Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 21.11.2023, RV/7101500/2019

Geldwerter Vorteil; unentgeltlich überlassene Arbeitskleidung; keine Uniform; bürgerliche Kleidung

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7101500/2019-RS1
Arbeitskleidung bürgerlichen Charakters, die Mitarbeitern unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, ist nicht mit einer Unternehmensuniform iSd § 26 Z 1 EStG 1988 gleichzusetzen. Sie stellt auch dann einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis iSd § 25 Abs. 1 Z 1 lit a EStG 1988 dar, wenn die Kleidung nicht privat getragen werden darf.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Hans Blasina, die Richterin Mag. Monika Ahorn sowie die fachkundigen Laienrichter Gerald Cuny-Kreuzer und Dipl. Ing. Thomas Hrdinka in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Intercura Treuhand- und Revisionsgesellschaft m.b.H., Bösendorferstraße 2, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Haftung Lohnsteuer, Festsetzung Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschläge jeweils 2015 bis 2017 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Asli Özdemir zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (in Folge: GPLA) wurde für die den Dienstnehmern unentgeltlich überlassene Arbeitskleidung ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis iSd § 25 Abs. 1 Z 1 lit a EStG 1988 festgestellt, und die Abgabenbehörde erließ in Folge entsprechende Bescheide über die Haftung für zu entrichtende Lohnsteuer und die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2017.

In der gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Kleidung ausschließlich zur Dienstverrichtung zur Verfügung gestellt werde und eine private Nutzung außerhalb des Geschäftes - selbst auf dem Weg Wohnung-Arbeitsstätte - laut Dienstvertrag strengstens verboten sei. Es sei verpflichtend, die Kleidung (außer für Zwecke der Reinigung) vor Ort im Spind aufzubewahren. Eine Privatnutzung sei somit ausgeschlossen, weshalb es zu keiner Hinzurechnung eines steuerpflichtigen Sachbezuges kommen dürfe.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der zur Verfügung gestellten Kleidung um keine typische Berufskleidung, sondern um schwarze Hosenanzüge ohne darauf eingewebtes oder eingesticktes Unternehmensemblem - und somit um bürgerliche Kleidung - handle.

Im Vorlageantrag wiederholte die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf.) die Argumente der Beschwerde und beantragte eine mündliche Verhandlung vor dem Senat.

In der mündlichen Verhandlung wurden einige Fragen zum Sachverhalt erörtert und die Bf. ergänzte ihr bisheriges Vorbringen damit, dass einerseits der deutsche Bundesfinanzhof judiziert habe, dass auch ohne Logo Dienstkleidung vorliege, wenn dies im überwiegend betrieblichen Interesse sei (BFH , VI R 60/02) und dass andererseits der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom () ausgesprochen habe, dass Vorteile, die der Dienstgeber im eigenbetrieblichen Interesse gewähre, nicht zur Entlohnung zählen.

Die Abgabenbehörde verwies auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu derselben Sachlage, wonach das Gericht zu § 49 Abs. 3 Z 5 ASVG einen lohnwerten Vorteil in der überlassenen Dienstkleidung gesehen habe (BVwG , L503 2220436-1 / 3E). Außerdem wies sie darauf hin, dass es laut VwGH nicht auf das überwiegende, sondern auf das ausschließliche Interesse des Dienstgebers ankomme.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Den Dienstnehmern der Bf., die in Österreich Standorte zum Vertrieb hochwertig anmutender Taschen betreibt, wird folgende Dienstkleidung zur Verfügung gestellt:
Je nach Anzahl der Beschäftigungstage erhalten Damen eine vorgegebene Anzahl von Hosen, Jacken, Blusen, Schuhen, Tüchern und Schmuck, und Männer erhalten je nach Tätigkeitsfeld und Beschäftigungsausmaß Hosen, Jacken, Hemden, Polos, Cardigans, Krawatten, Schuhe, Gürtel und Schmuck. Die Norm für Vollzeitbeschäftigung sind insbesondere zwei Hosen, zwei Jacken, zwei Paar Schuhe und fünf Hemden/Blusen.
Es gibt detaillierte Vorschriften, wie Kleidung und Accessoires zu tragen sind.
Die Dienstnehmer sind für die Pflege und Reinigung der Kleidung zuständig. Vom Dienstgeber wird dafür kein Kostenersatz geleistet.
Das Tragen der dienstlichen Kleidung ist verpflichtend - selbst an Dekorations- oder Liefertagen.
Erscheint ein Dienstnehmer ohne seine vorgeschriebene Kleidung (weil er sie bsplw nach der Reinigung zu Hause vergessen hat), kann der Vorgesetzte verlangen, dass die Kleidung vom Wohnort geholt wird, wobei die dafür benötigte Zeit als "unbezahlte Abwesenheit" abgezogen wird.
Alle Elemente der dienstlichen Kleidung sind Eigentum der Bf. und müssen sowohl beim Kollektionswechsel als auch beim endgültigen Verlassen des Unternehmens retourniert werden. Ein Kollektionswechsel findet halbjährlich statt, wobei die Bf. die "alte" Kleidung nach Paris in die Zentrale retourniert, ohne eine Vergütung dafür zu erhalten.

