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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.12.2023, RV/2100598/2023

Kosten für Familienheimfahrten (hier bei steuerlich relevanten Einkünften der Ehegattin am Familienwohnort)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer 2021 (Arbeitnehmerveranlagung) wird festgesetzt mit (einer Gutschrift iHv.) € -1.535,- (Gutschriftbisher laut BVE des Finanzamtes € -688,-).

Die Ermittlung der maßgeblichen Bemessungsgrundlage und die Berechnung der festgesetzten Abgabe sind den Entscheidungsgründen sowie dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In seiner Abgabenerklärung für 2021 beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) ua. die Anerkennung von Kosten für Familienheimfahrten iHv. € 3.672,-.

Über Vorhalt des Finanzamtes gab der Bf. mit Eingabe vom an, dass die Arbeitsstätte vom Wohnort ca. 190km (einfache Strecke) entfernt liege. Er fahre mit dem eigenen PKW und beziehe vom Arbeitgeber keine steuerfreien Fahrtkosten. Er habe (am Arbeitsort) ein Zimmer gemietet.

Im angefochtenen Bescheid versagte das Finanzamt den Abzug der Kosten für Familienheimfahrten mit der Begründung, die Werbungskosten seien nicht belegt worden.

In seiner Beschwerde führt der Bf. an, er fahre wöchentlich mit seinem eigenen PKW zur Arbeit: "Wöchentlich 380km x 0,42 = € 159,60/wöchentlich - umgerechnet im Monat sind das € 691,-", also stehe ihm das Pauschale für Familienheimfahrten zu.

In der Beschwerdevorentscheidung vom brachte das Finanzamt ein Pendlerpauschale iHv. € 1.224,- (sowie einen Pendlereuro iHv. € 126,-) in Ansatz und führte begründend aus: "Für Fahrten zwischen Wohnort und Dienstort ist ein Pendlerpauschale vorgesehen. Wegen der nur einmal in der Woche stattfindenden Pendlerbewegung kann nur ein Drittel des Pendlerpauschales und des Pendlereuros anerkannt werden."

Im Vorlageantrag brachte der Bf. nochmals vor, dass er nicht täglich nach Hause fahren könne, da sein Beschäftigungsort vom Familienwohnsitz zu weit entfernt sei. Daher beantrage er den Aufwand für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mit Vorhalt vom wandte sich das Finanzamt mit folgenden Fragen an den Bf.:

"Lt. Ihren Angaben fahren Sie 1x wöchentlich an den Familienwohnsitz in A.

Wo sind Sie unter der Woche wohnhaft?
Bitte geben Sie die Adresse bekannt und belegen Sie die Höhe der Unterbringungskosten.
Sollte vom Arbeitgeber eine kostenlose Schlafstelle zur Verfügung gestellt werden, ist eine entsprechende Bestätigung vorzulegen.
Geben Sie bitte die Adresse Ihrer Arbeitsstätte bekannt."

In seiner Antwort wies der Bf. darauf hin, dass er nur Kosten für Familienheimfahrten, nicht aber solche der doppelten Haushaltsführung beantragt habe. Des Weiteren teilte er die Adresse seiner Arbeitsstätte mit (W, Niederösterreich).

Das Bundesfinanzgericht (BFG) führte ergänzende Ermittlungen durch:

Im Zuge einer telefonischen Kontaktaufnahme (am ) gab der Bf. gegenüber dem BFG ua. an, seine Ehegattin habe 2021 am Familienwohnsitz nichtselbständig gearbeitet; am Arbeitsort nächtige er in einem Wohnwagen.

Im Rahmen eines Vorhaltes an den Bf. vom ersuchte das BFG um nähere Angaben zum Wohnwagen (Abstellort, Ausstattung, Eigentumsverhältnisse etc.).

In seinem Antwortschreiben vom gab der Bf. an, dass der Wohnwagen nicht mehr angemeldet sei. Er stehe auf dem Betriebsgelände der Fa. B in W. Er bewohne diesen - während des gesamten Jahres - alleine, da nur eine Schlafkoje vorhanden sei. Seinem Schreiben legte der Bf. (ua.) mehrere Fotos des Wohnwagens sowie der Wagenpapiere und seine Fahrtaufzeichnungen bei.

Aus dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung ergibt sich, dass die Gattin des Bf. im Streitjahr aus ihrer Beschäftigung bei der J-GmbH (in E) nichtselbständige Einkünfte iHv. € 12.402,61 bezog (s. zB Einkommensteuerbescheid 2021 der Gattin-Bf. vom ).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig ist die Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten.

Der Bf. erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Er ist im Zentralen Melderegister seit 1999 mit Hauptwohnsitz in ***Bf1-Adr*** gemeldet. Unter dieser Adresse ist auch seine Ehegattin, Gattin-Bf., seit 1999 mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der Arbeitsort des Bf. liegt seit rund 10 Jahren in W.

Die einfache Fahrtstrecke zwischen dem Familienwohnort in A* und dem Arbeitsort in W beträgt ca. 190km (laut Google-Maps-Abfrage).

Die Ehegattin bezog im Streitjahr nichtselbständige Einkünfte iHv. € 12.402,61 (Fa. J*-GmbH in E; s. Einkommensteuerbescheid 2021 vom ). Die Arbeitsstätte liegt rund 14km vom Familienwohnsitz entfernt.

In W nächtigt der Bf. - seinem Vorbringen zufolge - in einem Wohnwagen, der auf dem Betriebsgelände der Fa. B abgestellt ist (s. Fotos und Wohnwagenpapiere, die der Bf. dem BFG vorgelegt hat.

Der Bf. fährt zumindest einmal pro Woche vom Arbeitsort zum Familienwohnsitz (und retour).

