Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 23.11.2023, RV/7102911/2023

Erst nach Verwendung gem. § 215 Abs. 1 bis 2 BAO verbleibende Guthaben sind auf Antrag rückzahlbar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***R1***, den Richter ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***L1*** und ***L2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines Rückzahlungsantrages, Steuernummer ***BF1StNr1*** in der Sitzung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) zur Steuernummer ***BF1StNr1*** die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von € 1.044,00.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Rückzahlungsantrag mit der Begründung ab, dass das Guthaben gemäß § 215 Abs.1 der Bundesabgabenordnung zur (teilweisen) Tilgung anderer Abgabenschuldigkeiten der Bf. zu verwenden gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf. gegen diesen Bescheid Beschwerde ein und führte aus, dass sich die Beschwerde gegen die unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung richte.

Gegenstand dieser Beschwerde sei der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung des Guthabens der Beschwerdeführerin in der Höhe von EUR 1.044,00. Es handle sich hierbei um eine Abgabengutschrift aus dem Einkommenssteuerbescheid 2022.

Laut Finanzamt sei der Bf. für die Tochter ***T*** Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von EUR 5.712,50 für den Zeitraum 2018 bis Februar 2020 überwiesen.

Unrichtigerweise gehe das Finanzamt davon aus, dass die Tochter ***T*** nicht gemeinsam mit ihrer Mutter und nunmehrigen Beschwerdeführerin an derselben Wohnadresse gelebt habe.

Tatsächlich hätten beide im Zeitraum von bis in ***Adr1*** im gemeinsamen Haushalt gewohnt. In weiterer Folge seien sie umgezogen und hätten im Zeitraum von bis Ende März 2019 in ***Adr2*** im gemeinsamen Haushalt gewohnt.

Beweis: Meldezettel ***Bf1***
Meldezettel ***T***
Meldezettel ***S***

Hinzu komme, dass die Bf. an Ihre Tochter ***T*** einen Gesamtbetrag in der Höhe von EUR 4.753,00 überwiesen habe, zunächst einen Betrag in der Höhe von EUR 4.308,00 (siehe Einverständniserklärung), im Zeitraum Juni 2022 bis Dezember 2022 Beträge in der Höhe von EUR 445,00 (siehe Kontoauszug).

Beweis: Einvernahme der Beschwerdeführerin
Kontoauszug
Einverständniserklärung ***T***

Richtig sei, dass die Bf. nunmehr gemeinsam mit ihrem Sohn ***S*** in ***Bf1-Adr***, im gemeinsamen Haushalt wohne.

Vom Finanzamt werde kein getrenntes Konto für die Tochter ***T*** und den Sohn ***S*** geführt, sondern werden fälschlicherweise beide Kinder in einem Konto zusammengelegt.

So sei es passiert, dass das Kindergeld und die Familienbeihilfe für den Sohn ***S*** mit der nicht nachvollziehbaren offenen Schuld für die Tochter ***T*** gegenverrechnet worden sei/werde.

Eine derartige vom Finanzamt vorgenommene Kompensation sei nicht zulässig.

All diese Umstände habe die belangte Behörde in ihrem Bescheid nicht berücksichtigt.

Die Bf. beziehe seit letzztem Jahr eine Mindestsicherung von der MA 40.

Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Bf. sei die Existenz der Bf. gefährdet, sodass die belangte Behörde das Guthaben der Bf. in Höhe von € 1.044,00 auszuzahlen gehabt hätte.

Beantragt werde die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Gemäß § 215 BAO sei ein sich ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschulden zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde habe.

Im gegenständlichen Fall sei das Guthaben aus der Veranlagung Einkommensteuer 2022 in Höhe von € 1.044,00 mit der Familienbeihilfenrückforderung verrechnet (***Stnr2***) worden.

Die erfolgte Aufrechnung der Familienbeihilfe für Ihren Sohn ***S*** sei zu Recht erfolgt und eine Rückerstattung an die Bf. nicht erfolgt. Die Aufrechnung sei ab 3/2023 auf € 90,00 eingeschränkt worden.

Ob und inwieweit die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kindergeldes zu Recht bestehe, sei nicht Sache des Exekutionsverfahrens. Auch sei eine getrennte Führung von Familienbeihilfenkonten für jedes Kind nicht vorgesehen.

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom ein Vorlageantrag eingebracht und dabei auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Am erging ein Mängelbehebungsauftrag zur Nachholung der Unterschriften auf der Beschwerde und dem Vorlageantrag. Dieser Mangel wurde behoben und dem BFG wurden die unterschriebenen Urkunden am übermittelt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Aus der Veranlagung der Einkommensteuer 2022 resultierte am Abgabenkonto der Bf. (***BF1StNr1***) am ein Guthaben in Höhe von € 1.044,00.

Am wurde dieser Betrag auf das ebenfalls auf die Bf. lautende Abgabenkonto ***Stnr2*** umgebucht /überrechnet und dort mit aushaftenden Beträgen aus rückgeforderter Familienbeihilfe und Kindergeld für die Jahre 2018, 2019 und 2020 verrechnet.