Der Firmenname oder das Firmenemblem ist (bis auf ein sehr kleines Logo an unscheinbarer Stelle) in die Kleidung nicht eingewebt oder eingestickt, sondern ist abnehmbar. Davon abgesehen ist lediglich auf dem Halstuch ein größeres fest verbundenes Logo ersichtlich.
Grundsätzlich ist die dienstgebereigene Kleidung nach Arbeitsende im Spind zu hinterlegen - außer sie wird zur Reinigung mitgenommen. Eine Privatnutzung der Kleidung (welcher Art auch immer, zB auch für den Arbeitsweg) ist untersagt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den übermittelten Aktenteilen (va BFG-Akt, OZ 12: Handout Dienstkleidung) sowie aus den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, bei denen nach § 47 Abs. 1 EStG 1988 die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird, gehören nach § 25 Abs. 1 Z 1 lit a EStG 1988 auch Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Zu diesen Bezügen und Vorteilen gehören auch geldwerte Vorteile iSd § 15 Abs. 1 EStG 1988, wozu auch Kleidung zählt (§ 15 Abs. 2 EStG 1988).

Es soll damit der Vorteil erfasst werden, der darin besteht, dass sich der Dienstnehmer jenen Aufwand erspart, der ihm erwachsen würde, müsste er für die Kosten einer vergleichbaren Leistung aus Eigenem aufkommen ().

Nicht zu diesen Einkünften gehört gemäß § 26 Z 1 EStG 1988 der Wert der unentgeltlich überlassenen Arbeitskleidung und der Reinigung der Arbeitskleidung, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt (zB Uniformen).

Wann eine typische Berufskleidung vorliegt ist, bis auf das Beispiel der Uniform, im Gesetz nicht näher bestimmt. Auch § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, wonach Berufskleidung zu den Ausgaben für Arbeitsmittel zählt, die als Werbungskosten abzugsfähig sind, verwendet den Begriff der Berufskleidung ohne ihn näher zu definieren.

Nach der Judikatur ist eine typische Berufskleidung eine solche, die sich nicht für die Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung eignet (). Es werden solche Kleidungsstücke dazu zu rechnen sein, die berufstypisch die Funktion entweder einer Schutzkleidung oder einer Art Uniform erfüllen (). Uniformcharakter ist gegeben, wenn dieser allgemein erkennbar ist und eine private Nutzung praktisch ausschließt (vgl. ).

Unter Uniform ist beispielsweise die Bekleidung der Bundespolizei oder des Bundesheeres, jene von Fluggesellschaften, Musikkapellen oder auch eine typische Bergmannsuniform () zu verstehen (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 26, Rz 16).

Bei der hier den Mitarbeitern überlassenen Kleidung (schwarze Hose, Jacke, weiße Bluse etc) handelt es sich weder um Schutzkleidung noch um Uniformen, sondern um sogenannte bürgerliche Kleidung. Dass sich diese Kleidungsstücke nicht für die Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung EIGNEN, ist nicht festzustellen. Daran ändert aber auch die Tatsache nichts, dass eine private Nutzung der Kleidung "strengstens" untersagt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass es sich bei so genannter bürgerlicher Kleidung (Zivilanzüge, Straßenkleidung), die als Arbeitskleidung getragen wird, selbst dann nicht um typische Berufskleidung handelt, wenn solche Kleidungsstücke ausschließlich bei der Berufsausübung getragen werden oder diese zwingend getragen werden müssen ( mwV; ).