2. Beweiswürdigung

Der oa. Sachverhalt ergibt sich aus den angeführten Beweismitteln (ZMR-Abfragen, Einkommensteuerbescheid der Ehegattin, Maps-Abfrage, Fotos und Papiere).

Bezüglich der Heimfahrten hat der Bf. (handgeschriebene) Aufzeichnungen (jeweils mit Datum, Uhrzeiten und Kilometerständen) vorgelegt. Bei einer Fahrtstrecke von 190km und einer Fahrzeit von ca. 2 Stunden ist es zudem plausibel bzw. in Einklang mit der Lebenserfahrung (ebenso wie mit der ua. Rechtsprechung), dass der Bf. im Schnitt einmal wöchentlich nach Hause fährt.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 sind Kosten der Fahrten zwischen Wohnung am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.

Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten nur dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen und nur insoweit, als den Pflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird. Als Fahrtkosten sind jene Aufwendungen abzusetzen, die durch das tatsächlich benutzte Verkehrsmittel anfallen (Jakom/Ebner EStG, 2023, § 16 Rz 56, mwN).

Eine doppelte Haushaltsführung liegt dann vor, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (Jakom/Ebner, aaO "Doppelte Haushaltsführung").

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn (bzw. solange) dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind (zB , mwH).

Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder aber auch in der Erwerbstätigkeit seines (Ehe)Partners haben (zB ; ).

Steuerlich relevante Erwerbseinkünfte iSd. § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG des anderen (Ehe)Partners am Familienwohnsitz (bzw. in üblicher Entfernung von diesem) sprechen für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung bzw. für die steuerliche Abzugsfähigkeit der damit zusammenhängenden Kosten (zB Jakom/Ebner, aaO).

Bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes ist keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen oder der Steuerpflichtige selbst am Familienwohnsitz steuerlich relevante, ortsgebundene Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000 Euro jährlich erzielt (vgl. ; ) oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind ().

Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (zB ; ).

Auf Grund der Umstände des Beschwerdefalles ist nach Ansicht des BFG für das Jahr 2021 jedenfalls von einer Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit des Bf. auszugehen:

Die Ehegattin des Bf. ging in der Zeit von bis am Familienwohnort (bzw. in dessen unmittelbarem Nahebereich) einer nichtselbständigen Arbeit nach und bezog dafür Einkünfte iHv. € 12.402,- (s. Lohnzettel der J-GmbH).

Nach der dargestellten Rechtslage liegen somit im Streitjahr jedenfalls steuerlich relevante Einkünfte der Ehegattin vor, da diese (weit) über dem Betrag von € 6.000,- liegen und überdies in Relation zum Familieneinkommen wirtschaftlich relevant sind (die Einkünfte betragen rund 24% der Summe der Familieneinkünfte).

Damit war die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes im Jahr 2021 schon aus diesem Grund jedenfalls gegeben.

Für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung spricht im Übrigen auch, wenn der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort über keine Wohnung verfügt, sondern er dort nur eine Schlafstelle bewohnt, die nicht geeignet ist, als Mittelpunkt der Lebensinteressen angesehen zu werden (s. zB Jakom/Ebner, aaO, 915).

Der Bf. gab vor dem BFG - nach hg. Ansicht glaubhaft - an, am Arbeitsort in einem Wohnwagen zu nächtigen. Ein Wohnwagen ist aber zweifelsohne nicht geeignet, um als Mittelpunkt der Lebensinteressen zu dienen, weshalb wohl auch aus diesem Grund eine Wohnsitzverlegung an den Arbeitsort unzumutbar erscheint.

Der Bf. untermauerte sein Vorbringen durch die Vorlage von Fotos des Wohnwagens am Abstellort und (allerdings schlecht lesbare) Fotos der Fahrzeugpapiere. Sollte das Finanzamt daran zweifeln, dass der Bf. in W tatsächlich in einem Wohnwagen nächtigt (etwa weil er in der ersten Vorhaltsbeantwortung noch angab, ein Zimmer gemietet zu haben, welches aber wahrscheinlich ebenso wenig als Lebensmittelpunkt geeignet wäre), wird es im Folgezeitraum dahingehende Ermittlungen vorzunehmen haben. Denn ab hat die Ehegattin des Bf. (laut Meldungen in der Finanzdatenbank) nur noch AMS-Geld bezogen.

Über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten bestehen keine gesetzlichen Regelungen (), weshalb die anzuerkennende Anzahl der Familienheimfahrten im Einzelfall zu prüfen ist, wobei insbesondere die Distanz zwischen den beiden Wohnsitzen und die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen sein werden (). Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen sind grundsätzlich die Kosten von wöchentlichen Familienheimfahrten zu berücksichtigen ( für die Strecke Wien-Salzburg).

Der Bf. hat glaubhaft dargetan, (zumindest) einmal pro Woche nach Hause zu fahren, und dies durch entsprechende Fahrtaufzeichnungen dokumentiert. Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass er bei einer Fahrzeit von rund 2 Stunden rund einmal wöchentlich die Heimfahrt antritt. Sohin konnten die Kosten der Familienheimfahrten - in Einklang mit der zitierten Judikatur - in der Höhe des größtmöglichen Pendlerpauschales angesetzt werden (s. dazu oben die Berechnung des Bf.).

Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu. Folglich war nunmehr bei Berechnung der Abgabe der Pendlereuro außer Ansatz zu lassen, da dessen Gewährung gemäß § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 den Anspruch auf ein Pendlerpauschale voraussetzt.

Bezüglich der Berechnung der maßgeblichen Bemessungsgrundlage sowie der festgesetzten Abgabe wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das BFG konnte sich auf die jeweils zitierte Rechtsprechung stützen, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag und die Revision folglich nicht zuzulassen war.

Graz, am

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