, bilden demnach keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund.

Im Übrigen wird die Beschwerdeführerin auf den - bereits eingeschlagenen - Zivilrechtsweg verwiesen bzw. auf das dem Festsetzungsverfahren nachgelagerten Abgabensicherungsverfahren. Denn im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung trifft einen sorglosen Geschäftsführer gegebenenfalls die Haftung gem. § 9 BAO (Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft).

Die von der Beschwerdeführerin dargelegten Umstände, dass keine Mieteinnahmen im Jahr 2017 in ***1*** erzielt wurden und die Höhe des Veräußerungsgewinnes in ***10*** geringer gewesen wäre, hätte - wie von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom richtig vorgebracht - bereits im Rahmen der Veranlagung betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2017 geltend gemacht werden müssen. Da keine Abgabenerklärung durch die Beschwerdeführerin eingereicht wurde, hat die belangte Behörde eine Schätzung auf Grundlage der Erklärungen der Vorjahre - wie mehrmals angedroht - vorgenommen. Der Körperschaftsteuerbescheid vom ist dementsprechend unwidersprochen in Rechtskraft erwachsen.

Aus den oben genannten Gründen liegen die Voraussetzungen des § 303 Abs 1 lit. b BAO im konkreten Fall nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, aus welcher Sicht das Hervorkommen neuer Tatsachen gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO zu beurteilen ist, ist bereits höchstgerichtlich geklärt, zuletzt lt. .

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 18 ff GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103387.2023

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