Der Bf. kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie in der Beschwerde ausführt, dass die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung jedenfalls Uniformcharakter habe, weil die Kleidung von der Zielgruppe des Unternehmens aufgrund der weltweiten Einheitlichkeit der Marke und somit dem Unternehmen zugeordnet werden könne. Zwar kommt es durch die weltweit einheitliche Ausstattung zu einem Wiedererkennungswert; ohne tiefere Kenntnis der aktuellen Kollektion und des Saisonmottos erscheint für den Außenstehenden aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dass die Kleidung bürgerlichen Charakters eine Unternehmensuniform darstellen solle.

Wie bereits ausgeführt, handelt es sich nur dann um eine Uniform, wenn diese allgemein - und nicht nur möglicherweise für eine bestimmte Zielgruppe - erkennbar und eine private Nutzung dadurch praktisch ausgeschlossen ist. Auch wenn die Mitarbeiter durch das einheitliche Kleidungsbild im Geschäft als Mitarbeiter zu erkennen sind, ändert dies nichts daran, dass schlichte (schwarz-weiße) Kleidung für eine private Nutzung nicht grundsätzlich ausgeschlossen bzw ungeeignet ist. Der Firmenname wird auch nur mit einem abnehmbaren dezenten Schild angezeigt und ist nicht in die Kleidung eingewebt oder eingestickt.

Auch bei einem als Arbeitskleidung einem Orchestermitglied überlassenen schwarzen Anzug, handelt es sich nicht um typische Berufskleidung, selbst wenn dieser nicht in das Eigentum des Orchestermitgliedes übergeht und nach Ausscheiden aus dem Orchesterverband oder bei Erhalt eines neuen Dienstanzuges zurückgegeben werden muss ().

Zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (), auf das die Bf. in der mündlichen Verhandlung verwiesen hat, ist folgendes auszuführen:
Dieses Erkenntnis - in dem die Frage behandelt wird, ob eine regelmäßige Zahlung, die der Dienstgeber seiner Dienstnehmerin für einen Büroraum leistet, Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung sind oder diese zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählen, ist für den hier vorliegenden Fall daher nicht einschlägig.
Die Bf. bezieht sich darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausspricht, dass Vorteile, die der Dienstgeber im eigenbetrieblichen Interesse gewährt, nicht als Entlohnung zählen und dies daher auf den vorliegenden Fall anzuwenden sei. Dem kann nicht gefolgt werden, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann kein geldwerter Vorteil im Sinne des § 15 EStG 1988 vorliegt, wenn die Inanspruchnahme im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers liegt ().

Der Abgabenbehörde ist zu folgen, wenn sie in der Verhandlung entgegnet, der Vorteil der überlassenen Kleidung liege für die Mitarbeiter darin, dass sie nicht selbst hochwertige, elegant wirkende Kleidung für die Arbeit anschaffen müssen. Somit kann aber nicht von einem ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers an der Zurverfügungstellung der Kleidung gesprochen werden.

In der mündlichen Verhandlung bringt die Bf. erstmals vor, dass die Bemessungsgrundlage für einen etwaigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu hoch angesetzt worden sei, weil die Anschaffungskosten einer Leihgebühr für sechs Monate gleichkämen, Dienstkleidung für gewöhnlich aber zwei Jahre Nutzungsdauer habe. Seitens der Abgabenbehörde wird der Ansatz der Anschaffungskosten für angemessen befunden, weil durch die zentrale Anschaffung im Rahmen der konzerninternen Herstellung die Margen des Handels wegfallen.

Dazu ist folgendes auszuführen:
Aufgrund der fix vorgegebenen Stückanzahl an Kleidungsstücken (bei Vollbeschäftigung handelt es sich pro Kollektion um 2 Hosen, 2 Jacken, 5 Blusen/Hemden und 2 Paar Schuhe zuzüglich Accessoires) und einem halbjährlichen Austausch aufgrund des Kollektionswechsels ist der hinzugerechnete Betrag von durchschnittlich etwa 1.000,- Euro pro Mitarbeiter und Jahr nach Ansicht des Gerichtes nicht zu hoch gegriffen. Dies würde nämlich bedeuten, dass man als Vergleichswert für eine alle zwei Jahre anzuschaffende elegante Kleidung bestehend aus zwei Anzügen, fünf Hemden und Schuhen sowie Accessoires 2.000 Euro zur Verfügung hätte. Damit wurde der lohnwerte Vorteil jedenfalls nicht zu hoch angesetzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis ist das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des VwGH zur Frage typischer Berufskleidung abgewichen, sondern folgt der in den unter Punkt 3.1. angeführten Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie.

Es war daher gem. § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at