Die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kindergeldes für den Zeitraum November 2018 bis November 2020 für die Kinder ***T*** und ***S*** beruhen auf dem "Rückforderungsbescheid Anrechnung" vom , der mit Bescheidbeschwerde angefochten wurde.

Mit Eingabe vom , somit am Tag der Verwendung des Guthabens beantragte die Bf. die Rückzahlung des genannten Betrages in Höhe von € 1.044,00.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten der belangten Behörde und ist auch unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 215 BAO lautet:

Abs. 1: Ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Abs. 2: Verbleibt nach der in Abs. 1 vorgesehenen Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes ein Guthaben, ist dieses zunächst zur Tilgung dieser Behörde bekannter und fälliger Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes zu verwenden, soweit deren Einhebung nicht ausgesetzt ist. In weiterer Folge ist ein solches Guthaben zur Tilgung dieser Behörde bekannter fälliger Geldstrafen, Wertersätze sowie im Finanzstrafverfahren angefallener sonstiger Geldansprüche bei einer Finanzstrafbehörde zu verwenden. Die für Zwecke dieser Tilgung erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wie insbesondere der automationsunterstützte Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden, ist zulässig.

Abs. 3: Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so ist ein nach Anwendung der Abs. 1 und 2 noch verbleibendes Guthaben unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten derjenigen zu verwenden, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im eigenen Namen über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

Abs. 4: Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

§ 239 BAO lautet:

Abs. 1: Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) kann auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

Abs. 2: Die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die Höhe jener Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

Ein Guthaben entsteht erst dann, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt, wenn somit auf ein und demselben Abgabenkonto per Saldo ein Überschuss zu Gunsten des Abgabepflichtigen besteht. Maßgebend hierbei sind die tatsächlich durchgeführten Buchungen, nicht diejenigen, die nach Ansicht des Abgabepflichtigen hätten durchgeführt werden müssen.

Das Recht auf Rückzahlung bezieht sich nur auf jenen Betrag, der nach der in § 215 Abs. 4 BAO zwingend angeordneten Verrechnung (im Sinne des § 215 Abs. 1 und 2 BAO) als Guthaben verbleibt.

Erst nach Verwendung gem. § 215 Abs. 1 bis 2 BAO verbleibende Guthaben sind auf Antrag rückzahlbar (vgl. ), wobei der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist, sodass die Einwendung bezüglich der schlechten wirtschaftlichen Lage der Bf. ins Leere geht. Ohne ein solches Guthaben kann einem Rückzahlungsantrag kein Erfolg beschieden sein.

Auf dem weiteren Konto der Bf. mit der Kontonummer ***Stnr2*** haftete zum Zeitpunkt des Rückzahlungsantrages ein Rückstand aus. Dieser Rückstand ergab sich aus der Festsetzung von Abgabenschuldigkeiten, nämlich der Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und bezogenem Kindergeld für die Monate November 2018 bis November 2020.

Die Festsetzung des Rückforderungsanspruches durch das Finanzamt erfolgte mit Bescheid vom .

Die Rechtmäßigkeit der Festsetzung kann nicht im Einhebungsverfahren, somit im Rückzahlungsverfahren geklärt werden. Diesbezüglich ist auf das Beschwerdeverfahren gegen den Rückforderungsbescheid zu verweisen, das jedoch nicht Gegenstand dieser Entscheidung ist.

Dem Vorbringen im Zusammenhang mit Verrechnungsvorgängen auf dem Rückforderungskonto ***Stnr2***, ist zu entgegnen, dass die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen nicht im Rückzahlungsverfahren, sondern auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren gemäß § 216 BAO zu klären ist. Auf die diesbezüglichen Vorbringen zur Gebarung auf dem Rückforderungskonto war daher nicht näher einzugehen.

Davon abgesehen ist, soferne bemängelt wird, dass vom Finanzamt ein getrenntes Konto für die Tochter ***T*** und den Sohn ***S*** geführt werde, auf § 213 BAO zu verweisen, der wie folgt lautet:

(1) Bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, für jeden Abgabepflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlaß entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefaßt zu verbuchen.

(2) Bei den anderen als den im Abs. 1 genannten Abgaben ist die Gebarung für jeden Abgabepflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, nach den einzelnen Abgaben getrennt oder zusammengefaßt, jedoch abgesondert von den im Abs. 1 genannten Abgaben zu verbuchen.

Aufgrund des § 213 Abs. 2 BAO ist keine Kontentrennung erforderlich; Im Übrigen hätte dies auch keinen Einfluss auf die erfolgte Verrechnung mit dem Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung, da bei einer Trennung der Rückforderungen diese auf die Bf. lauten würden und somit für die Verwendung des Guthabens § 215 Abs. 1 und 2 zur Anwendung kommen würde.

Da somit ein gemäß § 239 Abs. 1 BAO rückzahlbares Guthaben auf dem Abgabenkonto des Bf. nicht besteht und sich die Verrechnung des Guthabens auf dem Konto ***BF1StNr1*** mit den Abgabenschuldigkeiten auf dem Rückforderungskonto ***Stnr2*** als rechtskonform erweist, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass die Bf. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar in ihrem Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass das BFG bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 215 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102911.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at